[178] Hermann Löns
Mein goldenes Buch

[179] [181]So dunkel ist die Ferne ...

So dunkel ist die Ferne,
Die Heide ist so leer,
Die schwarzen Krähen kommen
Hastig über sie her.
Auf weiter dunkler Heide
Ich ganz alleine bin,
Die schwarzen Krähen fliegen
Immer über mich hin.

Die Sonne ist untergegangen ...

Die Sonne ist untergegangen,
Die Nacht bricht langsam hervor,
Mit sausendem Flügelschlage
Streicht der Birkhahn ins Moor.
In dem düsteren Moore,
Da ist es schon lange Nacht,
In meiner verflossenen Seele
Kein frischer Flügelschlag wacht.
In das Moor ohne Wege und Stege
Zieht es mich mächtig hinein,
In dem pfadlosen Moore
Wird für mich Frieden sein.

Der Vollmond scheint ...

Der Vollmond scheint in mein Fenster,
Der Himmel sternenklar blinkt,
Im blühenden Nachbargarten
Laut eine Nachtigall singt.
[181]
Der weiße Holunder duftet
Schwer in mein Zimmer hinein,
Auf meines Bettes Kissen
Fällt der Mondenschein.
Die Nachtigall singt im Garten,
Hell ist der Mondenschein,
Schwer duftet der Holunder
Und ich bin so allein.

Die Wiesen silbern liegen ...

Die Wiesen silbern liegen
In dämmrigen Mondenschein,
Wie arme, verlassene Seelen
Jammernd die Kiebitze schrein.
Finster ist meine Stirne,
Die Nacht ist stumm und weit,
Es jammert in meiner Seele
Die Hoffnungslosigkeit.

Das ist am See ...

Das ist am See der Weidenbaum,
Der wiegt und biegt sich hin und her,
In seinem Stamm hat die Eule Raum,
Seine Zweige sind so leer.
Einst war er jung, einst war er grün,
Und trug viel goldner Schäfchen Pracht,
Die Bienen summten in sein Blühn
Und holten süße Tracht.
Mein armer, alter Weidenbaum,
Ich weiß, ich weiß, woran du krankst,
In mir auch hat die Eule Raum,
Ich habe solche Angst.

[182] Weihnachtsabend

Schwarz stehen die nackten Bäume,
Ich gehe am Holze her,
Der Weihnachtsabend ist dunkel,
Mein Herz ist müde und schwer.
Dünn klingt vom Försterhause
Der Kinder heller Gesang,
Die Christbaumlichter flimmern,
Vom Dorfe kommt Glockenklang.
Ich habe ihn lange vergessen,
Den alten Kindertraum,
Mir klingen nicht die Glocken,
Mir strahlt kein Tannenbaum.

Nordostwind

Nordostwind pfeift im Moore,
Scharf treibt der feine Schnee,
Hungrig zieht den Moordamm
Entlang ein kümmerndes Reh.
Der Treibschnee zischelt und ruschelt,
Verloren die Wege sind,
Ich friere in meiner Seele
Und eisig pfeift der Wind.

Murmelwind

Die Fuhrenkusseln streichelt
Ein leiser Murmelwind,
Gleichmäßiges, ruhiges Hellgrau
Das weite Moor überspinnt.
So schläfrig zirpen die Grillen,
So stille ist's weit und breit,
In meine zitternde Seele
Stiehlt sich die Gleichmütigkeit.

[183] Bergwaldwildnis

Was frag ich nach den Menschen
Und nach der lauten Stadt,
Wenn mich die Bergwaldwildnis,
Die weiße Stille hat.
Die Buchenstämme stehen
So schwarz im weißen Schnee,
Seinen Schlafbaum sucht der Bussard,
Zu Felde zieht das Reh.
Der Fuchs bellt unten im Grunde,
Die Eule gibt keine Ruh,
Der Abendwind rührt an den Zweigen,
Der Schnee fällt immerzu.
Im Tale funkeln die Lichter,
Was kümmert mich ihr Schein,
Ich stehe oben am Hange
Und bleibe für mich allein.

