Johann Gottfried Seume
Gedichte

[3] Vorrede zur ersten Ausgabe

Die meisten Stücke, die ich hier gebe, sind schon hier und da erschienen. Es geschieht ihnen vielleicht zu viel Ehre, wenn man sie Gedichte nennt; aber ich konnte kein schicklicheres Wort für ihre Bezeichnung finden, und unter dieser allgemeinen Rubrik mögen sie also mit hingehen. Größten Theils sind es nur Ausdrücke des Herzens oder Äußerungen von Gedanken, die vielleicht nur in der Individualität und den Verhältnissen ihres Urhebers gegründet sind, ob ich gleich sehr vieles für allgemeine Wahrheit halte. Einige competente Männer haben über manche dieser Verse in ästhetischer und philosophischer Hinsicht gar nicht ungünstig gesprochen: und andere, deren Competenz auch anerkannt wird, haben über die nähmlichen Stücke sehr strenge abgeurtheilt. Das geht nun so wie überall, so lange jeder nach seiner individuellen Ansicht spricht, wie das nicht anders möglich ist. Ich habe für mich daraus das Recht desto fester gesetzt, mich auch an meine eigene Überzeugung zu halten. Es ist mir in der Arbeit manches gelobt worden, was ich selbst höchst mittelmäßig fand, und manches getadelt oder gar verdammt worden, was mir, die Sonde ganz kaltblütig in der Hand, ohne Vorliebe für die Ausgeburt, doch ziemlich gut vorkam. In [4] vielen Fällen fühlte ich allerdings die Richtigkeit der Kritik und habe zu bessern gesucht: in andern, wo ich das nicht gethan habe, wird man mir erlauben, meinen eignen Gründe zu folgen. Ich will sie niemanden als Maßstab für andere zumuthen, und erwarte also eben dasselbe von andern. Ich zweifle, daß meine Sprache je so glatt und geschmeidig werden wird, als man zu wünschen scheint: ich habe es manchmahl versucht, aber immer im Polieren meinen Charakter weggefeilt, und sodann die ganze Arbeit aus Ärger weggeworfen. Es ist nicht zu erwarten, daß wir je durchaus einig werden; und es wäre vielleicht auch nicht gut.

Ich würde nicht an diese Sammlung gedacht haben, wenn ich nicht Willens wäre, einen Gang nach Sicilien zu machen, das mir, seitdem ich in der Welt mich etwas umzusehen anfing, vor allen Ländern der Erde freundlich [4] zulacht. Der Tod Eines Freundes machte meine Gegenwart einem andern noch etwas nöthig, sonst würde ich jetzt schon die Pilgerschaft antreten. Freylich habe ich in Italien nichts zu thun; als vielleicht nur der Mediceerin ein wenig auf und in die Händchen und dem Vater Ätna in den Mund zu sehen, und eine Idylle Theokrits auf der Landspitze von Syrakus zu lesen: aber ich sehe nicht, warum mir diese Grille nicht eben so lieb seyn soll, als einem anderen die seinige. Wenn diese Reise, denn wer kann für menschliche Zufälle bürgen? mich nicht wieder in mein Vaterland und zu meinen Freunden bringen sollte, so ist es wohl verzeihlich, oder vielleicht sogar löblich, beyden hier ein kleines Andenken zu hinterlassen. Ich kann es nicht läugnen, daß die Stimmung, in welcher ich mehrere dieser kleinen Stücke schrieb, mir in irgend einer Rücksicht sehr werth ist; und vielleicht ist sie für Viele nicht ganz ohne Interesse.

Es schien mir nöthig, so ungern ich Noten mache, zur bessern Verständigung bey einigen Stellen Anmerkungen hinzuzufügen, die meistens bloß lokal sind, die Veranlassung der Arbeit angeben, und sonst wohl durch keine Gelehrsamkeit und Divinationsgabe herbey geführt [5] werden könnten. Wo die nähere Bestimmung das Interesse nicht, oder doch nicht, oder doch nicht merklich vermehren würde, und wo gewöhnliche Kenntnisse hinreichen, den Zusammenhang zu sehen oder leicht zu errathen, habe ich alles dem Leser überlassen. Meine Ansichten und Gesinnungen und Urtheile zu rechtfertigen ist hier nicht der Ort, eben so wenig als mich über Menschlichkeiten zu entschuldigen, mit denen die Schicksale aller unserer Brüder und Schwestern so häufig durchwebt, oder aus denen sie größten Theils zusammen gesetzt sind. Ich hoffe theilnehmende nachsichtige Humanität in der Beurtheilung von meinen Lesern, so wie sie jeder von mir hat.


Grimme. 1800.


Seume.

[6] Vorrede zur zweyten Ausgabe

Das größte Verdienst dieser Verse ist vielleicht, daß sie, im strengen Sinne unserer neuen Kritik, keine Gedichte sind. Was die Kunst dadurch verliert, gewinnt die lebendigere Theilnahme an wahren menschlichen Verhältnissen, und findet sich nicht selten dabey in ihrer eigenen Heimath. Der Verfasser hat Ursache, mit der Aufnahme im Publicum zufrieden zu seyn, und beruhigt sich in dieser Rücksicht über sich selbst: ob er gleich die Gründlichkeit manches Tadels der Kunstrichter eingesteht, ohne sich deßwegen durchaus bessern zu können. Manche Erinnerungen hat er wirklich benutzt; manche Dinge liegen als Eigenheiten seines Charakters zu tief und fest, daß er sie nicht ausreuten kann: und manches gibt er nach seiner bessern Überzeugung nicht zu. Die Sprache ganz glatt zu machen, will [7] mir nicht gelingen; aber an der Richtigkeit habe ich mit vieler Aufmerksamkeit gearbeitet. Dieß ist bey der Dissonanz und der anscheinenden Nachläßigkeit unsrer guten Schriftsteller keine leichte Sache. Wir haben keine Akademie, an die wir uns halten könnten; und jeder geht, mit oder ohne Grund, seinen eignen Weg. In der Messiade sind eine Menge Stellen, deren grammatische Unrichtigkeit nicht Adelung allein tadeln wird. Auch der Herausgeber von Namlers Gedichten hat noch zuletzt gefühlt, wie viele Dinge der sonst so strenge Dichter in der Sprache noch übersehen hatte. Etwas weniger Gewissenhaftigkeit gegen die Handschrift hätte dem Publicum mehr classische Richtigkeit gegeben: aber strenge Redlichkeit gegen fremdes Eigenthum, besonders gegen Ramlers, war billig des Herausgebers erstes Gesetz.

Ich gebe hier wenig neues; fast alles, was nicht in der ersten Ausgabe stand, hat schon in Zeitschriften hier und da zerstreut gelegen. Was fehlt, habe ich aus irgend einem ästhetischen oder moralischen Grunde nicht aufnehmen wollen. Manches soll seiner Natur nach nur ephemerisch seyn. Über meine Meinungen habe ich nichts zu sagen: diese müssen durch sich selbst stehen oder [8] fallen. Ich habe nun ein Mahl die Krankheit, daß mich alles, was Bedrückung, Ungerechtigkeit und Inhumanität ist, empört, und werde wohl schwerlich ganz davon genesen. Und wenn in einer guten Sache tausend Versuche fehlschlagen, so verzweifle ich doch nicht an dem endlichen Gelingen. Jede Äußerung vom Gegentheil ist also bloß eine Wirkung des momentanen Mißmuths und des Glaubens, daß man noch nicht auf dem rechten ist. Was wir nicht finden, bleibt andern. Für mich selbst habe ich mich so ziemlich von Furcht und Hoffnung los gemacht; aber für die Menschheit, für Licht und Recht und endliche Vernunft zu hoffen und zu sprechen und zu arbeiten will ich nicht eher aufhören, als bis meine Zunge den letzten Gedanken stammelt. Die Menschen brauchen wahrscheinlich noch mehrere tausend Jahre Erziehung. Diese muß vorwärts rücken, wenn sich auch alle Schlechtgesinnten verbänden sie zu hemmen. Sokrates brachte die Philosophie vom Himmel herab, und alle unsere neuen Philosophen arbeiten mit vereinten Kräften daran, sie wieder hinauf zu tragen und nichts zurück zu lassen. Die practische Philosophie des Lebens ist fast zum Spott geworden: und doch ist von der ganzen Weisheit [9] nur das für den Menschen das beste, was für den Menschen taugt. Man ist mit seiner Seele so gern in höhern Sphären, weil man nicht den Muth hat, hier auf der Erde rein menschlich vernünftig zu seyn. Der aufgezogne Vorhang wird uns einst schon zeigen; was wir wissen sollen. Aber ich gerathe in Gefahr mich selbst zu verlieren.

Besondern Fleiß habe ich angewendet, den Abschnitt des Verses zu berichtigen, der die Rhythmik so sehr befördert und den leider auch unsere guten Dichter oft nicht genug beachten. Hierin ist Wieland der große Meister und läßt uns die verborgenen feineren Gesetze nur rathen, nach denen er verfährt. Es belohnte wohl die Mühe, wenn ein scharfsinniger leise hörender Kritiker sie und ihre Ausnahmen heller aus einander setzte. Ich empfehle meine wohlgemeinten Bemühungen dem Wohlwollen des Lesers.

Juny. 1804.

[10] [1]Allgemeines Gebeth

Aus dem Englischen des Herrn Pope


Vater Aller, alle Erdenkreise,
Alle Zeiten ehren dein Geboth;
Hordenwilde, Heilige und Weise
Nennen Zevs dich, Jovah oder Gott.
Großer Urquell, den ich nie ergründe,
Dahin nur beschränkst du meinen Sinn,
Daß ich immer deine Güte finde,
Und nur seh, daß ich ein Blinder bin.
Doch du gabst mir in dem finstern Stande
Das Gefühl, was Gut und Böse sey;
Legtest die Natur in ihre Bande,
Aber ließest meinen Willen frey.
[1]
Wo Gewissensregungen mich ziehen,
Oder wo der Warner mir verbeut,
Laß mich dieses mehr als Hölle fliehen,
Jenes suchen mehr als Seligkeit.
Segnet deine Milde mein Verlangen,
Laß mich deinen Segen nicht entweihen;
Menschen zahlen Dir nur durch Empfangen,
Und genießen heißt gehorsam seyn.
Aber nicht in unsre enge Scene
Sey mir deine Vaterhuld begränzt,
Mehr als Herr der armen Erdensöhne,
Da ein Weltenwirbel um uns glänzt.
Nie laß meine schwache Hand es wagen,
Deinen Blitz zu schleudern auf den Feind,
Noch Verdammniß rund umher zu tragen
Jedem, der dein Widersacher scheint.
Wenn ich richtig wandle, Vater, schenke
Mir die Gnade, richtig fort zu gehn;
Wenn ich aber irre, Vater, lenke
Du mein Herz, den bessern Weg zu sehn.
[2]
Schütze mich vor Stolz, der Thoren blendet,
Und der Frevler Unzufriedenheit,
Wenn mir dieß nicht deine Weisheit spendet,
Oder dieß mir deine Huld verleiht.
Laß mich meiner Brüder Schmerz empfinden,
Und den Fehler decken neben mir;
Die Erbarmung, die bey mir sie finden,
Die Erbarmung sind' ich dann bey dir.
Niedrig bin ich, doch nicht ganz von Erde,
Da dein Hauch zu leben mir geboth;
Führe du, wohin ich gehen werde,
Heute mich durch Leben oder Tod.
Gib zum Loos mir heute Brot und Frieden;
Jede andre Gabe der Natur
Wird mir, ist es gut, von dir beschieden;
Und dein Wille, Gott, geschehe nur.
Gott, dein Tempel ist der Himmel Sphäre,
Erde, Meer und Luft dein Opferhain!
Jauchzt, was lebt, im Chor zu seiner Ehre,
Und das Weltall müsse Weihrauch streun.

[3] Elegie

Geschrieben auf einem Dorfkirchhofe

Aus dem Englischen des Herrn Gray


Die Abendglocke tönt den Tag zur Ruh,
Die Herde schleichet blökend vom Revier;
Der Pflüger rudert schwer der Hütte zu,
Und läßt die Welt der Dunkelheit und mir.
Der Glanz der Gegend schmilzt nun Zug für Zug,
Und tiefe Feyerstille hält die Luft;
Der Käfer dröhnt nur dort noch seinen Flug,
Wo Schlummerklang zum fernen Pfürche ruft.
Nur dort tönts noch durch alte Rudera,
Wo es der Eule Murrsinn Lunen klagt,
Daß noch ein Wandrer, ihrer Grotte nah,
Ihr ödes Heiligthum zu stören wagt.
[4]
An dieser Ulme, diesem Eschenbaum,
Wo sich der Grund in Moderhügeln hebt,
Ruhn rohe Ahnen in dem engen Raum,
Die in dem kleinen Dörfchen einst gelebt.
Des Morgens Balsamduft am Lindengang,
Vom Binsendach der Schwalbe Wirbellauf,
Des Hahnes Krähn, des Hornes Wiederklang
Weckt sie nicht mehr vom kleinen Lager auf.
Für dich brennt nun der gute Herd nicht mehr;
Kein Hausweib sorgt für deinen Abendgruß;
Kein Knabe lauscht des Vaters Wiederkehr,
Und klimmt mit Neid am Knie um einen Kuß.
Oft sank das Korn in ihrer Eisenhand,
Oft riß das Brachfeld unter ihrem Pflug:
Wie fröhlich trieb ihr Fuhrwerk über Land!
Wie fiel der Wald, wenn ihre Sehne schlug!
Verspotte nie der Ehrgeitz ihre Müh,
Ihr unbekanntes Glück, ihr kleines Fest;
Hohnlächle nie die Größe über sie,
Wenn sie das Buch der Armuth lesen läßt.
[5]
Der Wappen Prahlerey, der Pomp der Macht,
Was je der Reichthum und was Schönheit gab,
Sinkt unerlöslich hin in Eine Nacht;
Der Pfad der Ehre führet nur ins Grab.
Ihr Stolzen, rechnet es nicht ihnen an,
Wenn auf ihr Grab nicht Fama Marmor hebt,
Wo durch das Chorgewölbe himmelan
Des Lobes Note schwellend wieder bebt!
Ruft je der Urne, ruft der Büste Laub
Mit Künstlergeist den fliehnden Hauch empor?
Belebt des Ruhmes Stimme je den Staub?
Rührt Schmeicheley des Todes altes Ohr?
Vielleicht in diesem dunklen Winkel ruht
Ein Herz, auch einst vom Götterfeuer warm;
Und Hände für der Laute Freudenglut,
Und für des Scepters Schwung ein Heldenarm.
Doch Wissenschaft entrollt ihr großes Buch,
Reich von der Zeiten Raub, nicht ihrem Blick:
Der starre Mangel hemmt den Kraftversuch,
Und drängt der Seele Schöpferstrom zurück.
[6]
Des Meeres fadenloser Boden hält
So manche Perle, deren Farbe glüht;
Und manches Lenzes schönste Blume fällt,
Die ungenossen in der Wildniß blüht.
Hier schläft vielleicht ein Hampden, dessen Muth
Dem kleinen Dorftyrannen widerstand;
Ein stummer Milton unbekannter Gluth,
Ein Cromwell, schuldlos an dem Vaterland!
Ihr Loos war nicht des Beyfalls Jubelton,
Nicht in den Schmerzen stolze Apathie;
Sie sahn sich nicht im Blick der Nation,
Der ihre Weisheit Überfluß verlieh.
Ihr Tugendflug, ihr Lasterlauf begränzt,
Verboth ihr Loos den Weg zu einem Thron,
Der von dem Blute der Erschlagnen glänzt,
Oft allem wahren Menschensinne Hohn.
Gewissensangst war ihnen Strahlenlicht
Erstickt war nie die Röthe holder Scham;
Sie opferten dem Stolz der Schwelger nicht
Mit Weihrauch, den man frech der Muse nahm.
[7]
Fern von des Thorenhaufens niedern Zank,
Verirrte nie sich ihre Nüchternheit;
Geräuschlos wandelten sie ihren Gang
Durchs kühle stille Thal der Lebenszeit.
Ein kleines Denkmahl, das als Ehrenschild
Nur ihren Staub vor Schmähsucht decken soll,
Ein harter Reim, ein schlecht geformtes Bild
Verlangen eines Seufzers leichten Zoll.
Ihr Nahm', ihr Jahr von ungelehrter Hand,
Ist ihnen mehr als Ruhm der Dichtung werth;
Und ländlich zieht die Muse rund am Rand
Den Spruch der Bibel, welcher sterben lehrt.
Am Freunde hing der Geist noch, als er schied,
Die Zähre that noch dunkeln Augen gut;
Auch aus dem Grabe ruft Natur ihr Lied,
Und in der Asche lebt die alte Gluth.
Von mir, der ich von meinen Brüdern hier
Ganz ohne Kunst das kleine Lied gesagt,
Wenn einsam in Betrachtungen nach mir
Einst eine reinverwandte Seele fragt,
[8]
Von mir spricht einst vielleicht ein greiser Mann:
»Oft wenn das Morgenroth am Osten hing,
Sahn wir ihn, wie er schnell den Berg hinan
Der Morgensonn' im Thau entgegen ging.
Dort wo die Buche, deren Wurzel weit
Und hoch sich windet, an dem Ufer nickt,
Lag er am Mittag mit Behaglichkeit
Lang über jenen Kieselbach gebückt.
Verächtlich lächelnd schlich er dort herum
Am Walde, Grillen murmelnd und betrübt,
Wehmüthig, wie verloren, bleich und stumm,
Wie einer, welcher ohne Hoffnung liebt.
Einst sah ich früh ihn an dem Hügel nicht,
Nicht auf der Heide, nicht am Lieblingsbaum;
Noch mißt' ich ihn am zweyten Morgenlicht
An seinem Bach, und an des Waldes Saum.
Den dritten Tag erschien ein Leichenzug,
Der langsam ihn den Kirchengang herab
Mit Todtenmelodie zur Ruhe trug:
Komm, lies; dort deckt ein kleiner Stein sein Grab.«

[9] Grabschrift

Sanft legt sein Haupt hier in der Erde Schooß
Ein Jüngling, der nie Glück und Ruhm gekannt:
Die Muse lächelte zu seinem Loos,
Und Schwermuth hat zum Liebling ihn ernannt.
Groß war sein Herz, und seine Seele schlicht;
Deß lohnt' ihm auch des Himmels Güte sehr.
Mit Armen weint' er, und mehr konnt' er nicht;
Es ward ein Freund ihm, und er bath nicht mehr.
Sucht sein Verdienst nicht weiter darzuthun,
Gebt seine Schwachheit nicht dem Tadler bloß;
Laßt beyde sie in banger Hoffnung ruhn,
In seines Vaters, seines Gottes Schooß.

[10] Meinem Freunde Rothe in Leipzig, zu seinem drey und sechzigsten Geburtstage

Wär' ich ein Harfner, wie Sanct Ossian,
Der alten und der neuen Harfner Meister,
Ich sänge, wie allein der Mann der Felsenbahn
Ein Lied auf goldnen Saiten singen kann,
Und rührend, wie die Stimme seiner Geister.
Mein Ton ist rauh, und ungelehrt die Hand,
In meinem Busen strömt kein Götterfeuer;
Und kommt mir auch ein Strahl aus seinem Geisterland,
So hallt, was schnell wie Blitz die Brust empfand,
Nur schwach zurück von der verstimmten Leyer.
[11]
Freund, nimm mich hin, so bieder, fest und schlicht,
Wie du mich schon vor langen Jahren kanntest;
Und hintergeht dich je mein ehrliches Gesicht,
Verklage mich einst vor dem Weltgericht,
Und spotte deß, den du sonst redlich nanntest.
Der große Harfner, der die Sphären stimmt,
Wenn Halleluja seine Geister glühen,
Vor dessen Flammenthron die Welt der Sonnen glimmt,
Beschenke noch, eh dich die Parze nimmt,
Dich, lieber Freund, mit schönen Harmonien.

[12] Abschieds-Schreiben an Münchhausen

Nimm meinen Kuß im Geist an deinem Rheine
Und denke bey den Bechern deutscher Weine
An einen deutschen Biedermann,
Den an Neuschottlands westlichem Gestade
Im Labyrinthe menschenleerer Pfade
Einst deine Seele lieb gewann.
Erinnre dich, wie bey dem kleinen Mahle
Wir auf dem Steine lagen, und, die Schale
Des Kieselbaches in der Hand,
Uns über Stolbergs Liede Freundschaft schwuren,
Und wie uns Schauer durch die Seele fuhren
Bey Freundschaft und bey Vaterland.
[13]
Erinnre dich, wie Arm in Arm wir gingen,
Und an dem Blick der Abendsonne hingen,
Die bey Neufundland nieder sank,
Und wie wir dann auf Adlerbergen saßen,
Und in der Dämmrung Klopstocks Herrmann lasen
Auf einer grauen Felsenbank.
Erinnre dich, wie in der wilden Zone
Uns nach der Jagd ein freundlicher Hurone
Mit Edelmuth entgegen kam,
Und uns, in ächter Urbewohner Sitte,
Mit Ungestüm in die berauchte Hütte
Und brüderlich zu Tische nahm.
Kannst du es je, das Patriarchenessen,
Und unsers Wirthes Jubellied vergessen,
Der froh wie Gott uns Gutes gab;
So führe mit dem Gängelband der Mode
Der Parze Hand nach einem Stutzertode
Dich rächend in ein Marmorgrab.
Nein, Freund! gewiß durchirrst du noch im Bilde
Die Berge, wo der gute wackre Wilde
So oft uns auf den Felsen fand,
Wo, trotz den Männern von Minervens Hügel
[14]
Und von dem Kapitol, der Größe Siegel
Auf seiner freyen Stirne stand.
Erinnre dich, wie in des Nordlichts Gluthen
Oft unsre kleine Barke durch die Fluthen
Mit Zittern an das Ufer stieg;
Und wie wir dann, wenn hoch die Wogen drangen,
Ein Lied von Fingal durch die Wogen sangen,
Von Geistern, Harfen, Schlacht und Sieg.
Hier sitz' ich, Freund, in meiner Jugend Haine,
Und schreibe dir auf einem alten Steine
Vielleicht das letzte, letzte Wort:
Zum Zweyten Mahle greif' ich nach dem Stabe,
Und pilgere mit meiner leichten Habe
Nunmehr vielleicht auf ewig fort.
Das Vaterland bedarf nicht meiner Kräfte,
Hat Männer genug für Ämter und Geschäfte,
Und schenkt mir gerne meine Pflicht.
Ich habe von den vielen fetten Gauen
Nicht einen Fuß, mir meinen Kohl zu bauen
Zu einem ländlichen Gericht.
Obgleich auf keinem Acker eine Ähre
Mit ihres Segens schöner goldner Schwere
[15]
Mir dankbar in die Sichel sinkt;
Obgleich von keinem jungen Zöglingsbaume
Mit ihrem Purpur eine Mohrenpflaume
Mir Durstigen zum Brechen winkt:
So sitz' ich doch mit schaurigem Gefühle
Und sehe traurig hier dem Wellenspiele
Am Ufer unsrer Elster zu,
Und wende langsam meine düstern Blicke
Noch Ein Mahl auf die Knabenwelt zurücke
Und ihrer Jahre stille Ruh.
Bald gellt vielleicht mit schwerem Eisentone
Bellona von des Nordens rauher Zone
Auch mir noch einen Schlachtgesang,
Der jüngst vom Felsenfuß der Pyrenäen
Bis an des Samojeden Winterseen
In grellen Noten wiederklang.
Dann, Freund, wenn ich in dem beeisten Norden
Vielleicht mit Schaaren unbekannter Horden
In fremde wilde Kriege zieh,
Und wenn ich am Kaukasischen Gebirge
Mich auf den Tod mit Ghenkis Enkeln würge,
Vergiß des Busenbruders nie.
[16]
Und wenn, von einem Männerarm geschwungen,
Ein Türkenstahl mir durch das Hirn gedrungen,
Und du den Todesbothen hörst:
So setze dich zu einem Trauermahle,
Und singe mir bey unsrer Bundesschale
Ein Lied, mit dem du Helden ehrst.
Jetzt lebe wohl! und höre von dem Freunde,
Als ob er scheidend dir im Arme weinte,
Ein Wort, das seine Seele spricht:
Nicht ob ich deiner Seele Werth verkennte;
Nimm nur mein Herz in meinem Testamente;
Denn Gold und Silber hab' ich nicht.
Sey immer Mann und groß durch eigne Kräfte,
Und nie laß andern Händen die Geschäfte,
Die du noch selbst zu thun vermagst;
Sey Harmonie in Wort und That, und weiche
Kein Haar breit, stark wie eine Königseiche;
Und felsenfest sey, was du sagst.
Sey wie ein Gott im Wohlthun auf der Erde,
Und gib dem Armen froh von deinem Herde,
Und tröste warm des Kummers Sohn:
So wird man mit Entzücken dir begegnen,
[17]
Und dich, wie Kinder ihren Vater, segnen;
Und dieses ist der schönste Lohn.
Sey Freund von allen; aber lange sichte
Und prüfe scharf und faß' in jedem Lichte,
Und blicke tief bis auf den Grund
Dem Manne, dem du in die Arme sinkest;
Denn wisse, wenn du Gift statt Heilung trinkest,
So bleibt dein Herz auf ewig wund.
Trau nicht dem Menschen; dicker Firniß decket
Die wahre Farbe, welche sich verstecket
Und in der Leidenschaft nur zeigt:
Verachte stolz den stolzen goldnen Thoren,
Doch mehr noch jenen, der mit leisen Ohren
Sich bis zum Gürtel schmeichelnd beugt.
Stets handle fest nach männlichen Gesetzen,
Die du dir schriebst, und Eines zu verletzen
Sey Hochverrath an der Vernunft:
Trägst du Zufriedenheit in deiner Seele,
So hast du Glück für dich genug, so quäle
Dich nicht um Beyfall einer Zunft.
Mißtraue jedem Lobe, jedem Tadel,
Und prüfe strenge jeder Handlung Adel,
[18]
Für die man ein Diplom begehrt;
Doch wag' es nie, mit alten Ketzerflammen
Den Mann, den man verdammet, zu verdammen;
Denn Gott nur kennet seinen Werth.
Durchwandle froh mit deinem Freund die Auen;
Nur wag' es nicht, auf ihn dein Glück zu bauen:
Wer ist der Mensch, für den du bürgst?
Steh selbst, und suche die Vernunft zu rächen,
Damit du nicht, wenn fremde Säulen brechen,
Des Lebens Ruh auf immer würgst.
Flieh vor dem Weibe, Freund; in ihren Netzen
Ist erst Berauschung und sodann Entsetzen;
Und in der ganzen Schöpfung blickt
Kein Wesen, das mit allen Engelgaben,
An denen sich die blinden Opfer laben,
Am Ende schrecklicher berückt.
Und wenn ein Weib dir mit verklärten Blicken
Ein hohes paradiesisches Entzücken
In deine trunkne Seele bebt;
Und wenn sie dich aus deiner Erdenhülle
Mit ihres Zaubers ganzer Nectarfülle
Zur Wonne des Olymps erhebt;
[19]
Freund, wehe dir, wenn du im Hochgenusse
Der Schönheit blind zu einem Götterkusse
Dich in des Engels Arme wirfst,
Und tief, gleich Libers schwer berauschten Zechern,
Der Wollust Taumel aus gekrönten Bechern
Zum himmlischen Geheimniß schlürfst.
Das Feuer, das dein Wesen heute nähret,
Wird morgen Gluth, und wüthet, und verzehret
Die kleine Stütze deines Glücks;
Es quält dich Angst, und jagt dich auf und nieder;
Du siehst Verrath in jedem deiner Brüder
Und in der Richtung jedes Blicks.
Du irrest nicht: des Mädchens Flamme währet,
Bis Lunens Hochlicht zwey Mahl wiederkehret;
Dann sucht sie neuen Zeitvertreib,
Und kann mit deinen heiligsten Gefühlen,
Mit deinem Leben wie mit Würfeln spielen.
Gebrechlichkeit, dein Nahm' ist Weib!
Verzeih mir, Freund, wenn ich mit bittrer Klage
Der Schöpfung Meisterstück zu richten wage:
Gib nie, gib nie dein ganzes Herz;
Laß nie es kühn in lauter Liebe weben,
[20]
Versuche nie zum Gott dich zu erheben,
Und du entgehst der Folter Schmerz.
Freund, hoffe nichts und fürchte nichts auf Erden
Mit Leidenschaft, und du wirst glücklich werden.
So glücklich als der Mensch es kann:
Denn Glück, unwandelbar und ungestöret,
Das selbst der Neid mit stummer Achtung ehret,
Erwirbt sich auf der Welt kein Mann.
Durchblicke kühn die alte graue Decke
Der Vorurtheile; rufe laut und wecke
Den Nebenwandler aus dem Traum:
Doch störtest du ihm seine gute Reise,
Und rücktest ihn gewaltsam aus dem Gleise,
So gib der alten Weise Raum.
Durchstöre nicht der Schulen alte Kriege
Um aufgeblähter Weisheit Federsiege,
Die schnell die Skepse dir verwischt:
Erforsche nur, um gut und froh zu leben,
Und deiner Muße Geist und Salz zu geben;
Und lache, wenn der Tadler zischt.
[21]
Freund, lebe wohl! und ruf' in deine Seele
Oft See und Fluß und Wald und Felsenhöhle
Zurück, durch die wir Arm in Arm
Oft zu dem freundlichen Huronen schlichen;
Und ist das schöne Bild von dir gewichen,
So strafe dich der Thoren Schwarm.
Freund, hoffe, daß des Weltenhalters Wage
Uns noch am Abend unsern Rest der Tage
In Einer Hütte wägen wird;
Daß noch der Schatten Eines Baums uns decken,
Noch ein Gesang der Nachtigall wird wecken,
Wenn wir genug umher geirrt.
Nimm meinen Kuß im Geist an deinem Rheine,
Und denke bey den Bechern deutscher Weine
An einen deutschen Biedermann,
Den an Neuschottlands westlichem Gestade
Im Labyrinthe menschenleerer Pfade
Einst deine Seele lieb gewann.

[22] Rückerinnerung an Münchhausen

Göttinn, die du mit erhöhten Freuden
Jede gute That dem Thäter lohnst,
Und dem Dulder überstandner Leiden
In dem Nachbild als Erquickung wohnst;
Die du mit der Strafe Schlangenbissen
In dem Puls des Missethäters wachst,
Und der Wollust seidne Dunenküssen
Zu dem Block der Guillotine machst;
Komm, Erinnrung, glühe meine Bilder
Mit dem Morgenroth des Lenzes an,
Wenn die Sonne lieblicher und milder
Niederlächelt auf die Blumenbahn.
[23]
Dankbar falt' ich bethend meine Hände,
Stehe gleich der Spott sarkastisch hier;
Wer sich des Gefühles schämet, wende
Zwey Secunden seinen Blick von mir.
Gut und groß und hehr sind Gottes Gaben,
Die er über unsre Erde gießt;
Alle sollen sich an ihnen laben;
Der ist ruchlos, der sie nicht genießt.
Ich, des Staubes Sohn, des Staubes Erde,
Über dem der Hauch des Todes schwebt,
Sterbe ruhig, wenn ich heute sterbe;
Manche Stunde hab' ich froh gelebt.
Wie des kleinen Baches Silberwellen
Floß mein Leben hin in stillem Lauf:
Wenn sie von Gewitterstürmen schwellen,
Hellt ein Sonnentag sie wieder auf.
Als ein Knabe sprang ich froh und munter,
Wenn der Schulmonarch die Stunde schloß,
Im Gefährtenschwarm bergauf bergunter,
Bis vom West die Abendröthe floß.
[24]
Wenn wir um die alte Linde tanzten,
War kein Maskenball dem Reihen gleich;
Wenn wir unsre jungen Bäume pflanzten,
War der König Krösus nicht so reich.
Feiste Prasser bey dem Austernschmause
Waren nicht so froh beym Nectarglas,
Als ich in dem kleinen Gartenhause
Bey dem frischgebrochnen Obste saß.
Wenn ich nach der Ulme hohen Spitze
Kühn hinauf auf breiten Ästen stieg,
Sah ich von des Falken Wolkensitze
Stolz herab, wie Römer nach dem Sieg.
Und wenn dann der grämliche Präcepter
Für mein Bißchen hinkendes Latein
Lob mir winkte, galt sein Haselcepter
Mehr als Cäsars Stab von Elfenbein.
Statt Katheten und Hypotenusen
Und Parabeln, die der Alte sprach,
Nachzudenken, flog ich Hallers Musen
Auf der Andacht Feuerschwingen nach.
[25]
Statt der großen zwölf Kathegorien,
In ein schweres Amulet gereiht,
Lernt' ich Höltys fromme Elegien,
Die er seines Vaters Grabe weiht.
Noch, noch seh' ich jene hohe Eiche,
Wo ich in dem kühlen Schatten saß,
Wo ich an dem schilfbewachsnen Teiche
Bürgers Lied von seiner Einzgen las.
Wo ich, wenn nur Philomele klagte
Und die ganze Gegend lauschend schwieg,
Kleist und Klopstock nachzustammeln wagte,
Daß mein Geist zu ihrem Geiste stieg.
Jetzt noch steht das jugendliche grüne
Seelenvolle Tempe vor mir da,
Wo ich, wie in Eden, Wilhelmine,
Dich zum ersten Mahle schweben sah;
Wo, wie vor der göttlichen Madonne,
Ich in Andacht hingeheftet stand,
Und vor dir zum ersten Mahl die Wonne
Jenes himmlischen Gefühls empfand.
[26]
Wo ich an dem Zauber deiner Blicke,
Wie von Allmacht hingezogen, hing,
Und im Wirbel vorwärts und zurücke
Unwillkürlich, wie du walltest, ging.
Lieblich säuselt noch in meinen Ohren
Ihrer Stimme schöner Silberton,
Als ich vor ihr stand, wie neugeboren,
Glücklich, glücklich, wie ein Göttersohn.
Jetzt noch fühl' ich, wie zum ersten Mahle,
Ihren ersten sanften Druck der Hand,
Die sie, wie die opfernde Vestale,
Himmlisch rein um meine Schultern wand.
Jetzt noch bebt mir, wie der Zauberflöte
Süßer Hauch, ihr gottgeweihtes Lied,
Wenn sie, glühend wie die Abendröthe,
Dankend von dem Purpurabend schied.
Himmel gießt die selige Minute,
Als sie nach dem ersten Feuerkuß
Heiß verhüllt an meinem Nacken ruhte,
Oft mir noch in meinem Morgengruß.
[27]
Fluch dem Wüstling, der die schöne Blume
Dann im hohen Sinnenrausche bricht,
Und von dem entweihten Heiligthume
Wie der Zecher von Pokalen spricht.
Unerbittlich rief des Schicksals Stimme
Weit sie fort ins fremde Brautgemach;
Und ich stand mit tief verbißnem Grimme,
Zähne knirschend, weint' und sah ihr nach.
Ach, vielleicht die Pöbelseelen haben,
Fern, wo kein Gefühl Gefühlen lohnt,
Dich und deinen Zauber schon begraben,
Der nur noch in meiner Seele wohnt.
Auf des Meeres Riesenwogen schwebte
Von mir hingehaucht dein holdes Bild;
An den schroffen Felsenschedeln bebte
Es in Luftgestalten, traurig mild.
Doch vergessen will ich sie, vergessen,
Welche Seligkeit sie mit sich nahm;
Bitter war der Kelch mir zugemessen,
Und ich trank ihn ohne langen Gram.
[28]
Wer mit Stumpfsinn keine Leiden fühlet,
Gleicht dem Marmorblocke, kalt und schwer;
Aber wenn der Kummer niederwühlet,
Hat nicht Männerwerth für Männer mehr.
Schmerz und Freude liegt in einer Schale;
Ihre Mischung ist der Menschen Loos,
Von dem Strohdach bis zum Marmorsaale,
Bis zur Bahre von der Amme Schooß.
Ließ mein Vater mir bey seinem Grabe
Gleich nicht Säcke Gold und reiches Gut;
Erbte für das Leben doch der Knabe
Muth von ihm und Ruh und reines Blut.
Wenn im Sturm des Schiffes tiefste Fugen
Furchtbar dröhnten, und mit wilder Fluth
Aufwärts abwärts uns Orkane schlugen,
Hatt' ich noch für die Gefahren Muth.
Wenn ich unter unwirthbaren Leuten
Wie der Grieche mit der Leuchte stand,
Lockte mich ein Freund auf Silbersaiten
Hin zu sich mit brüderlicher Hand.
[29]
Wenn ich mit der Galle schwarzem Zweifel
Unter jeder Blume Schlangen sah,
Und in jedem Menschen einen Teufel,
Stand doch oft ein Engel vor mir da.
Manche Stunde hab' ich froh genossen;
Ohne Tadel ist mir mancher Tag
Wie ein Opferfest vorbey geflossen,
Der mit Unglück schwanger vor mir lag.
Noch ist alles, was das Weib geboren,
Nicht so grundlos schlimm, nicht so verrucht;
Und die meisten Menschen sind nur Thoren,
Denen man als Bösewichtern flucht.
Nichts, nichts Endliches ist frey von Mängeln;
Nur der Urgeist denkt sich absolut;
Und Vollkommenheit ist nicht bey Engeln,
Wie sie auf dem Urbegriffe ruht.
Der Contrast nur schafft in den Geschöpfen
Schmerz und Freude, Qual und Seligkeit;
Und was Marter ist in diesen Köpfen,
Ist in jenen Wohlbehaglichkeit.
[30]
Immer will ich also festes Muthes
In den Pflichten meines Lebens ruhn;
Oft, ja oft schon that ich etwas Gutes,
Und in Zukunft kann ich mehr noch thun.
Wer in seinem Herzen Menschenwürde,
Allgemeine Menschenliebe trägt,
Unterlieget nie der schweren Bürde,
Die den Schwächling tief zu Boden schlägt.
Gut, wenn ich mir Achtung kann verdienen;
Achtung ehret, die der Weise beut;
Aber wenn des Narren Aftermienen
Keck mich loben, gilt mirs keinen Deut.
Lächelt mir vielleicht noch eine Holde;
Gut, auch das: ich bin ein biedrer Mann,
Welcher von der Mode Flittergolde
Ächten Werth noch unterscheiden kann.
Süße zauberische Schäferstunden,
Schüfe sie auch selbst der Mahler Rost,
Selbst von Theokrit mir vorempfunden,
Sind für meine Seele kein Kost.
[31]
Meines Lebens Wunsch ist stiller Friede,
Guter Bücher eine kleine Zahl,
Ein geprüfter Freund mit einem Liede,
Und der Sparsamkeit gesundes Mahl.
Aber wenn die Pflicht ihr Opfer fodert,
Wall' auch ich des Todes Ehrenbahn;
Und kein Jüngling, welcher Feuer lodert,
Geht in den Gefahren mir voran.

