Nr. 139. Der Bergmönch vom Klausthal und vom Zellerfeld. (I–VIII.)

I.

Der Bergmönch, der sich auf dem Klausthal und dem Zellerfeld zeigt, ist früher ein Bergmeister gewesen, der solche Freude an dem Bergbau gehabt hat, daß er im Tode den lieben Gott gebeten hat, er möge ihm statt der seligen Ruhe im Himmel lieber die Erlaubnis geben, bis auf den jüngsten Tag in Berg und Thal und Gruben und Schachten umherzufahren und den Bergbau zu beaufsichtigen. Diese Bitte ist ihm gewähret. Der Bergmönch erscheinet den Menschen in der Kleidung eines Bergmeisters mit einem silbernen Grubenlichte. Seine Beschäftigung ist diese: er durchfährt alle Stollen, durchspürt jeden Bau, geht auch am Tage (das heißt auf der Oberfläche der Erde) an solchen Stellen, unter denen Erzgänge liegen, hin und her, und zwar bald langsam, bald [117] schnell wie der Blitz. Bisweilen setzet er sich auf die Kunstgänge, oder er hält sie auf, oder er drillt auch die Wasserräder, je nachdem seine Laune ist, oder je nachdem er den Schützer leiden mag oder nicht. Er tritt manchmal aus dem festen Gestein heraus in den Gruben, und das feste Gestein thut sich vor ihm auf, und ist er hineingetreten, schließet es sich hinter ihm so fest, daß keine Spur bleibet. Man hat ihn des nachts oft aus alten Stollenmundlöchern und aus alten Pimpen, auch aus den engsten Räumen der Radstuben herauskommen und in denselben verschwinden sehen. Wem er gut ist, dem thut er manchen Gefallen, macht ihm Geschenke und erscheint ihm in Menschengestalt und in Menschengröße. Wem er böse ist, oder wo er sich unbeachtet glaubet, oder sich um das Auge der Menschen nicht kümmert, erscheint er in seiner wahren Gestalt. Dann ist er riesengroß, gekleidet wie ein Geschworener. Seine Augen sprühen Flammen und sind wie Kutschenräder, sein silbernes Grubenlicht ist so groß wie ein Scheffel, und die Flamme desselben ist von entsprechender Größe und Helle, seine Beine sind wie Spinnengewebe. Wenn ein Bergmann seine Pflicht nicht thut, giebt er ihm den Rest.

II.

Das Mönchsthal bei Klausthal hat seinen Namen vom Bergmönch, der hat hier seinen Lieblingsaufenthalt gehabt. Es hat auch hier früher sehr reiche Gruben gegeben. Da ist der Bergmönch manchmal in der Grube erschienen, ja wohl gar in die Bucht gekommen, und die Bergleute haben sich an ihn gewöhnet, daß sie eben keine Furcht mehr vor ihm gehabt haben. Aber manchmal hat er auch seine Launen gehabt, hat die Schütteln aufgehoben, daß man die Wasserräder nicht hat zum Stehen bringen können, oder hat die Kunst aufgehalten und die Bergleute erschrecket durch allerlei abenteuerliche Spiele und Neckereien. Dadurch ward er endlich den Bergleuten zur Last und sie haben ihn gern los sein wollen. Endlich folgten ihm einmal ein paar Bergleute nach und legten, so wie sie gingen, Kreuze vor sich hin. Da ging der Bergmönch zuletzt in eine Schlucht hinein, welche hinten durch eine nackte Steinwand geschlossen wird. Der Bergmönch blickte sich noch einmal um und sah ganz zornig aus. [118] Darauf rührte er den Stein an. Sowie er den angerührt hatte, that er sich voneinander und der Bergmönch trat hinein. Gleich darauf schloß sich die Wand wieder fest zusammen. Seit der Zeit ist der Bergmönch nicht wieder in die Gruben gekommen, aber diese sind auch alle überschwemmt und man hat sie auflassen müssen und bis auf diesen Tag sind die Wasser im Mönchsthal nicht zu gewältigen und keine Grube hat Glück. An der Stelle, wo der Bergmönch in den Fels gegangen ist, auf der nämlichen Felswand ist das Bild eines Bergmannes zu sehen; man kann aber den Stein jetzt nicht mehr finden.

