5. Der Tod

Die Glocken hast du noch gepflückt,
Die uns den Lenz verkünden,
Doch nicht, vom schweren Schnee' gedrückt,
In Farben sich entzünden.
Auch hast du dir zum Sonntagsstrauß
Die Veilchen noch gewunden
Und ihren Duft im Gotteshaus
So süß, wie nie, gefunden.
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Ein frischer Maienblumenkranz
War dir in's Haar geflochten,
Als dir in deinem letzten Tanz
Die zarten Schläfe pochten.
Die Rosen treffen dich schon bleich
Im Kreise deiner Schwestern:
Der weißen bist du heute gleich,
Der rothen glichst du gestern.
Doch kommen sie zur rechten Frist,
Um deinen Sarg zu decken,
Und was du warst und was du bist,
Noch einmal zu erwecken!
Die Nelken blühen mir allein
Und können mich nur freuen,
Um sie bei hellem Mondenschein
Dir auf das Grab zu streuen.

Notes
Entstanden 1856.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hebbel, Friedrich. 5. Der Tod. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3D9D-F