[32] Epistel an Herrn Falk

Zum Frieden Handschlag, lieber Falk!
Du wirst mich, glaub' ich, schwerlich kennen,
Sollt' ich mich dir auch drey Mahl nennen;
Doch thut das nichts. Man sagt, du seyst ein Schalk,
Der, setzt er sich auf seinen Stecken,
Ganz rüstig ist, die halbe Welt zu necken.
Ich las nun deiner Büchlein drey,
In welchen du den Satyr treibest,
Und fand, daß deine Schreiberey,
Mit der du scharf dem Narrn die Kappe reibest.
Ächt lucianisch swiftisch sey.
Das freuet mich: denn wenn von Ruthen
Die Narren und die Schurken bluthen,
So darf man hoffen, daß die Herden
[33]
Am Gängelbande strenger Zucht,
Wenn sie den Stachel nun genug versucht,
Doch nach und nach geringer werden.
Doch, Freund, dein Amt ist voll Beschwerden.
Mit Wahrheit ist man überall der Welt,
Sowohl den Bösen als den Frommen,
Beym ersten Augenblick nicht sehr willkommen;
Denn niemand will, daß ihm die Kappe schellt.
Und denkst du gar an Lohn und Dank
Für deinen Züchtigungsgesang,
So hast du höchlich dich betrogen,
Hast ganz die Rechnung ohne Wirth gezogen,
Und sitzest auf der lahmen Bank.
Ein kleines Häufchen kauft mit seinen Dreyern
Das neue Lied voll Pfeffer, und
Thuts fröhlich rings dem schlauen Nachbar kund,
Und liest und lacht und läßt dich weiter leyern;
Die Menge wirft den Bann auf das Gedicht:
Doch dieses alles schadet nicht.
Wenn aber dir vom großen Schleicherorden
Ein Tropf, der tief getroffen worden,
Mit einem schönen Pfingstgesicht
Enkomien und Weihrauch spricht;
[34]
Dann, Freund, denkt er mit seinen süßen Worten
Dein Glück in seinem Keim zu morden:
Und diesen flieh, flieh mehr als Pest und Gicht.
Er suchet dir in seiner Klike
Mit überzuckerter Intrike
Sein fein gekochtes Gift zu mischen,
Und heimlich lugend dir zum Dank
In einem goldnen Labetrank
Die schöne Mischung aufzutischen.
Du hast gewiß den Lohn gewußt,
Als du der Thorheit und der Laster Hyder,
Entschlossen, muthig, frey und bieder,
Entgegen warfst die offne Brust.
Die Männer, die mit eignen Augen sehen,
Und ohne Stelzen überall
Beym Kirmißbier und auf dem Maskenball
Auf ihren eignen Füßen gehen,
Die wissen dir gewiß es Dank,
Wenn in melodischem Gesang
Durch deiner Gräber runde Stanzen
Die Imans bunt und kraus gemischt,
Zu herrlichen Porträten aufgefrischt,
Mit zierlichen Marotten tanzen.
Der Hahn kräht brav, und Danischmende spricht
[35]
Sarkastisch Bauchgrimm für die Schranzen,
Und für die Guten Morgenlicht.
Und mancher bessern Seele wehte
Der Geist der ruhigsten Religion
In ihres Lebens Region
Aus deinem Wirrwarr der Gebethe.
Der Vater Franke würde lauschen,
Und fast, wenn du die Zauberruthe rührst,
Und deinen Menschen auf die Bühne führst,
Für deinen seinen eignen tauschen.
Das schöne Stückchen ist so voll,
Mit allem Firlefanz behangen,
So närrisch weise, so vernünftig toll;
Und alle unsre Pfauenfedern prangen
An Nikkel List und Alexander,
Kartusch, Oktav und Käsebier,
Wie in der Welt, im herrlichsten Gewirr
Der schönsten Ordnung durch einander.
Ich danke, Freund, dir manche Stunde,
Wo ich an deiner Muse Hand
Mich labyrinthisch durch die Runde
[36]
Der Thorheit unsrer Brüder wand,
Und lachend oft auch meine eigne fand.
Du sprichst mit Ernst, und deine Sprache,
Die Feindinn jeder Narrenzunft,
Spricht für die Sache der Vernunft,
Die heiligste, die größte Sache.
Die Sprache darfst du also nie entweihen, –
Dein Vater selbst, der strenge Boileau,
Befiehlt mit gutem Grund es so, –
Zu niedern Alltagslitaneyen.
Du thast, ich meine, wohl nicht gut,
Daß du, ein Mann, mit Knabenmuth,
Im Jucken deiner Federspule,
Die Männerschaft der ernsten Schule
Im Schnurrenton aufs Tabernakel trugst.
Und kühn vor deinem Richterstuhle
Sie mit der Fliegenklatsche schlugst.
Du hast nicht einen todt geschlagen,
Und billig nur von manchem Biedermann,
Der dich vorher sehr lieb gewann,
Dir selbst den Tadel heimgetragen.
Die bunten Schülersschaften Kants
Sind, trotz den dunkeln Labyrinthen,
[37]
In denen sie mit eignen neuen Sünden
Oft die Vernunft in Zauber winden,
Doch wahrlich nicht für einen Drachenschwanz.
Gesetzt, die Schule hätte sich
An deinem Satyr schwer versündigt,
Daß du mit Recht ihr feyerlich
Längst offne Fehde rechtlich angekündigt;
So spricht des Stückes ganzer Ton
Zu sehr dem Gegenstande Hohn;
Und edeln feingestimmten Herzen
Wird trotz des Witzes um sie her,
Mit dem du sprichst, es billig schwer,
In diesem Punct auf diese Art zu scherzen.
Hat je der Matador der Spötter,
Des Witzes Fürst, der Vater Lucian,
Der Schreck der Menschen und der Götter,
In seinem Zorn wohl so etwas gethan?
Vielleicht nur Aristophanes
Warf seinen Streich mit solcher Miene
Aus seinem Rettigmagazine
Nach Euripid und Sokrates.
[38]
Verzeih mir, Lieber, meinen Tadel!
Ich nehm' ihn jeden Augenblick
Von deinem bessern Selbst zurück;
Die Muse gab dir Kraft und Muth und Adel.
Laß du die kleinen Hummeln summen,
Und rede, weil auf dir Apollo ruht,
Mit deiner Suade Heldenmuth,
Wo andere verzagt verstummen.
Wenn Bonzen Rauch und Nebel streuen,
Und uns dem Schooß der alten Nacht,
Wenn jugendlich die Morgenröthe lacht.
Nonsensikalisch wollen weihen;
Dann schlage du mit deinem Blitz,
Der ringenden Vernunft zum Wohle,
Die mitternächtlichen Idole
Zum Erebus zurück auf ihren Sitz.
Wenn zähnefletschend stolze Bassen,
Mit Feuerschlinden rund umpflanzt,
Mit Pergament und Stahl umschanzt,
Das letzte Mark der Hintersassen
Bey ihrem Blutmahl schmelzen lassen;
Dann rede du mit Ungewittern,
Daß unter deinem Ungestüm
Der Unterdrückung Ungethüm
Vor Furcht die letzten Nerven zittern.
[39]
Wenn rechtliche Harpyen schwelgen,
Wenn, glänzend von gestohlnem Gold,
Der Räuber Lips im neuen Wagen rollt,
Brich du ihm seiner Räder Felgen,
Und reiß dem feilen Bösewichte
Die Larve kühn vom Molochsangesichte.
Wenn Laster Tugend unterjocht,
Und Bosheit kühn auf Macht und Ansehn pocht;
Wenn sie mit neuem Gift den Geifer
In hohem heißem Satanseifer
Zu siebenfachem Menschenelend kocht;
Dann wirf mit allen Flammen drein,
Und sublimire deine Reitze;
Dann, lieber guter Falk, dann beitze
Mit Vitriol und Höllenstein.
Hat man dich einst beleidigt, lache;
Die Männerchen, die ehmahls dich geneckt,
Sind durch Vergessenheit gedeckt,
Und nun zu klein für deine Rache.
Die Menschheit ist nun deine Sache.
Weih diesem göttlichen Geschäfte –
Denn groß und herrlich ist der Ruf,
[40]
Zu welchem dich das Feuer Gottes schuf –
In deiner Laufbahn deine Kräfte.
Die Menschheit dankt dann einst noch deinem Nahmen,
Und setzt zu dem Palladium
Als Wächter einst dich in ihr Heiligthum;
Und alle Guten sagen Amen.
Der Nachwelt reiner warmer Dank
Ist überall der schönste Grabgesang.

[41] Verlangtes Gutachten über Menschen und ihren Umgang

Die Menschen sind, was Menschen immer waren,
Gemisch von Schwachheit und von Kraft;
Oft spricht Vernunft, und öfter Leidenschaft:
So sind sie seit sechs tausend Jahren
Im Strom der Zeit hinab gefahren;
Und meistens nur, wozu der Augenblick sie schafft.
Im Allgemeinen aufgerafft,
Sie mögen lachen oder weinen,
Sind sie nur selten, was sie scheinen.
Das Wort ist nichts, als nur ein Hauch;
Die stille That nur, kaum bemerkt durch Einen,
Zerstreut der Worte dicken Rauch.
[42]
Wir meinen selbst nur selten, was wir meinen:
Gemächlich ist der löbliche Gebrauch,
Auf Andrer Ansehn dictatorisch auch
Stracks zu bejahn und zu verneinen.
Es führet uns am Gängelband
Ein buntes Heer von Vorurtheilen.
Kaum hat man ein Gespenst verbannt,
Und ganze neue Rotten eilen
Dem Orte zu, wo das verjagte stand.
Wird eines Arztes Wunderhand
Wohl je den tiefen Schaden heilen?
Der Knabe, der schnell wie sein Drache fliegt,
Der Greis mit seinem dritten Fuße,
Das Mädchen, das die Puppe wiegt
Und die Matrone mit der Buße;
Magister Duns, den nichts betrügt,
Der Sybarit, der unter Moschus liegt,
Der Mönch mit seinem Engelsgruße;
Das Ordensband, das Lorberhaupt, der Richter,
Der Kämmerling, der Philosoph, der Dichter;
Ein jeder, Bettler und Minister,
Von Paul dem Kaiser bis zu Paul dem Küster,
Treibt sporenstreichs, mit Feder oder Schwert,
Mit Spaten, Meßtisch oder Lunge,
[43]
Als hing das Wohl der Welt an seiner Zunge,
Mit heißem Blut sein Steckenpferd:
Und treibt er in der Hitze nur
Dem Nachbar nicht durch Garten oder Flur,
So ist die Jagd noch ehrenwerth;
Es trage dann ein jeder seine Kappe,
In Sanssouci und bey Gemappe.
Doch darum ist das Erdenvölkchen nicht,
Wenn gleich im Sokkus und Kothurne,
Vom Flügelkleide bis zur Urne,
Ein jeder sich sein eignes Kränzchen flicht,
Sogleich ein häßliches Gezücht.
Prometheus hat uns ein Mahl so geknetet
Aus seinem Thon; was können wir,
Das arme Machwerk, denn dafür,
Daß man verkehrt nun pflanzt und hackt und jätet,
Und mit der brennendsten Begier
Dem Glück entflieht und um das Unglück bethet?
Als die Olympier Pandoren
Zum mißlichsten Experiment,
Wovon noch jetzt die hohe Flamme brennt,
Den Leutchen, die des Töpfers Kunst geboren,
Herabgeschickt, fing das Präsent
[44]
Zu gähren an, und hat nun fort gegohren.
Die Hoffnung nur ging nicht verloren,
Daß einst vielleicht die Gährung schweigt,
Und Gutes noch aus dem Gemische steigt.
Indessen webt der Tanz der Horen,
Wer nur sein Herz dem holden Chore neigt,
Noch viel Musik für Augen und für Ohren.
Der Mensch ist menschlich. Urideen zeugt
Vielleicht am Urquell nicht der Engel,
Der reines Licht von Gottes Antlitz trinkt;
Und im Gefühle seiner Mängel
Voll Ehrfurcht zitternd niedersinkt.
Die Täuschung ist uns zugeschworen;
Das Siegel liegt in der Natur:
Wir sehen hier in unsrer Dämmrung nur
Von Glück und Licht als Trösterinn Auroren;
Und wen beym Antritt seiner Bahn
Die Genien mit Lächeln wiegen sahn,
Dem lächeln auch wohl ihre Floren.
Wir müssen uns einander nehmen,
So wie wir in dem Kreise sind,
Und uns ein wenig links und rechts bequemen;
Man schifft umsonst stracks gegen Fluth und Wind
[45]
Ein blödes Aug' ist darum noch nicht blind.
Man streife nur das Handwerk von dem Manne,
Und nehme, was dann übrig bleibt,
Gewissenhaft und nach der Spanne,
Wenn er nicht mehr sein Steckenpferdchen treibt;
So stehen Richter und Susanne
So ziemlich wie sie waren da,
Und jeder sieht so ziemlich, was er sah.
Ein jeder gibt sein Bißchen Sinn,
Mit dem der Himmel ihn gesegnet,
Weil die Ergebung Vortheil regnet,
Für Unsinn des Systems dahin:
Man denkt, Vernunft ist immer im Gewinn.
Die schwarzen Pfaffen und die braunen,
Mit Platten und mit langem Schopf,
Die Gilden mit und ohne Kopf,
Als Stutzer hier und dort als Faunen,
Die ihre tiefen Gaunereyn
Dem Volk mit gimpelhaften Launen
Hochheilig in die Ohren raunen,
Sind von dem Ganges bis zum Rhein
Zwar sehr oft noch der armen Menschheit Pein;
Doch mit dem leidigen Gelichter,
[46]
Jetzt in Kohorten, jetzt allein,
Bey weitem nicht sogleich auch Bösewichter.
Ein jeder Narr trägt seine Brille;
Ein jeder Mensch hat seine Grille.
Der Bonze bläst das Zionshorn,
Wie Samuel ihm vorgeblasen,
Und von dem Schnauben seiner Nasen
Strömt auf die Frevler hoher Zorn,
Die zu vernünfteln sich vermaßen.
Der Mann mit einem Flammenstern
Blickt groß aus seinem Strahlenscheine
Mit Dunst des Hofs herab auf Kleine,
Und mimickt, wo er kann, so gern
Die Miene des erlauchten Herrn,
Als schrieb' er das Gesetz am Rheine:
Und in des Vorsaals dicker Luft
Hält mancher stolz sich für des Staates Treiber.
Vom Marschall bis zum Küchenschreiber;
Und wer den Hof nicht roch, ist ihm ein Schuft.
Der Held, für ein Gespenst von Ehre,
Und oft für ein Gespenst von Pflicht,
Sieht, trunken vor dem trunknen Heere,
[47]
Als ob der Gang zum Paradiese wäre,
Dem Würger trotzig ins Gesicht,
Der zu dem Mahl sich Legionen bricht.
Wie sehr ihm auch der Druck des Panzers laste,
Er zehrt in ihm des Landes Fett,
Und fühlt dadurch stracks sein Verdienst komplett;
Und den Beweis führt seine Degenquaste.
Das große Heer der Herrn der Feder
Sitzt dictatorisch in dem Rauch,
Und füttert sich mit Erbsenbrey und Lauch,
Und glaubt, es treib' allein die Räder
Der Weltuhr fort: und mancher arme Gauch
Im vierten Stock, der alles stolz verachtet,
Was unter ihm auf Erden wohnt,
Schnallt sich den Bauch vor Hunger, aber thront,
Indem er nach der Suppe schmachtet,
Als hätt' er den Verstand gepachtet.
Der Junker rollt sein langes Pergament,
Daß hoch der Staub fliegt, aus einander;
Und gegen ihn ist Philipps Alexander
Ein Männchen nur, das kaum der Schüler kennt,
Ob es gleich Welten nieder rennt:
Das Stift von Mainz hätt' ihm den Eintritt nicht vergönnt.
[48]
Er siehet in zerschoßnen Fahnen,
Vor deren Schrift er staunend steht,
Und die er links und rechts mit Ehrfurcht dreht,
Nur seinen Werth im Werth der Ahnen;
Und führet das erlauchte Haus,
Durch viele fromme Dunkelheiten
Und manchen alten Schutt der Zeiten,
Zwey hundert Jahr vors Feigenblatt hinaus.
Der Demagog mit faltenvoller Stirn
Spinnt tief versteckt an neuen Schlingen,
Den Eigensinn des Pöbels zu bezwingen,
Und setzt in seinem heißen Hirn
Das schönste Lied, das die Sirenen singen,
Und wickelt dann das Volk wie Zwirn,
Um es an seinen Pfahl zu bringen,
Wo er es, trotz der blutigsten Accise,
Wenn ers vermöchte, schwitzen ließe.
Die Göttinn, die an ihrem Hofe
Mit Einem Blick die Männerwelt
In Sclaverey gefesselt hält,
Vor der der Held, brav in dem Amt der Zofe,
Mit Schmeicheleyen niederfällt,
Dreht unter Wielands schönster Strophe
[49]
Das Schnürchen fest, mit dem sie Sprenkel stellt;
Und hält mit List die Grazien am Fädchen,
Trotz Liddy, ihrem Haubenmädchen.
Verzeihen wir, damit man uns verzeihe!
Die Menschen sind im Ganzen schon noch gut;
Man nehme sie nur nach der Reihe,
Mit allem, was das heiße Blut
So oft, und oft das kalte wieder thut.
Wir sind, trotz den Apotheosen,
Womit des Dichters Feerey
Es schmeichelnd wagt, den Schönen vorzukosen,
Nur von der Erdensiedeley.
Auf Binsen blühen keine Rosen,
Und unser Ball trägt keinen Fehlerlosen.
Doch hat er viele gute Seelen,
Die hier und da noch ohne Schein,
Gleich einem unpolierten Stein,
Im rauhen Kleid den innern Werth verhehlen,
Und denen, um auch schön zu seyn,
Vielleicht nur Schliff und Fassung fehlen.
Mit ihnen können wir vergnügt
Noch unsers Lebens Stunden zählen;
Und, wenn der Troß der Alltagswelt betriegt,
[50]
Und falscher Stempel uns belügt,
Zu ihnen uns wie zu Asylen stehlen.
Sie sind einander anverwandt,
Weil sie einander angehören:
Die Wahrheit ist ihr diamantnes Band,
Die Tugend stets das Siegel, das sie ehren;
Ihr Gruß ein biedrer Druck der Hand,
Auch wenn sie von den fernsten Meeren,
Von fremdem Stamm und fremder Sprache wären.
Die Freundschaft fließt nicht von den Zungen;
Die Herzen lesen ohne Schrift:
Es wird kein schöner Spruch gedungen;
Sie reden durch die That, die in die Seele trifft;
Denn aus der Seel' ist sie entsprungen.
Sie kennen sich, auch wenn sie schweigen;
Und wer die Sprache nicht versteht,
In welcher sie sich ohne Künste zeigen,
Und um den Sinn zur Schule geht,
Verfehlt des Weges, den sie wallen,
In Hütten und in Marmorhallen,
Der Stern ist nichts, wenn nichts darunter schlägt,
Das seinen Mann von reinem Werthe
Den Dutzendseelen dieser Erde
Entrückt und zu den Sternen trägt.
Mit Kopf und Herz in Gleichgewicht,
[51]
So fest wir hier auf unsern Wegen
Im Gleichgewicht zu gehn vermögen,
Gehn sie, wenn auch der Sturm aus Wolken bricht,
Mit stiller Kraft den Weg der Pflicht:
Und wandern sie der Nacht Gefahr entgegen,
Das Herz hat Muth, der Kopf hat Licht.
Sie reichen jedem ihre Hand,
Der auf der schroffen Felsenwand
Mit Schwindel in dem Blicke stehet,
Wo sich der Fuß hart an dem jähen Rand
Schon ungewiß und zitternd drehet,
Und schon das Haar zum Sturze wehet;
Sie wandeln dankbar durch die Au,
Und pflücken zu dem Kranz der Horen
Im Angesichte von Auroren
Die Rosen mit dem Perlenthau:
Doch legen sie das neugewundne Band
Der Frühlingskinder aus der Hand,
Und trösten einen Freudenlosen,
Der weinend an dem Wege stand;
Der Augenblick bricht ihnen beßre Rosen,
Als Flore selbst mit ihrem Lenze wand.
Nicht süßer Worte Melodieen,
Nicht Thränen selbst, die an der Wimper glühen,
[52]
Beweisen so, wie ein Gesicht,
Von dem mit Ernst, in ungeduldger Regung
Und schöner flammender Bewegung,
Die ganze Seele Wohlthat spricht.
Fein ist der Stempel, den sie tragen,
Und tief, sehr tief liegt mancher Zug:
Man lernt ihn nicht in wenig Tagen,
Und oft erscheint nach Jahren noch Betrug.
Betrügen und betrogen werden;
Nichts ist gewöhnlicher auf Erden.
Mit manchem ist man schon in langen Jahren
Auf dieser Reise durch die Welt
In Einem Kahn hinab gefahren,
Und glaubte sich sehr gut gesellt,
Bis schnell, wenn durch verborgne Felsen
Die Fluthen unser Schiffchen wälzen,
Der Nebel von der Stirne fällt.
Der Eigennutz, der Stolz, der Dünkel,
Und irgend eine Leidenschaft
Schläft oder lauscht oft Jahre lang im Winkel,
Bis sie mit eingesogner Kraft
Gebietherisch zu Tage dringt,
Und Harmonie in grellen Mißlaut bringt.
Die Meinung und der Ruf vergrößern immer,
[53]
Und mahlen optisch alle Mahl
Den Gegenstand durch oft gebrochnen Strahl,
Das Gute besser, Böses schlimmer,
Das Dunkel dunkler, blendender den Schimmer.
Die Regel durch das Leben sey:
Vertraulichkeit, und selten nur Vertrauen,
Und links und rechts, von Furcht und Hoffnung frey,
Auf Seelenphänomene schauen;
Erwarten und nichts auf Erwartung bauen;
Nur alle Menschen menschlich nehmen,
Das Gute so, wie wir es sehn;
Mit Muth und Kraft dem Bösen widerstehn,
Anstatt darüber uns zu grämen:
Und zu der Sicherheit der Sache,
So weit das Erdenelement
Uns Sicherheit in seinem Schooße gönnt,
Den Geist der Vorsicht auf die Wache.

[54] Gebeth 1

Gott, Gott, den Mönch und Bonze nennet,
Und weder Mönch noch Bonze kennet,
Den man von Nation zu Nation,
Durch schleichenden Betrug geblendet,
In frömmelnder Verehrung schändet,
Hier beth' auch ich, des Staubes Sohn.
Des Weisen forschender Gedanke
Bebt ehrfurchtsvoll in seiner Schranke,
Und blickt mit Ahndung in dein Heiligthum,
Und stehet, wenn in ihren Kreisen
Dich Myriaden Welten preisen,
Anbethend still zu deinem Ruhm.
Du säest Welten aus wie Saaten,
Und das Geheimniß deiner Thaten
Ist blendend Licht und Harmonie und Sturm;
Und in der Kette deiner Wunder
Ist eine Sonne nur ein Zunder,
Und eine Erde nur ein Wurm.
[55]
Und ich, was mag ich Pünctchen wollen?
Die Sphären deiner Ordnung rollen
Nach deinem Maß in ihren Kreisen hin;
Ob unter Jubel oder Wimmern,
Auf Rosenwegen oder Trümmern
Ich glücklich oder elend bin.
Du hast gerecht zu meinem Leben
Mein Theil mir von Vernunft gegeben;
Genug zum Segen und genug zum Fluch:
Ich bin, wenn ich, was ich verschulde,
Nicht ruhig ohne Murren dulde,
Mit dir und mir in Widerspruch.
Das Urverhängniß aller Dinge
Liegt weislich in dem großen Ringe
Durch lange Folgen an Nothwendigkeit;
Und nichts wird, wenn auch schwache Seelen
Mit Gram sich bis zur Folter quälen,
Im Schicksal anders angereiht.
Wer kann, o Wesen aller Wesen
Des Schicksals große Rolle lesen,
Auf welche du der Himmel Ordnung schreibst?
Wer hat mit dir im Rath gesessen,
[56]
Das ewige Gesetz zu messen,
Nach welchem du die Sphären treibst?
Man legt dir, Weisester, wenn Thoren
Durch Unverstand ihr Glück verloren,
In lauten Klagen den Verlust zur Last;
Und niemand mißt genug die Mittel,
Die du im Purpur und im Kittel
Den Sterblichen beschieden hast.
Nur wenn des Lebens Riesenplagen
Der Freude letzten Keim zernagen,
Erliegt dem heißen menschlichen Gefühl
Die schwankende Vernunft und fluchet,
Wenn sie umsonst nach Rettung suchet,
Frech sich und dir in dem Gewühl.
Wenn übertünchte Bösewichter
Das Recht durch den erkauften Richter
Der Unschuld rauben, und in hohem Spott
Das Mark der Wimmernden verschwenden,
Verzweifelt in des Henkers Händen
Die Tugend selbst an ihrem Gott.
[57]
Wenn häuchlerische schwarze Seelen
In ihrem Kleid ihr Gift verhehlen,
Und Völker an dem Gängelbande drehn,
Und desto blutiger zu zehren,
Mit Finsterniß die Dummheit nähren,
Wagts der Gequälte dich zu schmähn.
Die Zwietracht schwingt mit Schlangenarmen
Die Todesfackel ohn' Erbarmen,
Und würgt mit Wuth in einem Augenblick,
Der göttlichen Vernunft zur Schande,
Die ganze Hoffnung ganzer Lande
Und mancher Jahre schönes Glück.
Der Ocean durchbricht die Dämme
Und greift im Sturme ganze Stämme
Von Glücklichen mit ungeheurer Fluth;
Die Erde wirft mit giftgem Hauche
Verderben aus dem Naphtabauche,
Und frißt Provinzen in der Gluth.
Wenn rund, wohin das Auge fliehet,
Wo nur der Strahl der Sonne glühet,
Die Menschheit unter ihren Geißeln weint,
Wenn in unendlichen Gestalten
[58]
Harpyen ihre Mahlzeit halten,
So knirscht vor Grimm der Menschenfreund.
Wenn in dem stürmischen Gewühle
Sich qualvoll kreuzender Gefühle
Die schwache Lampe der Vernunft erlischt;
Wenn hinter ihm Verwüstung gähnet,
Und vor ihm, furchtbar ausgedehnet,
Sich Finsterniß mit Schrecken mischt;
Wenn er umsonst nach Lichte spähet,
Und zweifelnd an dem Abgrund stehet,
Wagt er die große fromme Frevelthat,
Voll hoher Gluth in seinen Adern,
Mit dir, Gott, seinem Gott zu hadern,
Und lästert dich und deinen Rath.
Gott, in den Glanz des Lichts gehüllet,
Gott, dessen Hauch das Weltall füllet,
An dessen Kleid die Sonnen funkelnd stehn;
Auf dessen Wink die Welten fallen,
Und aus den Trümmern neue wallen,
Die jubend sich in Sphären drehn:
[59]
Gott, Vater, Schöpfer, Ordner, Walter,
Des Cherubs und des Wurms Erhalter,
Laß nichts mir, wenn die Bosheit teuflisch glotzt,
Laß nichts mir meinen Kinderglauben
An deine Vatergüte rauben,
Der aller Bosheit Giften trotzt.
Ich bin, kann ich in Hypothesen
Gleich nicht das große Räthsel lösen,
Ich bin ein Funke deiner Ewigkeit;
Und mein Gefühl mit Feuerschwingen
Kann auf zu deiner Größe dringen
In seines Werthes Trunkenheit.
Laß mich nicht, wenn mein Busen wüthet,
Und Lästerung und Wahnsinn brütet,
Im hohen Wahnsinn deine Weisheit schmähn;
Ich stehe blind am großen Spiele,
Und kann hinab zum fernen Ziele
Nicht mit dem schwachen Auge sehn.
Laß mich nicht, wenn in ihren Rotten
Verführer frech der Unschuld spotten,
Und jeden Tag ein neues Opfer fällt,
Laß mich, wenn sie mit Molochsaugen
[60]
Aus ihren Thränen Nahrung saugen,
Nicht richten über deine Welt.
Laß mich nicht, wenn mit Hohngelächter
Des Rechtes rechtliche Verächter
Der Tugend kaum den Götterwerth verzeihn,
Laß mich nicht, wenn des Elends Knaben
Umsonst nach Futter schreyn, wie Raben,
Durch Lästerung die Zung' entweihn.
Laß mich nicht, wenn Hyänenhorden
Provinzen zur Verwüstung worden,
Und jubelnd über Menschentrümmern gehn,
Laß mich nicht unter Menschenteufeln
An deiner Vaterhuld verzweifeln,
Wenn Höllengeister mich umwehn.
Laß nie mich in der Angst es wagen,
Dich hochvermessen anzuklagen,
Da Dunkel noch das große Jenseits deckt,
Nicht fluchen, wenn das Laster sieget,
Und Tugend, die im Schlummer lieget,
Zu ihrem Untergange weckt.
[61]
Wenn jenseits noch zur Qual gerottet,
Der Tugend frech die Bosheit spottet,
Die hier das Blut der Unschuld gierig sog;
So ist es, Herr, dein Himmelsfunken,
Der, waren wir hier wonnetrunken,
Uns göttliche Verwandtschaft log.
Wenn du uns hier in unserm Staube,
Trotz der Verheißung, die ich glaube,
Zum todten Stoff der fremden Wesen legst,
So sinkt die Hälfte meiner Brüder
In nahmenloses Elend nieder,
Womit du zwecklos sie zerschlägst.
Wenn Angst und Zweifel in mir stürmet,
Und Nacht auf Nacht um mich thürmet,
Und alle Sinne sich im Schwindel drehn,
So will ich meine Hände falten,
Und mich an dich im Sinken halten;
Und sinkend werd' ich nicht vergehn.
Ich will, wie an dem Helm im Schiffe,
Am alles tröstenden Begriffe
Von dir und deiner weisen Güte stehn,
Und wenn des Weltbaus Angel sinken,
[62]
Der Hoffnung vollen Becher trinken,
Und ruhig in die Trümmer sehn.
Es sollen mich nicht Widersprüche,
Nicht infulirter Männer Flüche,
Nicht Edda, Vedam, und nicht Alkoran,
Nicht Bibel und nicht irre Weisen
Von meiner Felsenwarte reißen,
Auf der ich sicher harren kann.
Aus deiner Hand gehn Orionen,
Du hauchst der Geister Millionen
Mit Götterkräften hin in ihre Bahn,
Und zündest, wenn die Geister zagen,
Aus Mitternacht zu Sonnentagen
Gewiß die Fackel wieder an.
Aus Tod und Grab bricht meinen Blicken
Dann unter himmlischem Entzücken
Gewiß der Ordnung Morgenlicht zuletzt:
Dann tauch' ich mich in jene Kreise
Der Welten, wenn zur Weltenreise
Aurore mir die Füße netzt.

Fußnoten

1 Dieses Gebeth wurde geschrieben an dem Morgen, wo Suwarow die Prager Linien vor Warschau nahm, und wo in einer Zeit von zwey Stunden fast achtzehn tausend Menschen im Sturm umkamen. Ich war damahls in Warschau Gefangener als russischer Officier, und fast alles geschah unter unsern Augen, da wir nur durch den Fluß getrennt waren. Die Catastrophe drohete uns und der Stadt den Untergang, und nur die Weichsel war unsre Rettung. Ismail und Praga sind des schrecklichen Suwarow schrecklichste Tage; ich habe mich an einem andern Orte darüber erklärt. Der Gedanke, daß jetzt ein Reich in Trümmer fiel, war mir nicht sehr gegenwärtig in dem physischen und moralischen Sturme, der um mich und in mir war. Die nächste Veranlassung zu diesem Stücke war die entsetzliche Seelenstimmung eines verwundeten pohlnischen Officiers, der auf seiner Flucht von Praga durch Warschau, Gott weiß wohin, uns noch besuchte. »Die Ihrigen haben wieder gesiegt, knirschte der unglückliche Mann mit den Zähnen und hob den zerschossenen Arm halb in die Höhe; wenn mir künftig noch jemand etwas von Gott und Tugend und Vorsehung sagt, will ich ihm die Antwort ins Gesicht speyen.« So stürzte er aus dem Zimmer, und ich sahe ihn nicht wieder.

[63] Schwermuth

Führe mich zu deiner Abendfeyer,
Göttinn mit dem tiefgesenkten Schleyer,
Göttinn der Gedanken und der Ruh;
Führe mich, zum Freunde dir geboren,
Fern von dem Geräusch der goldnen Thoren
Deinem dunkeln Ulmenwalde zu.
Auf der Felsengrotte grauem Steine,
Wo ich einsam oft, im tiefsten Haine,
Von der Erde losgekettet saß,
Will ich mich in deine Arme schmiegen
Zu dem süßen traurigen Vergnügen,
Welches nie des Weltlings Seele maß.
Rund umher kann ich mit tiefem Grauen
Monumententümmer überschauen
Aus der alten alten Fehdezeit;
Rund umher verkünden schwarze Mauern,
Die dem Auge morsch entgegen schauern,
Wie die Bosheit Gift in Wermuth streut.
[64]
Dort von jenem eingestürzten Schlosse
Wieherten zum Straßenraub die Rosse
Unter braven Rittern in das Thal;
Und die Enkel schwelgen jetzt im Gute,
Das der Urahnherr mit Löwenmuthe
Einst vor grauer Zeit dem Pilger stahl.
Dort hat in des Faustrechts blut'gen Tagen
Einen Greis des Sohnes Schwert erschlagen,
Bey der alten moosbedeckten Gruft;
Dort floh von dem blutgefärbten Herde
Der Verruchte vor des Rächers Schwerte
In die Hölle durch die Felsenkluft.
Dort, wo man die Weitzengarben bindet,
Rauchte, von dem Satan angezündet,
Todesfeuer in die Luft empor;
Und die Gegend scholl von Kriegesrufe,
Und die Erde bebte von dem Hufe,
Und die Buche zitterte wie Rohr.
Unsre alten guten Väter haben
Tausende Erschlagner hier begraben,
Die der blinde Ehrgeitz hingewürgt;
Und der hochgeworfne Knochenhügel
[65]
Liegt Jahrhunderten zum schwarzen Siegel,
Das den Menschen Menschenelend bürgt.
Unter jenes Kirchhofs dunkeln Hallen
Scheinen bleiche Gruppen hin zu wallen,
Und mit Grimme blickt vom Leichenstein
Noch, wie einst im alten Actensaale,
Der Erfinder teuflischer Kabale,
Seine Qual und seiner Brüder Pein.
Liebenswürdig wie die jungen Horen,
Zu der Schöpfung Meisterstück geboren,
Stürzte dort als Opfer feiler Brut,
Die mit süßem Gift ihr Herz belogen,
Minna, um ihr Erdenglück betrogen,
Sich mit holdem Wahnsinn in die Fluth.
Dort von jenem alten Klosterthurme
Funkelt' einst im kleinen Feuerwurme
Dickes Aberglaubens Gaukeley,
Und des Unsinns drohender Pagode
Gängelte die klägliche Synode
An dem Leiteseil der Möncherey.
[66]
An den umgeworfnen Leichensteinen
Sah man Waisen voll Verzweiflung weinen,
Die Gerechtigkeit zu Waisen schuf;
Thränen grüßten dort die Morgenröthe,
Und des lauen Westes Flügel wehte
Laut zu Gott empor des Jammers Ruf.
Jene Gärten wo der Schwelger singet,
Hat der Armen Kummerschweiß gedünget,
Der von heiß gebrannter Stirne floß,
Und die Despotie, in Blut geschrieben,
Treibt der Gottheit Bild mit Geißelhieben
Durch die lange Sclaverey wie Troß.
Göttinn, Freundinn, ach wer kann die Plagen
Unsrer armen Menschheit alle klagen?
Elend deckt die Wiege, deckt das Grab:
Elend lagert sich um uns und lauschet,
Wenn der Freude schönster Becher rauschet,
Sitzt am Scepter und am Bettelstab.
Aus der Urne rinnt der Freude wenig,
Für den Sohn der Armuth und den König;
Und den Tropfen, der uns trösten soll,
Macht die scheele Bosheit schon im Falle
[67]
Mit der Hölle Schlangenhauch zu Galle,
Und die Liebe selbst gebiert den Groll.
Göttinn, führe du mit deiner Trauer
Mich zur Weihe längs der alten Mauer,
Deren Firsten wilder Epheu deckt;
Laß mich unter kalten Leichensteinen
Eine Thräne bey den Brüdern weinen,
Welche nun nicht mehr der Kummer weckt.
Halte mich mit deinen Seelenblicken,
Wenn ich Tugend in der Bosheit Stricken,
Und die Bosheit im Triumphe seh;
Mache du mich fest in meinem Wandel,
Wenn ich neben einem Bubenhandel
Und dem Elend, seinem Sohne, steh.
Leite mich, Geliebte, wenn ich sinke,
Daß ich Kraft aus deinem Auge trinke,
Wenn der Zweifel wühlend auf mich rückt,
Wenn ich vor dem großen Vorhang stehe
Und mit Zittern in die Tiefe sehe,
Daß mich nicht der Zweifel nieder drückt.