Aus weißen Nebeln ...

Aus weißen Nebeln tauchen schwarze Bäume,
An kahlen Büschen perlt der Silbertau,
Aus blauen Wäldern fließen rote Gluten,
Die Sonne kommt, die Luft weht scharf und rauh.
Das wird ein schöner Tag, schön wie die Liebe,
Die Liebe einer strengen, stolzen Frau.
So reich an Helligkeit und Glut und Wonne,
Und gab sie sich auch erst so kalt und rauh.
Der Nebel fällt als feiner Regen nieder,
Die Luft wird wieder dick und grau und schwer,
Die Sonne kommt nun heute nicht mehr wieder,
Mein Herz bleibt wieder taub und kahl und leer.

Das kleine Licht

Den weißen, mondbeschienenen Weg
Zwei schwarze Mauern säumen,
Ein schwarzes, schweigendes Geheg
Von schwarzen, schweigenden Bäumen.
[184]
So weit ist der todeseinsame Pfad,
So eng die Nähe dunkelt,
Dort hinten, wo schwarz sich die Wolke naht,
Ein glimmendes Lichtchen funkelt.
Die Nacht immer schwerer herniederbricht,
Müdigkeit meine Stirne befeuchtet,
So ferne zittert das kleine Licht
Und ich weiß nicht einmal, wo es leuchtet.

Ein weißer Vogel

Über das schwarze Torfmoor,
Über das gelbe Ried
Einsam und verloren
Eine weiße Weihe zieht.
Ein lichtes Liebesgedenken
In meiner Seele lebt,
Über die schwarze Wüste
Ein weißer Vogel schwebt.

Der späte Mai

Die roten Blätter rauschen,
Der Sommer ist lange vorbei,
Es leuchten unsere Augen,
Es blüht in uns der Mai.
Wir können die Liebe nicht bergen,
Wir sind uns viel zu gut,
Es brennen unsere Lippen,
In den Schläfen klopft unser Blut.
Wir reden schüchterne Worte,
Wir sehn aneinander vorbei,
Scheu wie die erste Liebe
Macht uns der späte Mai.
Was zögerst du, was zagst du,
Wer weiß, bald fällt der Schnee,
Die ungeküßten Küsse,
Das ist das bitterste Weh.

[185] So schreit meine Seele ...

Das Abendrot zerlodert im Moore,
Die Dämmerung spinnt die Heide ein,
Aus dunkelblauem Abendhimmel
Hör ich die wandernden Kraniche schrei'n.
Sie schrei'n so wild, so heiß, so hungrig
Nach ihrer Heimat weit von hier,
So schreit meine Seele hungrig und bange,
Bist du nicht bei mir, immer nach dir.

Mittagsstille

Silbereis liegt auf den Gräben,
Auf dem Weg Goldsonnenschein,
Auf dem Weg, mein süßes Leben,
Den wir gehen ganz allein.
Keine Blume sprengt die Hülle,
Und kein Spierchen schiebt das Ried,
In die große Mittagsstille
Singt ein Vogel nur sein Lied.
Was er singt, wir wissen's beide,
Denn in unsern Herzen klingt,
Was die Ammer in der Weide
Immer immer wieder singt.

Märzschnee

Märzschnee rieselt durch die Zweige
Und umspinnt den weiten Wald,
Alle Vogellieder schweigen
Und es wird so stumm und kalt.
Eine kleine graue Meise
Trillert einmal noch ihr Lied,
Einmal noch ein Sonnenstreifen
Dünn den stillen Wald durchzieht.
Auf den kalten, nassen Wegen
Gehe ich mit leichtem Fuß,
Wie ein Lied war mir dein Lächeln
Und wie Sonnenschein dein Gruß.