III.

Es hieß eine Grube »der alte Segen,« darinnen arbeitete ein Bergmann, der kam abends, als er heimkehren wollte, in einen Gang und ging lange darin hin. Zuletzt wollte sein Licht ausgehen, da kam der Bergmönch, gab ihm ein ordentlich Stück Inselt (Unschlitt) und winkte ihm, nur noch weiter in dem Gange hinzugehen. Zuletzt kam er in einen Schacht, den er gar nicht kannte, und sah Gold und andere edle Erze. Sein Licht aber verminderte sich gar nicht und sein Kamerad fragte ihn, woher er es hätte. Endlich verzählte ers, aber als es heraus war, schmolz sein Licht schon zusammen und von dieser Zeit an ist auch das ganze Gold und Stufferz, das in diesem Gange gewesen ist, wie das Talg zerschmolzen und wie in die Luft gespritzt.

IV.

Einem Bergmann Ahrend, dem der Bergmönch auch Inselt gegeben hatte und der es gegen die Kameraden ausplauderte, stellete der Bergmönch nach. Am Weihnachtsheiligenabend wollte der Bergmönch ihm in einer Grube etwas anthun, da kam aber seine Frau, die sammelte im Sommer heilsame Kräuter und hatte einen Kräuterbeutel auf der Brust hängen. Da warf der Bergmönch den Ahrend lebendig aus der Grube und sagte zu der Frau ärgerlich:


Hättest Du nicht Dill und Dust,

So hätt' ich es wohl gewußt,


d.h. er hätte wohl gewußt, was er sonst gethan, nämlich, daß er dem schwatzhaften Bergmann ein Leid zugefügt hätte.

V.

Der Bergmönch hat einem Weilarbeiter gesagt, daß er nicht eher arbeiten solle, bis drei Tage vor der Abnahme. [119] Immer drei Tage vor der Abnahme wolle er kommen und das Geding richtig machen. Er dürfte es aber niemand sagen. Er wolle ihm Öl auf seine Lampe gießen, das solle so lange brennen, als er lebe, wenn er reinen Mund hielte. Da ist er verschwunden in die Kluft hinein, wo alles geblitzt und geblänkert hat. Der Bergmönch machte nun stets die Arbeit für den Weilarbeiter. Als dieser aber beim Trunk diese Sache verzählte, verdörrte das Licht und der Bergmönch kam nicht wieder, um für ihn zu arbeiten.

VI.

Es ist einmal ein Bergmann kommen, der hat Arbeit gesuchet und die ist ihm angewiesen an einer Stelle, wo es sehr schwer gewesen ist, das Erz loszuhauen. Als es nun an die Arbeit gehen sollte, sagte er zu seinem Kameraden, der schon längere Zeit herangefahren war: nun lasse du mich nur machen, und jetzt wollen wir uns noch eine Zeit lang hier draußen verweilen, dann aber geh' ich hinein und besorge die Arbeit allein. Dazu verstehet sich der Bergmann endlich, und so hat der Fremde die Arbeit lange Zeit allein besorget. Zuletzt hat aber den Bergmann die Neugierde so geplaget, daß er sich nach dem Gange geschlichen hat, wo er und sein Kamerad die Arbeit gehabt haben, und da hat er gesehen, wie sein Kamerad ganz ruhig am Gesteine gelehnet, und ein Geist, welcher der Bergmönch gewesen ist, aus Leibeskräften für ihn gearbeitet hat. Darauf hat er sich wieder fortgeschlichen, bald ist aber sein Kamerad ihm nachgekommen und hat ihm eine tüchtige Backpfeife gegeben, und von der Zeit an hat er müssen wieder selbst arbeiten.

VII.