[68] Ruhe

Ruhe jeder Leidenschaft
Tränkt das Herz mit Götterkraft;
Ruhe stählet Sehn' und Mark,
Macht zu jeder Bürde stark.
Ruhe führt des Sehers Sinn
Höher durch die Welten hin,
Wo er Orionen mißt
Und der Erde Sand vergißt.
Ruhe senkt des Weisen Blick
Tiefer zu der Brüder Glück;
Ruhe mißt am Lebensstab
Richtig Zweck und Mittel ab.
[69]
Ruhe zückt des Kriegers Schwert
Blitzender für Haus und Herd;
Ruhe biethet der Gefahr
Fester Stirn und Busen dar.
Ruhe scheucht wie Sonnenblick
Nebel von dem Pfad zurück;
Ruhe lehrt, was gut und schön,
In dem hellsten Lichte sehn,
Ruhe reihet jedes Ding
In der Kette rechten Ring;
Ruhe bleibet, immer rein,
Jeder Freude Probestein.
Ruhe zieht aus Gottes Luft
Süßer seines Lenzes Duft;
Ruhe schmeckt der Traube Blut
Geistiger zu hohem Muth.
Ruhe trinkt zum zweyten Mahl
Aus der Freude Festpokal;
Ruhe trägt die Freuden heim,
Wie die Biene Honigseim.
[70]
Ruhe hat bey schwarzem Brot
Götterkost im Abendroth;
Ruhe schöpft zum Nectartrank
Wasser von der Rasenbank.
Ruhe trotzt dem nahen Sturm
Wie die Wach' im Felsenthurm;
Ruhe sieht ins offne Grab
Ohne Herzensangst hinab.
Ruhe nicht, die ohne Sinn,
Ohne Schaden und Gewinn,
Wie die Schlafsucht um sich gähnt,
Aber kaum die Glieder dehnt;
Ruhe nicht, die matt und stumpf
Bey dem Menschenelend dumpf,
Ohne Herz und Regung sitzt,
Und den Schweiß der Dummheit schwitzt;
Ruhe nicht, die auf die Qual,
Auf die Leiden ohne Zahl
Ihrer Mitgeschöpfe schielt,
Aber nichts mit ihnen fühlt.
[71]
Ruhe, welche über Welt
Kopf und Herz in Eintracht hält;
Ruh der Tugend und ihr Lohn,
In der Hütt' und um den Thron.
Ruhe, die mit süßem Hang
Tröstung reicht und Labetrank;
Ruhe, die den letzten Deut
Einem ärmern Bruder beut.
Ruhe, welche Säcke Gold
Wie die Kieselwacken rollt;
Ruhe, die am Hochgericht
Wie bey Bechern Wahrheit spricht.
Ruhe, wie Elysium
In der Seele Heiligthum,
Die mit stiller Majestät
Durch die große Schranke geht.
Diese Ruhe hält noch fest,
Wenn uns Welt und Sinn verläßt,
Drückt uns sanft die Augen zu;
Himmel, gib mir diese Ruh!

[72] Weibliche Unschuld

Without the graces, innocence imparts,

You never win others nor secure your hearts.

Die Allgewalt des lieblichen Geschlechtes
Beherrscht mit schöner Zauberey,
Der Stolze trägt nur härtre Sclaverey
Im Traume des verlornen Rechtes,
Beherrscht den Geist des Königs wie des Knechtes:
Der edelste bleibt nicht der Fesseln frey.
Es schäme sich der unsichtbaren Ketten
Kein Mann, so groß er immer war.
Die Parce webt Uranien ihr Jahr,
Und webet es von Blumenbetten:
Nur wer nicht fühlt, vermag es sich zu retten,
Und lächelt kalt und spottet der Gefahr.
[73]
Der Weise lebt beglückt in sanften Banden,
Die süße Herzenssympathie
Und leiser Hauch der Seelenharmonie
Zum Heil des Lebens um ihn wanden,
Dankt für sein Glück den Göttern, die es fandten,
Küßt frey und froh die Kett' und segnet sie.
Die Schönheit rührt, doch nur die Anmuth sieget,
Und Unschuld nur behält den Preis,
Die Unschuld die von keiner Schminke weiß
Und überwindet und nicht krieget,
Und mehr allein durch ihre Reitze wieget,
Als aller Kunst gemeßner Modefleiß.
Das Herrlichste, was wir auf Erden schauen,
Was magisch oft Barbaren zähmt,
Und selbst die Hand des Bluttyrannen lähmt,
Ist, bleibt ein Weib, das voll Vertrauen,
Sich kaum bewußt, den Rest gemeiner Frauen
Durch Tugenden von hohem Werth beschämt.
Die Anmuth thront auf ihrer heitern Stirne,
Und ihre schöne Seele mahlt
Sich in dem Blick, den sanft ihr Auge strahlt:
Sie dreht als Phöbus Lieblingsdirne
[74]
Nicht ein System mit Aufwand von Gehirne,
Dem Schmeicheley nur kalten Beyfall zahlt.
Mit ihrem Ton haucht ihre Harmonieen
Sie wilden Unholdsseelen ein,
Wenn sie es reicht, wird Wasser Chier-Wein;
Sie kommt, und Zorn und Zwietracht fliehen,
Und selbst der Knecht der stygischen Harpyen
Hört ein Mahl auf ein Bösewicht zu seyn.
Die Unschuld blickt, und selbst der Wüstling schweiget,
Und sein verworfnes Herz wird rein
Als kehrt' ein Gott zu seiner Rettung ein:
Kein Funke seiner Sünde steiget
Entflammend auf, wo sie ihr Antlitz zeiget,
Und tief fühlt er sich nur verächtlich klein.
Mit Lieblichkeit spielt an der Mutter Händen
Die kleine Schmeichlerinn, und blickt
Mit Unschuld auf, in der sie schon entzückt:
Wer kann den Blick einst von ihr wenden,
Wird die Natur ihr schönes Werk vollenden,
Das sie schon jetzt mit Zauberzügen schmückt?
[75]
Mit Lust entschlüpft sie ihrem Flügelkleide
In froher Unbefangenheit,
Und jeder Tag, der sie zum Liebling weiht,
Ziert sie mit mehr als funkelndem Geschmeide,
Die Unschuld schmückt mehr als Gewand von Seide
Und Frohsinn mehr, als Glanz der Eitelkeit.
Die Jungfrau geht, mit Glorie umgeben,
Und alle Herzen folgen nach;
Und manches Wort, das ihre Lippe sprach,
Erwegt ein schwerverborgnes Beben,
In welchem sich die leisen Seufzer heben,
Und leise wird der Liebe Sehnsucht wach.
Die Sittsamkeit glänzt sanft in ihren Blicken;
Wie ungleich jenem Angesicht,
Wo jeder Zug nur Aphroditen spricht,
Wo in der Lockung frechem Nicken,
Und jedem Wort Begierden sich verstricken,
Wo jeder Wink der Tugend Schranken bricht!
Ihr trägt ein Mann sein ganzes Herz entgegen,
Sieht sie wie eine Gottheit an,
Und rühmet sich mit Stolz, daß ers gethan,
Und hält sie froh für einen Segen
[76]
Aus Eden noch auf seinen Pilgerwegen;
Und was er glaubt, ist kein erträumter Wahn.
Der Gatte geht mit Zuversicht und Liebe,
Wohin ihn das vereinte Glück
Oft ruft, und sieht mit Mißtraun nicht zurück;
Als ob den Bund ein Engel schriebe,
Für ihn allein das Paradies noch bliebe:
Die Unschuld bürgt mit ihrem Seelenblick.
Wer spricht es aus, wenn er auf ihrem Schooße
Die kleinen Gaukler scherzen sieht,
Und sie ihn sanft in diese Gruppe zieht?
Ein Krösus ist mit seinem Loose
Ein Bettler dann, und klein der erste Große,
Der hoch entflammt um Dunst der Ehre glüht.
Die Unschuld ist die Grazie der Schönen,
Die lieblich jede Freude würzt,
Genuß vermehrt und Kummerstunden kürzt.
Kein Frevler wagt es, sie zu höhnen;
Um sich vielleicht der Tugend auszusöhnen,
Wenn rund um ihn die Hoffnung nieder stürzt.
[77]
Sie lächelt frey, wenn, wie am Königsthrone,
Ein Sclavenheer sich um sie drückt,
Und schmeichlerisch im Glanz der Schönheit bückt.
Dem Mädchen reichet sie die Krone;
Bringt Heiterkeit und Ehrfurcht der Matrone,
Wenn sich das Haupt mit Silberlocken schmückt.
Sie denket froh an jeden Tag von gestern,
Der ohne Tadel ihr verstrich;
Ergötzet schon des nächsten Morgens sich,
Und Freud' und Ruh sind ihre Schwestern:
Und wagts der Neid, die Göttliche zu lästern,
Der Scorpion stirbt an dem eignen Stich.
Wenn stille Schuld der Wangen Blüthe tödtet,
Den schönsten Schmelz der Augen dämpft,
Und in dem Mark mit Feuergifte kämpft;
Wenn sich umsonst der Frühling röthet,
Verzweiflung kocht, wenn Philomele flötet,
Und Marterangst das Herz zusammen krämpft;
Wenn in den Kreis der schwachen kranken Kinder
Der Mutter scheues Auge fällt,
Und jeder Blick Gewissenspein enthält,
Wenn stets geschwinder und geschwinder
[78]
Im Fieberpuls der hingelebten Sünder
Ein Rächer sich mit seiner Rechnung stellt:
Dann sieht verklärt die Tugend ihre Knaben,
Die in dem buntesten Gewühl
Mit Jugendkraft und hohem Frohgefühl
Sich um sie her versammelt haben:
Die Seele kann sich an dem Anblick laben,
Und Engel sehn mit Lust ein solches Spiel.
Wenn zauberisch im jungen Ebenbilde
Die muntre kleine Tochter fliegt,
Und lauschend sich an ihre Mutter schmiegt,
Und ihre Mutter dann mit Milde
Sie sanfter drückt und hinblickt ins Gefilde;
Hat Dichtung je so schönen Traum gewiegt?
Kühn blickt der Mann und muthig in Gefahren,
Den seiner Seele Würde hebt;
Er schreitet fest, wenn feig der Weichling bebt;
Die Tugend stählt in Winterjahren
Ihn noch mit Kraft auch unter grauen Haaren,
Wenn keiner mehr der Zeitgenossen lebt.
[79]
Die Unschuld bringt der guten frohen Alten
Den Schwarm der Enkel um das Knie:
Sie sieht und küßt und lehrt und segnet sie,
Wenn sie sich fester an sie halten;
Und Freude glänzt aus allen ihren Falten
Und jedes Wort ist reine Sympathie.
Hoch ehret sie in ihrer Tugend Lohne,
Bey eurer Hoffnung ehret sie,
Ihr Mädchen; sonst erreichet ihr sie nie.
Der Vater lebt in seinem Sohne,
Und Enkel sind die Zierde der Matrone:
Ein solches Stück ist Seelenharmonie.
Geht, opfert ihr, der Unschuld, die euch schützet,
Die euch mit jedem Reitze ziert,
Durch die allein ihr edle Herzen rührt,
Was ihr besitzt, durch sie besitzet,
Und ohne die euch alles wenig nützet;
Geht, opfert ihr, die euch zum Heile führt.
Durch sie nur wird und ihren hehren Schleyer
Die Schönheit göttlichen Geschlechts;
Nur sie allein gibt das Diplom des Rechts
Und macht Vollkommenheiten theuer,
[80]
Veredelt Lieb' und macht allein sie freyer
Als Dienstbarkeit des nur gemeinen Knechts.
Nur sie allein schafft Segen auf der Erde,
Und sichert euer Paradies,
Das einst ihr Hauch aus Wüsten werden ließ,
Verbannet Kummer und Beschwerde,
Baut den Olymp an Baucis kleinem Herde,
Und wehet sanft, wenn hoch der Sturmwind blies.
Sie mischt den Kelch, den euch der Gram verbittert,
Mit Trost aus ihrem Vaterland,
Führt in dem Glück, reicht im Orkan die Hand,
Und hauchet, wenn der Sünder zittert,
Weil schwarz heran die Donnerwolke wittert,
Euch Frieden zu, von Gott herab gesandt.
Sie reicht mit Huld, wenn einst die Saat der Halmen
Zur großen Ernte niedersinkt,
Und ernst und hehr des Schnitters Sichel blinkt,
Den Kindern ihren Kranz von Palmen,
Wenn zu dem Chor der neuen Jubelpsalmen
Ihr Angesicht im Strahlenkreise winkt.

[81] Der Wilde 1

Ein Kanadier, der noch Europens
Übertünchte Höflichkeit nicht kannte,
Und ein Herz, wie Gott es ihm gegeben,
Von Kultur noch frey, im Busen fühlte,
Brachte, was er mit des Bogens Sehne
Fern in Quebecks übereisten Wäldern
Auf der Jagd erbeutet, zum Verkaufe.
Als er ohne schlaue Rednerkünste,
So wie man ihm both, die Felsenvögel
Um ein kleines hingegeben hatte,
Eilt' er froh mit dem geringen Lohne
Heim zu seinen tiefverdeckten Horden
In die Arme seiner braunen Gattinn.
Aber ferne noch von seiner Hütte
Überfiel ihn unter freyem Himmel
Schnell der schrecklichste der Donnerstürme.
Aus dem langen rabenschwarzen Haare
[82]
Troff der Guß herab auf seinen Gürtel,
Und das grobe Haartuch seines Kleides
Klebte rund an seinem hagern Leibe.
Schaurig zitternd unter kaltem Regen
Eilete der gute wackre Wilde
In ein Haus, das er von fern erblickte.
Herr, ach laßt mich, bis der Sturm sich leget,
Bath er mit der herzlichsten Geberde
Den gesittet feinen Eigenthümer,
Obdach hier in euerm Hause finden! –
Willst du, mißgestaltes Ungeheuer,
Schrie ergrimmt der Pflanzer ihm entgegen,
Willst du Diebsgesicht mir aus dem Hause!
Und ergriff den schweren Stock im Winkel.
Traurig schritt der ehrliche Hurone
Fort von dieser unwirthbaren Schwelle,
Bis durch Sturm und Guß der späte Abend
Ihn in seine friedliche Behausung
Und zu seiner braunen Gattinn brachte.
Naß und müde setzt' er bey dem Feuer
Sich zu seinen nackten Kleinen nieder,
Und erzählte von den bunten Städtern,
Und den Kriegern, die den Donner tragen
Und dem Regensturm, der ihn ereilte,
[83]
Und der Grausamkeit des weißen Mannes.
Schmeichelnd hingen sie an seinen Knieen,
Schlossen schmeichelnd sich um seinen Nacken,
Trockneten die langen schwarzen Haare,
Und durchsuchten seine Weidmannstasche,
Bis sie die versprochnen Schätze fanden.
Kurze Zeit darauf hatt' unser Pflanzer
Auf der Jagd im Walde sich verirret.
Über Stock und Stein, durch Thal und Bäche,
Stieg er schwer auf manchen jähen Felsen,
Um sich umzusehen nach dem Pfade,
Der ihn tief in diese Wildniß brachte.
Doch sein Spähn und Rufen war vergebens;
Nichts vernahm er als das hohle Echo
Längs den hohen schwarzen Felsenwänden.
Ängstlich ging er bis zur zwölften Stunde,
Wo er an dem Fuß des nächsten Berges
Noch ein kleines schwaches Licht erblickte.
Furcht und Freude fchlug in seinem Herzen,
Und er faßte Muth und nahte leise.
Wer ist draußen? brach mit Schreckentone
Eine Stimme tief her aus der Höhle,
Und ein Mann trat aus der kleinen Wohnung.
Freund, im Walde hab' ich mich verirret,
[84]
Sprach der Europäer furchtsam schmeichelnd;
Gönnet mir, die Nacht hier zuzubringen,
Und zeiget nach der Stadt, ich werd' euch danken,
Morgen früh mir die gewissen Wege.
Kommt herein, versetzt der Unbekannte,
Wärmt euch; noch ist Feuer in der Hütte!
Und er führt ihn auf das Binsenlager,
Schreitet finster trotzig in den Winkel,
Holt den Rest von seinem Abendmahle,
Hummer, Lachs und frische Bärenschinken,
Um den späten Fremdling zu bewirthen.
Mit dem Hunger eines Weidmanns speiste,
Festlich wie bey einem Klosterschmause,
Neben seinem Wirth der Europäer.
Fest und ernsthaft schaute der Hurone
Seinem Gaste spähend auf die Stirne,
Der mit tiefem Schnitt den Schinken trennte,
Und mit Wollust trank vom Honigtranke,
Denn in einer großen Muschelschale
Er ihm freundlich zu dem Mahle reichte.
Eine Bärenhaut auf weichem Moose
War des Pflanzers gute Lagerstätte,
Und er schlief bis in die hohe Sonne.
[85]
Wie der wilden Zone wildster Krieger,
Schrecklich stand mit Bogen, Pfeil und Köcher
Der Hurone jetzt vor seinem Gaste,
Und erweckt ihn, und der Europäer
Griff bestürzt nach seinem Jagdgewehre;
Und der Wilde gab ihm eine Schale,
Angefüllt mit süßem Morgentranke.
Als er lächelnd seinen Gast gelabet,
Bracht' er ihn durch manche lange Windung,
Über Stock und Stein, durch Thal und Bäche,
Durch das Dickicht auf die rechte Straße.
Höflich dankte fein der Europäer;
Finsterblickend blieb der Wilde stehen.
Sahe starr dem Pflanzer in die Augen,
Sprach mit voller, fester, ernster Stimme:
Haben wir vielleicht uns schon gesehen?
Wie vom Blitz getroffen stand der Jäger,
Und erkannte nun in seinem Wirthe
Jenen Mann, den er vor wenig Wochen
In dem Sturmwind aus dem Hause jagte,
Stammelte verwirrt Entschuldigungen.
Ruhig lächelnd sagte der Hurone:
Seht, ihr fremden klugen, weißen Leute,
Seht, wir Wilden sind doch beßre Menschen!
Und er schlug sich seitwärts in die Büsche.

Fußnoten

1 Diese Erzählung habe ich, als ich selbst in Amerika und in der dortigen Gegend war, als eine wahre Geschichte gehört. Sie interessierte mich durch ihre echte reine primitive Menschengüte, die so selten durch unsere höhere Cultur gewinnt. Ob man gleich ähnliche hat, so habe ich sie hier doch nicht unterdrücken wollen.

[86] Elegie auf einem Feste zu Warschau 1

Si natura negat, facit indignatio versum.


Was ist Wahrheit? fragt am Richterstuhle
Jener brave Heide seinen Mann.
Große Frage, die noch keine Schule
Aus dem Weisheitsnimbus lösen kann.
Menschen, Widerspruch im großen Ringe,
Räthsel in der Kette dieser Welt,
Zwischen Thier und Engel Mitteldinge,
Durch Vernunft geadelt und entstellt.
Vater, der du diesen Götterfunken
Himmelssinns in unser Wesen schlugst,
Und die Erdenseele feuertrunken
Zum Gedanken deiner Größe trugst;
[87]
Hast du zur Verdammniß Licht und Leben,
Als du unsre Existenz gebarst,
Deinen Neuerschaffenen gegeben,
Denen du im Zorne gütig warst?
Duldung, Vater, mit dem schwachen Kinde,
Das im Dunkel deiner Strahlen schwirrt,
Und von Labyrinth zu Labyrinthe
Ängstlich, traurig, aber schuldlos irrt.
Deine Werke kamen gut und edel,
Groß und herrlich aus der Schöpferhand,
Bis der Afterweisheit Schlangenschedel
Sich sie auszubessern unterstand.
Was ist Wahrheit? sprecht von euerm Throne,
Wie ihr metaphysisch dunkel schwebt,
Von Konfuzen bis zu Mendelsohne,
Und im Nebel Hypothesen webt.
Ha, ihr tappt mit eurer Blendlaterne
Weisheitstrunken durch die tiefe Nacht,
Träumet in dem Irrlicht Sonnensterne,
Bis ihr spät zum Todesschlaf erwacht.
[88]
Menschheit, arme Menschheit, deine Lehrer,
Alle deine Weisen wissen nichts;
Flattern, ihrer Hirngeburt Verehrer,
Gleich Insecten um den Strahl des Lichts.
Und die Bosheit, die im Finstern schleichet,
Fasset schnell der Schwachheit Taumelgeist,
Bis sie ihr den süßen Giftkelch reichet,
Und die Sclavinn hin ins Elend reißt.
Wenn der Menschenmahler seinen Pinsel
In der Schwermuth schwarze Farben taucht,
Und Bedrückung, Kummer und Gewinsel,
Stolz und Knechtschaft in die Gruppe haucht;
Weinet unserm göttlichen Geschlechte
Eine Thräne bey dem Trauerstück:
Seht, man gräbt das Grab der Menschenrechte:
Und wer ruft Gestorbene zurück?
Dort verzehren muftische Magnaten
Ihres Landes Fett in Schwelgerey;
Und der Pflüger, stets der Kern der Staaten,
Jammert bey der ihm gelaßnen Spreu.
[89]
Und die edeln Menschenmäkler zählen
In des Mammons großem Rechnungsbuch
Ihre Schätze nur nach Menschenseelen, 2
Und ihr Segen ist der Knechte Fluch.
Mit umglühter, heißer Stirne frohnen
Unter der Despoten Eisenstab
Ganze große schöne Nationen
Von der Kummerwiege bis ins Grab.
Freyheit ist ein Schall vor ihren Ohren;
Der Gedanke wäre Hochverrath;
Weil zum Troß der Sclaverey geboren
Unsinn ihren Geist gefesselt hat.
Und auf ihrem Wolkenthrone sitzet
Rings umher die alte Möncherey,
Blicket grimm, aufs Vorurtheil gestützet,
Und ihr Scepter wieget schwer wie Bley.
Unter ihrem schwarzen Rabenflügel
Zischen die Kabalenzungen Gift,
Brechen Laurer frech das Freundschaftssiegel,
Sinkt dem Streiche, wen der Spürhund trifft.
[90]
Ihre Geyer drohn in allen Zonen,
Wo die unterdrückte Wahrheit spricht,
Mit Bastillen, Inquisitionen,
Thürmen, Minen, Eisen, Blutgericht.
Wenn Banditen nur mit Dolchen morden,
Bleicht man ihren Schedel auf dem Holz,
Aber wenn der Helden Troß in Horden
Länder würget, sind die Helden stolz.
Wenn der Mann dem Manne, der ihm glaubet,
Seinen Seckel stiehlet, ists Betrug;
Aber Herrschsucht, die Provinzen raubet,
Nennt der Staatskunst hohe Schule klug.
Durch der Politiken schiefe Brille
Ist Moralität ein Possenspiel,
Und Gerechtigkeit nur eine Grille,
Die in Philosophenschedel fiel.
Arme Brüder, hat euch Gott zu Ketten,
Zu des Unsinns Eisenjoch gemacht?
Und vermag kein Rächer euch zu retten
Aus der Vorurtheile langen Nacht?
[91]
Strahlenwahrheit ist euch noch zu helle,
Freyheit selbst wird eurer Ruhe Grab;
Und ihr trinkt Beranschung aus der Quelle,
Die der Schöpfer nur zur Stärkung gab.
Gleich Insecten kriechet ihr als Knechte
Unter Frohngeboth und Knutenhieb;
Und ihr würgt am eigenen Geschlechte,
Wo euch die Vernunft den Freybrief schrieb.
Elend in der Sclaverey, und blutig,
Wo die Freyheit ihren Fittich schwingt;
Ha, wer wagt es noch, der groß und muthig
Nach dem schönen Menschenrechte ringt?
Menschen, Widerspruch im großen Ringe,
Räthsel in der Kette dieser Welt,
Zwischen Thier und Engel Mitteldinge,
Durch Vernunft geadelt und entstellt.
Hier sitzt, um die Nachwelt zu betrügen,
Menschenfeindlich glotzend, ein Gesicht,
Spähet aus dem Staub gelehrte Lügen
Für den jämmerlichsten Bösewicht.
[92]
Dort wirft von dem hohen Rednerstuhle
Eine Bonzenseele schleichend Gift,
Spinnet mit der Ketzerey der Schule
Zwietracht aus dem Friedensbrief der Schrift.
Hier durchwühlt der Geitz mit Gnomenfreude,
Unbekümmert um der Waisen Fluch,
Seiner Koffer goldnes Eingeweide,
Und durchzählt sein langes Rentenbuch.
Dort durchspähn, die Richter zu bestricken,
Weil ein Schurke schwere Säcke beut,
Rabulisten mit Hyänenblicken
Jedes Schlupfloch der Gerechtigkeit.
Und der Richter wägt die feilen Sprüche,
Wohl und Weh, nach goldnen Gründen ab;
Und ein Kuß macht in Gesetze Brüche,
Den ihm schmeichelnd eine Dirne gab.
Hingeführt an Amors seidnem Fädchen,
Geht der stolze Stoiker und sucht
Kniend vor dem zauberischen Mädchen
Heute etwas, dem er morgen flucht.
[93]
Gott, du schufst so herrlich schön die Erde,
Nicht zum Sitz für Tyranney und Trug,
Als dein väterliches Machtwort »Werde!«
Aus dem Nichts die Sonnenbälle schlug.
Bosheit, Herrschsucht, Geitz und Wollust haben
Deine schöne Symmetrie zerstört,
Gießen Gift in deine Himmelsgaben,
Daß sich traurig Hirn und Herz empört.
Einsam soll mich eine Felsengrotte
Und ein Eichbaum decken, wo die Welt
Nicht sarkastisch lächelt, nicht im Spotte
Urtheil über Bürgertugend hält.
Und wenn das Gerücht mir dann verkündet,
Daß die Menschen stets noch Thoren sind,
Weht es leiser, und sein Hauch verschwindet
Schneller durch des Lenzes Abendwind.
Und ich singe mit der Morgenröthe
Bey der Quelle meinen Weihgesang;
Und des Abends haucht die Silberflöte
Ruhe längs des Berges Felsenhang.
[94]
Neben meiner kleinen Binsenhütte
Grab' ich an dem Eichbaum meine Gruft,
Bis mich Graukopf einst mit leisem Tritte
Sanft der Tod zum großen Abend ruft.

Fußnoten

1 Auch dieses Stück, etwas früher als das obige Gebeth, wurde in einer moralischen Gährung der Seele geschrieben, wo man freylich nicht für den reinen Werth und die Wahrheit jedes unwilligen Gefühls bürgen kann. Der General Igelstroem hatte in Warschau eine glänzende Gesellschaft, wo alles, was in der Residenz auf irgend eine Weise von Ansehen war, auf dringende Einladung sich einfand. Der König war zu seinem Schicksal nach Grodno gegangen. Es war der Tag, wo man dort in der Reichsversammlung die neue Theilung unterzeichnete, da die Argumente dazu, die Batterien, nicht weit von dem Thore des Pallastes in Bereitschaft standen. In Warschau war alles bey Igelstroem, was der enthusiastische Friedrich Schulz dort nur Schönes sah. Mein Gesicht ist kurz. Nachdem ich die verschiedenen Antlitze der Gäste durch mein Glas in den Spiegelwänden des Saals, so gut es sich mit Bescheidenheit thun ließ, gesehen hatte, und mit Artigkeit hinter dem Stuhle einer Dame zu stehen in mir weder Neigung noch gehöriges Talent fand; warf ich mich in ein Seitenzimmer und beschäftigte mich mit meinem Taschenbuche. Was ich hier gebe, war der Inhalt dieser Stunden.

2 Es ist jenseit und auch eine große Strecke dießseit der Düna eine sehr gewöhnliche Redensart: Er hat zwey oder drey tausend Seelen! Ein Zeichen, daß man sehr wenig Seele hat. Die Kaiserinn, hieß es, hat ihm acht hundert Seelen geschenkt. Jetzt sucht man die Härte des Ausdrucks etwas zu mildern, und sagt nur: Er hat so und so viel hundert Bauern erhalten. Merkel, der, wie ich als Augenzeuge weiß, nicht übertreibt, hat gezeigt, daß durch die Milderung des Ausdrucks die Sache selbst wenig oder nichts gemildert worden ist.

[95] An meines Vaters Grabe 1

Willkommen mir, ihr feyerlichen Schauer
An dieses Kirchhofs eingefallner Mauer;
Hier leg' ich müde meinen Wanderstab
Auf dieses Leichensteins zerborstne Trümmer,
Und setze mich in Lunens Silberschimmer
Zur Ruh auf eines Bruders Grab.
Hier wandelt ernst allein in tiefer Stille
Der Mensch mit sich in der Empfindung Fülle,
Die Wohl und Weh in seinen Busen trägt,
Die ihm, entrückt dem bunten Weltgewimmel,
Die Pforten öffnet zu dem goldnen Himmel,
Und ihn in Qual der Hölle schlägt.
Hier steig' ich auf von moosbewachsnen Hügeln
Auf reiner heißer Andacht Feuerflügeln,
Hinauf, o Gott, zu deinem Strahlenthron,
[96]
Und bethe dir, aus dessen Hand die Sonnen
In ihre Flammenmeere hingeronnen,
Vom Staub der Erde noch dein Sohn.
Gib meinem Blick, wenn deine Myriaden
Sich in dem Glanze deines Lichtes baden,
Noch Stärke, daß ich von der tiefen Höh
Durch jenes Raumes ungemeßne Gründe
Die Harmonie der Schönheit wieder finde,
Die ich hier oft verschwinden seh.
Laß mich, wenn mich die Zweifel übersteigen,
Nicht meinen Nacken unter Zweifeln beugen,
Und halte meinen Geist im Gleichgewicht,
Du Gott des Seraphs und du Gott des Wurmes,
Der in dem Lenzhauch und im Sturz des Sturmes
Mit Wohlthat den Erschaffnen spricht.
Wenn mich die Welt zu hohem Zorn entflammet,
Mein Feuereifer rund umher verdammet,
Wenn schwer mein Herz mit deinem Rechte ringt;
So will ich hier zur Schedelstäte treten,
Und ein Gebeth bey deinen Todten bethen,
Das meiner Seele Frieden bringt.
[97]
Hier ruhen sie von ihres Lebens Frohnen,
Die Brüder einst, in stillen Legionen
In ihrem kleinen kühlen Aschenhaus;
Ruhn von den Lasten, die sie nieder drückten,
Vom Unrecht, unter dem sie schwer sich bückten,
In brüderlichem Schlummer aus.
Hier bin ich oft, wo jene Ulmen hangen,
An meines Vaters treuer Hand gegangen,
Dort, wo das schwarze Bahrenhäuschen steht;
Hier folgt' ich weinend seinem Sarg, hier haben
Sie ihn, den guten, braven Mann, begraben,
Wo kalt der Nord herüber weht.
Wo ist dein Grab, daß ich am Grabe weine?
Des Armen Gruft bezeichnen keine Steine;
Und weiter nichts warst du, als arm und gut.
Schon mehr als zwanzig Jahre sind verflogen,
Seit Wetterstürme um die Statte zogen,
Wo dein Gebein von Erde ruht.
Ich find' es nicht in der Entschlafnen Menge;
Dem Tode wird sein Leichenfeld zu enge:
Schon sank der Hügel über deiner Gruft;
Und gleich den Helden, die in zwanzig Schlachten
[98]
Das Ährenfeld umher zum Kirchhof machten,
Schläfst du, wo hohl der Uhu ruft.
Hier an dem Thor, der Mauer hier zur Rechten,
Wo hoch sich Dornen über Gräber flechten,
Hier war es, wenn mich Phantasie nicht täuscht.
Wo treue Nachbarn dein Gebein geborgen,
Und wo Natur jetzt nach zehn tausend Morgen
Noch eine stille Thräne heischt.
Hier setz' ich mich, wo ich einst oft gesessen,
Und will mein Herz mit Kraft zusammen pressen,
Wo ich zuletzt dein ernstes Antlitz sah;
Und bethen will ich, hier wo wir einst schieden,
Ich zu dem Kampf, du zu des Himmels Frieden,
Und überschauen, was geschah.
Das Schicksal hat, seitdem wir dich begraben,
Mit ehrner Hand den Mann wie einst den Knaben
Im Labyrinth schon manchen Weg gelehrt;
Doch darf ich noch, o könntest du es hören!
Um Mitternacht an deinem Grabe schwören:
Ich war noch immer deiner werth.
[99]
Du warst ein Mann, der seines Lebens Bürde,
Mit hohem Sinn und stets mit Muth und Würde,
Bis an den Schluß des letzten Tages trug,
Den nie das Glück mit wiederhohltem Streiche,
Du standst im Sturm wie in dem Hain die Eiche,
Zum Sclavenjammer niederschlug.
Du warst, wenn wir an deinen Knien hingen,
Und nach der Reih von deiner Hand empfingen,
Froh wie ein alter Patriarchensohn,
Und hattest bey dem kleinen Kohlgerichte
Am runden Tisch im festlichen Gesichte
Entzückung uns, den Feinden Hohn.
Du zahltest fest des Unstern schwere Schulden
Als braver Mann mit deinem letzten Gulden,
Und wiesest dann uns mit Zufriedenheit
Auf jenen Vater, der die Sterne säet.
Vor dem das Wohlthun wie ein Bothe gehet,
Und der der Erde Segen streut.
Du reichtest noch, wenn dir selbst Mangel drohte,
Dem Dürftigern vergnügt von deinem Brode,
Und sprachst noch Trost der Kummerseele zu;
Und drückten schwer dein Herz dann eigne Sorgen,
[100]
So gab zum Werk an jedem schönen Morgen
Dir bald ein weiser Denkspruch Ruh.
Du duldetest, als dich die Krankheit quälte,
In deren Lauf man schon ein Lustrum zählte,
Mit männlicher und lächelnder Geduld:
Du scherztest noch, als unsre Thränen rollten,
Und bathest nur, daß wir nicht weinen sollten,
Und zahltest dann die letzte Schuld.
Jetzt ruhest du, entronnen allen Fluthen,
Im Vaterland nun sanft bey Gottes Guten,
Und blickst vielleicht mit Wehmuth nur zurück;
Und bethest, wenn dich neue Himmel blenden,
Die Seligkeit der Seele zu vollenden,
Für uns um Theil an deinem Glück.
Mit Genien, die jetzt dir jauchzend rufen,
Schaust du des Throns erhabne goldne Stufen,
Und hörst der Morgensterne Lobgesang;
Und dringst verklärt mit Einem schnellen Blicke
Im Flug Äonen vorwärts und zurücke,
Mehr als hier je ein Seher drang.
[101]
Du wandelst dort in lichten Regionen,
Wo endlich Tugend, Ruh und Wahrheit wohnen,
Von denen nur der Nahme bey uns ist;
Wo Gott, den Rückstand endlich voll zu zahlen,
Gerechtigkeit in allgemeinen Schalen
Mit unbestochner Wage mißt.
Dort lachet nicht mit Belialsvergnügen
Ein Bösewicht des Rechts in letzten Zügen;
Dort spricht des Unsinns blutbestellter Frohn,
Mit Geiferwuth und schwer verschloßnen Ohren,
Für jeden Funken bessern Lichts verloren,
Nicht aller Menschenwürde Hohn.
Dort psalmodeyt kein wohlgenährter Bonze,
Im Kopfe Nebel, in dem Herzen Bronze,
Dir seiner Wuth ergrimmten Widerspruch;
Läßt nicht, die heilige Vernunft zu tödten,
Des Aberglaubens Eisenmänner reden
Aus einem dickbestäubten Buch.
Dort wird die Nacht, durch die wir irren, helle,
Und alles tritt an seine rechte Stelle
Zu einem schönen abgemeßnen Gang.
[102]
Dort werden Labyrinthe sich entrollen
Zu einem ewig harmonienvollen
Und göttlichen Zusammenhang.
Verweilest du jetzt dort auf deinem Sterne,
Sieh, Seliger, aus diamantner Ferne
Als Genius herab auf deinen Sohn,
Und trage mir, wenn ich in Zweifeln irre,
Die Strahlenleuchte vor in dem Gewirre,
Wo rechts und links mir Klüfte drohn.
Dann werd' ich nie vom heiligen Gedanken
An Gott und Tugend nur ein Haar breit wanken,
Und immer ruhig an dem Vorhang stehn,
Und freudig, wenn die große Losung tönet,
Mit mir und allem um mich her versöhnet,
Zu deinen Sphären übergehn.
Wenn Stürme je in meinen Pilgertagen
Mich von dem vorgemeßnen Pfade schlagen,
So komm' ich still an diesen Ort herab,
Und setze mich, um Licht und Muth und Kräfte
Zu meines Lebens ernstestem Geschäfte,
Hier an dein unbekanntes Grab.