[186] Frühling

Hoch oben von dem Eichenast
Eine bunte Meise läutet
Ein frohes Lied, ein helles Lied,
Ich weiß auch, was es bedeutet.
Es schmilzt der Schnee, es kommt das Gras,
Die Blumen werden blühen,
Es wird die ganze weite Welt
In Frühlingsfarben glühen.
Die Meise läutet den Frühling ein,
Ich hab es schon lange vernommen,
Er ist zu mir bei Eis und Schnee
Mit Singen und Klingen gekommen.

Frühlingsabend

Der Abendstern blinkt durch die Zweige,
Es schwimmt der Wald in blauem Duft,
Die allerletzte Drossel flötet,
So weich und milde ist die Luft.
Die gelben Haselkätzchen zittern
Im Abendwinde hin und her,
Ich träume in den Frühlingsabend
Und meine Brust seufzt tief und schwer.
Es ist ein Seufzer voller Sehnsucht,
Halb ist es Leid, halb ist es Lust,
Auch du denkst meiner diese Stunde,
Schwer hebt sich jetzt auch deine Brust.

In knospenden Zweigen ...

In knospenden Zweigen schmettern die Finken,
Es trommelt der Specht sein Liebeslied,
Der Tauber ruckst im Eichenwipfel,
Ein Zittern und Beben den Wald durchzieht.
Im Fallaub leuchten einzelne Blüten,
Der Wald wird morgen voll Blumen sein,
Es hat erweckt sein Singen und Blühen
Aus unseren Augen der Sonnenschein.

[187] Die Nacht ist still ...

Die Nacht ist still, ich stehe am Fenster,
Am Monde vorüber die Wolken fliehn,
Mit leisem Singen oben, hoch oben,
Den Augen nicht sichtbar, die Singschwäne ziehn.
Das klingt und singt durch die nächtliche Stille
Das singt und klingt und klingt und singt
So sehnsuchtsvoll nach jenem Lande,
Dem Lande, das ihnen als Heimat winkt.
Meine Gedanken, die wandern wie Schwäne
Hell und schimmernd dahin durch die Nacht
Und singen Lieder in deine Träume,
Du schläfst, und dein roter Mund, der lacht.

Scharf pfeift der Wind ...

Scharf pfeift der Wind am Holzrand her,
Wir gehen fest umschlungen,
Leer ist der Wald, der letzte Ton
Der Abendglocke verklungen.
Zu schwarzen Massen ballen sich
Der Eichen kahle Zweige,
Der Waldkauz ruft so dumpf und hohl,
Der Tag geht auf die Neige.
Wir lachen in die Finsternis
Und gehen auf schwarzen Wegen
Mit frohen Augen leichten Schritts
Dem Morgenrot entgegen.

Voll Seufzen und Sehnsucht

Die silbernen Espenkätzchen
Zittern im Abendwind,
Ein bläuliches Gedämmer
Die Blöße überspinnt.
Des Mondes goldene Sichel
Hinter den Eichen steht,
Ein heimliches Geflüster
Durch die Büsche geht.
[188]
Über die Tannenkronen
Lautlos die Eule zieht,
Hinten, ganz hinten im Walde
Ruft sie ein Liebeslied.
Durch das Schweigen des Waldes
Zog es dich zu mir,
Ein Lied voll Seufzen und Sehnsucht
Das schrie und rief nach dir.

Gold

Gold hängt an dem Weidenbusch,
Gold den Weg umzieht,
Meine Geliebte gestern da ging,
Auf lächelnden Lippen ein Lied.
Lächelnde Lippen haben mir
Gestern entgegengeblüht,
Goldene Lieder mein Herz ersinnt,
In goldenen Träumen es glüht.

Dein Lachen

Es leuchtet aus der Dämmerung
Der Abendsonnenschein,
Rotkehlchen singt sein Silberlied,
Mir fällt dein Lachen ein.
Dein Lachen, das so silbern perlt,
So hell und klar und rein,
Rotkehlchen singt sein Silberlied
Beim Abendsonnenschein.

