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[116r]
Hochgeschäzter, theuerster Freund und Collega!

Mit Spix habe ich gesprochen: es laßt sich droguiren
und kaufen; Vieles ist an Thieren doppelt und mehr-
fach vorhanden: lebende wilde Katzen gibt es in
Baiern nimmer, doch ausgestopfte stehen zu Dien-
sten, auch Luxe (u. d. gl.)und dergleichen. Zur Basis sollte er freylich
vorerst wissen, was Sie bedürfen und so wird's
gut seyn, sich mit ihm selbst in Correspondenz zu setzen.
Die Adresse ist an Herrn Hofrath und Akademiker
Spix in München.

Recht herzlich danke ich für Ihren lieben Brief und für
die Genehmigung meiner Familienbitte. Neues weiß
ich Ihnen weiter Nichts zu schreiben, was Sie interessiren
könnte. Ueber 500 entbehrliche literarische Werke habe
ich verauctioniren lassen und gegen 1200 (vielleicht 2000
Bände) behielt ich noch {zurük}. Darf man etwa
auch in das Preußische (wie, dem Vernehmen nach, in
das Russische) nur eine bestimmte Zahl von Wer-
ken mitbringen?

Glauben Sie nicht, daß ich Sie diesen Herbst, welcher
hoffen läßt schön zu werden, noch in Breslau grüßen
kann? Mit der eventuelen Berufung kann
es nicht fehlschlagen, dann ich habe so wenig
über positive Religion als über Politik eine
Zeile geschrieben, und auch im Theoretischen habe
[116v]ich die jetzigen religiösen Ansichten auf das zar-
teste geschont. Uebrigens habe ich im Lehramte über
meine die Religion oder den Staat angehenden
Ansichten nie Vorträge gehalten und werde das
aus Ueberzeugung nie thun; es ist jedes Lehrers
Pflicht, unter den feuerigen Gemüthern die zur
Extravaganz geneigten zunächst in den Schranken
ihres Berufs zu erhalten; der besonnene Mann
kann, wenn er dann das Bedürfniß fühlt und
Muse hat seinen Verstand schon weiter bilden.
Ich schreibe Ihnen das, weil ich versichert bin, daß
Sie mit mir gleiche Gesinnung theilen; im
Uebrigen enthielt ich mich von je her möglichst alles
Gesprächs über jene Umtribe, ließ mir so-
gar Unkosten gefallen, um diesem Vorsatze treu
zu bleiben, und verreiste, wenn ein Gelehrter hier
war, von dem man über seine Gesinnung in
dieser Hinsicht ungewiß zu seyn schien.

Damit es nicht zudringlich scheine will ich mit
der Absendung meiner (sämmtl.)sämmtlichen Werke an Herrn
Minister von Altenstein warten, bis zur erfolgten
Berufung

Der in früheren Zeiten von unserm Könige
[117r]mir erbetene Bau zu mehrerer Bequemlichkeit
meiner durch herrliche Aussichten angenehmen
Dienstwohnung wurde seitdem bewilligt und
wir steckten 4 Wochen lang mit unserm gan-
zen Kram eine Treppe niedriger in ein paar Hörsälen. Da wir dieses mühsame
Hin- und Herziehen scheuten, und es damals
ahneten als wir frühere Ankunft in Bres-
lau
wünschten, so war das nun ein Motiv
mehr für unser nun fehlgeschlagenes Sehnen.

Wenn meine vielen Beschäftigungen mit
Bau und Umziehen beendet sind, hoffe ich, mich
mit Ihnen wieder länger unterhalten zu kön-
nen; derweil ist auch die meiste Arbeit mit
dem von mir gefertigten Repertorium
über die 100 Bände der Jahrgänge 1801-18201 unserer
(med. chir)medicinisch-chirurgischenZeitung (welches bald, etwa 80
Bogen stark, die Presse verlassen wird) vorbey,
und wie ich hoffe, werde ich bey der bevorstehenden Ver-
grösserung meiner Familie nicht zu viele Zerstreu-
ung finden. Auch mein Weib läßt dankbar
sich empfehlen.

Erhalten Sie in gütigem Andenken
Ihren
Freund
Gruithuisen
1801-1820]
CC-BY-NC-SA-4.0

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Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek

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TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 25. August 1822. Gruithuisen an Otto. Z_1822-08-25_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-3FAB-B