Fußnoten

1 Wirklich fiel der ganze Entwurf zu diesem Gedicht in meine Seele, als ich einst nach einer sehr ermattenden Fußreise, ganz kraftlos, den Abend sehr spät auf dem Kirchhofe nahe an dem Grabe meines Vater und vielleicht auf demselben ausruhte: denn während der langen Zeit meiner Abwesenheit waren die Hügel umher sehr bewachsen und verfallen. Ich will hier einen Umstand erzählen, den ich bis jetzt, so viel ich weiß, noch gegen keine Seele erwähnt habe, der aber noch heute so neu wie damahls in mir liegt. Mein Vater, der für seine Verhältnisse vorher leidlich wohlhabend war, hatte durch eine unglückliche Pachtung, durch die damahlige Theurung Anno 1770 und 1771, und bey einer Krankheit von drey Jahren fast sein ganzes Vermögen zugesetzt, und war genöthigt, zum Unterhalt seiner Familie ein mit Frohne behaftetes Gut zu kaufen. Seine immer mehr abnehmende Gesundheit und die daraus entstehende traurige Aussicht, da alle seine Kinder noch klein waren, gewann dann zuweilen Gewalt über seinen natürlich guten frohen Muth. Eine nicht beachtete und sodann vielleicht übel behandelte starke Erkältung war die Ursache seiner Krankheit, die nach drey Jahren mit Apoplexie sein Leben endigte. Vorzüglich drückend war ihm in seinen letzten Tagen die Frohnarbeit, die er selbst verrichten mußte, wenn nicht sein Haus sogleich ganz zu Grunde gehen sollte. Natürlich war die Sense für seinen immer mehr ermattenden Arm zu schwer; er strengte sich bis zur Ohnmacht an, und mußte einige Mahl die Mäher auf der Wiese verlassen. Seine Erhohlung war sodann, zuweilen einen kleinen Knaben, meinen jüngsten Bruder, vor der Hausthür auf dem Knie zu haben; und auch diesen setzte er oft ganz ermattet von sich. »Wenn er nur so da sitzen und mit dem Jungen spielen kann,« sagte der vorbeygehende Vogt, ein Mensch ohne Gefühl, wie ihn sein Handwerk forderte, »so befindet er sich ganz wohl; da sieht man ihm nichts an. Nur arbeiten kann er nicht.« Die Mitgehenden murmelten dumpf theils ihren Beyfall, theils ihren Unwillen. Mein Vater trocknete sich schweigend eine Thräne aus dem Auge, das bessere Zeiten gesehen hatte, setzte den Knaben auf die Bank und schlich sich matt in einen einsamen Winkel. Nach drey Tagen war er todt. Ich überlasse dem humanen Leser, sich zu denken, welche Wirkung das Ganze auf meine Seele machen mußte, und bey vermehrter Bildung noch mehr gemacht hat. Mein Vater war übrigens ganz der enthusiastisch rechtschaffene Mann, wie ich hier von ihm gesprochen habe; und nichts hat mir in meinem Leben so rein wohl gethan, als da ich einst mit dem Ausdruck empfohlen wurde: Er ist ein Knabe guter Art; der Segen seines Vaters ruhet auf ihm. Ich entschuldige mich nicht. Wem diese Züge kleinlich vorkommen, der ist nicht werth, einen guten Vater zu haben. Die folgenden zwey kleinen Lieder wurden auf Verlangen meiner Mutter und für sie geschrieben. Ich habe sie mit aufgenommen, weil ein Mann, dessen Gefühl und Offenheit ich traue, ihnen unaufgefordert etwas Werth beylegte.

[103] Morgenlied

Gott, unter deiner Vaterhut
Hab' ich die Nacht so sanft geruht,
Daß ich erquickt nun in die Höh
Der Morgensonn' entgegen seh.
Wohin ich blicke, redest du
Mit Wohlthat mir und Güte zu;
Mein erster Hauch sey Lobgesang,
Mein letzter Athemzug sey Dank.
Du gießest Freuden, wie ein Meer,
Um alle deine Kinder her;
Und nur allein der Thor vergißt,
Daß er ein Mensch mit Menschen ist.
Gib, daß ich diesen ganzen Tag
Mich deiner Güte freuen mag;
[104]
Wend' Unglück ab nach deiner Huld,
Und wenn es kommt, gib mir Geduld.
Nur deine Hand theilt Segen aus,
Gib Segen in mein kleines Haus;
Laß gern mich nutzen jedermann,
Und willig helfen, wo ich kann.
Der Erde köstlichster Gewinn
Ist frohes Herz und reiner Sinn;
Und diesen, Vater, schenke mir,
So wall' ich ruhig hin zu dir.
Du hast mir wieder neue Kraft
Zu meinem Tagewerk geschafft;
Verjüngt sind wieder Fuß und Hand
Zu ihrer Arbeit leicht gespannt.
Wenn einst nach meines Todes Nacht
Zu deinem Licht mein Aug' erwacht,
Dann eil' ich, himmlischer erfreut,
In jenes Lebens Ewigkeit.

[105] Abendlied

Schon glänzt dort hoch der Abendstern;
Lob' ihn, mein Geist, lob' ihn, den Herrn!
Es sank der Sonne goldnes Licht,
Doch seine Güte sinket nicht.
Er hat von meiner Jugend auf
Geleitet meines Lebens Lauf;
Er stand mir bey, wenn von Gefahr
Ich rund umher umgeben war.
Er war mein Trost, wenn Kummer sich
Um mein bethräntes Lager schlich;
Er hörte, wenn ich schwer und tief
Aus meiner Angst um Rettung rief.
[106]
Nun sing' ich noch mit jeder Nacht,
Der Herr hat alles wohl gemacht:
Er schickt uns nur zu unsrer Ruh
Den bittern Kelch der Leiden zu.
Ich habe lang' und viel gelebt,
Und manche trübe Stunde schwebt
Noch einsam jetzt vor meinem Blick;
Doch dankbar denk' ich nur zurück.
Gott, sey mein Vater; steh mir bey,
Daß ich des Lebens Abend frey,
Wie ich ihn nunmehr vor mir seh,
Still, sanft und froh hinunter geh.
Laß fromm mich und von Tadel rein
Vor dir und vor den Menschen seyn,
Daß man, wenn mein Gebein einst ruht,
Noch herzlich sage, er war gut.
Laß meine Kinder, meiner werth,
Nur bleiben, wie ich sie gelehrt,
Sich deiner und der Tugend freun;
So ist ihr Erbtheil nicht mehr klein.
[107]
So wall' ich ruhig, wie ich bin,
Zum stillen großen Schlafe hin,
Wo schlummerschwer mein Auge sinkt,
Wenn mir der Tod, dein Bothe, winkt.

[108] Minna an der Harfe

Elastisch fliegt
Ihr Finger durch die Silbersaiten,
Und Engelharmonieen gleiten,
Aus ihrer Seele Harmonie gewiegt,
In mein entzücktes Ohr,
Und tragen mich zu Gottes Chor
Auf Fittichen des Hochgefühls empor.
Von ihrem Mund
Sinkt aus des frommen Herzens Fülle
In meine Brust geweihte Stille,
Und um mich her ruht tief das Erdenrund:
Die trunkne Seele lauscht,
Wenn sie durchs Tongewebe rauscht,
Und um Empfindung sanft Empfindung tauscht.
[109]
Wenn ihr Gesang,
Wie junger West am Rosenstrauche,
Der Harfe folgt mit Flötenhauche,
Wird meine Seele lauter lauter Dank,
Und heiße Rührung steigt,
Wenn jede Erdenrührung schweigt,
Hinauf, wo sich der Seraph bethend beugt.
Ihr Feuerschwung,
Wenn schwebend ihrer Lieder Wellen
Empor zu Gottes Lobe schwellen,
Hebt meinen Busen zur Begeisterung,
Und froh der Welt entrückt,
Steh ich am Throne, wo entzückt
Des Lichtes Engel sich mit Lichte schmückt.
Ihr Lautenton
Spielt in dem hingegebnen Herzen
Mit süßer Wollust süßen Schmerzen,
Und adelt magisch jeden Erdensohn
Im seligsten Genuß
Zu hohem göttlichen Entschluß,
Wie auf dem Berg' Eloahs Morgengruß.
[110]
Das Paradies
Glüht um sie her, wenn ihre Saiten
Der Tugend Hochgesang begleiten,
Schön wie es Gott in Edens Gärten wies:
Die ganze Schöpfung lacht
Wie nach des Mayes schönster Nacht,
Wenn Florens Hauch durch ihre Harfe facht.
Sie führet mich
Mit Zauber fort in ihrem Spiele
Durch Labyrinthe der Gefühle,
Und meine Seele kettet freundlich sich
Auf ihrer Zauberbahn,
Jetzt sanft hinab, jetzt wolkenhoch hinan,
Mit leisem Zug an ihre Seele an.
Mit starker Hand
Läßt sie in langen Feuerbächen
Den Donner aus den Saiten brechen,
Und webet dann ein glühendes Gewand
Gebietend um die Flur:
Es schmelzen ihre Töne nur
Und Ruhe sinkt herab auf die Natur.
[111]
Melancholie
Zieht durch der Leidenschaften Stille
Um meinen Geist die Trauerhülle,
Wenn feyerlich die Klagemelodie
Ihr von der Lippe sinkt,
Und ihrer süßen Schwermuth winkt,
Die dann mein Herz zum Götterfrieden trinkt.
Die Liebe spricht,
Wenn sie mit holder Freude lächelt,
Wie Zephyr um die Blumen fächelt,
Mit allem Reitz von ihrem Angesicht;
Und schweigend nah' ich mich,
Und schwöre still und feyerlich
Dem Göttermädchen: Ja, ich liebe dich!
Und wenn erfreut
Mein Geist sich an ihr Antlitz hänget,
Und auf Gefühl Gefühl sich dränget,
So lehret mich ihr Blick Unsterblichkeit,
Und Überzeugung schau,
Hell wie den Glanz im Morgenthau,
Ich fest in ihres Auges Himmelblau.
[112]
Die Freude quillt
Durch lange tiefgegrabne Schmerzen
Bey ihrem Ton in wunde Herzen,
Wenn er in Gluth zu hoher Andacht schwillt;
Die Klagen werden stumm,
Und zauberisch wird rund herum,
Wo ihre Lieder wehn, Elysium.
Ruf du mir zu,
Gieß du mir, Minna, mit Gesange
In meine wogende und bange
Und öde Seele deines Himmels Ruh,
Wenn über Gott und Welt,
Wo Laster steigt und Tugend fällt,
Der Zweifel mich mit Angst gefangen hält.
Von deiner Hand
Strömt durch der Weisen Irrgewimmel
Mir Glaube zu an Gott und Himmel,
Mir Glaube zu ans beßre Vaterland.
Die Dunkelheit wird Licht,
Wenn deine Seele Hymnen spricht;
Dann beth' ich mit, und beth' und zweifle nicht.

[113] Der Paß

Wenn wir am Rand des Lebens stehen,
Und alles, was die Erde hält,
Rund um uns her zusammen fällt,
Wenn Kronen mit dem Bettelstab vergehen;
Wenn Herrn von weiten weiten Reichen,
Die gestern noch mit ihrer Riesenhand
Den Orient und Occident umspannt,
Heut ihrem letzten Sclaven gleichen;
Wenn eitler Weisheit Dunst zerstäubt,
Und von den Hypothesenkrücken,
Der größten Köpfe Meisterstücken,
Kaum noch ein Splitter übrig bleibt;
[114]
Wenn tiefe tiefe Dunkelheit
Des Sinnes Ohnmacht schwer umhüllet,
Und Ein Gedanke nur die Seele füllet,
An Gott und Nichts und Ewigkeit:
Dann, dann ist Eine gute That,
Im Sinn des Testaments gethan,
Ein beßrer Paß zur unbekannten Bahn,
Als aller Pfarrer Attestat.

[115] Meinem theuern Lehrer, dem Rektor Korbinsky in Borna

Lieber, guter, alter, verehrungswürdiger Graubart,
Nimm den Dank hier meines Herzens in dieser Epistel,
Den nur ein reines Gefühl, und nicht schön klingende Phrasen,
Freudig dir bringt für so viel mannigfaltige Wohlthat:
Mehr als Dank kann dir der ehrliche Krieger nicht geben;
Und ein Herz, wie das deinige, ist mit dem Zolle zufrieden.
Jetzt noch schweben auf lustigen Schwingen die goldenen Tage,
[116]
Bey dir einst so heiter verlebt, mir im Geiste vorüber:
Wie ich am Eintritt in deine patriarchalische Hütte,
Hochaufblickend der neuen fremden Erscheinungen, da stand;
Wie du dann väterlich traulich den wilden trotzigen Krauskopf
Rechts, links, vorwärts und rückwärts in der Bibel herum führtst,
Und ob meiner kernigen Exegese den Kopf nicktst.
Da war mir Grammatik so fremd wie böhmische Dörfer;
Und von Sprachen verstand ich nur die Epistel von Pfingsten,
Parther und Meder und Elamiter und Judengenossen,
Kreter und Araber, und wie die Leute der Reihe nach hießen.
Da fing ich an denn Amo mit ziemlichem Fleiße zu lernen,
Und ich hab' es seitdem, wie ich glaub', auch ziemlich begriffen:
[117]
Vapulo hat mich das labyrinthische Schicksal gelehret,
Und mich oft in das Passivum von Typto geschlagen.
Himmel, mit welcher Begier ergriff ich den ledernen Nepos,
Und zerzauste das Non dubito fore grausam erbärmlich,
Wie im Herbst ein ehrlicher Märker die Teltauer Rüben.
War es doch eine erfreuliche Zeit in der russigen Klasse,
Wenn wir so die Verba in Mi im Paläphatus peitschten,
Daß in der ganzen Grammatik nicht ein einziges Blatt war,
Das nicht der bleyerne Finger zum lieblichen Ohre gebogen;
Und im neuen Testamente mit brennenden Angstschweiß
Jeder sein Verschen grammatikaliter auswurzelte.
[118]
Und dann, wenn wir saßen beym zentnerschweren Atlas,
Und im Sprunge vom Kattegat setzten bis in die Levante,
Und von Stambul stracks mit einem Fuße nach Japan
Und mit dem andern hinüber ins eisige Feuerland traten.
Der Großmogul war uns ein Ungeheuer von Reichthum,
Und vor ihm die Britten mit allen Guineen nur Bettler.
Du weißt noch, wie ich mit dem Spaten den Garten duchwühlte,
Wetternd auf Maulwurf und Kröte, die Kohl mir und Gurken verdarben;
Wie ich dann ominös mit wahrem Kosakengeschmacke
Rüstig die Zwiebeln bemähte, und am Geruche der Diebstahl
Und der Thäter sich bald mit schönen Grotesken entdeckte,
Und wie man laut dann die herrliche Marodierung belachte.
[119]
Festlich war uns der Tag, wo der erste junge Kohlrabi
Duftend auf dem Tisch und der erste Gurkensalat stand,
Und du Gottlobs und mein Lob mit gar freundlichem Nicken
Bey dem Essen mit Appetite zu spenden geruhtest.
Fröhlicher ward es und lauter, wenn du die graue Pikesche,
Deinen Prorostrishut und vom langen Perukengestapel
Zwischen dem Klassenhüter und Festputz die mittlere wegnahmst:
Dann schrittst du Dux Gregis am großen perlmutternen Rohrstock
Unter unserm Gesummse hinaus in blühende Fluren,
Über den Roßberg, und waldeinwärts in dunkle Gebüsche.
Und dann mußt' uns Vater Holberg aus seiner Synopse
Manches verkündigen; und wir zogen dann Parallelen
[120]
Zwischen dem Consul in Rom und dem Bürgermeister in Borna,
Zwischen Hannibal, Scanderbeg und dem König von Preußen;
Und so wie wir bestimmten, stand die herrliche Norm da.
Da, da wurden Kornelius Nepos, Eutropius, Mela,
Und Melanchthon und Luther, und Hildebrand, Salomo, Sirach
Und Till Eulenspiegel durch einander geknetet:
Und wenn du mit Döderlein und Michaelis im Kopfe
Seitwärts tief ruminiertest, brannte das Feuer der Buben
In der Adern hochloderndem Flammenschlag jugendlich jach auf,
Und electrisch wälzte des Daseyns Taumel die Bande
Ungestüm fröhlich dahin im nebelrauchenden Grase,
Wie die überwinterten Füllen mit hohem Behagen
Durch die buschige Au die elastischen Sehnen versuchen.
[121]
Rüstig und rasch gings, wie Trojaner und Griechen sich baxten,
Rechts, links, hoch, tief, aufwärts und abwärts und lauter und lauter;
Bis ein tobendes volles Conzert Procumbit humi bos,
Und dein alter, ernster, stark sonorischer Zuruf
Phryx emendatur plagis die Streitenden stillte,
Hingeschwunden sind sie die Rosenfarben der Jugend,
Schön und sanft und mild; nur im Hintergrunde der Scene
Zittern sie schwach noch in der holden Erinnerung Spiegel.
Oft hat mich ihr Bild zu den Irokesen begleitet,
Ist oft zu dem Gestade der Düna mir einsam gefolget;
Und mit jeder Freude flog dir ein Segen von mir zu.
Sicher hat ihn der Himmel gehört; er höret die Guten;
Und er gießet lohnend in dein ehrwürdiges Alter
Schöne ruhige stille zufriedene Tage des Weisen.

[122] Trinklied

Die Hände, Brüder! Brüder, trinkt
Der edeln Traube Feuergeist!
Zurück von hier; fort, wem, wenn Tugend winkt,
Das Blut nicht schnell zum Herzen kreist,
Nicht schnell die Faust zum Schwerte reißt!
Der Bund, der eines Schwurs bedarf,
Ist ein Insect, das Sectenwuth,
Von Gifthauch voll, in Gottes Garten warf:
Weg mit dem Schwur! Wir haben Muth;
Der Bund ist schön, die Sache gut.
Für Freyheit, die kein Fürstenknecht,
Kein Demagog, kein Bonze raubt!
Wir stehen nur für Pflicht, Vernunft und Recht,
Wie in dem Sturm ein Felsenhaupt,
Wenn rechts und links die Woge schnaubt.
[123]
Es werde Licht! und weh dem Mann,
Der dieses Licht zu löschen wagt;
Und wehe dem, der schwärmend zum Vulkan
Den Funken, der zum Glücke tagt,
In des Verderbens Flamme jagt.
Auf Brüder, trinkt den heilgen Wein,
Trinkt ihn zum Bund der Wahrheit hier!
Wir ehren Gott, wenn wir uns menschlich freun,
Die Menschheit ruft, wir leben ihr;
Und wenn sie fordert, sterben wir.
Die Hände, Brüder! Brüder, trinkt
Der edeln Traube Feuergeist!
Zurück von hier; fort, wem, wenn Tugend winkt,
Das Blut nicht schnell zum Herzen kreist,
Nicht schnell die Faust zum Schwerte reißt!

[124] Der Zweifel

Mich däucht, Susanne, deine Tugend
War doch wohl nicht so schrecklich auf der Probe,
Als man von dir zum übertriebnen Lobe
Jetzt unsrer lieben Jugend
Im hohen Ton zu sagen pflegt.
Die grämlichen Gesichter fort zu jagen,
Die so unüberlegt
Sich hin zu dir ans Badeörtchen wagen,
Dann wird man doch wohl nicht Wunder sagen.
Wenn aber nun ein junger Mann,
So schön wie Kunst ihn bilden kann,
Schlank wie die Zeder von dem Libanon,
Im Blicke Geist und Harmonie im Ton,
Verführerisch wie Davids Sohn,
Dich glühend angebetet hätte,
Und, hinter einen Rosenstrauch versteckt,
[125]
Die schöne Baderinn entdeckt,
Und auf des Lenzes Blumenbette,
Dich, halb gekleidet, dann um Gnade
Recht rührend angeflehet hätte,
Und zwar allein;
Und hätte dann dein weiches Herz
Des zauberischen Jünglings Schmerz
Mit jedem Pulsschlag heißer mit empfunden,
Und du hättst dann dich losgewunden,
Und zwar allein,
Und bey dem süßen Flehen
Es noch gewagt zu schreyn,
Und zwar allein;
Dann möchte noch die Probe gehen.

[126] Einem Kleinmüthigen

Willst du dich denn zu Tode grämen,
Wenn sich die Menschen deiner schämen?
Tritt ohne Furcht in deiner Kraft hervor;
Was kümmert dich der goldne Thor?
Verächtlich ist gewiß der Mann,
Der ohne Grund verachten kann.
Der Weise fragt nicht, ob man ihn auch ehrt;
Nur er allein bestimmt sich seinen Werth;
Ganz unbesorgt um Ruhm und Schmach,
Geht er dem eignen Lichte nach:
Und hat er durch Vernunft nur Einen Freund gewonnen,
So hat die Parze gut gesponnen.

[127] Die Aehnlichkeit

Frau Rose nahm den kleinen Jungen,
Der jubelnd um sie hergesprungen,
Mit mütterlichem Wohlbehagen,
Um ihn mit Trommel, Flint' und Wagen
Zu Töffeln, ihrem Mann, zu tragen.
Sieh sieh doch, Töffel, sprach Frau Rose,
Wie rasch er ist, wie flink und lose;
Schau nur einmahl dem kleinen Wichte
Auf jeden Zug im Angesichte;
Er ist von Kopf bis zu den Sohlen
Im Ebenbild mir abgestohlen:
So schelmisch, sieh doch nur zum Spaße
Das Kinn, die Stirn, den Mund, die Nase! –
Ey, daran ist nun wohl kein Zweifel,
Sprach Töffel, und schob seine Mütze
Ein wenig von dem Grillensitze;
Nur daß er mir nicht gleicht, das ist der Teufel.

[128] Der große Muth

Der Freuden und der Marter Quelle;
Und Heil und Gift für Seel' und Leib,
Der Erde Paradies und Hölle
Liegt in dem Worte Weib.
Kein Wunder, daß die Männer zagen;
Doch möcht' ich wohl ein Mahl die Hölle wagen,
Das Paradies davon zu tragen.

[129] Der Contract

La Chatre hatte Herz und Sinn
Der zauberischen Buhlerinn,
Der schönen Ninon, hingegeben,
Die ihr vermuthlich alle kennt;
Schnell muß er fort zum Regiment,
Und fordert nun mit heißem Beben
Contract der Treu aufs ganze Leben.
Miß Ninon lächelte und schrieb,
Da ihr nichts weiter übrig blieb,
Heiß, wie die höchste Flamme brennt,
Der treusten Liebe Testament.
Nun ließ der gute Mann sich trösten,
Besah das Blatt, wie einen Zauberring,
Und küßte sie und ihre Schrift, und ging.
Doch kaum war er bey der Armee, so lösten
Gemächlich alle Schwüre sich
Bey Ninon auf, und kurze Zeit verstrich,
So spielte sie die feuervolle,
[130]
Natürliche und allerliebste Rolle
Mit einem ihrer Weisheitsbrüder,
Die sie mit Chatre spielte, wieder.
Im allerwichtigsten Momente
Ergriff sie die Gewissenspein;
Der arme Chatre fiel ihr ein.
Sie rang voll Gluth die schönen Hände,
Und rief im schönsten letzten Act:
Ach der Contract, ach der Contract!
Und damit ging das Stück zu Ende.
Nun trug man in dem Publicum
Den kläglichen Contract herum,
Und lachte selbst an Ludwigs Hofe
Von der Prinzessinn bis zur Zofe,
Und sprach und spielte manchen Act
Von dem Contract.

[131] Guter Rath

Du willst es; gut, so sollst du meine Lehren
Zur Abfahrt auf die Reise hören.
Du gehst jetzt in die große Welt,
Und gleich zu gelten, Lieber, fehlt dir Geld:
Denn Geld nur gilt, wie schon die Sprache lehrt,
Und Gold allein gibt stracks dem Manne Werth.
Und diesen Mangel auszufüllen,
Mußt du nach manches Thoren Grillen
Die Fahne deines Lebens drehn,
Um durch die Klippen glücklich hin zu gehn.
Fürs erste suche zu studieren,
Mit welcher Art von Menschenthieren
Das Schicksal dich zusammen schlägt;
Auf welchem Puncte du sie kannst berühren,
Und was ihr Geist für Farbe trägt.
Verläugne dich; laß nie den Menschen blicken
Denn Menschheit ist nun vor der Hand
Fast überall noch konterband,
[132]
Und ihr Phantom wird oft nur ausgespannt,
Den Sinn der Blöden zu berücken.
Schnell lerne dich mit Anstand bücken,
Und in der Mode welschem Ton,
Der frevelnden Vernunft zum Hohn,
Nonsensikalisch Formeln auszuflicken.
Leg' auf das warme Menschenherz,
Damit in kindischen Gefühlen
Die Knabenadern dir nicht Streiche spielen,
Ein dreyfach dickes kaltes Erz.
Laß die Moral den Schulmonarchen,
Und suche bald im ersten hohen Rausch
Mit überlegtem klugen Tausch
Der Schule Dünste wegzuschnarchen.
Schließ dich an reiche goldne Narren
Mit wohlbedachter Narrheit an;
Sonst kannst du auf Fortunens Bahn
Umsonst Olympiaden karren.
Erfrech dich nie Vernunft zu haben,
Die deinem Gönner widerspricht,
Und schlüg' er wie die Fibelknaben
Dem Menschensinn ins Angesicht.
Wag nie, die alte Nebeldecke
Der bunten und der schwarzen Röcke,
Aus welcher Bann und lange Flüche rauchen,
[133]
Mit Phöbus Lichtstrahl anzuhauchen.
Sprich keck; nur wage keine Kasten
Mit deiner Kühnheit anzutasten.
Red' in der Selbstsucht hohem Grimme,
So oft man dein Verdienst verkennt,
Von deinem Werth mit Stentors Eisenstimme,
Bis dich auch die Belohnungsliste nennt.
Sey groß bey Kleinen, und bey Großen klein;
Im Tadel beißendklug, im Lobe fein;
Doch sage stets mit Peter Squenz,
Vortrefflich! zu der Excellenz.
Bey allen Abderitenstreichen halte
Den kleinsten Muskel in der Falte:
Versuch' es nie, dem Laster nachzuspüren,
Und Tugend zu analysiren.
Ergreif die Laune, die den Mann besitzt,
Mit Kunst, so lange sie dir nützt.
Laß nie das Ehrgefühl dich drücken,
Das manchem, wenn er weiter zielt,
So oft noch Schülerstreiche spielt,
Vor Dunsen und vor Schurken dich zu bücken.
Sey Kuppler; noch in jedem Lande
Erwirbt man klug sich Ruhm durch Schande:
Sey blind mit Fleiß und dumm aus List,
Bis du auf deinem Boden bist.
[134]
Hilf Schwärmern fluchen, Schuldnern speculieren;
Hilf Süßlern winseln, Weibern radotieren;
Und fasse weislich die Gelegenheit,
So oft sie dir die Lockenstirne beut.
Lies Horoskopen in des Weibes Miene,
Und sprich den jungen Faun zum Amorine.
Sey Frömmler und sey Freygeist nach dem Ton,
Jetzt der Vernunft, dem Glauben jetzt zum Hohn.
Ersinne dir die lieblichste Karesse
Für jeder Dame Lieblingshund,
Und lauf galant die Füße wund,
Und nimm am Ende die Mätresse.
Sey Proteus, wechsle die Gestalten;
Und laß dich unter keiner halten,
Bis du dich ins Gewicht gebracht;
Das dann in der Geschäfte Schale
Mit Einem Mahle
Für dich auch eine Schnellung macht.
Dann kannst du mit Behaglichkeit
Die gute liebe Lebenszeit
Nach deiner eignen Laune lungern:
Wo nicht, so lerne nur getrost
Philosophie mit magrer Kost,
Und dann und wann recht tapfer hungern.

[135] Fragment über den Kuß

Nun ja, ich habe, daß ihrs wißt,
Ihr würdet sonst doch wenig von mir halten.
Ich will bekennen, in der alten
Und in der neuen Welt geküßt,
Trotz meiner Stirne finstern Falten:
Verstehet sich in allen Ehren,
Wie es seit Karls des Großen Zeit
In alter deutscher Züchtigkeit
Die strengsten Regeln nicht verwehren.
Nun fraget ihr mich, ohne Scherz
Die Hand aufs Herz,
Was ich von Küssen sage?
Verfänglich ist mir allerdings die Frage.
Ihr meint vor allem, wenn man küsse,
Daß man zum ganzen herrlichen Genuß
Des Himmlischen in einem Kuß
[136]
Auch die Geküßte lieben müsse.
Ey, freylich das; und ich bekenne klar,
Daß dieser Fall auch meiner war:
Und überdies, – da hört ihr gleich,
Daß ich euch nicht belogen habe, –
Es war ein Mädchen, herrlich, schön und reich
An jeder seltnen Göttergabe.
Ich habe selbst mir oft geschworen,
Sie hätte des Olympus Horen
Mit ihrem Seelenblick besiegt;
Und hätte sie die Fabelwelt geboren,
Es hätte sie Urania vergnügt
Sich zur Begleiterinn erkoren,
So hatten sie die Grazien gewiegt.
Ein Mädchen war es, das so oft, wenn mich
Ein Phantasienrausch beschlich
Und mich mit Paradies belog,
Wo ich entzückt durch sieben Himmel sah,
Weit mächtiger mich nach Kolumbia
Als Washington und Franklin zog.
Nun denkt euch, Freunde, so ein Kuß,
Denn ich erst halb der stolzen Brittinn raubte,
Und denn sie dann mir ganz erlaubte,
Und selbst zurückgab, wie ich glaubte,
War doch wohl noch ein Kuß.
[137]
Von einem köstlichen Genuß.
Auch sag' ich, kann ich gleich vor Zärtlichkeit nicht schmachten,
Ein solcher Kuß ist gar nicht zu verachten,
Doch aller Küsse Quintessenz,
Vom Rosenlenz bis zu dem Rosenlenz,
Ist, glaub' ich, und ihr glaubt es kaum,
Doch könnt' ich, wolltet ihr es hören
Auf mein Gewissen es beschwören,
Ist, nun was meint ihr? ist ein Kuß im Traum.
Ihr lacht? So wahr ich ehrlich bin,
Ich werde mein Gefühl doch wissen;
Ich laß' euch zwanzig Jahre küssen,
Und gebe nicht den Kuß, wie ich ihn küßte, hin.
Das war doch noch ein Kuß von Sinn.
Der grobe Sinnling mag in Rotten
Nur meine hohe Schwärmerey verspotten:
Der Kuß war, das versichre ich
Bey Ehr' und Wahrheit, wenig körperlich.
Ein Mädchen, das kein Künstler euch beschreibt,
Vor dem die Dichtung zagend stehen bleibt,
Und dessen Möglichkeit in stiller Weihe Stunden
Ich nur ganz leise vorempfunden,
Ein Urbild von Urania
Stand mit dem Zaubergürtel da.
[138]
Die Gluth, die mein Gesicht umhüllte,
Die aus dem Puls des Herzens sich
Schnell und doch sanft durch alle Adern schlich,
Und magisch schnell mein ganzes Wesen füllte,
War nicht die Gluth in groben Sinnen,
Wenn sie, zu Stürmen angefacht,
Von Mitternacht zu Mitternacht
Den Kampf der Leidenschaft beginnen.
Es war ein helles, reines Feuer,
Erhöhter, himmlischer und freyer,
Das durch die ganze Seele fuhr,
Als ich auf einer Blumenflur
Mich zu dem göttlichen Phantome beugte,
Und die Gestalt mir halb entgegen kam,
Die Huldigung von meiner Lippe nahm,
Und sich ambrosisch seitwärts neigte.
Aus allen seinen Paradiesen
Durch seine ganze Ewigkeit
In einer einzigen Minute Seligkeit
Der Freuden ganzen Schatz zu gießen,
Hat Gott für Seelen, die es kennen,
Die glühen und die nicht verbrennen,
Das Meisterstück der Güte durchgedacht,
Und einen solchen Kuß gemacht.
Der Hauch der Göttlichen erhöhte
[139]
Mit Himmelsathem mich, so sanft und süß und warm;
So ruhte sie an meinem Arm,
Und ihr Gesicht war Morgenröthe.
In ihrem Blick war hell das Glück zu lieben
Mit reiner Feuerschrift geschrieben;
Mit einer Schrift, die jeder nicht versieht,
Der an dem Lenkseil niedrer Sinnen,
Die Hesperidenfrüchte zu gewinnen,
Sich in der Erde Taumel dreht.
Ha, wenn ich hundert Jahre lebe,
Wer bürgt mir, daß ich noch ein Mahl
Mich aus dem tiefumwölkten Thal
Zu dieser Seligkeit erhebe?
Wer war die Himmlische, die aus Erbarmung sich
Zu mir, dem Träumer, nieder schlich,
Um mir von einem Götterleben
Ein leises Vorgefühl zu geben?
Wer goß Unnennbarkeit in meinen Busen?
Asträa, die sich noch ein Mahl
Auf unsre Sündererde stahl?
Wars eine von den jüngsten Musen?
Wie, oder küßte mich zum Lohne,
Daß ich bisher so ruhig trug,
Und frevelnd nicht nach ihrem Scepter schlug,
Die Tochter selbst der göttlichen Dione?
[140]
So war vielleicht ihr erster Kuß,
Als Aphrodite mit dem Silberfuß
Zum schönsten Sieg
In Paphos an das Ufer stieg:
So war vielleicht nach Adams Traum,
Den er auf einer Blumenmatte
Vom ersten Mädchen sich geträumet hatte,
Der Kuß an dem Erkenntnißbaum:
So ist vielleicht einst unser Kuß,
Wenn Genius und Genius
Einander in die Arme sinken,
Und, von der Erde Last befreyt,
Zu dem Genuß der Ewigkeit
Entzückung aus der Strahlenquelle trinken.

[141] Einem mißmüthigen Freunde

Χαιρειν μετα χαιροντων, και κλαιειν μετα κλαιοντων.

Paul.