Sonntag Palmarum

Heute ist Sonntag Palmarum,
Der Wald ist voll Sonnenschein,
Ich bat dich, du möchtest kommen,
Du sagtest, es könne nicht sein.
Mit goldenen Palmen prangen
Die Büsche am Waldesrand,
Mit ängstlichem Herzen ich wartend,
Unter der Saalweide stand.
[189]
Mir blühte nicht die Weide,
Kein Vogel ein Lied mir sang,
Ich sah mit traurigen Augen
Den sonnigen Weg entlang.
Nun bist du doch gekommen,
Liebste, ich wußte es ja,
Goldgelb blühen die Weiden,
Sonntag Palmarum ist da.

Osterfeuer

Die goldenen Osterfeuer glühen,
Der Frühling kam in die Welt hinein,
Ich sehe deine Wangen glühen
In unserer Feuer rotem Schein.
Zwei Feuer nebeneinander flammen,
Wir haben lächelnd die Glut entfacht,
Die roten Flammen schlagen zusammen
Und lodern vereinigt in die Nacht.
Es lodern und leuchten und zittern und sprühen
Zwei Flammen heiß in die Nacht hinein,
Und unsere Wangen flammen und glühen
Von unserer Liebe Widerschein.

Goldene Lichter

Das junge Rohr im Teiche
Starrt wie ein Lanzenwall,
In den Weiden jubelt
Klagend die Nachtigall.
Hinter den Ellern erblasset
Rosig die Abendglut,
Goldene Lichter zittern
Über die dunkle Flut.
Goldene Lichter zittern
Über mein Leben hin,
Seit ich deiner Augen
Leuchten begegnet bin.

[190] Morgenrot

Die Morgendämmerung ist zerflossen,
Die Sonne über die Wälder loht,
Ich grüße mit großen, frohen Augen
Das flammende, leuchtende Morgenrot.
O Morgenrot, so lange Jahre
Bin ich gegangen in schwarzer Nacht,
Mir blühet keine helle Blume,
Mir hat kein Sonnenschein gelacht.
Es fiel kein Lichtschein in mein Dunkel,
Kein Stern an meinem Himmel stand,
Mit kalter Seele, totem Herzen,
So ging ich durch das schwarze Land.
Die Blumen blühn, die Vögel singen,
So wonnig warm die Sonne lacht,
Du hast mit deiner hohen Liebe
Aufs neue mich zur Welt gebracht.

Sehnsucht

Die Lungenblumen blühen
Aus dunkelgrünem Moos,
Mein Herz das bebt und zittert
Meine Sehnsucht ist so groß.
Die beiden blauen Blüten
Erinnern mich so sehr
An deine lieben Augen,
Mein Herz das schlägt so schwer.
Es geht ein Zittern und Beben
Durch meiner Seele Grund,
Rot ist die eine Blüte,
Rot wie dein roter Mund.

Schmetterling

In blauen Streifen fällt das Licht
In unsern stillen Wald,
Des Schwarzspechts heller Glockenton
Zu uns herüberschallt.
[191]
Ich gehe den Weg mit leichtem Schritt,
Einst ging ich ihn müde und schwer,
Ein großer schwarzer Schmetterling
Flog lockend vor mir her.
Mit seligen Augen streif ich dein Haar,
Das sich im Nacken rollt,
Der Schmetterling, der vor uns schwebt,
Der ist so gelb wie Gold.

Mit schmetterndem Schlage ...

Mit schmetterndem Schlage steigt ein Vogel
Über die Birken jauchzend empor,
Mit seligem Sange sinkt er nieder
Zu seinem Liebchen in dem Moor.
Mein Lied erhebt mich in den Himmel
Und führt mich sanft zu dir zurück,
Zur Höhe führt mich deine Liebe
Und auf der Erde wohnt mein Glück.

Alle Birken grünen ...