Es ist einmal ein recht armer Bergmann gewesen, dessen Frau kam nieder mit dem siebenten Kinde. Das hat ihm nun große Sorge gemacht, denn er hat schlechte Strosse gehabt und also hat der Lohn nicht reichen wollen. Eines Abends saß er mit seiner Frau trübselig zusammen, da klopfte es an die Thüre. Gleich darauf trat jemand recht fest auf und der Bergmönch kam herein, gab beiden die Hand und sprach: »Ihr seit ehrliche Leute, ich weiß es, darum will ich euch aus der Not helfen.« Damit gab er der Fraueinen Packen Flachs, klar wie die Sonne, dem Manne aber gab er ein Stück Unschlitt, befahl ihnen auch, niemand etwas davon [120] zu sagen. Damit verschwand er. Der Flachs aber hat nicht abgenommen und der Unschlitt ist nicht verbrannt.

VIII.

Zwei Nachtschichter standen vor Ort, aber der Bohrer wollte nicht bohren und es war als bohrten sie auf lauter Hornstein. Am nämlichen Abende machten ihre guten Freunde sich lustig und da beschwatzte der eine den andern, daß sie hinausfahren wollten. Sie fuhren also auf einem Stollen nach einer andern Grube hin und wollten da hinausfahren. Als sie durch den Stollen waren, kehrte auf einmal der Vordermann um und schrie: »Alle guten Geister loben Gott den Herrn!« und machte, daß er vor seinem Kameraden vorbeikam. Da sah der den Bergmönch, der stand vor dem Stollen und hatte ein silbernes Grubenlicht in der Hand, so groß wie ein Scheffel und die Flamme ging bis an die Stollenklappen und seine Augen waren so groß wie Wagenräder und seine Beine waren wie Spinnengewebe. Und wie er seine Hand ausstreckte und den beiden den Hals umdrehen wollte, da stürzten sie fort und fuhren zurück. Aber der Bergmönch lachte aus vollem Halse. Die Nachtschichter fuhren in vollem Laufe bis nach ihrem Schachte und da hinaus. Wie sie noch eine Fahrt hatten, da stand der Bergmönch quer über dem Fahrloche und wie der erste den Kopf hinausstreckte, klemmte ihn der Bergmönch zwischen seine Beine, zog ihn aus dem Fahrloche her aus und drehte ihm den Hals um. Wie der andere Nachtschichter das sahe, fuhr er wieder hinein, aber der Bergmönch folgte immer nach. Da dachte er, sollst nur gleich wieder an deine Arbeit gehen, vielleicht thut er dir nichts; fuhr gleich wieder zurück, und wie er vor Ort war, fing er an zu hämmern. Aber er hatte so harte Strosse, daß das Feuer nur immer so gestrahlet hat vom Bohrer und daß er allein so einige Stunden hat bohren müssen, und der Bergmönch stand immer dabei, und wie der Nachtschichter fast nicht mehr das Fäustel regieren konnte und dachte, er wolle sich einen Augenblick erholen, da hob der Bergmönch die Hand auf und wollte ihm eine Ohrfeige geben. Da hat er wohl oder übel hämmern müssen, bis er sein Loch nieder hatte, und der Bergmönch hat noch dazu gelacht, daß die ganze Strecke geschallt hat. Wie das Loch [121] nieder war, blieb der Bergmönch noch immer stehen. Kurz von der Sache zu reden. Der Bergmann mußte auch noch schießen. Da warfs denn einen Haufen herein, daß es was Ungeheures war. Und der Bergmönch wollte immer noch nicht weg. Und es konnte alles nichts helfen, der Bergmann mußte aufräumen. Wenn er nun eine Masse Berge aufgemauert hatte an den Wangen, lag noch wieder eben so viel auf dem Haufen und das Aufgemauerte war weg und der Haufen ward nicht kleiner. Zuletzt konnte er nicht mehr, es ward ihm ganz schwarz vor den Augen und er sank in Ohnmacht. Da ging der Bergmönch ins Feste. Wie der Nachtschichter aufwachte, war alles aufgemauert und alle Arbeit gethan. Er hat nachher die Geschichte oft verzählt.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Pröhle, Heinrich. 139. Der Bergmönch vom Klausthal und vom Zellerfeld. (I-VIII.). TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-7F9B-D