Sohn des Kummers, komm in meine Arme,
Einer deiner Brüder ruft dir zu;
Und vielleicht hast du von deinem Harme
Und von deinem Schmerz ein Stündchen Ruh.
Ziehet Mißmuth deine Seele nieder
Über Menschenleiden ohne Zahl?
Wühlt in dir, für alle deine Brüder
Und für dich, ein Wurm mit tiefer Qual?
Dank sey dir für jede heiße Thräne;
Aber mäßige den langen Gram!
Minder schrecklich wies der Tod die Zähne,
Wo der Muth ihm kühn entgegen kam.
[142]
Es ist wahr, es klagen tausend Stimmen
Hier, und tausend dort, von Pol zu Pol;
Und in tausendfachen Gruppen krümmen
Laut sich Wehmuth, und Verzweiflung hohl.
Von der Königshalle bis zum Kerker
Ist die allgemeine Losung Leid;
In dem Strohdach und im goldnen Erker;
Dort in Lumpen, hier im Feyerkleid.
Friede wohnt nicht unter Diademen,
Sagt das alte große Buch der Welt;
Oft umstürzt sie Fluth in Riesenströmen,
Daß vom Felsen selbst die Krone fällt.
Die Kabale lauscht, wie in der Nische
An dem jungen Stamm die Schlange schleift,
Um den Hof, bis sie mit Giftgezische
Ihren Raub zum schnellen Tod' ergreift.
Hier zerstört mit einem Federstriche
Ein Despot die halbe Nation,
Und durchgräbt mit einem Sporenstiche
Kühn das Recht von einem fremden Thron.
[143]
Dort besieht ein Volk das große Siegel
An dem allergnädigsten Mandat,
Seufzt und füttert traurig seine Igel
Die des Landes Fett erzogen hat.
Dort zertrümmert es mit einem Mahle
Tyranney und Ordnung und Gericht,
Wüthet, raubet, mordet, führt zum Pfahle
Jeden der dem Unsinn widerspricht.
Fürst und Volk sind wechselsweise Henker,
Stürzen wechselsweise, wie der Sturm:
Einsam schauernd steht der stille Denker,
Fürchtet jetzt den Strick, wie einst den Thurm.
Grimmig glotzt mit Basiliskenblicken,
Gähnt mit Tiegerschlünden fromme Wuth,
Um den sichern Ketzer zu berücken,
Welcher wenig glaubt und vieles thut.
Gierig lauert in dem Friedenskleide
Seelentyranney auf jedes Wort,
Und den Mann im Kittel und in Seide
Schleppen keichend ihre Sbirren fort;
[144]
Hin zur Folter, wo man ihre Knochen,
Ihre Sehnen wie mit Geyern nagt,
Bis die Adern voll des Todes kochen,
Und selbst Muth der Märtyrer verzagt.
Ja, dort führt man von dem heißen Strande
Schwarze Völker fort in Sclaverey,
Und ein Weiser, selbst aus unserm Lande, 1
Lehrt abscheulich, daß es billig sey;
Daß man schwarzen Müttern ihre Knaben
Von der Brust ans Felsenufer wirft,
Bis die Räuber aus der Wildniß traben,
Und des Tiegers Zahn die Kleinen schlürft;
Daß man ihre wutherfüllten Väter
Höllenklug in schwere Ketten schließt,
Und wie längst verdammte Missethäter
Auf die kleinste Wendung niederschießt;
Daß man ihnen, als dem Schaum der Erde,
Kaum noch Luft gibt schwanger von der Pest,
Daß man schlimmer als die schlechtste Herde,
Wie Insectenbrut, sie faulen läßt;
[145]
Daß der Überrest am Eisenjoche
Für die Schwelgerey Europens zieht,
Von der Marter zu dem Ruheloche,
Und aus diesem zu der Marter flieht;
Daß er in der Hälfte seines Lebens,
Fern von Brüdern, Freunden, Vaterland,
Blickend über See, nach Trost, vergebens,
Stirbt von seines weisen Geislers Hand.
Sohn des Kummers, komm in meine Arme,
Zieh das schreckliche Gemählde zu;
Nähre nicht dein Herz mit tiefem Harme;
Folge mir, vielleicht gewähr' ich Ruh.
Aber nein, du mußt die Krankheit kennen,
Ehe dir der Arzt sein Mittel reicht;
Mußt es fühlen, wie die Schmerzen brennen,
Wie der Wurm am Puls des Lebens schleicht.
Ha, wer zählet alle die Gestalten
Unsers Elends, unsers Jammers auf,
Von der Krücke des gebückten Alten
Bis herab zum ersten Gängellauf?
[146]
Hier schlingt hungrig eine kleine Gruppe
Sich dem Kummervater um das Knie,
Und er gibt die letzte schwarze Suppe,
Geht und ringt die Hände über sie;
Blickt verzweifelnd, halb auf seine Knaben,
Halb um Trost empor zu Gottes Licht:
Herr, du fütterst ja die jungen Raben:
Und ein Rabenvater bin ich nicht.
Dort liegt, gleich dem dorrenden Skelette,
Der Ernährer eines jungen Schwarms,
Und mit Todeskampf steht an dem Bette
Die Gefährtinn seines ganzen Harms.
Vaterangst fällt schwer ihm bey dem Scheiden
Auf das gute freudenleere Herz,
Und von allen seinen großen Leiden
Drückt mit Zentnerlast nur dieser Schmerz,
Daß der Mangel schon mit bloßen Zähnen
Seine armen Kleinen niederzieht;
Und er fühlt den Tod bey ihren Thränen,
Ringet, bethet und sein Geist entflieht.
[147]
Hier zerfrißt das Gift die Eisensehnen,
Und der Jüngling, der mit Riesenkraft
Gestern da stand, sinkt mit Todesstöhnen
Heute schon von des Verderbers Schaft.
Dort schleicht langsam lange, lange Jahre,
Mit des Todes Schriftzug im Gesicht,
Sich der Dulder keichend zu der Bahre,
Bis des Lebens letzte Schale bricht.
Pesten fressen, Räuberkriege würgen,
Hunderttausende verschlingt die Kluft
Unsrer Erde selbst, und aus Gebirgen
Wälzt Verderben heulend durch die Luft.
Aufgewühlt aus seinem Eingeweide
Stürzt das Meer mit Grausen seine Fluth,
Daß ein Land mit Stadt und Flur und Heide
Schnell im Grunde neuer Seen ruht.
Wer durchzählt die zahlenlosen Leiden,
Welche Schwachheit oder Bosheit schafft?
Die Zerstörungen so vieler Freuden
Durch die Riesenwuth der Leidenschaft?
[148]
Hungrig sitzt der Geitz bey vollen Kasten,
Zittert vor des Uhus Leichenflug;
Und sein Leben ist ein langes Fasten,
Seine Rechnung Reihen Selbstbetrug.
Mit der Freude pöbelhafter Seelen
Hängt er thierisch über seinem Gott,
Und die Gläubiger der Erben stehlen
Schon voraus, und zahlen ihm mit Spott.
Der Verschwender wirft mit vollen Händen
Ohne Sinn sein Gut Betrügern aus,
Und die Ernte von den Narrenspenden
Ist Verachtung in dem leeren Haus.
In der hohen Gluth der Wollust kochen
Heiße Schwelger, bis das Unglück reift,
Und das Feuer Ader, Seh'n und Knochen
Und des Lebens letzten Gang ergreift.
Wilder Zorn durchglühet die Gehirne
Und der Rachsucht tiegrische Begier,
Und der Mann mit Weisheit auf der Stirne
Sinkt auf ganze Stunden bis zum Thier.
[149]
Freund, und wolltst du in die Penetralen
Unsers aufgehäuften Elends gehn,
Und die Unglücksbrüder ohne Zahlen
In Bicetre und in Bedlam sehn;
Wie in hundert lang gereihten Zimmern,
Unschuld neben Bosheit hingelegt,
Gruppen gräßlich lachen, Gruppen wimmern,
Daß der Puls dir durch die Haare schlägt:
Guter, lieber, sanfter Freund, wie würde
Sich dein Herz, fast Fremdling in der Welt,
Gegen alles Jammers ganze Bürde
Stemmen, wenn sie dir entgegen fällt?
Menschenfreund, sey stark; laß deine Augen,
Sohn des Kummers, gib mir deine Hand,
Nicht das Gift für deine Ruhe saugen;
Taumle nicht an des Verderbens Rand.
Laß nicht deine Kraft zusammen schmelzen,
Laß dich nicht, gleich einem Haus auf Sand,
Von der Fluth der Leiden nieder wälzen,
Nieder wälzen ohne Widerstand.
[150]
Oft ists Krankheit in gelinden Krisen,
Welche der Natur die Heilung schafft;
Und in den verjüngten Adern fließen
Volle Ströme neuer Lebenkraft.
Jener Sturm, der deinen Lieblingsbäumen
Ihre schönsten vollsten Äste nahm,
Heilte Seuchen in den ersten Keimen,
Eh ihr giftger Hauch uns näher kam.
Jenes schwarze fürchterliche Wetter,
Das dir deine Saaten niederschlug,
War ein Bothe, der von Gott, dem Retter,
Einem ganzen Volke Segen trug.
Daß die Flamme nicht Provinzen breche,
Nicht ein Land im Sturm zu Grunde geh,
Rollen die Vulkane Feuerbäche
Aus dem tiefen Krater in die Höh.
Daß die Schlafsucht nicht ein Volk ergreife,
Blitzt von fern des wachen Feindes Schwert;
Und die Männerkraft gedeiht zur Reife
In der Krieger Schaar für Haus und Herd.
[151]
Den Genuß des Lebens zu erhöhen,
Schärft oft Leiden die Empfänglichkeit;
Heller lernen wir das Gute sehen,
Wenn das Herz sich nach dem Kummer freut.
Richte nicht auf einer kleinen Stanze,
Von den Millionen kaum ein Stück;
Überschaue ganz das große Ganze;
Kannst du nicht, so senke deinen Blick;
Senke deinen Blick aus dem Gewimmel
Demuthsvoll zu Boden, Freund, und sprich:
Herr, du wägst die Sonnen durch die Himmel,
Und ich Milbe wags und richte dich!
Miß nicht alles, Freund, mit deinem Maße;
Die Empfindung tönet tausendfach;
Und der alte Bettler auf der Straße
Ruft dir fröhlich: Gott vergelt' euch! nach.
Und der Krieger, der im Blute ringet,
Und durch Blut dem Feldherrn Ruhm erwirbt,
Horchet, wenn des Siegs Posaune klinget,
Hebt die Hand, ruft Vivat hoch! und stirbt.
[152]
Sein Gefährte singt für kleine Gaben,
Schwer zerstümmelt, noch sein Lied mit Stolz,
Und erzählt für schwarzes Brot den Knaben,
Und beweist mit seinem Bein von Holz.
Merke, daß des Kummers manche Stunde
Einer alten Thorheit Folge sey;
Und unheilbar bleibet diese Wunde,
Denn der Schöpfer schuf die Menschen frey;
Mußte, wenn sie Gutes wirken sollten,
Frey sie schaffen von des Treibers Zwang,
Oder ihre Thätigkeiten rollten,
Ohne Sinn für sie, den Rädergang.
Bleibt dir unauflösbar mancher Knoten,
Unerklärbar mancher schwere Schlag;
Lebe gut, und höre bey den Todten
Die Erörterung am Löhnungstag.
Diese wird die Widersprüche lösen,
Die hier Menschenwitz zusammen schlingt;
Glück den Guten, lange Zucht den Bösen,
Wie hier jeder seine Zahlung dingt.
[153]
Sollten dort noch Biederseelen schmachten,
Welche hier die Willkühr nieder schlug,
Dort Tyrannen noch sich Opfer schlachten;
Dann erst wäre alles nur Betrug:
Wäre Gott, Gedanke, Welt und Leben
Nur ein Hirndunst von Atomenstaub;
Alles nur des Zufalls Spinneweben,
Mehr nicht werth, als faules Schierlingslaub.
Freund, erhebe dich in jene Ferne,
Wo die Hand der Allmacht Welten säet,
Wo ein Wirbel zahlenloser Sterne
Sich harmonisch durch die Sphären dreht.
Hat der Schöpfer nicht der Kolonieen
Noch sehr viele für uns Menschen dort,
Um die Neugebornen zu erziehen,
Jeden an dem ihm gemeßnen Ort?
Freund, sey weise; lege nicht dem Himmel
Jedes deiner Leiden stracks zur Last,
Das in leidenschaftlichem Getümmel
Du dir oft allein geschaffen hast.
[154]
Aber, was er dir bescheidet, trage
Rüstig mit den Kräften, die er gab:
Sorge nicht; der Lenker hält die Wage,
Schließet einst gewiß die Rechnung ab.
Auch auf Erden führt schon oft der Faden
Aus dem Dornenlabyrinth ins Feld,
Wo der Mensch, der schweren Last entladen,
Ruhig noch am Abend Ernte hält.
Freund, du kennst mich, wie mir einst der Mangel
Meine besten Knabenjahre nahm,
Wie ich, gleich dem Fisch, der seidnen Angel
Und des Köders Lockung kaum entkam.
Segen ihm, 2 der da mit sanfter Stimme,
Wie ein Schutzgeist, mir die Hände gab:
Gehe, Knabe, jenen Berg erklimme!
Dieses ist der Weg! Hier ist ein Stab!
Aufwärts blickt' ich, klimmte fort, und irrte;
Irrte weiter, und mein Stab zerbrach;
Seitwärts trug es mich, und dumpfig schwirrte
Mir des Mitleids langes Echo nach.
[155]
Stürme schlugen mich an fremde Küsten,
Wo mir Hunger oft zur Seite schlich;
Einsam ging ich tief in Quebeks Wüsten,
Wo der Tod mir um den Schedel strich.
Vor mir brüllten laut Neufundlands Wogen,
Bären hinter mir am Felsenhang;
Rechts und links an dem Gestade zogen
Sich Ergastel mit Despotenzwang.
So verblühte mir die Rosenjugend;
Außer mir der Elemente Sturm;
In mir Zweifel über Gott und Tugend,
Wie am Blumenstock ein giftger Wurm:
Um mich her Kohorten feiler Schurken,
Deren Seelen nicht der kleinste Gran
Großmuth würzte, die mit Schlangenlurken
Ein Komplott in jeder Miene sahn.
Meinen Füßen drückten Sclaveneisen
Tiefe, blutig wunde Zeichen ein,
Weil ichs wagte, Bande zu zerreißen,
Wagte Mensch und freyer Mann zu seyn.
[156]
Sieh, ich bin es, trotz den schweren Ketten,
Die man einst mir um die Knochen wand:
Selbst die Zwangherrn suchten mich zu retten,
Menschlichkeit war selbst in ihrer Hand.
Freund, erhebe dich; laß deine Bürde
Deinen Muth nicht ganz zu Boden ziehn;
Sinke nicht von deines Wesens Würde:
Kräfte hat der Himmel dir verliehn.
Furcht zerstöret deine Kraft im Streite,
Unerschrockenheit macht doppelt stark:
Jene ruft den Tod dir an die Seite,
Diese stählet mächtig Sehn' und Mark.
Willst du deines Lebens Lenz verwimmern,
Nur durch Trauerflor die Erde sehn?
Dir durch Gram das Paradies verkümmern,
Und bey Festen wie ein Kranker stehn?
Hast du nicht erfreut schon manchen Abend
Nach des Donners abgekühlter Gluth,
Dich am Strahl der goldnen Sonne labend,
Unter deinen Bäumen ausgeruht?
[157]
Lieber Mißgestimmter, stimme lauter
In den Hochgesang der Schöpfung ein;
Und dein Geist wird nach und nach vertrauter
Mit dem Haushalt seines Vaters seyn.
Gottes Weisheit fassen keine Schranken,
Wo dein kurzes schwaches Auge bricht;
Nimm zu Welten Welten in Gedanken,
Und du findest ihre Größe nicht.
Du bist Mann und Christ; wenn Dunkelheiten
Ohne Aussicht dich umschließen, sprich:
Vater, du läßt meinen Fuß nicht gleiten;
Ruhig wall' ich, du beschirmest mich.
Winde dich empor aus deinem Kummer
In den Arm auf, der dein Bildner ist,
Der die Sonnen schlug aus ihrem Schlummer
Und dem Feuerwurm sein Fünkchen mißt.

Fußnoten

1 Wilberforce vertheidigte damahls die Humanität in der Sache der armen Neger mit Nachdruck und liebenswürdiger Heftigkeit gegen die Blutwucherer seiner Nation; und unser Meiners schrieb, und wollte aus der Differenz des physischen Baues die unechte Menschheit der Schwarzen und also ihre natürliche Bestimmung zur Sclaverey beweisen. Ich möchte um Tippo Saibs Schätze den Dank der Herren von Liverpool nicht verdient haben. Ich habe mit vielen Negern wohl ehedem ziemlich nahe gelebt, habe freylich mich um die Differenz ihres physischen Baues nie anatomisch bekümmert; aber ich habe von ihnen Beyspiele des Verstandes und des moralischen Schönen gesehen, die dem gebildetsten Britten große Ehre gemacht haben würden.

2 Der Graf von Hohenthal Knauthayn, dem ich nach dem Tode meines Vaters meine ganze bessere Erziehung verdanke.

[158] An Gehler

Einsam durchirr' ich von Fels zu Fels
Die Gruppen der Berge des Muldenthals;
Ruhe wallt sanft in dem Fluß hin durch sie,
Und des Dorfs Herdengeläut tönt in der Schlucht.
Röthlicher glühet der Tempel dort,
Und später noch flötet die Nachtigall;
Schauerlich wirds in dem Hain, wenn das Lied
Nun verhallt, wird in des Thals Einsiedeley.
Freundlicher winken die Gruppen dir
Der Freunde die rund um dein Bildniß stehn;
Jedes Herz, deinem verwandt, schlägt dir zu,
Und es schlägt lieblicher als Nachtigallied.
[159]
Glücklich der Abend, der so vereint!
Er wird mir zur Feyer im Muldenthal:
Und mein Fuß pilgerte schnell hin zu euch,
Wär' er frey; aber doch frey pilgert das Herz.
Kränze die Göttinn die Schläfe dir,
Zu werden der Segen der Vaterstadt!
Und vielleicht, wallet mir einst Silberhaar
Um das Haupt, komm' ich mit Dank freundlich zu dir.

[160] An Klopstock

Wenn in dem Dunkel heiliger Eichen ich
Verloren sitze, Nacht auf den Bergen ist,
Des Todes Bilder mich umwallen,
Einsam die Sterne durch Wolken blicken;
Wenn Lunens Antlitz bleicher und trauriger
Den Leichenacker, Saaten der Ewigkeit,
Und dort die Felsenwand erleuchtet,
Wo noch die Trümmer der Räuber stehen;
Wenn aus den Trümmern Raben und Eulen sich
Zur Ruhe klagen, tief in der Seele mir
Die Schlangenzweifel giftig kochen,
Mörder des Schlafes auf Dunenkissen:
[161]
Dann beth' ich zitternd, zitternd den Vater an,
Den du uns singest. Sturmwind und Säuseln ist
Mir deines Liedes Götterfunke,
Wie des Allmächtigen Sturm und Säuseln.
Ich höre gläubig Sphären in Harmonie;
Von deinen Saiten rauschet ihr Chor herab:
Und ruhig sink' ich auf mein Lager,
Küsse die Hände des Patriarchen.

[162] Der Opferstein

Der letzten einer, Sänger des Vaterlands,
Wag' ich zu reden; Phöbus Apollo will:
Nehmt heiligend mich in die Mitte,
Daß ihr die Worte des Sprechers höret.
Will keiner bauen, Sänger des Vaterlands,
Auf deren Stimme zwischen dem Rhein und Belt
Thuiskons Enkel lauschend horchen?
Keiner den Altar mit Blumen kränzen?
Die Pieriden lieben Thuiskons Hain;
Die Quelle rauschet ihrer Begeistrung voll.
Zurück, wer hier nicht reines Herzens
Vor dem Gedanken der Weihe stehn kann.
[163]
Dione nennet Tochter Musarion;
Der weise Tejer küsset den Silbergreis,
Und Flakkus schwebt in Friedrichs Hallen
Väterlich über dem Lieblingssohne.
Aglajens Schwestern winden im Morgenthau
Aus jungen Veilchen, die mit Auroren sie
Am Fuße des Himettus pflückten,
Kränze den Schläfen des Kinderfreundes.
Der Mann des Rachschwerts, der Legionen Roms
Großer Vertilger, Hermann der Deutsche, staunt,
Wie in dem Liede seines Barden
Furchtbar die blutige Feldschlacht forttönt.
Will keiner bauen, Sänger des Vaterlands?
Mit schwachen Händen richt' ich den Stein empor,
Um meine Blumen drauf zu streuen,
Daß er mir ländlich ein Altar stehe.
Zurück, wem nicht von Tropfen die Wimper glüht!
Utz ist gestorben, wie man zum Leben stirbt:
In Flammenschrift seh' ich hier Wieland,
Klopstock und Ramler und Gleim und Weiße.
[164]
Wer nicht der Väter Glorie kindlich ehrt,
Der find' in Bav den Sänger des Heldenzorns,
Und lese mit des bleyrnen Stumpfsinns
Schwerer Entzückung die Magelone.

[165] Wohlthat des Herzens

Kalt und erstarrt liegt rund die Flur umher,
Wo der Gedanke nur die Gruppen stellt;
Und ohne Herz ist unsre schöne Welt
Ein todtes Bild, und aller Freude leer.
Das Herz nur schafft in süßer Sympathie
Aus jedem Gegenstand sich Hochgenuß,
Hört in dem Sturm der Liebe Morgengruß,
Und sammelt Freuden aus des Lebens Müh.
Das Herz gießt neu die Farben um sich her,
Und haucht ein neues glühendes Gewand
Mit schönem Zauber um das nackte Land,
Macht Arme reich, und gibt den Reichen mehr.
[166]
Das Herz schattirt der Auen Purpursaum,
Wo sorgenlos der frohe Knabe lief;
Und Heiligthum ist, wo der Vater schlief,
Die kleine Laube mit dem alten Baum.
Dem Herzen ist das Örtchen eingeweiht,
Wo oft die Mutter einst mit milder Hand
Mit ihrem Butterbrod zur Spende stand,
In unsrer Jugend schöner Rosenzeit.
Das Herz schafft sich die kleine Rasenbank,
Wo ländlich auf des Lenzes weichem Gras
Jüngst fröhlich das geliebte Mädchen saß,
Zum hohen königlichen Marmorgang.
Das Herz erhebt, in Lunens Silberschein,
Wo jüngst entzückt in zephyrleichtem Flug
Zum Abendlied sie ihre Triller schlug,
Den kleinen Wald zu einem Götterhain.
Es zaubert sich aus einer Felsenwand
Ein Blumenbeet zum Feyerkleid hervor,
Wo still die Lauscherinn mit leisem Ohr
Bey ihrer Schwester Philomele stand.
[167]
Das Herz erhöht die Hütte sich zum Thron,
Macht harte Kost zur schönsten Feerey,
Spricht Schuldner los und gibt Verdammte frey,
Und grüßt als Freund den letzten Erdensohn.
Die ganze Trift wird harmonienvoll,
Zur Oreade jeder Echolaut,
Und jeder Quell den Himmlischen vertraut,
Und jeder Flötenhirte zum Apoll.
Das Paradies ist eine Wüsteney,
Wo das Gefühl die Schöpfung nicht beseelt;
Und wo Vernunft nur ihre Pulse zählt,
Elysium ein schales Einerley.
Laß, Himmel, mir, und klaget gleich der Schmerz
Zuweilen noch in meiner stillen Ruh
Ein Elegienstück der Wehmuth zu,
Laß, Himmel, mir zum Troste nur mein Herz.

[168] Νικα δε και σιδηρον –

Soll auch ich den Zauberkelch noch trinken?
Und vor Amors Pfeile niedersinken,
Der die Könige zu Bettlern macht?
Führet mich auch noch ein Rosenmädchen
Links und rechts an einem seidnen Fädchen,
Wenn sie zauberisch mir blickt und lacht?
Neue Gluth durchströmet meine Adern,
Heißer fühl' ich Hirn und Herz schon hadern;
Höher lodert mir die Phantasie,
Höher in des Paradieses Bildern,
Mir die Götterexistenz zu schildern,
Die Urania der Erde lieh.
Einsam schleich' ich nur mit Einem Bilde
Durch die weiten herbstlichen Gefilde,
Und der Männerstolz ergrimmt und bückt
Knirschend sich, wie der Magnet dem Pole,
Vor dem schönen lächelnden Idole,
Wenn ihr Auge reinen Himmel blickt.
[169]
Mädchen, wenn du leicht vorüber schwebest,
Und mich rund in deinen Zauber webest,
Steht der Cherub mit dem Flammenschwert
Nicht mehr schrecklich neben Edens Thüre,
Und ich schwöre hundert Feuerschwüre,
Unsre Erd' ist noch des Himmels werth.
Wie das Garn sich um die Spindel windet,
Drehet mein Gedanke sich, und findet
Magisch überall in der Natur
Einzig dich nur; merket, höret, siehet,
Wohin auch mein Fuß um Ruhe fliehet,
Wie im Lufthauch noch dein Bildniß nur.
Heißer Seele möcht' ich zu dir treten,
Glühend niederfallen anzubethen,
In der schönen großen Schwärmerey;
Möchte wonnetrunken hochvermessen
Ganz den Meister in dem Werk vergessen
Zu der heiligsten Abgötterey.
Alle meine Weisheit vom Katheder
Flog davon wie eine leichte Feder,
Wenn dein Blick nach meinem Auge schlich;
Seit ich diesen Pulsschlag mir erworben,
[170]
Ist die ganze Schöpfung ausgestorben,
Und nur du allein bist Weib für mich.
Und nur du, mir Einzige auf Erden,
Sollst und kannst und wirst mein Weib nicht werden:
Gähnend liegt die alte Kluft vor mir;
Knirschend heb' ich, ohne mich zu retten,
Tiefen Grimmes an des Schicksals Ketten,
Und durchbräche gern sie hin zu dir.
Wahrlich, wie ein glatter Rosenknabe
Wein' ich nicht an meines Glückes Grabe,
Starrten mich auch Todtenschedel an:
Aber wenn ich einst mein Herz entwöhne,
Ohne dich mit meinem Loos versöhne,
Dann hab' ich ein Männerwerk gethan.
Wie die Sonne lächelst du mir, Holde;
Aber fluchen möcht' ich deinem Golde,
Welches mir dein Sonnenlächeln bricht.
Muth hab' ich, im Gluthenkampf zu sterben;
Aber Muth, mir Schätze zu erwerben,
Liebstes, bestes Mädchen, hab' ich nicht.
[171]
Jetzt zum ersten Mahle könnt' ich wollen,
Daß mein Werth nur mit Ducatenrollen
Sich erwiese, nach gemeinem Sinn;
Oder wärst du arm, wie ich, und kämest
Sittig freundlich halb zu mir und nähmest
Herz um Herz zum herrlichsten Gewinn.
Mit gestähltem Muthe wollt' ich ringen,
Dir den kleinen Unterhalt zu bringen,
Den Natur den frohen Kindern beut:
Froh an deiner Seite wollt' ich sitzen,
Und um den Genuß des Lebens schwitzen;
Und die Mühe wäre Seligkeit.
Mit Madonnenanmuth würdst du fliegen,
Dich an meine Schulter anzuschmiegen,
Und ich spräche mit dem schönen Lohn
Allen großen königlichen Sündern,
Die für ihre Wollust Länder plündern,
Göttlich froh an deinem Nacken Hohn.
Dich mir noch im Kampfe zu ersiegen,
Wollt' ich über Andenschedel fliegen
Durch des Ozeanes Felsenbahn;
Mich zu deinem Liebling aufzuschwingen,
[172]
Durch des Krieges Todessaaten dringen,
Wechselnd Kluft hinab, und Himmel an.
Ha, ich wollte mit dem Würger schlagen,
Mich für dich hinab zur Hölle wagen:
Mädchen, kauf mit Golde, wenn es gilt,
Dir ein Herz, bereit für dich zu bluten,
Und das heiße Leben wegzufluthen,
Bis der letzte Tropfen von ihm quillt.
Unaufhaltsam rollen unsre Jahre;
Mit des Mannes erstem grauen Haare
Sinkt vom Weiberauge die Magie.
Werde glücklich, und ich will mein Leben
Selber hin für deine Ruhe geben,
Ohne Rausch der süßen Sympathie.
Rettet mich, ihr Götzen, Stolz und Ehre,
Wenn ich taumelnd die Vernunft nicht höre;
Drückt das schöne herrliche Gefühl,
Bräche gleich das Herz im Drucke, nieder;
Und nach tiefem Sturme bringet wieder
Feste kalte Ruh aus dem Gewühl.
[173]
In dem gelben glänzenden Metalle
Liegt für meine Seele keine Falle,
Wenn es blendend auf und nieder flockt;
Und ich wollte neben seinen Schimmern
Selbst mein letztes kleines Glück zertrümmern,
Eh es mir nur einen Wunsch entlockt.
Mädchen, wenn mein Herz in Wüsten narbet,
Und zum Grabe fastend einsam darbet,
Soll dein Nebelbild mich noch erfreun;
Und wie an dem Blumenkelch die Biene
Häng' ich an dem Nahmen Wilhelmine;
Und er wird mir noch Erquickung seyn.

[174] Ein Lied im gewöhnlichen Ton

Varuim et mutabile semper –


Ich sahe sie, wo Zollikofer dachte,
Und leise zog mein Herz ihr zu;
Doch wars, als ob in dem Verlust der Ruh
Mir neu gehaucht die Schöpfung schöner lachte.
Sie sprach zu mir, da floß von ihren Lippen
Der Seele süße Harmonie;
So lieblich tönt, so magisch fließet sie
Geweihten nicht herab von Aganippen.
Ich stand verstummt; nur jede Saite bebte,
Wenn sie die Harmonieen sprach,
Mit Einklang in des Wesens Tiefe nach,
Daß ich durch sie ein neues Leben lebte.
[175]
Mein Auge hing mit Angst an ihrer Miene;
Der Blick nur sprach, die Zunge schwieg,
Bis kühn empor die stolze Hoffnung stieg,
Daß ich vielleicht des Himmels Glück verdiene.
Das Siegel brach; nun war mein Herz ihr offen;
Mit schöner hoher Schwärmerey
Gestand sie bald, daß sie gewonnen sey;
Befahl mir selbst, das Herrlichste zu hoffen.
Gerührt sank ich mit Dank zu ihren Füßen:
Gerührt zog sie mich auf zu sich,
Und taumelnd warf ich wonnetrunken mich
Ihr um den Hals, und schwor mit Flammenküssen.
Als wollte sie den ganzen Himmel leeren,
Als wollte sie, so hielt sie mich,
Den Trunknen, fest, hochglühend fest an sich,
Mit einem Kuß die Ewigkeit verzehren.
Sie schwor mir ernst und feyerlich die Treue.
Ich rief voll Angst ihr: Schwöre nicht;
Entsetzlich ists, wenn man die Schwüre bricht!
Entsetzlich, ja; sprach sie, und schwor aufs neue.
[176]
Von lieblichem bethörenden Geschwätze
Troff nun beredt ihr Zaubermund,
Als wäre wie Orion unser Bund,
Und ewig fest, wie Gottes Weltgesetze.
Wie Heiligthum mit Strahlenglanz umflossen,
Sank sie voll Ruh mir in den Arm,
Und sicher ward das Herz am Herzen warm;
Der Tugend nur war dieser Bund geschlossen.
Ich hing entzückt an allen ihren Reitzen,
Als könnt' ich in der Sympathie,
Wenn flüsternd sie sich wiegt' auf meinem Knie,
Das Paradies zurück zur Erde geitzen.
Sie rief mir zu, daß nur durch meine Liebe
In ihrem Leben Leben sey;
Und elend wärs und eine Wüsteney
Wofern mein Herz nicht ihrem Herzen bliebe.
Die hohe Fluth durchbrach mir fast den Busen
Im Ungestüm der Seligkeit
Empfindung ist stets Unaussprechlichkeit;
Sie sagt selbst nie der Liebling aller Musen.
[177]
Ich lebte wie vor Gott ein Auserkohrner
In jenes Lebens Rosenlenz;
Für sie nur fühlt' ich meine Existenz,
Froh, froh wie einst der Schöpfung Erstgeborner.
Gluth war die Schrift, die sie mir täglich schickte,
Und jedes Wort ein Feuerzug
Der doppelt heiß in meine Seele schlug;
Und Himmel war ihr Auge, wenn sie blickte.
Ha, hätt' ich je im Traum nur freveln können,
Da mir bey ihrem hohen Schwur
Ein Wonnestrahl durch alle Sehnen fuhr,
Es werde je die Flamme niederbrennen!
Doch glänzten kaum mir hundert Morgenröthen,
So rief sie mit der Stoa Ruh,
Mit kaltem Ernst, zum Lebewohl mir zu:
Geh' an den Pol zu deinen Samojeten!
Als wäre mir von Gottes Wolkenfunken
Das Mark gedörrt, so stand ich da;
Und als ich sie sich schnell entfernen sah,
Als hätt' ich schon des Todes Kelch getrunken.
[178]
So stand ich da, mit Folter im Gesichte,
Und glühend quoll mir Zorn und Schmerz,
Vom Augenlied herab wie siedend Erz:
Ein Sünder steht einst so am Weltgerichte.
Schon mancher Mond ist nun vorbey geflossen;
Noch glüht mir täglich neu der Schmerz,
Und wühlet tief, tief in das wunde Herz:
Die Rechnung ist nun mit dem Glück geschlossen.
Ich kann, ich will, ich werde nicht vergessen;
Denn mein Gefühl ist Ewigkeit:
Und sollte mir zu meiner Lebenszeit
Der Himmel wie den Patriarchen messen.
Verrätherinn, geh, opfre stolz der Mode,
Und bey dem Opfer spotte mein;
Mein Leben wird, soll deine Strafe seyn:
Das Schicksal straft vielleicht mit meinem Tode.
Wie konnt' ich mich so knabenhaft verlieren?
Ich Thor, ich hatte ja kein Gold.
Mit Seckeln nur kauft man der Liebe Sold:
Und man gewinnt nur sicher durch Summiren.
[179]
Mag mich der Troß der Alltagswelt verkennen;
Für Herz um Herz vermöcht' ich kühn
Am Lebensjoch mit Kraft und Muth zu ziehn!
Der Rest ist kaum mir werth, ihn nur zu nennen.
Mit Wehmuth füllt mich einsam der Gedanke,
Mit Wehmuth die Empfindung mich;
Und dieser Ton, so bebt es innerlich,
Verhallt selbst nicht dort vor der großen Schranke.
Ich darf und will als Mann nicht weibisch klagen:
Geh, Mädchen, du zerstörtest mir
Des Segens viel, und ich verzeihe dir.
Was ich jetzt war, kann einst der Greis nur sagen.

[180] Das Opfer 1

Lo, thy country calls!

Glover.

Noch strömte von den Thermopylen
Der Perser Blut herab ins Meer,
Die durch das Schwert der Griechen fielen,
Als Spartas Held sein kleines Heer
Entschlummern hieß, und um die zweyte Wache
Gewaffnet seyn zu heißer Rache.
Die Würger ruhn am Fels im Thale:
Der Herold weckt zur Mitternacht
Zum feyerlichen Todtenmahle.
Sie stehn; das Opfer wird gebracht;
Der König folgt, den Lorber in dem Haare
Und schweigend, ihm zu dem Altare.
[181]
Der Priester schlägt; das heilge Feuer
Erhellt den Berg; Megist besprengt
Mit einem grünen Lorberweiher
Der Kämpfer Haupt, die dich gedrängt
Mit hohem Muth sich um die Flamme reihen,
Zum Tod im Kampf sich einzuweihen.
Leonidas sah, wie Alcide,
Sein Ahnherr, als er Riesen zwang,
Mit Götterblick von Glied zu Gliede
Die Krieger an, und plötzlich drang
Ein Flammenstrahl, als käm' er von dem Gotte,
In jedes Herz der Heldenrotte.
Der König sprach: Gefährten, Brüder,
Eßt jetzt der Freyheit letztes Mahl,
Und trinkt den Wein! denn wenn wir wieder
Zusammenkommen, ists im Thal
Elysiums, wo glühend vor Verlangen
Die Väter stehn, uns zu empfangen.
Denkt an die Männer, die im Streite
Des Vaterlandes starben! Denkt,
Ihr Heldengeist schwebt euch zur Seite,
Und wägt der Enkel Werth, und lenkt
[182]
Des Schwertes Stahl, den östlichen Barbaren
Mit tieferm Druck ins Herz zu fahren
Das Weib mit ihren kleinen Knaben
Beym Abschiedskuß, und jedes Pfand
Der Liebe, und der Freundschaft haben
Sich uns vertraut. Das Vaterland,
Die Freyheit ruft; wir sind der Freyheit Erben!
Brauchts mehr zum Siegen oder Sterben!
Er sprachs und aß: die Krieger zehrten
Das Mahl, auf Schild und Speer gelehnt,
In stiller Feyer auf, und leerten,
Des Hades Göttern ausgesöhnt,
Die Schalen aus bey des Altares Dampfe,
Und stärkten sich zum Todeskampfe.
Der Zug geht, gleich dem Zug der Götter,
Der vom Olymp die Rache trägt,
Und wie vereinte Donnerwetter
Der Erde Brut zu Trümmern schlägt:
So trägt ihr Schwert, der Tyranney zu lohnen,
Den Tod in Xerxes Millionen.
[183]
Tief ist die Nacht; aus Wolken blicket
Selene mit dem jüngsten Strahl,
Und von des Helmes Spitze nicket
Die Feder durch das Felsenthal,
Indeß im Schlaf mit tiefen Athemzügen
Die Sclaven und Despoten liegen.
Durch stumme Nationen schreitet
Der kleine Heldenzug, zum Zelt
Des großen Königs, und bereitet
Verderben für die Morgenwelt,
Schon glaubt im Traum mit taumelndem Vergnügen
Der Stolz sich im Triumph zu wiegen.
Stracks donnert ihn aus den Gefühlen
Der Vorhof wach, wo schon in Blut
Der Herakliden Dolche wühlen,
Wo mit gereitzter Löwen Wuth
Die Griechen hoch dem Unterdrücker fluchen
Und ihn mit Rächerstahle suchen.
Der Droher flieht durch dunkle Gänge
Vor seinem Tod der Griechen Schwert
Frißt hungrig in die reiche Menge
Der goldnen Sclaven, und zerstört
[184]
Den Schmuck des Jochs, dem sich mit krummen Rücken
Die Schmeichler bis zum Staube bücken.
Die Flamme steigt, wie Nebelwolke,
Vom Lager zu dem Himmel auf;
Und Schrecken wälzt von Volk zu Volke
Laut heulend seinen Schlangenlauf,
Die Opfrer mähn die zitternden Barbaren,
Zum Styx hinab bey langen Scharen.
Verwüstung deckt das Feld mit Leichen:
Der Grieche würgt, der Perser dolcht
Den Freund im Irrthum; Heere weichen
Vor wenig Lanzen; Grimm verfolgt
Die Fliehenden und schlachtet ohne Schonen
Des hohen Stolzes Legionen.
Die Gegend raucht, die Kriegswuth brüllet,
Verwirrung herrscht, bis Titans Licht
Die todtenvolle Nacht enthüllet
Und durch den dunkeln Schleyer bricht.
Leonidas ruft nun aus Blut und Flammen
Sein göttergleiches Heer zusammen.
[185]
Des Orients Entflohne schauen
Mit Scham nunmehr ihr Lager an:
Der Anblick füllt mit Furcht und Grauen.
Doch des Tyrannen Busen kann
Das Todtenfeld und ein geheimes Zittern
Noch nicht in seinem Stolz erschüttern.
Die Sparter ruhn in Ötas Grotten,
Mit Herzen, die nach heißer Schlacht
Des nahen Todes kühner spotten,
Als schnell, wie mit Gewittermacht,
Das ganze Heer in Stürmen auf sie dringet
Und sie zum neuen Treffen zwinget.
Das Volk auf Wagen und auf Rossen
Schwoll rund wie Meeresfluth heran:
Die Sparter standen, und beschlossen,
Der Freyheit heilig, Mann für Mann,
Den Todeskampf, im Stolz gerechter Rache,
Für ihres Vaterlandes Sache.
Noch lange hielt der Heraklide,
Leonidas, mit Schwert und Speer,
Gleich einer Felsenpyramide,
[186]
Und gab Verderben um sich her,
Bis Mann auf Mann die Seinen, ohne Wanken,
Mit ihm im Wogenschwall versanken.
Ihr Edlen, leuchtendes Exempel!
Bewundrung jeder Nation,
Und hohes Lob und Ehrentempel
Sind durch Äonen euer Lohn;
Und, was euch mehr als alle Lorber kröne,
Ihr seyd der Freyheit Lieblingssöhne.