Alle Birken grünen in Moor und Heid,
Jeder Brahmbusch leuchtet wie Gold,
Alle Heidlerchen dudeln vor Fröhlichkeit,
Jeder Birkhahn kullert und tollt.
Meine Augen, die gehen wohl hin und her
Auf dem schwarzen, weißflockigen Moor,
Auf dem braunen, grünschäumenden Heidemeer
Und schweben zum Himmel empor.
Zum Blauhimmel hin, wo ein Wölkchen zieht
Wie ein Wollgrasflöckchen so leicht,
Und mein Herz, es singt sein leises Lied,
Das auf zum Himmel steigt.
Ein leises Lied, ein stilles Lied
Ein Lied, so fein und lind,
Wie ein Wölckchen, das über die Bläue zieht,
Wie ein Wollgrasflöckchen im Wind.

[192] Goldene Sonnen

Lauter kleine goldene Sonnen
Leuchten aus dem Rasengrün,
Lauter große goldene Träume
Stolz in meiner Seele blühn.
Jeder Baum ist voller Blüten,
Jeder Vogel jubelt laut,
Jeder Halm und jede Rispe
Ist mit Tropfen schwer betaut.
Und ich gehe, dein gedenkend,
Durch das taubeperlte Ried,
In den Augen feuchtes Glänzen,
In der Brust ein Frühlingslied.

Im Stangenholz ...

Im Stangenholz ruschelt es leise,
Die Uhlenflucht beginnt,
Zu schüchtern flüsternder Weise
Erstirbt der Tagewind.
Nun, Liebste, laß uns gehen
Tief in den Wald hinein,
Wo die Buchen wie Säulen stehen,
Versilbert vom Mondenschein.
Wo schwarze Schatten liegen
Auf der Wege hellem Grund,
Da will ich mich an dich schmiegen
Mit Herz und Hand und Mund.
Kein Wörtchen will ich sagen,
Will sein ganz stumm und still,
Meines Herzens lautes Schlagen
Allein zu dir sprechen will.

Lustgeschmetter

Goldene Knospenhülle schütten
All die jungen Buchenblätter,
Und den ganzen Wald durchjubelt
Liebessang und Lustgeschmetter.
[193]
Um die weißen Sterngrasblumen
Tanzen goldne Schmetterlinge,
Und um jede kleine Blüte
Geht ein summendes Geklinge.
Lachend faß ich deine Hüfte,
Hab so lange dursten müssen,
Lange lange lange Jahre,
Ach so sehr, nach deinen Küssen.

Rosenschein

Die grünen Wälder versinken
In violettem Duft,
Ein schwarzer Reiher rudert
Durch die tiefblaue Luft.
Das letzte Sonnenglühen
Am Himmelsrande loht,
Die schwarzen Heidewasser
Färben sich rosenrot.
Ich gehe mit sicheren Augen
In die Nacht hinein,
Vor mir ist meiner Liebe
Leuchtender Rosenschein.

Aus deinen blauen Augen ...

Die jungen Blätter der Buchen
Die sind so frisch und grün,
Der Waldmeister duftet betäubend,
Die goldenen Waldnesseln blühn.
Die weißen und goldenen Blumen
Die bindest du mir zum Strauß,
Aus deinen blauen Augen
Lächelt die Liebe heraus.

Alle Birkenzweige ...

Alle Birkenzweige schwenken
Fröhlich jetzt ihr Maiengrün,
Und in vollen gelben Dolden
Alle Schlüsselblumen blühn.
[194]
Singt das Lied von goldenen Blumen,
Singt das Lied vom jungen Grün.
Singt das Lied von unserer Liebe
Und von unserer Herzen Blühn.
Unser Lied, das ich gefunden,
Unser Lied, das in mir klang,
Als die Sonne deiner Liebe
Mir das kalte Herz bezwang.

Es singt der Star ...

Es singt der Star, die Sonne lacht,
Im Blütenschmuck die Bäume stehn,
Ein Tag ist hin und eine Nacht,
Seitdem ich dich nicht hab' gesehn.
Der Himmel ist so hoch und blau,
Die Erde trägt ihr Hochzeitskleid,
Ich sehe alles grau in grau,
Mich friert in meiner Einsamkeit.
Mich friert in meiner schwarzen Nacht,
Ich habe keinen Sonnenschein,
Wann geht die Sonne auf voll Pracht,
Wann wirst du wieder bei mir sein?