Fußnoten

1 Dieses Gedicht über die Freyheit wurde im Arrest gemacht, in welchen mich meine naturrechtliche Ungeduld durch eine sogenannte militärische Todsünde gebracht hatte. Ich muß es der Menschlichkeit meiner damahligen Richter zum Ruhme nachsagen, daß sie meine Vertheidigung so viel Statt finden ließen, als es nur die strengen willkürlichen Kriegsgesetze erlaubten. Glovers Leonidas, eines meiner Lieblingsbücher, war in dieser Periode mein vorzüglichster Genuß. Man sieht es gegenwärtigem Stück an, daß es durch jenes Gedicht veranlaßt worden ist. Glover, den man vielleicht nicht genug kennt und schätzt, hat gezeigt, was man mit tiefem Wahrheitsgefühl, Kraft und Sprache, ohne Maschinerie von Göttern und Geistern thun könne. Was in dem Gebieth unsrer Erfahrung und in der nahen Berührung unsrer Herzen liegt, wirkt immer am mächtigsten auf unsere Seele, und ist der geschickteste Gegenstand für das Talent. Daher ist Hectors Abschied von Weib und Sohn, Äneas Aufenthalt in Karthag, Oberons Schiffarth und Leben auf der Insel, nach meinem Gefühl, das Schönste, was uns Homer, Virgil und Wieland gegeben haben. Die Kunst mag ihre übrige Größe anstaunen, so lange sie will; hier fühlen wir unser ganzes Wesen congenialisch mit ins Gewebe gezogen. Der nähmliche Fall ist es bey jedem großen Interesse der Menschheit. Die Geisterwelt läßt uns leer, oder gibt uns nicht mehr als ein angenehmes Spielwerk. Eine der lieblichsten und rührendsten Episoden, die ich je gefunden habe, ist in Glovers Gedicht die Geschichte Arianens und ihres Geliebten am Tage der Schlacht.

[187] Mein Geburtstag

Dreyßig Mahl ist mir das Jahr entronnen;
Und was hab' ich aus dem Flug gewonnen?
Wie ein Kahn durch Stürme, Fluth und Wogen,
Sind sie adlerschnell dahin geflogen.
Aus dem Hinterhalt hat, wenn ich lachte
Und nur Frohgenuß des Lebens dachte,
Oft der Tod mir in den Mayentagen
Zu der großen Reise Lärm geschlagen.
Von des Meeres tiefem Felsengrunde,
Aus der Kriegsmaschine Feuerschlunde
Gähnte von der Parze schwarzen Wegen
Mir Verderben oft und grell entgegen.
[188]
Und ich sah durch die gebrochnen Glieder,
Hingestreckt vom Würger, meine Brüder
In der Sterbestunde letzten Zügen
Blutig röchelnd, bethend, fluchend liegen.
Auf der alten und der neuen Erde,
Von dem Fürstensaal zum Bettlerherde,
Hört' ich Menschen über Menschenplagen
Mit des Jammers heißen Thränen klagen.
Auf der Wollust seidnem Dunenlager
Saß der Kummer abgehärmt und hager;
Unterm Strohdach auf der Binsenmatte
Weinte stummen Schmerz des Elends Gatte.
Himmel, schlagen deiner Strafen Flammen
Alle, alle über uns zusammen?
Hier und hier ist aller Marter Quelle:
Braucht der Frömmler denn noch Eine Hölle?
Leidenschaften wühlen an den Stützen,
Die den armen Stamm des Lebens schützen:
Und sie wühlen oft in einer Stunde
Ganzer langer Jahre Werk zu Grunde.
[189]
Und die himmlische Natur zu rächen,
Kocht ihr Busen herrliche Verbrechen,
Die in Fluch verwandeln Gottes Segen,
Und durch Elend Keim zu Elend legen.
Bosheit gießet zu dem Thränenmahle
Schleichend Gift noch in die Wermuthschale;
Und die Thorheit, ihre Schwester, biethet
Fertig ihr die Hände, wenn sie wüthet.
Aus dem alten orthodoxen Mantel
Sticht des Unsinns giftige Tarantel;
Aus der Irrphilosophie Gewimmel
Fliegen Zweifel über Gott und Himmel.
Götterliebe sinkt zu feilen Lüsten,
Unser schönes Eden zu verwüsten:
Tiefer Groll durchbrütet seine Galle
Zu des sichern Bruders nahem Falle.
Einer zehret kühn mit hohem Muthe
Von gepeitschter tausend Sclaven Gute,
Die ihr letztes Bißchen armes Leben
Seiner Schwelgerey zur Beute geben.
[190]
Und wenn sie sodann vom Schlaf erwachen,
Gleicht ihr Wüthen dem Hyänenrachen,
Der mit ungezähmtem Grimme schlachtet,
Und den künftgen Augenblick verachtet.
Vater, wird zur Rettung hier auf Erden
Nicht Vernunft einst Herrscherinn noch werden,
Und die Ungerechtigkeit verbannen?
Jetzo gibts nur Sclaven und Tyrannen.
Wird Asträa nicht, uns Heil zu geben,
Noch ein Mahl herab vom Himmel schweben,
Und das göttliche Geschenk zu rächen,
Einst des Treibers Eisenstecken brechen?
Daß ein jeder in dem Abendrothe
Psalmen singe, nicht bey Gnadenbrode;
Daß sich unter ihrer Väter Buchen
Nicht Bedrücker und Bedrückte fluchen:
Daß man ohne Furcht vor Blutgesinde
Froh für sich die Weitzengarben binde;
Daß der Sohn des Vaters Segen erbe,
Und ein jeder wo er wünschet sterbe.
[191]
Werd' ich noch den Göttertag erleben,
Wo die Hand nur Brüdern Brüder geben?
Wo kein Erdensohn den Schöpfer höhnet,
Und als Knecht dem Nebenmenschen fröhnet?
Wo Natur ihr großes Werk vollendet,
Einem jeden seine Spende spendet?
Wo in schönen neugebornen Tagen
Menschen nur noch ihre Leiden tragen?
Wo Tyrannen boshaft nicht die Klauen
In das trockne Mark der Brüder hauen;
Wo kein Mensch hinauf zu Menschen wanket,
Und gegeißelt für die Gnade danket?
Wo das Schwert nicht bloß das Recht besiegelt,
Und dem Rechte jeden Weg verriegelt;
Wo nicht Tod und Ketten edeln Bürgern
Heilig drohen von gedungnen Würgern?
Vater, gib mir Muth und laß mich hoffen;
Noch wird einst vielleicht der Punct getroffen;
Noch lernt man vielleicht einst dich verstehen
Und die Wege deines Lichtes gehen.
[192]
Vater, gib mir Kraft, wenn Pflicht mich fodert,
Kraft, so groß wie Feuer in mir lodert,
Daß ich ohne Furcht die Wahrheit sage,
Und für deine Wahrheit alles wage.
Wenig hab' ich noch in meinem Leben
Für die gute Sache hingegeben,
Bin vielleicht an meinem Wanderstabe
Nur an Bart ein Mann, an Geist ein Knabe.
Durst nach Thaten brennt in meiner Seele,
Thaten, die mein guter Engel zähle:
Werd' ein Held im Blut der Menschheit Ruthe;
Wahre Größe ist nur wahres Gute.
Vater, hilf die Stunden mir gewinnen,
Bis der Urne letzte Tropfen rinnen;
Daß ich dann in meines Lebens Buche
Nicht vergebens meine Werke suche.

[193] Einsame Wandlung

Bin ich denn todt, daß unbegrüßt die Horen
Im Tanz vor mir vorüber glühn?
Daß ohne Balsam mir die Blumen blühn,
Als wäre Flur und Lenz verloren?
Hat die Natur, die mich geboren,
Die unerschöpfliche Vergeuderinn,
Mir keine Freude zugeschworen?
Fährt mir allein in Gottes Opferhaine,
Wenn feyernd ihm die Schöpfung singt,
Daß lauter Jubel durch die Felsen dringt,
Kein Feuerstrahl durch die Gebeine?
Hier sitz' ich auf dem grauen Steine,
Um den sich rund der Gegend Zauber schlingt,
Und, spottet meiner nicht, und weine.
[194]
Wie ein Verdammter vor der Rosenthüre
Der Seligkeiten Edens steht,
Und schauernd links in seine Wüste geht,
Als ob der Cherub ihn berühre;
So hör' ich durch gebrochne Schwüre,
Wenn warm umher des Lebens Odem weht,
Daß nichts vom Leben mir gebühre.
Ist auf des Weltmeers hochgethürmten Wogen,
Als schwindelnd mich ihr schwarzer Flug
Im Ungewitter auf und nieder schlug,
Mein kleines Glück davon geflogen?
Hat mich der Krieg, der mich erzogen,
Als er das Land umher zu Grabe trug,
Um meine Menschlichkeit betrogen?
Ich steh allein, wie gänzlich losgeschlagen
Von allem was den Menschen hält,
Und in mir liegt die Trümmer meiner Welt,
Die Nacht von den geschiednen Tagen.
Wer wagt es Werde Licht! zu sagen,
Wenn alles tief und immer tiefer fällt,
Und mich zu mir zurück zu tragen?
[195]
Man schwor mir Freundschaft und man schwor mir Liebe;
Und ich, ein Zögling der Natur,
Hing fest mit Zutraun an dem schönen Schwur,
Als ob ihn Gott mit Feuer schriebe.
Ha, wer mir jetzt den Tand vertriebe!
Die ganze schöne Gleißnerey war nur
Wie Regenwasser in dem Siebe.
Ich schlürfte tief, wie seinen Sorgenbrecher
Ein Sohn Lyäens, meinen Trank,
Bis mir der Nektar von der Lippe sank,
Und Schierling war im goldnen Becher.
Da blickte starr der blinde Zecher,
Und für die Täuschung zahle meinen Dank
Der weggeschlagnen Hoffnung Rächer.
Nun lauscht schon längst, als Brut der Menschenkunde,
Wenn mich ein helles Maygesicht
Zum Proselyten seines Glaubens spricht,
Der Argwohn in dem Hintergrunde,
Und stürzt in einer Giftsekunde,
Wenn plötzlich er sich in die Seele flicht,
Das Werk von mancher guten Stunde.
[196]
Mit Golde kauft man immer feile Seelen;
Das Herz nur ist dem Herzen Lohn:
Der wahre Werth spricht allem Schimmer Hohn,
Und läßt sich nie nach Tafeln zählen.
Mir mögen Rock und Mantel fehlen,
Noch bin ich reich; allein ein Bettler schon,
Will man mir mein Gefühl bestehlen.
Ach gäbt ihr mir nur meinen Glauben wieder
Den schöne Häucheley mir nahm,
Die im Gewand der Wahrheit zu mir kam!
Ihr sangt mir nur Sirenenlieder:
Gebt mir mein Herz für meine Brüder,
Gebt mir Vertraun, entreißt mich meinem Gram
Durch Zuversicht an Menschen wieder!
Die Welt um mich trägt meines Schicksals Farben,
Die ihr mit euern Künsten schuft:
Mit jedem Fußtritt find' ich eine Gruft,
Wo ehmahls Menschenfreuden starben,
Wo Narren Segen sich erwarben,
Um an der Bosheit angesteckten Luft
Dann arm und hoffnungslos zu darben.
[197]
Hängt noch der Fluch am menschlichen Geschlechte,
Den zürnend einst der Dämon rief?
Gräbt ihn die Macht der Leidenschaft noch tief
In Könige und Ruderknechte?
Daß eines Thoren fromme Rechte,
Der die Besinnung gläubig fest verschlief,
Mir einen Trank aus Lethe brächte!
Was soll der Wunsch? Ein Wunsch ist schon für Thoren;
Und für die Weiber Elegie:
Ich lege trotzig mich ans Joch und zieh,
Bis Hirn und Herz hat ausgegohren.
Vielleicht wird noch die Zeit geboren,
Wo ich mit Ruh in eine Klause flieh,
Und sag' ich habe nichts verloren.

[198] Der erste Frühlingsabend
Der Frau Professorinn Klausing

Der goldnen Sonne Schöpferstrahl
Belebet wieder Berg und Thal,
Und ihre neue Wärme schafft
Der Erde wieder Jugendkraft.
Laut pocht das Herz, hoch wallt das Blut;
Frey fliegt der Blick, kühn steigt der Muth;
Der Geist schwingt sich mit Seraphsfuß
Von Lunens Horn zum Sirius.
[199]
Gott, dessen Hauch die Räume füllt,
Daß Leben durch das Weltall quillt,
Durch den der Sterne Jubel schwebt,
Und die Ephemeride lebt:
Ich jauchze dir, ich jauchze dir;
Dein Odem wehet über mir:
Du hörest, Vater, meinen Dank
Durch deiner Sphären Lobgesang.

[200] Zur Weinlese

Herr Bacchus ist der beste Mann
Zu einem Schutzpatrone;
Wir nehmen ihn zum Heilgen an:
Bringt her die Epheukrone.
Es mag Herkul, der Griesgram, sich
Mit Ungeheuern hauen;
Hier wollen wir uns brüderlich
Bey Libers Schlauch erbauen.
Mag Orpheus vor der Höllenthür,
Der Bänkelsänger, leyern;
Hier wollen wir ein Fest dafür
Dem Rebengotte feyern.
[201]
Der Paduaner Anton mag
Mit weisen Fischen reden;
Hier wollen wir bey dem Gelag
Im Wein die Grillen tödten.
Mag unsertwegen hundert Jahr,
Zum Troste frommer Seelen,
Ein dicker Mönch Sanct Januar
Noch eins zu Tode quälen:
Mag ganz Neapel Zeter schreyn,
So lang' er nicht will schwitzen;
Hier wollen wir im Rebenhain
Bey großen Trauben sitzen:
Mit Weinlaub unser Haupt bekrönt,
Und Thyrsen unsre Lanzen,
Wenn hoch der Chor Evoeh tönt,
Um Vater Bacchus tanzen:
Rund um den großen Wundermann
Und seine Tieger springen;
Und wer den Chor nicht halten kann,
Doch mit Evoeh singen.
[202]
Er schuf der Kelter Zaubersaft,
Und gab in Purpurreben
Den Erdensöhnen Götterkraft
Zu einem neuen Leben.
Er wandelt durch das Erdenrund
Wohlthätig mit Geschenken,
Vom Indusstrande nach Burgund,
Die Sterblichen zu tränken.
Von Cypern bis zum Hoffnungskap,
Von Tokay bis zum Rheine
Deckt, wo er geht, sein Götterstab
Die Hügel stracks mit Weine.
Er schickt sein gramverscheuchend Gut
Entfernten Nationen,
Die nah am Pol mit kaltem Blut
Im Schoos des Winters wohnen.
Trinkt, Brüder, laßt uns Sterblichkeit
Und Gruft und Tod vergessen,
Und uns schon jetzt mit Ewigkeit
Und mit den Göttern messen.
[203]
Trinkt, Winzer, eure Humpen leer,
Und füllet Korb und Ständer,
Und lehnt, wird euch das Haupt zu schwer,
Euch fest an das Geländer.
Evoeh, Bacche, Jacche!
Lyäens Nektar winket;
Hebt volle Tummler in die Höh,
Jauchzt Libern Dank, und trinket.

[204] Der Maymorgen

Ich jauchze dir, ich jauchze dir entgegen,
Der du in deine Fluth mich tauchst,
Dir, Genius des Tags, der du auf meinen Wegen
Jetzt Paradiese hauchst.
Sie ist verglüht die Weltensaat der Sterne
Vor deines Goldes erstem Glanz,
Und aus dem Feuermeer ziehst an der Berge Ferne
Du deinen Strahlenkranz.
Was schlief erwacht, wie sich die Spitzen röthen,
Und in dem Hain wird alles Chor
Zu deinem Feyergruß, und Philomelen flöten
Begeisterter empor.
[205]
Dein Balsam weht in lieblichem Gemische
Mit Lebenskraft von Thal zu Thal
Auf Blumenteppichen, und deines Odems Frische
Gibt allen Nerven Stahl.
Erhebt den Herrn! tönts rund von jedem Hügel,
Wo eines Pflanzers Hütte steht,
Und aus der Bergschlucht hallts, und jedes Lüftchens Flügel
Empfängt ein Dankgebeth.
Dort gießt die Gluth sich von dem Felsen nieder,
Ein Lichtstaub, der von Gott sich schwingt:
Wir trinken von dem Quell, und stammeln nur die Lieder,
Die kaum der Seraph singt.
Das Weitzenfeld ist deiner Wohlthat trunken
Und badet sich in Perlenthau;
Und alle Farben blitzt in diamantnen Funken
Das Feyerkleid der Au.
Am Hügel hin wogt Hygieens Weben
Der Apfelbäume Blüthenduft,
[206]
Und alles haucht mit Kraft das neugeschaffne Leben
In der gewürzten Luft.
In Gruppen steigt die Gegend auf und nieder;
Der Fluß rollt rauchend durch das Thal,
Verbirgt sich hier im Wald, und dort erscheint er wieder,
Und glüht im Sonnenstrahl.
Die Dorfschalmey ruft laut schon Muth und Freude,
Von Herdenglocken tönt der Zug;
Und mit dem Morgenlied hebt an dem Saum der Heide
Der Pflüger seinen Pflug.
Verschlaft im Flaum, ihr modischen Gerippe,
Der jungen Horen Reihentanz!
Euch reicht kein Felsenquell die Fluth der Aganippe
Kein Lenz den Blüthenkranz.
Ich reiße mich aus meinem dumpfen Kerker
Auf in die Arme der Natur,
[207]
Und werde fröhlicher, lebendiger und stärker
In der erwachten Flur.
Elastisch hebt der Fuß, wie eine Feder,
Den Körper, den er rhythmisch trägt,
Indeß das leichte Blut zum Tanz durch das Geäder
Noch wie dem Knaben schlägt.
Ich will mich freun, will in den Strom mich stürzen,
Der unter mir zur Woge schwillt;
Und keine Bitterkeit soll mir die Kost verwürzen,
Aus der Genesung quillt.
Ich will mit Geitz in deinen Reichthum sinken,
Natur! Nimm deinen Zögling hin!
Will bis zum Taumel froh aus deinen Kelchen trinken,
Du Heilvergeuderinn!
Wer grollend nur in deinem Tempe schleichet,
Wird Feind von Menschen und von Licht;
Wem aber deine Hand des Lebens Freuden reichet,
Ist nie ein Bösewicht.
[208]
Nur du allein kannst Menschen rein beglücken,
Und hauchest Seelenadel ein.
Ha, könnt' ich eine Welt jetzt an den Busen drücken,
Sie sollte selig seyn!
Ich breche mir von dem bethauten Stocke
Die erste Rose dieser Flur,
Und weihe mich im Flug der letzten Blüthenflocke
Zum Priester der Natur.
Gewährtest du, was du mir einst verhießest,
Vollenderinn Urania;
Ich stände jetzt beglückt, wie du mich hoffen ließest,
Zum Neid der Geister da.

[209] Oesers Manen

Einsam stand ich und dachte die Menschen mähende Zeit durch,
Die ich am Laurenzstrom und an der Weichsel gelebt,
Zählte der Stürme sehr viele, die meinen Nachen bedrohten;
Halcyonischer Tag blickte dem Pilger nicht oft:
Doch zuweilen, wenn ihm ein Stündchen mit Gleim und mit Weiße,
Mit Freund Göschen am Berg, Hedwig und Oeser verstrich.
Hedwig, der Gute, der Menschenfreund, der Christ in der Wahrheit,
War gestorben; ihm half nicht Podalirius Gunst
Einsam maß ich den Werth nun erst in seinem Verlust ganz;
Und ein Bothe erschien, gab mir ein Blatt und verschwand:
[210]
»Oeser, auch Oeser ging hin ins Land, aus dem keiner zurückkehrt:
Früh, ach zu früh war, obgleich lange gefürchtet, der Schlag.«
Eine Thräne glühete mir an der heißeren Wimper
Langsam steigend herauf, glitt dann die Wimper herab.
Dort kommt wieder ein Zug zurück von dem Hügel des Kirchhofs;
Mücke, der Redliche, starb: heiliges Wandels war er,
Wie der Irdischen hier auf Erden nur wenige leben,
Ohne Tadel als Mensch, Vater und Lehrer und Freund,
Oeser, auch Oeser ging hin ins Land, aus dem keiner zurückkehrt;
Früh, ach zu früh war, obgleich lange gefürchtet, der Schlag.
Wie als Knabe vom Grabe des Vaters ich weinend empor sah,
Seh' ich wehmuthsvoll, Oeser, von deinem empor.
Wenige Jahre nur waren unserer frohen Verbindung,
Liebenswürdiger Greis; mehrere Lustra ihr Werth.
[211]
Ach, wie oft saß ich bey dir am runden vertraulichen Tische,
Stümperte Griechisch dir vor, und du erzähltest zum Lohn,
Und vergaßest im Scherz die Achtzig des silbernen Hauptes;
Oder vergaßest sie nicht, ehrtest durch Freude sie mehr
Durch die Erinnerung jung gabst du Geschenke der Vorzeit,
Und zur Gegenwart hob sie das lakonische Wort;
Monumente von Witz und Monumente von Bravheit,
Von dem Marmor herab bis in die Hütte von Stroh.
Schöner Gruppen voll war dir das große Gemählde des Lebens;
Und zum Geistesgenuß mischten es Bettler und Fürst.
Mögen andre den Künstler bewundern, der Geist in die Form schuf!
Wahr, der Künstler war groß; aber ich liebte den Mann.
Steh' ich einst vor seiner Auferstehung und hebe
[212]
Mich mit magischer Kraft über die Wolken empor;
Dann, dann denk' ich gerührt doch mehr noch zurück an die Stätte,
Wo er mir väterlich rief; Bleib du nur heute bey mir!
Und blickt zauberisch einst mir seine Sibylle von Endor,
Denk' ich doch herzlicher noch an den unendlichen Gang,
Der durch die alternde Burg zu seinem Sorgenlos führte,
Wo er der Freuden so viel immer den Freunden erfand.
Pflanzten auch Fürsten mit Pracht ein Denkmahl dem glühenden Mahler,
Größer wär' es vielleicht, heiliger wär' es doch nicht,
Als das Denkmahl, das ihm in vieler Seelen gebaut ist,
Die nicht den Künstler allein, die auch den Menschen gekannt.
Männer, Verklärter, wie du warst, sterben hinüber zum Leben;
[213]
Denn ihr Wesen ist nicht Ephemeridengeschlechts.
Deines Nahmens erwähnt noch dankbar der Enkel des Enkels,
Wenn er den hohen Altar schauet im Gothischen Haus.
Schlummre der Seligen Schlaf! du lebtest das Leben der Edeln;
Denken werd' ich noch dein, färbt sich mein Schedel mit Schnee;
Und die Hoffnung erhebt mich; Wenn mich der Bothe dahin ruft,
Folgen mir Thränen wie dir, weinet der Freund in die Gruft.

[214] Das scheidende Jahrhundert 1

Wer wird der Menschheit noch ihr Heiligthum verbürgen?
Bey jedem Tritt ist Scorpion.
Der hohe Wahnsinn schwelgt, wo die Hyänen würgen,
Und spricht entsetzlich Hohn.
Hier hält die Tyranney mit ihrer Eisenruthe
Noch blutig alte Büttelzucht,
Indeß geplündert dort ein Volk dem Aftergute
Der Frevelfreyheit flucht.
Ich las das große Buch, in welchem die Verbrecher
Auf Marmor an dem Schandpfahl stehn:
Auf jedem Blatte schlägt die Schuldigen ein Rächer
Für irgend ein Vergebn.
[215]
Noch trifft des Persers Hand, der Sclavenvater lächelt,
Im Trunk den Knaben in das Herz;
Und Sulla, wenn um ihn die Stadt Verwüstung röchelt,
Schreibt Todesschrift zum Scherz.
Man baut mit Riesenkraft am Celtenkapitole
Und donnert von dem Tempel her;
Und Molochsopfer glühn dem steigenden Idole
Vom Meere bis ans Meer.
Die alte Hyder zischt mit allen ihren Giften
Den Neuling an, und Blitz und Dolch
Schlägt; wo sie kämpfen flieht der Segen von den Triften
Wächst Schierling nur und Lolch.
Von jeder Alpe bricht der Tod aus Feuerschlinden,
Und in dem Waldstrom rauschet Blut;
Der Heerdenhüther blickt mit Angst aus Felsengründen
Nach seiner Hütte Gluth;
Sieht seinen Friedenshain von Äxten nieder stürzen,
Sieht, wie das Roß die Saat zerstampft,
Wie sich die Wüthenden zu der Zerstörung schürzen,
Und wie die Gegend dampft;
[216]
Sieht sprachlos auf, und bebt, und kalte Tropfen zittern
Dem Bebenden die Stirn herab.
Indeß sinkt unter der Verheerung Ungewittern
Ein ganzer Gau ins Grab.
Mit unverwandtem Blick und der Vergeltung Miene
Spricht Nemesis ihr Flammenwort;
Der milde Genius weint über der Ruine
Und geht voll Wehmuth fort.
Hat endlich schrecklich uns das Heer der Blasphemieen
Dort vor dem Richter angeklagt,
Daß nun die Geyerwuth der stygischen Harpyen
Uns an der Seele nagt?
Durch Leichen schreiten kalt, mit ihrer wilden Horde,
Die Tilly und die Attila,
Als wäre wieder nun mit ihrem alten Morde
Die Zeit des Faustrechts da.
Wir harreten noch jüngst, den Blick in Morgenröthe,
Asträa, deiner Wiederkunft:
Die Morgenröthe schwand, und auf der neuen Öde
Bleibt kaum ein Strahl Vernunft.
[217]
Mit Ruthen peitschte man, und nun mit Scorpionen.
Der Areopagitenspruch
Hielt seine Spenden aus für die in Hütten wohnen;
Sprach Segen, und gibt Fluch.
Was ist der Unterschied, wer Länder ausgesogen?
Ob der Satrap, ob der Prälat?
Ob Fürstenschwelgerey, ob freche Demagogen?
Die That bleibt stets die That.
Sonst fabelte der Mönch der Dummheit Heiligkeiten
Mit breitem Wolkenangesicht,
Wo mit dem Schild des Lichts jetzt grimm nach allen Seiten
Der neue Schwindler spricht.
Rühmt, wie ihr wollt, das Recht, die Freyheit und die Siege
Der alten großen Tiberstadt,
Wo Spartakus, der Knecht, vor allen in dem Kriege
Die Ehrenrolle hat;
Wo man den Bürger peitscht, vor dem Karthago zittert,
Wo Kato Sclavenhandel treibt,
[218]
Wo man mit Menschenfleisch zum Schmaus Muränen füttert,
Die sich Lukull verschreibt.
Der Himmel schütze mich und meine bessern Brüder
Vor dieser Freyheit Tyranney!
Erzeugt durch Unvernunft, ernährte sie die Hyder
Von Andrer Sclaverey.
Wenn hier der Celte Karl den orthodoxen Glauben
Mit Dolchen von Bajonne lehrt,
Dort Phalaris-Anton mit Morden und mit Rauben
Die Vaterstadt verheert;
Wenn Nero Rom verbrennt und Robespierre Bürgern
Durch Mienen Todesurtheil spricht,
Sie würgten alle kühn; wer war von allen Würgern
Der größte Bösewicht?
Vernunft, wann wirst du einst die wahre Freyheit setzen,
Vor welcher Recht und Ordnung geht?
Die kein Tribun, kein Fürst, kein Bonze zu verletzen
Sich frevelnd untersteht?
[219]
Erwärme du mein Herz, des Lebens Götterflamme,
Die tief durch meine Seele glüht,
Daß nicht mein Auge kalt rund um sich her verdamme,
Wenn es die Gräuel sieht;
Daß Kleinmuth nicht und Angst zuletzt mich niederziehen,
Wenn höhnend Druck und Willkühr siegt,
Wenn weit, weit aufgerollt, wohin die Blicke fliehen,
Die Sündenmappe liegt.
Bleib, Genius, damit uns nicht die Hoffnung schwinde,
Die über der Ruine schwebt,
Daß bald die Menschheit sich aus der Geburtsangst winde,
In der sie jetzo bebt.
Hilf du uns, Göttlicher, ihr Heiligthum bewahren,
Das im Orkan sich fast verlor,
Und trag' es herrlicher aus tödtlichen Gefahren
Und heiliger empor.

Fußnoten

1 Der Herausgeber des deutschen Merkurs hat schon bey der ersten Erscheinung dieses Gedichts angemerkt, daß es durch Matthisons Sarkophag des Jahrhunderts veranlaßt wurde. Der Inhalt zeigt, daß ich nicht ganz Matthisons politischer Glaubensgenosse bin, und also nicht alles unterschreibe, was er dort gesagt hat. Jeder sieht die Sache auf seine eigne Weise, und jeder mag diese Weise vor sich und andern durch Gründe rechtfertigen. Dadurch, daß ich den Gegenstand anders sahe und behandelte, ist mir auf keine Weise eingefallen, mich gegen Matthison als Dichter aufzustellen.

[220] Parentation

Dem Könige Stanislaus Augustus Poniatowsky. 1


Plectuntur Achivi.


Wer bauet uns die richtige Bussole
Für die Geschichten dieser Zeit?
Der Gallier spricht von dem Kapitole,
Und an der Newa stirbt der Pohle,
Nachdem der König sich entweiht,
Dem Despotie nur noch den Mantel leiht.
Der König starb, verkündiget im Fluge
Das tausendzüngige Gerücht.
Das Monstrum nährt sich oft nur von Betruge,
Verkündigt das Gerücht mit Fuge,
Der König starb? Es ist Gedicht!
Wie konnt' er das? Der König lebte nicht.
[221]
Er hört nur auf zu essen und zu trinken,
Und winkt nicht mehr dem Kämmerling,
Der biegsam schnell auf das erlauchte Winken
Den Sclaven, die zu Boden sinken,
Das Frühstück zu befehlen ging:
Wer so nur lebt, der ist ein todtes Ding.
Steig an den Sarg des königlichen Todten,
Durch ihn gefallne Nation,
Und rufe laut und in den grellsten Noten,
Da wo man einst dich feilgebothen,
Ein heiliges Threnodion
Um seine Gruft, und stirb am letzten Ton.
Er trug sein Bild, es war an ihm das Beste,
Einst durch des Welttheils Mummerey.
Seht, sein Gesicht trägt noch die Überreste!
Er war der Schönste bey dem Feste;
Und in Versaillens Feerey
Kam kein Narziß ihm, dem Sarmaten, bey.
Sie kannt' ihn schnell in seiner ganzen Stärke,
Die ihn mit einem Blick durchsah,
Und nahm ihn fest zu ihrem Augenmerke,
Macht' ihn zum Hauptstück ihrer Werke,
[222]
Semiramis Ruthenia:
Sie winkte nur, so stand der König da.
Das Heilkraut stirbt in einem Wald von Lolche;
Unglückliches, zerstörtes Reich!
Zerrüttung grub an euerm Thron, wie Molche,
Und fern und nahe blitzten Dolche,
Sogleich bereit zum Stoß nach euch.
Die Newa rauscht, stracks wird das Wahlfeld bleich.
Ihr zittertet in Ohnmacht, ihr Despoten,
Und stießt verbißne Wuth in Sand;
Ihr bücktet euch, wie euch sich die Heloten,
Wenn ihnen Stock und Geißel drohten;
Der Sclave hat kein Vaterland:
So schwurt ihr Treu in des Adonis Hand.
Der Nachbar sah, was er euch aufgedrungen:
Er that mit Klugheit, was er that.
Ihr kochtet Grimm, daß ihm der Streich gelungen;
Doch Zwietracht zischte von den Zungen,
Und Eigennutz saß in dem Rath,
So nah ihr auch des Landes Parze saht.
[223]
Hätt' euch nur jetzt noch Einigkeit verbunden!
Selbst der entartete Piast
Hätt' aus der Nacht, die euer Haupt umwunden,
Vielleicht den Faden noch gefunden!
Allein nur hassend und gehaßt
Sank alles schnell im Druck der Riesenlast.
Der König sprach in schönen leeren Reden,
Und Nepotismus war sein Schwert:
Und Pöbelgeitz und Schwindel spornte jeden,
Den Geist der Nation zu tödten,
Den man so lange schon entehrt.
Ein solches Volk war dieses Königs werth.
Hätt' ihn die Treu des Dieners nicht gerettet!
Die Hand des Schicksals hätte doch
Noch ein Mahl euch vielleicht noch losgekettet
Mit seinem Tode, und ihr hättet,
Sarmaten, euer fremdes Jochs
Vom kühnen Hals gestürzt und lebtet noch.
Das Glück schützt' ihn zum Unglück seines Landes:
Und fester zog mit neuer Schmach,
Als wäre man zertrümmerten Verstandes,
Der Knoten des verhaßten Bandes,
[224]
Bis der Orkan mit Schrecken brach:
Und nun ward man, doch bald zum Tode, wach.
Man kaufte die erbärmlichen Magnaten
Mit Schmeicheley und Bändern ein:
Für Mädchen und Batavische Ducaten
Wurd' Ehre, Freund und Land verrathen;
Und mancher gab, ein Sclav zu seyn,
Sein schlechtes Wort für eine Flasche Wein.
Mit Einigkeit, wie selten Fürsten zeigen
Als ständ' es alles im Diplom,
Harpunte man, und alles mußte schweigen.
Wer will Cyklopennacken beugen;
Denn ihre Red' ist Lavastrom!
Man nahm und gab vom Schicksal den Prodrom.
Der König weint. Die Thränen wären Ehre
Hätt' er sie als ein Mann geweint.
Ein König steht nur würdig vor dem Heere,
Und wenn auch Tod die Antwort wäre,
Spricht er nur dort mit seinem Feind,
Was er gerecht und was er menschlich meint.
[225]
Noch ein Mahl fuhr der Feuergeist der Väter
In die erwachte Nation.
Das Volk rief laut durch seine Stellvertreter,
Und zeichnete die Missethäter
Zum nahen längst verdienten Lohn,
Und sprach berauscht dem Zorn der Feinde Hohn.
Noch lächelte die Hoffnung, da der Riese
Mit Stambuls Macht des Todes Spiel
Um Schedel warf, als ob zum Paradiese
Das neue Vaterland sich schließe:
Der Riese stand und Stambul fiel;
Und Pohlen that zu wenig und zu viel.
Noch war es Zeit, die Pflichten zu bezahlen,
Die längst der König schuldig blieb.
Mit welchem Strich soll ich die Scene mahlen,
Als ihn zu den Sardanapalen
Des Vaterlandes Engel schrieb,
Und weinete, daß er ihn von sich trieb?
Der Sybarit hat endlich sich entschlossen,
Und ziehet langsam in das Feld;
Die Frauen, die vor ihm in Thränen flossen,
Ziehn nach und halten den Genossen.
[226]
Zwey Stadien, da steht der Held,
Bis weinend er in ihre Arme fällt.
Er eilt zurück auf seine Flaumenbetten:
Hoch zürnend floh vor ihm der Fluß.
Mag, wer nun will, das Vaterland erretten;
Der König liegt in Weiberketten.
Laut libellierte der Verdruß;
Verachtung war nunmehr sein Morgengruß.
Das Gegentheil von Friederich, dem Brennen,
Straft ihn des Irrthums der Sarmat.
Verbrechen ists, hier deine Manen nennen,
Die sich wie Licht vom Dunkel trennen.
Verzeihe, Geist von Wort und That,
Du sprachst zu viel, als er den Platz betrat. 2
Er war so schön, und drehte Antithesen;
Sein Leben war nur Zeitvertreib.
Es mögen die Gardinenrichter lesen,
Ob er bey Weibern Mann gewesen;
Bey Männern war er immer Weib.
Nun setze dich, Geschichte, hin und schreib!
[227]
Schreib, was er that! Er weinte wie ein Knabe,
Und sollte handeln wie ein Mann;
Der Adler ward des alten Reichs Rabe,
Und sang die Nation zu Grabe,
Die noch im Kampf auf Rettung sann:
So viel hat er, und das durch Nichts, gethan.
Die Nachwelt schreibt den Männern ihre Nahmen.
Sie gibt den Edeln ihren Lohn,
Die noch zuletzt zum heilgen Kampfe kamen,
Faßt gleich ihr Bild kein goldner Rahmen.
Vor ihnen steht Kosciusko Phocion,
Des Vaterlandes letzter Sohn.
Wer ein Mahl sinkt, wird immer tiefer sinken,
Der Königsschatten wandert noch,
Den Bodensatz der Hefen auszutrinken,
Nach seines neuen Herrschers Winken,
Bis an die Werkstatt zu dem Joch,
Wo mancher Knecht sich zum Tyrannen kroch.
Im schönen Wort erstarben schöne Thaten,
Und jeder Keim von Kraft verdarb.
Was half es euch, unglückliche Sarmaten,
Daß er sich in den fremden Staaten
[228]
Den Ruhm der Zungenkunst erwarb?
Jetzt weinet ihr, daß er nicht früher starb.
Hier sehet her, hier liegt euch ein Exempel,
Ihr Yvetoter Königlein!
Ein solcher Schlag entsteht aus solchem Stempel,
Und wie der Gott ist, ist der Tempel:
Nur Wunder macht aus Wasser Wein.
Erst muß der Mann, dann mag der König seyn.
Begleitet ihn zum Styx, ihr seine Scharen,
Die seine Schwachheit umgebracht;
Er soll mit euch, die alle besser waren,
Zu dem Gericht hinüber fahren:
Und Sobiesky's Blick voll Nacht
Bring' ihm den Spruch, den dort der Richter macht.

Fußnoten

1 Bey allen Kennern und unbefangnen Beurtheilern der Geschichte unsrer Tage ist, hoffe ich, dieses Stück durch sich selbst gerechtfertiget: gegen die Übrigen Beweise zu führen würde freylich schwer werden. Ich glaube an einem andern Orte deutlich gezeigt zu haben, daß sich Katharinens ganze politische Laufbahn, seit ihrer Thronbesteigung, an die Wahl Poniatowsky zum König von Pohlen knüpfte; weil aus diesem Schritt alle ihre, oder doch die meisten äußerlichen Verhältnisse, vorzüglich alle Kriege mit der Pforte entsprangen. Niemand wird zweifeln, daß die Kaiserinn ihren Candidaten hinlänglich gekannt habe, da sie ihn mit ihrem Ansehen und ihrer Macht unterstützte. Man muß jeden, und vorzüglich alle öffentliche Personen, nach den Regeln und Pflichten ihrer Verhältnisse beurtheilen, und auf diese Weise müssen wir gestehen, daß Katharina die Zweyte eben so weise, consequent und standhaft als Kaiserinn von Rußland handelte, als Poniatowsky kurzsichtig, unzusammenhängend und kleinmüthig sich als König von Pohlen benahm. Man mag über die Harmonie, in welcher die Politik und die Moral stehen sollten, sagen so viel man will, so wird doch niemand behaupten, daß nicht in der Verwaltung der Rechte einer Nation und der Verwaltung der Rechte einer Dorfgemeine ein großer wesentlicher Unterschied sey. Diesen wesentlichen Unterschied bestimmt schon die einzige Betrachtung, daß alle Mitglieder des Staats und der Gemeinen durch Gesetze und öffentliche Gewalt, durch Zwang in Ordnung erhalten werden; sie haben keine Selbsthülfe als nur in Nothfällen: aber Staaten unter einander haben nichts als Selbsthülfe, und ihre Sicherheit fordert oft, daß sie damit nicht zaudern. Es sollte mir leicht werden, zu beweisen, wenn die Pohlen in einer gewissen Periode, nähmlich kurz vor dem Congreß zu Reichenbach, die Energie gehabt hätten, die sie einige Jahre nachher zu ihrem Untergange zeigten, daß sie vielleicht die nähmliche Rolle in Moskau hätten spielen können, welche die Russen unter Repnin, Kochowsky, Igelstroem und Suwarow in Warschau spielten. Den Moment zu treffen ist überall die Hauptsache; sie hatten ihn verfehlt. Man sieht aus diesem Glaubensbekenntnisse, daß ich den König für die vornehmste Ursache der Vernichtung des Reichs halte. Die Pholen kannten ihn recht gut, die so heftig gegen seine Wahl arbeiteten. »Mein Gott!« sagte einer seiner alten angesehenen Anverwandten, »ich werde doch meinen Vetter kennen! Wenn er der Mann zu unserm König wäre, ich wollte der erste seyn, der ihm huldigte.« Und als dennoch mit Russischen Bajonetten die Sache durchging, sagte eben derselbe: »Nun, ihr werdet bald sehen, was ihr habt.« Bis dahin konnte man, nach den alten Mißbräuchen, dem Kandidaten es vielleicht nicht verdenken, daß er seine Verbindung mit der Kaiserinn benutzte, um seine Absicht zu erreichen. Aber nunmehr war er König von Pohlen, und es fing für ihn ein neues Leben an, wo er selbstständig für sich und sein Vaterland seyn sollte. Die Klientschaft aber, anstatt hier zu endigen, fing nun erst recht an. Es würde hier zu weitläufig seyn, alle Momente aufzuzählen, wo er – nicht als Mann gehandelt hat. Zeigte er sich nicht in einem traurigen Lichte, daß man in Petersburg es zum Vorwande nehmen konnte, zu seinem Schutze Truppen in das Reich zu senden, und sie fast ununterbrochen bis zur Vernichtung dort zu lassen? Konnte er die Herzen der Nation nicht gewinnen, so war er eigentlich nicht ihr König. Er war bekanntlich sehr schön, sehr gelehrt, sehr beredt, sehr wohlthätig, sehr großmüthig; überhaupt ein liebenswürdiger Privatmann. Der König, der bloß Krieger und Eroberer ist, ist eine Geißel der Menschheit, und seiner Nation vorzüglich; der König, der in erforderlichen Fällen durchaus nicht Krieger ist, wird bald ihr sicherer Untergang. Poniatowsky übte den Nepotismus mehr, als irgend ein Römling mit der dreyfachen Tiare; wahrlich keine Maßregel, die gute Meinung und Zuneigung der Familien zu gewinnen, an denen ihm gelegen seyn mußte. Seine Unentschlossenheit vermehrte beständig die Verwirrungen, die in einem Staate, wie Pohlen war, häufig ausbrechen mußten. Was auch Pulawskys und seiner Gefährten Anschlag war, Pohlens Schicksal wäre wahrscheinlich noch aufgehalten worden, wenn er durchgegangen wäre. Das Reich brauchte in den traurigen Conjuncturen einen der muthigsten, entschlossensten und standhaftesten Könige, und zum Unglück war Poniatowsky ganz das Gegentheil. Ein Mann, der seinen Werth und seine Pflichten mächtig genug gefühlt hätte, würde auch damahls, als, wie Pfeffel sagt, Therese, Käthe, Friederich die Federn und die Lanzen wetzten, noch Mittel zur Rettung gefunden haben. Aber der König las den Boethius und ließ die neue Gränze berichtigen. In solchen Fällen ist bloße schöne Bücherphilosophie Vorrath an der Würde und Heiligkeit der Menschheit. Sein letztes Leben ist zu neu, als daß darüber commentirt werden dürfte. Er stellte seinen Neffen, einen jungen Mann, allerdings von großen Hoffnungen, aber doch nur einen jungen Mann, an die Spitze der Armee; aber er selbst entschloß sich nur, als es zu spät war, in Person dahin abzugehen. Wenn er auch kein Held war, so konnte doch schon seine Gegenwart und seine Theilnahme an der Gefahr Helden machen. Mein poetischer Aufsatz enthält keine Tiraden, sondern lautere Geschichte. Endlich wollte er ins Feld gehen, zu einer Zeit, wo man von seiner Gegenwart freylich nicht viel mehr hoffen konner, wenn er auch Hannibals und Skanderbegs Geist vereint gehabt hätte. Er kam bis an die Barrieren von Praga, wo Suwarov zwey Jahre nachher an einem einzigen Morgen das Reich zertrümmerte, und vor den Barrieren fand er einige seiner Damen, die vorgeblich von ihm Abschied nehmen wollten und die ihn, weil er ihnen blaß und bedenklich aussahe, wieder mit sich zurück in den Pallast führten. Hier blieb er, links und rechts unsichtbar von Russen umgeben, bis er nachher nach Grodno ging; und der geringste Verdacht während der Reise hätte auf den leisesten Wink des ihn begleitenden ersten Russischen Officiers in einigen Stunden ein Corps Moskowiten um ihn versammelt. Von nun an war er mehr als in seinem übrigen Leben ganz passiv; und, von seinem Charakter ausgegangen, ist ihm nun wohl weiter nichts zuzurechnen, als seine letzte Reise nach Petersburg, wo er seine Jeremiaden schloß. Der alte kaustische Oborsky vermochte nicht, ihn aus seiner Lethargie zu wecken, und dessen Prophezeihungen wurden in sehr reichlichem Maße und sehr bald erfüllt.

2 Man sehe den Brief Friederichs des Zweyten an den König Stanislaus Poniatowsky, bey dessen Thronbesteigung geschrieben.

[229] Lebenslauf Jeremias Bunkels, des alten Thorschreibers

Ich bin geboren Anno Eins,
Laut meiner Mutter Sage,
In einem Dorf unweit des Rheins,
Am Sanct Egidytage.
Man trug mich Wicht ins Gotteshaus,
Und tauft' und trieb den Teufel aus;
Doch hats nicht viel geholfen.
So tief ich mich erinnern kann,
Der Kappe kaum entwachsen;
Fing ich mit Meister Backeln an
Mich im Donat zu baxen,
Und conjugierte, ach und weh,
Rasch Vapulo und Typtomäh,
Mit vielen Circumflexen.
[230]
Mein Vater, Pastor Loci, war
Ein Mann trotz Martin Luthern;
Hielt auf die Lehre rein und klar,
Und lehrte fest mit Huttern;
Und als ein echter Orthodox
Ergriff er den Beweis des Stocks,
Wenn die Vernunft mich plagte.
Er fluchte oft gar fürchterlich
Den Höllenspinozisten,
Und lamentirte jämmerlich
Ob dem Verfall der Christen;
Daher er denn auch Jeremies
Mich erste Frucht der Lenden hieß,
In der Manier der Bibel.
Mit einem Kober voll Latein
Schickt' er mich fort ins Weite,
Und band mir auf die Seele ein,
Nicht laß zu seyn im Streite.
Deß war ich denn nicht wenig froh,
Und ging in dulci jubilo
Mit Briefen auf die Schule.
[231]
Mi fili, sprach der Schulpapa,
Diaboli per mundum
Grassatur pestis, omnia
Ruerunt in profundum.
Cavendum est, ne ratio,
De qua nunc gloriatio,
Nos male perdat omnes.
Jam quodvis caput pruriens,
Superbia vesanum,
Incedit nouaturiens;
Sed odimus profanum,
Profanum vulgus odimus!
So ging es fort in Einem Fluß,
Als ob ein Waldstrom rauschte.
Hier wurd' uns denn Virgilius
Gar fleißig eingetrichtert,
Und auch wohl eins nach seinem Fuß,
Gott sey bey uns, gedichtert;
Doch war der Rector nicht dabey,
So las ich Naso's Liebeley
Statt der Metamorphosen.
[232]
Der Plato wurde pyx käh lax
Mit Hebelkraft getrieben,
Und mächtig manchem Peter Blax
Mit Knoten eingerieben.
Das war Rumoren spät und früh;
Noch fühl' ich in den Fingern die
Aphthonianschen Chrien.
Auch gings von Kal bis Hithpael,
Erlös' uns von dem Übel!
Als preßten wir des Lebens Öhl
Von Wurzeln aus der Bibel;
Und über dem Entwurzeln sah,
Vor lauter Weisheit, bald beynah
Mein Kopf tohuhvabohuh.
Ich konnte mit der Höllenfahrt
Mich nicht recht baß vertragen;
Auch fuhr mir manches in den Bart,
Und klebte fest am Kragen:
Darob gesegnete ich die
Hochheilige Theologie
Und schlug mich zu den Layen.
[233]
Man weiß, die Leute baxten sich
Von Kadix bis zum Rheine
So eben damahls fürchterlich,
Als wären Menschen Steine.
Mein Vater war im Kriegstumult,
Vor Kummer und vor Ungeduld,
Gott tröst' ihn dort! gestorben.
Nun sing mich Sanct Justinian
Mit Kodex und Pandecten
Nicht minder stark zu hudeln an,
Und alle Seiten heckten
Mir Zweifel über Zweifel aus:
Drob ward mir oft das Hirn so kraus,
Daß ich sehr schwer ergrimmte.
Die Regel Detri hatte mich
Gerechtigkeit gelehret,
Und überüberall fand ich
Das Ding nun umgekehret.
Vorzüglich wars jus publicum
So mißgestalt und witsch und dumm,
Als schrieben es die Mönche.
[234]
Ich hatte leider dann und wann
Ein Fünkchen Licht bekommen,
Weil heimlich mich ein Engelsmann
Scharf in die Cur genommen:
Da sah ich denn gar jämmerlich,
Wie Frau Justinianinn mich
Mit ihren Zofen foppte.
Zum Durchbruch kam nun die Vernunft;
Ich zog das Maul, ich Gimpel,
Sprach Conterband vor jeder Zunft;
Da stank der Koth im Dimpel.
Nun saß der Teufel in dem Nest;
Schnell hieß es laut: Hic niger est;
Hunc, fili, tu caveto.
Drauf lief ich, wie ein Don Quischott,
Hinab hinan die Erde,
Bald Kuhschritt und bald Hundetrott,
Auf meines Schusters Pferde:
Und hört' im Trabe links und rechts
Des altbipedischen Geschlechts
Gar schöne Litaneyen.
[235]
Bald war ich Dorfschulmeisterlein,
Bald Held für sieben Dreyer;
Bald sang ich neue Melodeyn
Zu einer alten Leyer;
Bald blies ich Horen von dem Thurm,
Bald war ich Bootsmann in dem Sturm,
Bald Amsterdamer Böhnhas.
Bald lief ich, und bald jagte man
Mich mit dem Interdicte;
Weil ich mich fast in jeden Plan
Wie Stock ins Auge schickte.
So wurd' ich immer fort geknufft.
Gut ist er! sprach man; wenn der Schuft
Nur nicht so räsonnirte.
Vorzüglich sprach ich rund und keck
Mit Narren und mit Schurken;
Dafür bekam ich Mäusedr ...
Statt Pfeffer in die Gurken.
Ich sagte stets nur, Kahn sey Kahn,
Und das fuhr manchem Dummrian,
Mit Ehren, in die Nase.
[236]
So lange mans mit Fäusten greift,
Gehts immer noch erklecklich;
Doch wenn man mit dem Kopfe läuft,
Wird euch der Lauf gar schrecklich.
Drum rath' ich, jeder brave Tropf
Soll, so viel möglich, ohne Kopf
Am Fädchen weiter schlendern.
So lang' ich mich mit Prinz Eugen
Und Friedrich tummeln konnte,
Und närrisch mich gar wunderschön
An ihren Lorbern sonnte;
So lange gings wohl immer gut;
Doch nach und nach gerinnt das Blut,
Und morsch wird jeder Knochen.
Man wird so sauber und so fein
Nicht durch die Welt getragen.
Hier wurd' ein Arm und dort ein Bein
Mir in der Schlacht zerschlagen:
Und hats der Feldscher gleich geflickt,
Mit jedem großen Horne drückt
Das Flickwerk mich verteufelt.
[237]
Die Hand wird schwach, der Fuß wird Eis.
Der Bart ist Schnee am Kropfe,
Das Haar ist um den Schedel weiß,
Der Schnupfen haust im Kopfe,
Sonst neckt' ich kühnlich manchen Duns;
Nun sitz' ich hier, Gott sey bey uns,
Als Zöllner und als Sünder.
Hätt' ich geglaubt und nie gedacht,
Könnt' ich jetzt stattlich lungern,
So weit hat mich Vernunft gebracht!
Mit ihr kann man verhungern.
Dafür, daß ich ihr Ritter war,
Mach' ich nun hier mit grauem Haar
Den Anhang der Akzise.
Noch wirft sich mir der Magen um,
Wenn Paroxismen kommen,
Als hätt' ich ein Emeticum
Nur eben eingenommen,
Du sollst nicht stehlen! tönt es schwer
Und mächtig hoch von oben her:
Denn uns allein gebührt es!
[238]
So bin am Ende von dem Ritt,
Kraft meiner Amtsbekleidung,
Ich denn ein Stück Israelit
Akzise heißt Beschneidung.
Kanonisirt man hier sofort
Gleich den Erfinder, soll doch dort
Der Teufel ihn kasteyen.
Gott, straf mich nicht in deinem Grimm
Für Sünden, die ich thue;
Der Magen ist ein Ungethüm;
Ich brauche Rock und Schuhe.
Es geht nach altem schlechten Fuß;
Ich sündige nur, was ich muß,
Und andern in die Seele.
Noch jetzo regt der Kitzel sich,
Und selber mit der Brille
Auf meiner Pritsche halt' ich mich
Noch nicht gehörig stille.
Noch gährt das alte Cerebrum,
Und meines Herzens Gaudium
Sind Meister Rabners Bücher.
[239]
Doch werd' ich nach und nach mit kalt,
Und fertig abzutrollen,
Und seh vermuthlich jenseit bald,
Wie dort die Dinge rollen.
Herrscht aber dort, wie hier, die Noth,
So schieß' ich mich im Himmel todt;
Dann mag ein Schurke leben.
Ihr Kinder, nehmt für diese Welt
An mir euch ein Exempel;
Sonst werdet ihr wie ich geprellt.
Glaubt fest an Schlag und Stempel,
Wenn ihr das Glück des Lebens liebt,
Auch wenns Ephraimiten gibt;
Und hüthet euch vor Denken.

[240] Apotheose 1

Sing, Infernale, den Mann, der aus dem Geklüfte der Hölle,
Aus den Schwefelbezirken der Nacht, dämonisch empor stieg.
Und, von dem Geist Adramelechs beseelt, mit blutiger Klugheit
Einem der Fürsten zuerst das Kreuzige, Kreuzige! zurief.
Als, verstoßen von Gott, der in ihm Verpestung der Erde
Und des noch übrigen Glücks sah, kalt der Embryo dort lag
In der Schöpfungen Stoff, nahm Satan das künftige Wesen,
Es mit teuflischer Plastik zu formen zu seinem Geweihten,
Und durch ihn zu schaffen das schneidende Gift der Akzise.
[241]
Staaten entstanden und Staaten vergingen von Sclaven und Freyen,
Rechts und links den Säulen Herkuls, und Nero verbrannte
Zum Vergnügen die Stadt, und Phalaris warf in das Glühthier,
Und der Gallische Carl schoß bey der blutigen Hochzeit;
Und die Zöllner nannte die Sprache des heiligen Mythus
Sündergesellen: doch keiner verstand das politische Sangwerk
So in das Mark der Völker zu setzen, als er, der es wagte,
Aus dem kleinsten Geäder des Lebens die Kräfte zu ziehen,
Der in die Penetralen der leisesten Häuslichkeit eindrang,
Und die Mächtigen speiste bis zu der Schwindsucht des Landes.
Was der Staat bedarf, nicht was die Fürsten verschwelgen,
Oder in eiserne Kasten verschließen, und nicht was das Hofheer,
[242]
Goldbeblecht und ohne Seele mit Dumpfsinn vergeudet,
Fordert des Städters Fleiß und fordert die Schweiße des Pflügers.
Wenn uns der Künstler ein Werk von großer und herrlicher Wirkung
Nur aus wenigen Rädern erbaut, verdienet er Beyfall:
An den Staatsmaschinen wird alles unendlich vervielfacht,
Daß kein schlichterer Sinn sich aus den Verwirrungen findet.
Keiner vermochte das Labyrinth so dädalisch zu flechten,
Als der Blutgeist der neuen Mauthe mit täglicher Schröpfung,
Die so viel Säfte verzehrt und dabey so wenig Gewinn gibt.
Keine der Taxen stempelt den Bürger sichrer zur Knechtschaft,
Oder wecket ihn sichrer zur Wuth, den Dolchen entgegen!
Schreckliches Alternativ für Völker und Völkerbeherrscher.
[243]
Spürer lauern in Horden am Thor, und lauern am Heerweg,
Daß der einsame Wandler dem Auge den Sack nicht verberge,
In dem er auf morgen den hungrigen Kleinen die Handvoll
Linsen und Erbsen zum Mittagsbrote verbothen zur Stadt trägt.
Wächst an der Mauer ein Baum und trägt er erfrischende Früchte,
Wage der Pflanzer es nicht, im Durste sich Labung zu brechen,
Bey dem Zorne der Afterthemis wag' er die That nicht,
Eh der Beschauer mit Molochsgesicht für sich decimirt hat.
Jeder Bissen Brots und jede Erquickung von Gerste
Wird in dem Egelsystem durch viele Instanzen verzinset;
Jede Sandale, die der halbnackte Wandrer am Fuß trägt.
Jedes Stadion kommt als Spion der lauschende Mauthner;
[244]
Und der Strumpf der benachbarten Stadt wird doppelt bezahlet,
Oder der Dörfer geht zitternd barfuß im Froste des Spätjahrs.
Hier hat der Hüttner mit Disteln in seiner sparsamen Wirthschaft
Für den künftigen Winter ein borstiges Thierchen gefüttert;
Aber der Arme darf es nicht schlachten: er kann die Erlaubniß,
Seines Schweißes Frucht zu genießen, mit Silber nicht lösen.
Das heißt doch mit Gewinn die Tugend der Sparsamheit lehren;
Daß der Kärrner nur Brot ißt, und von dem Brote noch abgibt.
Heere von Lugern begucken das Leben mit hungriger Neugier
Kraft ihres Amtes, und sehn nach dem Gewichte der Spende
Rechts und links, und quälen mit Angst den Handelsgenossen,
Oder betrügen den Staat; und ihre vollendeten Künstler
[245]
Wissen beherzt das ein' und das andere klug zu verbinden.
Und wer will sie verdammen? Sie müßten zum Anhange hungern.
So legt man die Schell' an den Fuß, den Stock an den Daumen,
Wie den Ring in die Nasen hyperboreischer Thiere,
Füttert Harpyen des Landes, die Sitten und Ehre verderben,
Und den offnen Charakter des deutschen Volkes zerstören,
Daß ein nur ärmliches Scherflein des Staats Bedürfnissen komme.
Was die Gesellschaft verlangt zu ihrem geheiligten Endzweck,
Bleibet heilige Pflicht; und Murren und Argwohn begleiten
Alles, was nur Betrug und Bedrückung zur Ordnung des Tags macht.
Lange Verwünschung der Völker folget dem Manne zum Styx nach.
Seinem Geburtsland, daß er das Krebsgeschwür uns herauf trug.
[246]
Nein, nie werde sein Nahme genannt, in Dunkel begraben;
Und spricht einer ihn aus, so seys mit Herostratus Nahmen.
Unten sitz' er im Rathe bey Adramelech und Moloch,
Theile die gräßliche Freude mit ihnen und ihre Verzweiflung;
Und mit Hohngelächter bringe die Hölle dem Geiste
Zu der Belohnung stinkendes Räuchwert qualibet ex re.

Fußnoten

1 In einem heißen Anlauf von Patriotismus war ich Willens, ein recht gelehrtes politisches Werk über die Accise zu schreiben; aber die Zeit gebrach, und die Lust verflog. Der Enthusiasmus, von dem etwas in dieses Gedicht übergegangen ist, wäre auch vielleicht für eine kalte Untersuchung zu groß gewesen. Mich däucht, die Sache bedarf fast keiner weitern Untersuchung, daß die Accise eine der drückendsten Einrichtungen für den Staat ist, und daß es nicht an Mitteln fehlen kann, mit weniger Gehassigkeit mehr reinen Gewinn für die Staatsbedürfnisse zu schaffen. Die Einrichtung ist wirklich eine Schule des Betrugs und der Sittenverderbniß für viele; denn Zahlende sowohl als Einnehmende begehen, fast nothwendig, täglich Sünden gegen die Verordnungen. Die Zahlenden suchen sich dem furchtbaren Druck zu entziehen, die Einnehmenden sich für ihre kärgliche Besoldung durch Nachsicht und daraus entspringenden Vortheil schadlos zu halten. Daraus entsteht ein commercium improbitatis, das dem Charakter des Volks durchaus nachtheilig werden muß. Daß die Esculenta und Potulenta des gemeinen Mannes ohne alle Rücksicht so sehr beschwert werden, ist doch wahrlich wider alle Humanität und Popularität. Ein armer Bürger kauft sich einen Scheffel Korn auf dem Markte, den der einbringende Landmann schon veracciset hat; nunmehr muß der Käufer noch etwas Ansehnliches bezahlen, ehe er ihn in die Mühle fahren darf. So ist es mit allen Artikeln; und ein Neugieriger hat mich versichert, daß in Chursachsen ein Paar Schuhsohlen, wenn alles gesetzlich zugeht, eilfmahl veracciset werden müssen, ehe sie der Altreiß auf die Schuhe nähren kann. Wem fällt hier nicht des Römers Bonus lucri odor ex re qualibet! ein? Das Personale der Accise in Sachsen kostet, nach der Berechnung eines Mannes, dem ich Kenntnisse zutraue, monathlich gegen vierzig tausend Thaler, ohne das Nefas. Ob alles gesetzlich ist, weiß ich freylich nicht, denn der Gesetze sind so ungeheuer viele, und wir haben leider keine Sammlung zum Unterricht und zur Sicherheit des Bürgers; aber wahrhafte Leute haben mich versichert, daß von keinem Obstbaum in einem Garten im Städtchen eher gebrochen werden dürfe, bis der Visitator taxirt und also decimirt hat, und daß kein Bürger einen Sack mit Kartoffeln von seinem Stückchen Feld vor dem Thore hereintragen darf, von dem er nicht bezahlt. Quae, qualis, quanta! Es ist keine Floskel, sondern sehr oft recht traurige Thatsache, daß ein Häusler das Schweinchen, das er sich mit vieler Mühe und Anstrengung aufgefüttert hat, nicht schlachten darf, weil er den Schlachtzettel nicht lösen kann. In der Verwirrung wird Zoll und Accise fast immer in eine Rubrik gesetzt; und es heißt von fremden Weinen und allen fremden Luxusartikeln sie geben Accise, eben sowohl wie von Linsen und Erbsen, die zwanzig Schritte vor dem Thore erbauet werden. In Rußland hat man nur Gränzzoll; und wenn dieser berichtiget ist, geht man von Polangen bis nach Jakutzk ungehindert fort, und von Abgaben auf die Früchte des Landes zur Nahrung in dem Lande weiß man keine Sylbe: dafür sind sie aber dort auch in der Kultur unendlich weit zurück. Der Churfürst von Sachsen, als einer der humansten und gerechtesten Männer, die das Europäische Publicum kennt, ist ohne Zweifel nicht hinlänglich von allem Druck und allen Malversationen, die dabey vorgehen, unterrichtet; sonst würde es gewiß seine erste Sorge seyn, diese Abgabe, wenn sie durchaus nothwendig ist, in eine zweckmäßigere zu verwandeln. Es ist gar kein Zweifel, daß sie sehr leicht mit zur Steuer gezogen und ihre Hebung von den gewöhnlichen Steuerofficianter mit besorgt werden könnte, daß durch die Abänderung dem Staate ungeheure Summen erspart, eigenmächtiger Druck und Unterschleif verhindert und doch ein größerer Vortheil gewonnen werden würde. Vielleicht könnte durch eine kleine Erhöhung der allgemeinen Personensteuer, durch eine fixe Summe, wie in einigen preußischen Städten, oder durch einen Beytrag von den Kapitalien laut der Konsensbücher das Nöthige gewonnen werden, anderer Mittel nicht zu erwähnen. Das letzte wäre durchaus gerecht und zweckmäßig; wenn es nur einen festern Fuß haben könnte, da diese Art des Vermögensbestandes der Natur der Sache nach sehr unbestimmt und veränderlich ist.

[247] Der May

Du Freudenbringer, schöner May,
Erquicker mit dem Blüthenkranze,
Du wehest Brust und Athem frey
Und hebst den Fuß zu Florens Tanze;
Sey uns willkommen, schöner May.
Die ganze Jugend der Natur
Wallt wonnejubelnd dir entgegen,
Und singt durch die erwachte Flur
Und badet sich in deinem Segen,
Du schönster Jüngling der Natur.
Das Lächeln ist dein Morgengruß,
Selbst Leben für Empfindungslose,
Und Blumen blühn um deinen Fuß,
Vor ihrer Königinn, der Rose,
Zur Feyer deinem Morgengruß.
[248]
Bewegst ambrosisch du das Haupt,
So wallt Beseelung durch die Lüfte,
Wird rund umher der Hain belaubt,
Gießt Heilung sich durch alle Düfte,
Du Arzt, von deinem Götterhaupt.
Gewürzhauch bebt von deinem Haar,
Und in dem Heiligthume hallen
Um deinen magischen Altar
Durch Blüthenflocken Nachtigallen
Dem schönen neugebornen Jahr.
Der Knabe brach die Schranken los,
Die ihm der Schuldespot gezogen,
Und ist in deinen Blumenschooß,
Voll deines Zaubers, hingeflogen,
In seinem Taumel kühn und groß.
Das Kind entschlüpft der Mutter Hand,
Und springt und fliegt und schreyt vor Freude;
Die Mutter folget unverwandt
Dem Liebling in dem Flügelkleide,
Und jauchzt mit ihm an deiner Hand.
[249]
Die Weisheit läßt ihr Schulgesicht
Sehr weislich in dem Bücherstaube,
Und trinket dein verklärtes Licht
Zur Stärkung in der Rosenlaube,
Aus welcher deine Weihe spricht.
Du machst die Armen alle reich
Durch deine Schätze der Gefilde,
Despotenseelen sanft und weich,
Und selbst den härtsten Harpax milde,
Und alle Menschen menschlich gleich.
Du gibst dem Greise neuen Muth,
Und glättest seiner Stirne Falten;
Er opfert dir mit raschem Blut
Den Stab, an den er sich gehalten,
Und schreitet fest in deiner Gluth.
Der Jüngling stürmt auf deinen Ton,
Als hätt' er Nectar schon getrunken,
Um schöner Thaten schönen Lohn
Empor mit seinem Götterfunken,
Und dünkt sich des Olympus Sohn.
[250]
Nennt jetzt dem Mann die große That,
Aus der das Heil der Menschen tagte,
Er hielte nur Secunden Rath
Und flöge glühend hin und wagte,
Warum ihr Genius ihn bath.
Du machest jedes Mädchen schön,
Das nicht die Parzen früh verdammten;
Und alle Venenschläge gehn,
Wie in ätherischen Entflammten,
In lichten zauberischen Höhn.
Dein Blick begeistert die Natur
Weit über jede Dichterseele;
Der Dichter schafft den Gott der Flur,
Den Gott des Hains, den Gott der Höhle:
Dein Geist vernimmts, und lächelt nur.
Wem jetzt des Himmels Stimme nicht,
Jetzt in des Jahres schönster Jugend,
In seine Felsenseele spricht,
Ist ewig todt für alle Tugend,
Und ohne Rettung Bösewicht.
[251]
Der Funke, der das Leben hält,
Wird jetzt in jedem Busen freyer,
Durchbricht die Fesseln seiner Welt
Zu seines Ursprungs Jubelfeyer,
Und dringt empor zum Sternenzelt.
Geheimnißvoller, der sie schuf,
Laß nie in mir die Flamme sterben,
Laß zu dem heiligsten Beruf
Die Kraft vom Mann den Greis einst erben:
Was frag' ich nach dem Quell vom Huf!

[252] Der Mayabend

Ich fühle sie, die Wohlthat deiner Wonne,
Wie sie durch alle Nerven lebt:
Jetzt, jetzt gib mir ein Lied, du großer Geist der Sonne,
Die dort am Saum der Saaten schwebt.
Sie wogt hinab, und ihre Ströme gießen
Noch Purpur durch das Blumenthal;
Des Berges Schedel glänzt, die Schatten werden Riesen
In ihres Goldes letztem Strahl.
Mit Jubel ruft das Chor der kleinen Sänger
Der Scheidenden noch lauten Dank
Auf jedem Zweige nach; und feuriger und länger,
Als sie in Lichtfluth nieder sank.
[253]
Rund tönt umher aus den geschmückten Fluren.
Tief aus dem seelenvollen Hain,
Des Mayes Feuergeist durch alle Kreaturen,
Die sich des neuen Lebens freun.
Erquickend steigt der Balsam aus der Nische,
Die Florens schönste Kinder deckt,
Empor zum Hügel, wo das Nachtigallgebüsche
Den Wiederhall der Grotten weckt.
Ein leiser West, der nur den Zweig durchbebet,
Trägt labend einen Blüthenguß,
Und auf der Wange glüht, daß weit die Brust sich hebet,
Des jungen Lenzes Heilungskuß.
Ein Mädchenreihn schlingt dort, geschmückt mit Kränzen,
Sich durch die Ulmengänge hin;
Und laute Fröhlichkeit ist unter leichten Tänzen
Der wandelnden Begleiterinn.
Der Frühling mahlt in seiner Abendröthe
Mit reinern Farben ihr Gesicht,
[254]
Indeß vom Felsensitz des Jünglings Silberflöte
Nur jetzt verstandnen Zauber spricht.
Das Labyrinth der Quellen und der Bäche
Ist des erwachten Lebens voll,
Und überall berauscht, im Hain und auf der Fläche,
Die Freude, die von neuem quoll.
Tief aus der Schlucht kommt unter alten Buchen,
Die viel Geschlechter leben sahn,
Der Herden Glockenspiel, die die Gefährten suchen,
Den Weg zur Meyerey heran.
Der Städter grüßt den Mann mit grauen Haaren,
Der froh ins Meer der Saaten blickt
Und seine Hoffnung zählt, und wallt zu seinen Laren,
Durch Gottes Athem neu erquickt.
Der Tod hat sich dem Mann ins Herz gegossen,
Vor dem des Jahres schönster Tag
Mit seinem ganzen Schatz heut schwer und ungenossen.
Wie eine Leichendecke lag.
Dort flockt sich schwach das letzte Licht zusammen,
Und netzt mit seinem Strahlenfluß
[255]
Noch sanft des Abends Rand, und schon blickt milde Flammen
Uns Lune dort und Hesperus.
Mit freudiger und ehrfurchtsvoller Feyer
Betretet jetzt die junge Flur,
Und bethet heilig an vor dem geweihten Schleyer;
Es ist die Brautnacht der Natur.
Begrüßt den May mit einem höhern Liede,
Und mit des Jubels Reihentanz:
Auf unser Vaterland blickt wieder goldner Friede,
Mit Öhlzweig und mit Weitzenkranz.
Der Schwefelhauch, der wie die Pest verzehrte,
Verliert sich wie ein Fiebertraum:
Der Eisenzug des Kriegs, der Hain und Flur verheerte,
Macht nun dem Pfluge wieder Raum.
Schon pflügt das Roß, das sonst am Feuerschlunde
Laut brausend zum Verberben zog;
Und Fleiß und Eintracht gehn nun freundlich in dem Grunde,
Wo jüngst des Kampfes Donner flog.
[256]
Verlaß uns nicht, wohlthätigster und bester
Der Genien, verlaß uns nicht,
Und zieh das schöne Band mit jedem Tage fester,
Das Brüder sanft an Brüder flicht:
Daß nicht mit Spott der Willkühr blinde Schergen
Die Saaten vor der Blüthe mähn,
Und mit der Schanzaxt nicht auf unsern Traubenbergen
Verwüstend auf und niedergehn;
Daß die Vernunft der Gottheit Tempel ziere
Und Weisheit, die zum Glücke lenkt,
Und nur Gerechtigkeit und Menschlichkeit regiere,
Bey Freyheit, die mit Segen tränkt. –
Dort glühn sie auf die Myriaden Sonnen:
Wer zählt die Zahl und mißt den Lauf?
Wer zeigt uns rhythmisch an, wie sie die Bahn begonnen,
Und löst den Labyrinthgang auf?
Ich möchte jetzt die Schranke nieder schlagen,
Die die Natur für mich noch zieht,
[257]
Mich mit vermeßnem Schritt in die Gestade wagen
Wo man die Welt im Urlicht sieht.
Mein Auge stürzt durch Herschels tiefste Ferne,
Wo kaum noch unsre Sonne graut;
Und findet dort durch alle Nebelsterne
Das Unermeßliche bebaut.
Und trunken sinkt das Ohr mit Philomelen
Zurück in eine süße Ruh,
Und hört in ihrem Lied der Harmonie der Seelen
Im großen May der Geister zu.