Über die Heide ...

Über die Heide sind wir gegangen,
Und die Heide war blütenleer,
Goldene Käfer flogen schimmernd
Auf dem Sande vor uns her.
Alle Fuhrenzweige blühten,
Und die Heidelerche sang
Aus der wolkenlosen Höhe
Süß zu unserm Heidegang.
Einen Busch von goldenem Ginster
Hieltest du in deiner Hand,
Den ich an dem Hünengrabe
Zur Erinnerung dir band.
[195]
Zur Erinnerung an die Stunde,
Die in uns noch lange glüht,
Wenn an deinem Ginsterstrauße
Alle Blumen sind verblüht.

In schwarzen Büschen ...

In schwarzen Büschen flüstert der Nachtwind,
Ein Eulenruf schallt aus dem Moor,
Grau ist die Nacht, zwei Sterne blinken
Aus grauen Wolken schimmernd hervor.
Die Sterne blitzen, die Sterne blinken,
Süßes Gedenken mein Herz umspinnt,
Aus deinen Augen schimmern mir Sterne,
Wenn sie ganz nahe an meinen sind.

Zärtlichkeit

Der blaue und der weiße Flieder
Umduftet unsere Laubenbucht,
Goldregen pendelt auf uns nieder
Der blütenschweren Zweige Wucht.
Viele weiße Schmetterlinge fliegen,
Der Spötter singt im Rosendorn,
Ganz langsam sich die Zweige wiegen.
Ein warmer Wind geht über das Korn.
Die Sonne spielt auf deinen Händen,
Die lässig ruhn auf deinem Kleid,
Mein Blick will sich davon nicht wenden,
Mein Herz denkt lauter Zärtlichkeit.

Die Tannendickungen düstern ...

Die Tannendickungen düstern
Im Mondschein schwarz und schwer,
Im Gaukelflug kommt darüber
Schwebend die Nachtschwalbe her.
Auf und nieder tanzend
Sie ihr Weibchen umzieht,
Girrend ertönt ihr goldenes
Jauchzendes Liebeslied.
[196]
Liebe, irdische Liebe,
Auch den Vogel der Nacht,
Den düsteren Vogel des Schattens,
Hast du zum Sänger gemacht.

Morgensonne

Die Morgensonne umbrandet
Den Wald mit brausender Flut,
Gold ist vor meinen Augen
Und rosenrote Glut.
Gold ist vor meinen Augen
Und rosenrote Glut,
Die warme Morgensonne
Auf deinem Haare ruht.

Wunderblüten

Zwischen hohen Ginsterbüschen
Ruhst du jetzt vom weiten Weg,
Gelbe Wunderblüten bauen
Um dich her ein Goldgeheg.
Gelbe Wunderblüten senken
Huldigend sich auf dein Haar,
Und das schimmert in der Sonne
Märchenhaft und wunderbar.
Und ich lieg zu deinen Füßen,
Seh bewundernd auf dich hin,
Auf mein Lieb im goldnen Ginster,
Meine goldene Königin.

Träume

Die Nacht kriecht aus dem Garten,
Die Katze schleicht in das Haus,
Zwischen den blühenden Bäumen
Flattert die Fledermaus.
Die rosigen Apfelblüten
Unstet sie umschwirrt,
Wie ein grauer Gedanke,
Der mir durch die Träume irrt.
[197]
Rosig sind meine Träume,
Sie blühen im Sonnenschein,
Die Fledermaus, die graue,
Wird bald verschwunden sein.

Wiesengras

Das Wiesengras ist lang und weich,
Die Sonne flammt und glüht,
Um rote Disteln zittert die Luft,
Die ganze Wiese blüht.
Wie Wachen, stark und scharf bewehrt,
Die Disteln uns umblühn,
Weich ist und lang das Wiesengras
Und deine Lippen glühn.
Deine glühenden Lippen zittern leicht,
Wie Blumenblätter im Wind,
Deine Lippen, die viel roter noch
Wie die roten Blumen sind.
Ich sehe die roten Blumen nicht,
Ich sehe dich nur an
Und küsse deinen roten Mund,
Solange ich küssen kann.