[258] Das mystische Backwerk

– Si quid lusimus.


Lauschend stand ich und horchte dem leisen Flüstern der Mädchen,
Wie sie die lieblichen Näschen in tiefer geheimer Berathung
Ämsig zusammen stießen, und mit den Händen die Züge
Eines großen Versuchs in Labyrinthen sich zeigten.
Aber ich armer Profaner vermochte den Sinn nicht zu fassen,
Den die Mystagoginn die schönen Geweiheten lehrte.
Schnell wie das schnurrende Rädchen sich drehet, zerstreute der Chor sich
Pythagorisch umher, und brachte in zierlichen Vasen,
Immer geheimnißvoller, sehr viel verdeckte Substanzen.
Schloß sich dichter zusammen, und goß Gerüche der Stauden,
[259]
Immer geheimnißvoller, durchs magisch erleuchtete Zimmer.
Weitzen so däuchte mich, wurde geschüttet, und Wasser gegossen
Und das Flüstern ward leiser und immer dichter der Zirkel;
Und ich spähte mit Augen und Ohren des werdenden Werkes,
Sahe die Paste sich ändern in immer neue Gestalten
Unter den niedlichen Händen; wie einst der weise Prometheus
Über dem Stoffe mit Liebe hing, und Schöpfungen dachte.
Schüchtern und furchtsam schlich ich dem heiligen Adyton näher,
Als der Jüngerinnen behendeste zürnend hervorbrach,
Mit Mänadengesicht, und mich im Sturme zurückwarf.
Weiche, Verwegner, von hier, rief gottbegeistert die Thyas,
Daß der Zorn der Geweihten dir nicht Verderben bereite,
Dich nicht das Schicksal ergreife des alten thrazischen Sängers,
[260]
Dich ihm ähnlich zu machen im Tode, im Leben nur Stiefsohn –
Wie des Richters Stimme, die ewig zur Nacht verdammet,
Stürzte sich schrecklich das Drohn mir durch die tiefsten Gebeine,
Und ich wankte von den Furchtbarn stille mit Angst fort.
Aber die Gier zu wissen, was aus den Geschenken der Ceres
Und dem Strom der Najade und den Gewürzen des Indus
Mystisch die Nymphen bereiteten, faßte mit eiserner Macht mich,
Trieb mich mit Unruh hinauf und herab, hinaus und herein, trieb
Mich durch die Wandelgänge des tiefen schattigen Haines,
Durch die Gewinde der Thäler am Ufer des rieselnden Baches;
Trieb mich in Abenddämmrung zurück, zu den Hallen der Themis,
Wo mit Hefen bemahlt und mit Mennig die fröhliche Bande
Eines Thespis zum Lethe der Sorgen ihr lärmendes Spiel gab.
[261]
Aber der Wastel tyrolte umsonst; ich sahe die Schwestern
Mit dem geweiheten Werk im heiligen Rathe beschäftigt:
Des paradiesischen Schikaneders erhabener Geist ging
Bey mir Undankbaren in der Pastete verloren;
Und in den Träumen umgoß mein Gehirn der zaubernde Morpheus
Reichlich mit Kanephoren und eleusinischen Dingen.
Schon zwey Stunden hatte mit Rosenblicken der Morgen
Meine Lagerstätte vergoldet und weckte den Träumer.
Rüstig entsprang ich den Federn der Nacht und bethete leise
Zu Aglajens Schwestern und ihr, mir gnädig zu werden.
Sinnig durchzählt' ich mit Fleiß nun alle Familienfeste,
Alle Kalender der häuslichen Nahmen und jeden Geburtstag,
Welche die Mädchen so gern mit Überraschung begrüßen:
Und ich konnte keinen der festlich gefeyerten finden.
Höher stieg nun der Vorwitz, und drohte zu bersten, und führte
[262]
Hierher und dorthin den Späher; da sah ich, da klopfte das Herz mir,
Unansehnlich wie stilles Verdienst, die bräunlichen Kuchen
Auf den Tischchen der Ecke in wahrer Bescheidenheit liegen.
Ha, das sind die Mysterien selbst, von denen der Zorn mich
Der eleusinischen Schwestern, mich den Profanen, zurückwies.
Einsam beschaut' ich das Heiligthum, und schauerte tief auf
Vor der Kühnheit es mit unheiliger Hand zu beruhren.
Ambra umduftete mich, und mächtig riß mich der Geist hin,
Zu der verwegenen That; da nahm ich das mystische Schaubrot,
Meinem Schicksal entgegen mich stürzend, und brach es begierig,
Siehe da ward das Auge mir hell, da quollen die Locken
Lieblich athmend hervor aus dem geöffneten Kerker;
[263]
Zierliche Locken, in süße Rede der Muse geschlagen,
Daß die Grazien sie die zaubernden Wallungen lehrten.
Rüstig zerstört' ich mit stürmender Faust ein Felsengefängniß
Nach dem andern; da lagen vor mir die braunen und blonden
Rhythmisch geschlungenen Ringel und wichen dem Finger elastisch.
Als ich so blickt' und wühlt' und sakrilegisch mich freute,
Hört' ich, mein Blut stand, plötzlich von fern das schreckliche Sistrum
Der Geweiheten klirren, und kaum ermannt' ich zur Flucht mich.

[264] Den Manen Gleims

Nennt man Homers und Ossians Genossen,
Von deren Lippen Honigseim
Und Nectar oft in weisen Lehren flossen,
Nennt man auch einst den alten Gleim.
Froh war als Greis, wie es der Mann gewesen,
Der Harfner mit dem Silberhaar;
Und sein Gesicht ließ seine Seele lesen,
Die hier schon in Verklärung war.
Der Nestor sah in vielen vielen Jahren
Geschlechter Könige zum Ziel,
In Pomp und Schlacht, vor sich vorüber fahren;
Und zählte, wer hier stand, hier fiel.
[265]
Hoch stieg der Ruhm von seines Königs Heere,
Das in dem Sturm die Feinde schlug:
In Gleims Gedicht lebt ihre Heldenehre,
Das sie entglüht zur Nachwelt trug.
Er sammelte mit Weisheit jede Blüthe
Und flocht sie sinnreich in den Kranz,
Und reicht' ihn dann mit Freundlichkeit und Güte
Den Freunden zu dem Reihentanz.
Anakreon sang nicht mit höherm Feuer
Vom Seelenrausch in Lieb' und Wein;
Und Keines Geist war der Betäubung freyer,
So schön ätherisch und so rein.
Hört erst den Spruch, vermeßne Sittenrichter;
Der Mäonide Klopstock nennt
Den Sänger den undurstigsten der Dichter,
Die er am ganzen Pindus kennt.
Und jedem Wort, das nicht vor keuschen Ohren
Ein ächtes Bürgerrecht bekam,
Hatt' er mit Zorn den Untergang geschworen;
Und schalt, wer dann in Schutz es nahm.
[266]
Brecht, denn ihr thuts, ob dem was er gesungen,
Mit eurem Krittlertadel los!
Dem Größten ist nicht jedes Lied gelungen;
Sein reiner Menschenwerth war groß.
Man wird noch oft im Kreise schöner Seelen,
Die still und ernst ihn handeln sahn,
Tief tief herauf der Reihe nach erzählen,
Was einst der alte Mann gethan.
Ich schreibe stolz der Liste der Verehrer
Des Mannes meinen Nahmen ein:
Er war mein Freund, mein Vater und mein Lehrer;
Und soll als Mensch mein Muster seyn.
Fragt nicht, wie oft der Untersucher fehlte;
Des Menschen Handlung ist die Saat.
Der Wage deß, der unsre Stunden zählte,
Wiegt leicht das Wort, und schwer die That.
Ich dacht' an ihn, als über Wolkensitzen
Ich an des Ätna Hölle stand;
An ihn, als ich mich durch die Felsenspitzen
Am Schneehaupt des Adula wand.
[267]
Der Lenz beginnt; bald hofft' ich ihn zu sehen,
Den blinden Sänger, der mir rief;
Da hört' ich ernst die Trauerbothschaft wehen,
Daß er den Schlaf hinüber schlief.
Als rauschte mir sein Fittich aus der Ferne,
Sah in die Welten ich empor:
Einst such' ich dich auf deinem Heimathssterne,
Und finde mehr, als ich verlor.
Ein Andrer mag als Dichter höher fliegen,
Als seine heitre Muse stieg.
Wird einer ihn an Tugend überwiegen?
Und dieses ist der schönre Sieg.
Wenn ich als Greis am Knotenstocke wanke,
Zurück und vorwärts blicke, gibt
Mir Jugendfreude der Gedanke,
Daß Gleim und Weiße mich geliebt.

[268] Wider die Ordonnanz

Bey einer ziemlich gefährlichen Operation.


Nun darf ich nicht lesen, nun darf ich nicht schreiben,
Und muß mir mit Grillen die Tage vertreiben:
Da sitz' ich denn hier, ich erbärmlicher Tropf,
Mit brausendem übel zerrütteten Kopf.
Ich hab' in der neuen Welt und in der alten
Zu Wasser und Lande manch Stürmchen gehalten,
Und manche Kartatsche flog glücklich vorbey;
Nun brach ich fast selbst mir den Schedel entzwey.
Herr Eckold, der Meister, schnitt rüstig und blickte,
Was unter und über dem Schlafe mich drückte,
Und sondete klüglich bis nah an das Ohr,
Und drehte das Knochenfragmentchen hervor.
[269]
Das dröhnte, das wühlte, das brannte von innen,
Als wollte das Hirn in dem Kasten zerrinnen,
Als bräche der Knöchler von oben herein:
So trennt sich mit Wuth nur ein Zöllchen Gebein.
Hier lungr' ich indessen, mit Blindheit geschlagen,
Bey schuftigem Schedel und herrlichem Magen,
Den Kopf in der Binde, und träume mit Ruh
Von Hirngicht und Knochenfraß etwas dazu.
Der Schmerz ist ein Übel von Upsal bis Goa,
Trotz aller Behauptung der Herrn aus der Stoa:
Doch darum hat man mit der Weisheit gedingt,
Damit sie den Schmerz und das Übel bezwingt.
Der Mann nimmt die Schickungen, wie sie ihm kamen;
Und wer dann nicht Kraft hat, verdient nicht den Nahmen,
Was wäre denn unsere Philosophie?
Hilft sie nicht, wenns Noth ist, so braucht man sie nie.
Ich hätte ja schändlich die Jahre versplittert,
Wär' ich jetzt ein Knabe, der weinerlich zittert.
[270]
Wem Tod und Gefahren noch fürchterlich sind,
Der bleibt für die Wahrheit wohl ewig ein Kind.
Schon wird es, Dank sey es der Zang' und dem Messer,
Schon wird es ums Auge mir leichter und besser.
Der Unfug hat Luft und die Splitterchen drehn
Sich sanft, um ganz sanft ihre Wege zu gehn.
Es kommen die Freunde mit traulichem Wesen,
Den Zustand bey jedem Verbande zu lesen.
Das thut denn doch gütlich; so nimmt man den Schnitt,
Den Schmerz, die Verknorplung, die Narbe noch mit.

[271] Die Gesänge

Wo man singet, laß dich ruhig nieder,
Ohne Furcht, was man im Lande glaubt;
Wo man singet wird kein Mensch beraubt:
Bösewichter haben keine Lieder.
Wenn die Seele tief in Gram und Kummer,
Ohne Freunde, stumm, verlassen, liegt,
Weckt ein Ton, der sich elastisch wiegt,
Magisch sie aus ihrem Todesschlummer.
Wer sich nicht auf Melodienwogen
Von dem Trosse des Planeten hebt
Und hinüber zu den Geistern lebt,
Ist um seine Seligkeit betrogen.
[272]
Männer gibt es, die den Geist verhöhnen,
Sich hinab zu den Polypen ziehn;
Und dort stehn sie, wenn sie nicht entglühn
In des Seelenliedes Silbertönen.
Göttliche Begeisterer, Gesänge,
Weckt in euerm Labyrinthenlauf
Oft in mir mir meinen Himmel auf;
Gern verlier' ich dann mich in der Menge.
Mit Gesange weiht dem schöne Leben
Jede Mutter ihren Liebling ein,
Trägt ihn lächelnd durch den Mayenhain,
Ihm das schönste Wiegenlied zu geben.
Mit Gesängen eilet in dem Lenze
Rasch der Knabe von des Meisters Hand,
Und die Schwester flicht am Wiesenrand
Mit Gesang dem Gaukler Blumenkränze.
Mit Gesange spricht des Jünglings Liebe,
Was in Worten unaussprechlich war;
Und der Freundinn Herz wird offenbar
Im Gesange, den kein Dichter schriebe.
[273]
Männer hangen an der Jungfrau Blicken;
Aber wenn ein himmlischer Gesang
Seelenvoll der Zauberinn gelang,
Strömt aus ihrem Strahlenkreis Entzücken.
Orpheus alte Zauberlieder machten
Wilde milde; durch Amphions Laut
Wurden Kadmus Mauern aufgebaut;
Mit Gesang gewann Tyrtäus Schlachten.
Mit dem Liede, das die Weisen sannen,
Sitzen Greise froh vor ihrer Thür,
Fürchten weder Bonzen noch Vezier;
Vor dem Liede beben die Tyrannen.
Mit dem Liede greift der Mann zum Schwerte,
Wenn es Freyheit gilt, und Fug, und Recht,
Steht und trotzt dem eisernen Geschlecht,
Und begräbt sich dann im eignen Werthe.
Wenn der Becher mit dem Traubenblute
Unter Rosen unsre Stunden kürzt,
Und die Weisheit unsre Freuden würzt,
Macht ein Lied den Wein zum Göttergute.
[274]
Harmonie ist aller Welten Jugend;
Dem berauschten Weisheitsforscher heißt
Harmonie des Menschen hehrer Geist,
Harmonie dem Samier die Tugend.
Das Geheimniß, daß sie alle Geister
Mächtig fort auf ihren Schwingen trägt
Und in Gottes Schooße niederlegt,
Löset nur der große Weltenmeister.
Stürmend fliegt der Blick im hohen Liede
Durch der Orione Feuerbahn;
Sanfte Laute wehn uns lieblich an,
Und um unsre Stirne säuselt Friede.
Des Gesanges Seelenleitung bringet
Jede Last der Arbeit schneller heim,
Mächtig vorwärts jeder Tugend Keim:
Weh dem Lande, wo man nicht mehr singet.
Selbst die Rotte schrecklicher Dämonen,
Die im Sturme von dem Himmel fiel,
Glaubet bey der Hölle Saitenspiel,
Fromm getäuscht, noch in dem Licht zu wohnen.
[275]
Männer des Gesanges, eure Seelen
Ziehn den Himmel oft zu uns herab:
Wer, wem Gott nicht seinen Funken gab,
Kann den Segen eurer Schöpfung zählen.
Höher wird des Urgeists Macht und Ehre,
Die den Welten ihre Bahnen schmückt,
In dem Endlichen nicht ausgedrückt,
Als in euerm Harmonienmeere.
Männer, nehmt den Dank, den ihr erworben,
Für die Seligkeiten, die ihr schuft:
Wen nicht ihr zu seiner Würde ruft,
Ist für alle Tugenden erstorben.
Lieder spielen, wie mit Wachs, mit Herzen;
Rührt der Sänger nur den rechten Ton,
Schnell ist alle Seelenangst entflohn,
Schweigen Stürme und entschlummern Schmerzen.
Lieder sind in jener Strahlenwohnung,
Wo der Blick ins Empyreum taucht
Und das Licht der Geister Leben haucht,
Der verklärten Heiligen Belohnung.
[276]
Wenn die Sprache stirbt von meinem Munde
Und der Schauer mein Gebein durchläuft,
Und mit Eisenarm der Tod mich greift;
Singt ein Lied zu meiner schönen Stunde!
Mit geprüfter Seelenweisheit haben
Unsre Väter längst für uns gedacht,
Lassen mit Gesang zur guten Nacht
Für den bessern Morgen uns begraben.
Täuscht uns nicht ein Ton aus jenen Chören,
Werden wir dann unter Sphärentanz
Mit dem Lichtblick durch die Sonnen ganz
Dort den großen Musageten hören.

[277] Faustin

Du wagsts, in Bedlam noch, dich mit Vernunft zu brüsten,
Tief tief verworfenes Geschlecht?
Pygmäisch stehst du da auf deinen Schaugerüsten,
Nur als Tyrann und Knecht.
Der Unsinn gängelt dich am Zaum der Vorurtheile,
An dem du hemionisch gehst,
Daß nicht die schwere Hand des Geißlers dich ereile,
Wenn du den Schedel drehst.
Du kniest, vor Angst verstummt, vor jedem Nebelgötzen,
Den dir Dalai Lama gab,
Und folgest allem blind, was deine Gaukler setzen,
Zur Unvernunft hinab.
[278]
Du irrst, Insecten gleich, um eine Feuerflamme,
Verbrennst die Schwingen, fällst und fluchst
Dem göttlichen Geschenk in deines Unwerths Schlamme,
In dem du Rettung suchst.
Vom ältsten Nimrod an bis auf die neuste Krone
Bestimmt der Dolch was Recht soll seyn,
Und schreibet es in Blut; und Weh dem Unglückssohne,
Fällt ihm ein Zweifel ein.
Der eine zieht am Joch, damit der andre schwelge
Und wagts der Sclav und blickt empor
Um Trost und Licht, zerbricht des Herrschers Eisenfelge
Ihn, wie der Hagel Rohr.
Wo lebten je bey euch des Himmels Lieblingskinder,
Sie, Freyheit und Gerechtigkeit?
Sie blickten nur herab auf eine Welt voll Sünder,
Und flohn mit Traurigkeit.
Kaum blieb ihr Bild zurück in diesen Regionen,
Das man nur selten ehrt und liebt.
[279]
Selbst Aristides muß die Bösewichter schonen,
Damit man ihm vergibt.
Und endlich treibt das Volk, Emblem der Weltgeschichte,
Aus seinem Kreis den reinen Mann;
Weil es das Strafgericht von seinem Angesichte
Nicht mehr ertragen kann.
Man stellt mit feilem Hohn in der Zerstörer Ehre
Des Menschensinnes Brandmark auf;
Und eilt verrückt, als ob der Frevel Wohlthat wäre,
Zu dem Idol hinauf.
Die Zwingherrnkunst und Herrschbegier gewannen
Nur durch der Andern Schändlichkeit:
Die Sclaven werden erst, dann werden die Tyrannen;
Und schnell zu gleicher Zeit.
Despoten spotten hoch, und dann Oligokraten,
Und dann des Pöbels Hefensatz:
Dann kommt ein Demagog und setzt mit Frevelthaten
Sich auf den alten Platz.
[280]
Viel Gräuel hatte schon mit seines Lictors Beilen
Des Sulla Würgerblick gethan;
Doch schmeichelnd giftiger schlug Wunden, die nicht heilen,
Der Knab' Octavian.
Der Bonzen Gaunerey erzwang das Austernleben,
Und stämpelte den Mann zum Schaf,
Und schuf oft Sünde, nur um Sünde zu vergeben,
Und Ruh zu Todesschlaf.
Ihr waret stolz und kühn mit euern Meteoren,
Und prunktet mit Philosophie:
Wie hat das neue Licht sich wieder schnell verloren
In alte Phrenesie!
Man köderte die Welt mit reinen Freyheit Golde,
Und dolchte sie in Sclaverey;
Und hier hält Despotie des Helfers Faust im Solde,
Und hier die Klerisey.
Wir können also nicht das Tagelicht ertragen,
Da man uns in die Nacht verstößt;
Und ewig müssen wir das große Räthsel wagen,
Das ewig sich nicht löst!
[281]
Vom Erdengott herab bis zu dem Dorftyrannen
Spricht Willkühr ungleich nur nach Gunst,
Und webt das feine Garn, das ihre Söldner spannen,
Mit tief gelegter Kunst.
Die große Schickung lag in eines Mannes Händen:
Der sollte wie ein Heiland seyn.
Er fing es göttlich an; doch göttlich zu vollenden
War noch sein Geist zu klein.
Noch nie schien das Geschlecht, von seinem Werthe trunken,
So hoch im Strahlenkreis zu stehn:
Und nie ist es so tief in Kriechsucht hingesunken,
Um tiefer noch zu gehn.
Des Menschen Leidenschaft ist, hat sie nur erst Nahrung,
Des Krebsgeschwüres Prototyp.
Was sich dem Arme naht, das lehret die Erfahrung,
Verzehret der Polyp.
Les't die Annalen durch von Cyrus bis auf gestern,
Und sprecht dann von Gerechtigkeit.
[282]
Man stellt ihr Bildniß auf; und eilet es zu lästern,
Wo man es eingeweiht.
Man ehrt die Göttinn laut, und höhnt sie dann mit Thaten,
Die Ariman nicht schwärzer sinnt:
Man spricht von Menschenrecht, und hat es schon verrathen,
Eh noch der Ton zerrinnt.
Mit Mäklergeiste schrey'n die Afterpatrioten,
Als bauten sie des Welttheils Glück,
Und sinken in den Staub, verächtliche Heloten,
Um einen Gnadenblick.
Wer in dem Knechtsgefühl des Jammers seiner Sünde
Zuerst ans Licht die Gnade trug,
Verdient, daß ihm der Geist das Schrecklichste verkünde,
Wenn seine Stunde schlug.
Hier würgte man am Fluß mit einer Freyheitsfahne;
Und focht ergrimmt um gleiches Recht,
[283]
Und schleppt, mit Schande schwer, dort durch die Oceane
Das Negervolk als Knecht.
Wenn uns ein Funke blickt von Gottes Flammensonne,
Erstickt ihn plötzlich eine Zunft;
Und wem kein Heerszug folgt mit Waffen von Bayonne,
Der spricht umsonst Vernunft.
Was bleibet uns zum Trost? Nur noch die holde Schöne,
Die uns der alte Mythus zeigt:
Vielleicht daß Harmonie noch aus dem Mißgetöne
Des großen Chaos steigt.
Ich geh; wer weiß, wohin? Gewiß zu meinen Vätern.
Vielleicht daß ein Centraljahr kommt,
Wo noch der Kampf zuletzt mit Narrn und Missethätern
Den Guten besser frommt.

[284] Der Tag der Heuernte

»Hört es hallen Herdenglocken
Auf der Trift am hohen Rocken,
Und der Tag wird heiß;
Draußen könnt ihr weiter sprechen,
Rasch ergreift den langen Rechen:
Arbeit gilt es heut und Fleiß!«
Keine Wolke steht am Himmel;
Summend ziehet das Getümmel
Nach der großen Au,
Ernst und heiter, still und tosend,
Singend hier dort leiser kosend,
Durch den letzten Morgenthau.
Voll und hoch bis an die Waden
Gehen dieses Jahr die Schwaden;
Auseinander fliegt
Schnell das Gras von zwanzig Händen,
[285]
Daß geflockt an allen Enden
Alles in der Sonne liegt.
Heißer brennt es von dem Himmel,
Rühriger wird das Getümmel,
Bildet sich zum Zug,
Schwinget rasch den langen Rechen,
Wendet flink die vollen Zechen,
Und es rauscht der Halm im Flug.
Immer wieder, immer wieder
Wechseln rüstig Reih'n und Glieder
Emsig ab und auf,
Unter Lachen unter Plaudern,
Rechts und links und ohne Zaudern,
Künstlich ihren Ringellauf.
Neckend geh'n sie manche Stunde
Wiederhohlt die heiße Runde;
Und die junge Welt
Weiß es listig still zu spielen,
Daß sich jedes von den Vielen
An das liebste Plätzchen stellt.
[286]
Glühend wird die Mittagshitze;
Alles eilt dem Schattensitze
An dem Walde zu;
Oder lagert mit dem Kober
Hungrig sich am größten Schober,
Erst zum Mahl und dann zur Ruh.
Besser schmeckt aus großen Töpfen
Frische Milch als Herrenschnepfen,
Wenn man sich gerührt;
Wasser besser als die Weine,
Die der Fuhrmann von dem Rheine
Nur für Gold herüber führt.
Leise schlummern nun die Alten,
Und die jungen Wichte halten
Ihre gute Zeit;
Spielen, spotten, necken, kosen,
Werfen sich mit wilden Rosen
Bis zu wilder Fröhlichkeit.
»Hollah, endet euer Flüstern,
Höret wie die Halme knistern!«
Ruft der Altpapa;
»Jungen, Mädchen, zugegriffen!
[287]
Morgen wird zum Tanz gepfiffen:
Jetzo ist noch Arbeit da!«
Alles kommt heran gestürmet,
Schober werden aufgethürmet,
Vor dem Abendthau:
Michel schwingt die große Gabel,
Hebet schwitzend, wie zu Babel
Mächtig seinen Riesenbau.
Alle jauchzet ausgelassen
Durch des Heues lange Gassen,
Und der Alte singt
Einsam schmunzelnd und zufrieden,
Daß er seine Pyramiden
Glücklich noch zusammenbringt.
Schwer geladen werden Wagen,
Hohe Berge heimzutragen
Für das lange Jahr.
Mögen nicht mit wildem Trosse
Stolz verzehren fremde Rosse,
Was des Friedens Gabe war!
[288]
Wie aus einem Paradiese
Duftet Balsam von der Wiese,
Und die Krankheit weicht;
Städter wallen frisch nach Hause,
Die in ihrer engen Klause
Lange gestern noch gekeucht.
Grillen zirpen, Wachteln schlagen,
Späte Nachtigallen klagen
Ihren Abschied sich;
Und der Sperling in dem Rohre
Zanket mit dem ganzen Chore
Unermüdet ritterlich.
Fliegen summen, Käfer schwirren;
Neugeschärfte Sensen klirren
In dem Grase schon;
Fernher in der Abendröthe
Hallt des Waldhorns und der Flöte
Sanft gemischter Zauberton.
Neben dem Forellenbache
Zieht mit Singsang und Gelache
Alles freundlich heim,
Findet Abends bey der Mutter
[289]
Milch und Brot und frische Butter,
Köstlich süß, wie Honigseim.
Morgen ist ein Fest für Knaben,
Die Johanniskronen haben:
Fort noch in das Feld!
Wer die schönste Krone windet
Und die schönsten Garben bindet,
Ist beym Tanz des Tages Held.
Hört es hallen Herdenglocken
Von der Trift am hohen Rocken
Dort dem Dorfe zu,
Mädchen, eilet und versehet
Euern Stall geschwind, und gehet
Dann zu Tisch, und dann zur Ruh.

[290] Der glückliche Dichter

Von Klopstock bis zum Mäoniden,
Wem von der gottgeweihten Schar
Der Lieblinge der Pieriden war
Vor allen übrigen das schönste Loos beschieden?
In Ferney saß der alte Spötter
Mit Faunenblick und Satyrwitz,
Und machte den Satrapensitz
Zum Schrecken und zum Neid der Erdengötter.
Zevs lieh dem Dämon seinen Blitz:
Und Heere walleten den schlauen,
Gefürchteten, verehrten Faun zu schauen.
Für seine Schmeicheleyen flockte
Das Gold verschwenderisch in Maro's Schoos,
Und sein Verdienst beym Herrn der Welt war groß
Weil sein Gesang die Thräne lockte.
Des Römers Gold, des Franken Glanz
[291]
Ist gegen meines Griechen Kranz
Ein Sumpflicht gegen Sonnenstrahlen,
Wenn sie den jungen Morgen ganz
Mit Regenbogenfarben mahlen.
Sagt, wenn ihr könnt, ihr Weisen und ihr Richter,
Ist euch im schönen Griechenland,
Wo man der Tugend einst die schönsten Kronen wand,
Ein glücklicherer Mann bekannt,
Als Vater Äschylus, der Dichter?
Er war ein Mann von Marathon,
Von Salamis und von Platäe –
Drey Tage für die Nation
Der herrlichsten, der lichtumglänzten Höhe,
So schön, wie sie auf ihres Ruhmes Bahn
Die Griechen nie, nie wieder sahn.
Der Flammentag in der Geschichte,
Der einzige, von Marathon,
Erhebt ihn mehr, als ewige Gedichte,
Zum gottgeliebten Freyheitssohn;
Und diesen Sohn trägt er im Strahlenlichte
Bis an das Ende der Geschichte
Von Nation zu Nation.
[292]
Der Selige! Mit ihm und durch ihn stand
Das freye schöne Vaterland,
Wo nie ein Volk sich jemahls fand.
Der Genius der Ehre schwebte,
Die goldne Tuba in der Hand,
Hoch um Athen, so lang' er lebte;
Daß weit vor ihr die Despotie erbebte,
Von Susa zu des Taurus Felsenwand.
Beneid' ihn wer da will, die ewigen Gedichte,
In denen er die Nachwelt überfliegt,
Und wie bey Marathon in der Versammlung siegt;
Vor dem hellenischen Gerichte,
Wo Tugend mehr als Dichtung wiegt,
Erhält der Mann für die Geschichte
Den schöneren, den bessern Bürgerlohn
Er war ein Mann von Marathon.

[293] Der Vortheil

Musik ist der Schlüssel zum weiblichen Herzen:
Da schleicht sich melodisch mit Kosen und Scherzen
Freund Amor unmerkbar mit leiser Magie
In Seelen, als wär' es zur Urharmonie.
Die Weisheit der Weisen, nur kalt und besonnen,
Ist schnell mit der göttlichsten Lehre zerronnen:
Der Thracier klaget im mystischen Hain,
Und alles wird Nachhall zum Geisterverein.
Der Zauberer spielet in Tonlabyrinthen,
Wie Mädchen im Lenze mit Blumengewinden,
Mit Herzen, und führet in lieblichem Lauf
Sie unbedingt herrschend hinab und hinauf.
[294]
Jüngst sann und sann Mozart, der schöpf'rische Meister,
Der Orpheus-Amphion der liebenden Geister,
Bis seine geflügelte magische Hand
Den Zauber der Doppelsonaten erfand.
Da wandeln in künstlich verschlungnem Gewühle
Aus Seelen in Seelen verwandte Gefühle;
Da träufeln die Töne, gebunden und frey,
Erquickend und lieblich wie Regen im May.
Da ruhet und bebet und sinket und steiget
Die Seele, bis sanft sie dem Rausche sich neiget,
Und erdevergessend das Auge bewegt,
Herüber hinüber den Himmel sich trägt.
Oft schließet nach Paphiens heimlichem Rathe
Dann Seelenentzückung die Doppelsonate,
Wo man mit den Göttern vermessen sich mißt,
Und Himmel und Erd' und sich selber vergißt.
Dankt Mozart, ihr Schüler, dem schöpf'rischen Meister,
Dem Orpheus-Amphion der lieben Geister,
Ihm, dessen geflügelte Hand
Den unüberwindlichen Zauber erfand.
[295]
Und höret, ihr unmusikalischen Seelen,
Hört auf, euch mit Qualen der Liebe zu quälen:
Die Götterbeglückung in uns'rer Natur
Gehöret den göttlichen Lieblingen nur.

[296] Meiner Mutter Grab

Schauer fassen mein Gebein, es rollen
Hohl und dumpf hinab die schwarzen Schollen
Auf den eben eingesenkten Sarg:
Von der Wimper glänzt des Schmerzens Fülle;
Sie begraben eine Erdenhülle,
Die der schönsten Seelen eine barg.
Meine Mutter, hier an deinem Grabe
Bin ich wieder der verwais'te Knabe,
Der ich einst vor dreyßig Jahren war,
Als wir alle traurig in vereinten
Thränen an des Vaters Grabe weinten,
Angstvoll vor der Zukunft voll Gefahr.
Wehmuth wurde da dein Loos und Kummer,
Und der Sorgen unterbrochner Schlummer
Für uns alle: doch mit starkem Muth,
[297]
Stärker als die Männer unsrer Tage,
Kämpftest du empor und ohne Klage;
Und des Lebens Abend war noch gut.
Stille Ruhe hattest du erstritten,
Glaubens-Einfalt waren deine Sitten,
Sanfte Heiterkeit dein frommer Blick:
Und gemüthlich sahen wir dich eilen,
Ärmeren noch Hülfe mitzutheilen,
Menschenfreundlich mildernd ihr Geschick.
Alle meine Freunde, die sie kannten,
Mit der herzlichsten Verehrung, nannten
Freundlich sie die gute Alte nur.
Was die Weisen loben im Gedichte,
Himmlisch heben zu verklärtem Lichte,
War in ihr die heilige Natur.
Ihres kleinen Dörfchens Ulmenschatten
Am gekrümmten Schmerlenbache hatten
Mit dem vollen goldnen Apfelbaum,
Höhern Reitz für sie, als alle Gaben
Aus den Hesperiden-Gärten haben,
Waren mehr ihr als Golkonda's Traum.
[298]
Wie die Sonne nach dem Sommer-Regen,
Lächelte sie frey dem Tod entgegen,
Ruhig sich des innern Werths bewußt;
Wie die Frommen, beßrer Hoffnung Erben.
Sanft hinüber zu dem Leben sterben,
Lös'te sich der letzte Hauch der Brust.
Weiser als die Weisen mancher Schule
Lebte sie, in keinem weichen Stuhle,
Thätig froh des Alters manches Jahr;
Und wie einsam beßre Seelentrauern,
Mußt ich nur bey ihrem Blick bedauern,
Daß ich nicht Epaminondas war.
Tauch' empor zu Geistern deiner Milde,
In des Urlichts leuchtende Gefilde,
Die nur ahnend unsre Seele schaut;
Und es bleibe, bis wir aus den Hallen
Unsrer Dämmerung hinüber wallen,
Unser Geist dem deinigen vertraut.

[299] Der Ochsenhirt

Angeblich von dem Syrakuser Theokrit.


Als ich Euniken lieblich zu küssen mich nahte, lachte
Sie herzschneidend mich aus und sagte: rühre mich nicht an!
Willst du Ochsentreiber mich schmatzen? Verwegner ich lernte
Bäurische Küsse nicht, sondern feiner die Lippen zu schmiegen,
Auch im Traume nicht sollst du berühren mein niedliches Mäulchen,
Wie du blickst und sprichst wie grob und widrig dein Scherz ist!
Ey, wie fein du redest in zierlich gedrechselten Worten,
Zärtlich und lieblich ist dir das Kinn, süß duftend das Haupthaar;
[300]
Gehe du Sudelmaul, geh; sieh wie die Hände dir schwarz sind!
Wie abscheulich du riechst! Geh, du beschmutzest mir alles.
Also sprach sie und bitter, und spie in den Busen sich drey Mahl,
Sahe beständig mich an vom Kopf herab zu den Füßen,
Und verzog die Lippen, und blickte verächtlich und schief an.
Stolz auf die feine zarte Gestalt verlachte sie schnöde
Mich und spottend, es schwoll mir aber blutend das Herzblut,
Und vor Schmerz war die Farbe wie der thauigen Rose.
Sie verließ mich und ging, mich griff herzbrennender Zorn tief,
Daß das Mädchen mich lieblichen Burschen so böslich verscheuchte.
Sagt mir, ihr Hirten, die Wahrheit, sagt mir ob ich nicht schön bin?
Oder hat plötzlich ein neidischer Gott die Gestalt mir zerstöret?
Kürzlich blühte doch noch mir etwas liebliche Schönheit,
[301]
Und wie der Epheu am Baumstamm kräuselte mir sich das Milchhaar,
Locken waren wie Kresse mir um die Schläfe gegossen,
Und die Stirne glänzte mir weiß auf schwärzlichen Braunen.
Freundlicher war mein Aug' als das Auge der goldnen Athene,
Zärter als frischer Käse war mir der Mund, von dem Munde
Floß mir süßer als Honigscheiben die liebliche Rede.
Zauberisch ist mein Gesang, wenn ich das Haberrohr spiele,
Wenn ich die Flöte sprech' und die Pfeif' und das hallende Zwerchrohr;
Und auf der Bergtrift gelt' ich für schön bey unseren Weibern:
Alle küssen mich oft, und nur die Städterinn sträubt sich.
Weil ich ein Hirt bin lief sie davon, und weiß denn die Stolze
Nicht, daß Bachus, der Schöne, die Kühe trieb in dem Thale?
Nicht wie Kypris entbrannte? War nicht ihr Liebling ein Kuhhirt?
[302]
Weidete nicht die Göttinn auf Phrygiens Bergen und küßte
Ihren Adonis im Hain, und klagte Adonis im Haine?
Auch Endymion war er nicht Kuhhirt? Eitle Selene
Nicht den Hirten zu küssen? und kam von dem hohen Olympus
Auf die Triften des Latmus daselbst bey dem Jüngling zu ruhen?
Rhea beweinst den Hirten, durchirrtest du, hoher Kronion,
Wegen des Hirtenknaben nicht als Adler das Luftmeer?
Nur Eunike verweigert dem Hirten das Küßchen, und dünkt sich
Besser als Kybele, Kypris, nicht in der Stadt, in der Trift nicht
Auch den Zärtling nicht küssen, und wenn du auch ewig allein schliefst.

Notizen
Viele der Gedichte wurden erstmals in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht. Erstdruck der ersten Sammlung: Gedichte, o.O. [Leipzig] 1801. Hier liegt die dritte, neuvermehrte und verbesserte Ausgabe (Wien und Prag: Franz Haas, 1810) zugrunde.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Seume, Johann Gottfried. Gedichte. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0AAD-E