Du ruhst in meinem Schoße ...

Die grünen Buchenblätter
Schatten so schwer und dicht,
Auf rotem Vorjahrslaube
Spielt blau das Sonnenlicht.
Du ruhst in meinem Schoße,
Dein Atem geht so leis,
Es fiel aus deinen Händen
Der Strauß von Ehrenpreis.
Der Duft aus deinem Blondhaar
Berauschend mich umweht,
Um meine seligen Lippen
Ein stilles Lächeln geht.

[198] Ein welkes Blatt

Warm sind die leisen Lüfte,
Die Zweige sind blütenschwer,
Unstet treibt auf dem Rasen
Ein welkes Blatt einher.
Aus den blühenden Veilchen
Stößt es der Wind in den Sand,
So war einst meine Seele
Eh sie die deinige fand.

Königin

Alle Königskerzen werden blühen
An den Rainen deinen Weg entlang,
Alle Purpurdisteln werden glühen
An der Straße, die dich führt dein Gang.
Alle Quellen werden fröhlich springen,
Wenn dein Kommen benedeit den Wald,
Alle Vögel werden lustig singen,
Wenn sich nahet deine Holdgestalt.
Feld und Flur, sie werden herrlich prangen
Und die Sonne lacht darüber hin,
Wenn sie lächelnd kommt den Weg gegangen,
Meine wunderschöne Königin.

Der Kuckuck

Der Wald ist still, der Wald ist stumm,
Es bebt kein Blatt, es nickt kein Zweig,
Ein Vogelruf von ferne schallt,
So voll und rund, so warm und weich.
Das ist der Kuckuck, der da ruft,
So laut, so laut im tiefen Wald,
An meine Schulter drängst du dich,
Und deine Hand sucht bei mir Halt.
Du bist so still, du bist so stumm,
Ich höre deines Herzens Schlag,
Du hältst den Atem an und zählst,
Wie oft der Kuckuck rufen mag.
[199]
Ich lächle deiner Kinderangst,
Du meine süße Wonne du,
Es blüht uns noch so mancher Mai,
Der Kuckuck ruft ja immerzu.

Die Rosenbüsche ...

Die Rosenbüsche sind behangen
Mit wunderbarer Blütenpracht,
Das ist ein märchenhaftes Prangen,
Mein Herz, das singt und klingt und lacht.
Im weißen Kleid kommst du gegangen
In einer Flut von Sonnenschein,
Die Rosenbüsche schmachtend prangen,
Ich sehe nur noch dich allein.

Märchen

Am Heidehügel geht ein Singen,
Ein leises Singen her und hin,
Da wiegt in einer goldenen Wiege
Ihr Kind die Zwergenkönigin.
Ich denke an das alte Märchen,
Es liegt mein Kopf in deinem Schoß,
Dein Mund singt mir ein Wiegenliedchen,
Und meine Augen werden groß.
Mein Herz, das ist so still und selig,
Ein goldener Traum darüber fliegt,
Es liegt in einer goldnen Wiege,
Die langsam hin und her sich wiegt.

Schwefelgelbe Blitze ...

Schwefelgelbe Blitze fahren
Durch die blaue Sommernacht,
Knirschend sich die Buchen biegen
Und es stöhnt und pfeift und kracht.
Und es kracht und knirscht und donnert
Und die stärkste Buche liegt
Mit den Wurzeln ausgerissen
Vor mir wettersturmbesiegt.
[200]
Wie ein Wetter war die Stunde,
Die mich brausend überwand,
Als ich ohne Kraft und Willen
Mich zu deinen Füßen fand.

Sei still ...

Es irrt ein letzter Sonnenstrahl
Im grünen Eichenlaube,
Sei still, sei still, der Täuber ruft,
Er ruft nach seiner Taube.
Es ruft ein heißes Lied in mir
Und meine Augen flehen,
Sei still, sei still und sieh mich an,
Dann wirst du es verstehen.

Schneeweiße Wetterköpfe ...

Schneeweiße Wetterköpfe
Lagern am Himmelsrand,
Auf den gemähten Wiesen
Brütet der Sonnenbrand.
Aus den welkenden Gräsern
Steigt ein schwerer Duft,
Voll von süßen Gerüchen
Ist die zitternde Luft.
Langsam gehen wir beide
Über das duftende Heu,
Aus der blauen Höhe
Ertönt eines Falken Schrei

Unsere Liebe

Die Weidenröschen bedecken
Die Blöße mit Purpurpracht,
Durch rote Tannenstämme
Die goldene Sonne lacht.
[201]
Der Wind treibt goldene Wellen
Über den blauen See,
Ein großer goldener Vogel
Schwebt langsam auf zur Höh'.
Wir folgen ihm mit den Augen
Und sehen uns lächelnd an,
So hoch wie unsere Liebe
Er niemals fliegen kann.

Schatten

Krauser Birkenzweige Schatten
Tanzen auf dem weißen Sand.
Meine Augen sind voll Sehnsucht
Auf die Schatten hingebannt.
Deiner Locken Schatten denk ich,
Die auf deiner Stirne sind,
Die bei meinen Seufzern tanzen,
Wie die Zweige in dem Wind.

Mittagsluft

Die Bienen summen im Heidekraut,
Es bebt die Mittagsluft,
Aus all den roten Blütchen steigt
Ein voller Honigduft.
Ein kleiner blauer Schmetterling
Der flog auf deine Hand,
Die Sonne durch den Ginsterbusch
Auch deine Finger fand.
Fort flog der blaue Schmetterling
Der Sonnenstrahl verschwand,
Und meine Lippen ruhen jetzt
Auf deiner weißen Hand.

[202] Hell ist die Sonne ...

Über den grünen rotblumigen Klee
Tanzen die Falter, weiß wie der Schnee,
Über den Feldern ist Lerchengesang,
In der Ferne ist Dorfglockenklang.
Rot und blau alle Feldränder blühn,
Weißgestickt ist das Wiesengrün,
Hell ist die Sonne und weit ist die Welt
Und mein Arm dich umschlungen hält.

Golden

Die goldene Mittagssonne
Durch zitternde Wipfel dringt,
Seine goldene Wunderweise
Der goldene Pfingstvogel singt.
Das goldene Lied von der Liebe,
Von goldenem Glücke den Sang,
Von alten, goldenen Zeiten
Den alten, goldenen Klang.
Ich sehe die Zukunft leuchten
Golden und wunderbar
Und küsse mit bebenden Lippen
Dein goldenes Nackenhaar.

Rote Gluten

Die Sonne taucht in rote Gluten
Und goldenes Leuchten Wald und Feld,
Dein Haupt ruht eng an meiner Schulter,
Mein Arm dich fest umschlungen hält.
Es brechen lauter goldene Lichter
Und rote Flammen aus dem Wald,
Du schaust hinein mit großen Augen
Und suchst an meinem Herzen Halt.
Die letzten Gluten sind verglommen,
Vorüber ist die Abendpracht,
Es kündete das Flammen und Glühen
Uns eine goldene Sonnennacht.

[203] Mohnblumen

Mit roten Feldmohnblüten
Hatt' ich dein Haar geschmückt,
Die roten Blumenblätter
Die sind nun alle zerdrückt.
Du bist zu mir gekommen
Beim Abendsonnenschein,
Und als die Nacht hereinbrach,
Da ließest du mich allein.
Ich höre die Stille rauschen
Und sehe die Dunkelheit sprühn,
Vor meinen träumenden Augen
Purpurne Mohnblumen blühn.

Notes
Erstdruck: Hannover (Schaper) 1901.
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