4. Die Versuchung

Bald is's gar nimmer wahr, so lang ist's her, aber ich besinn mich noch, es war ein schöner Herbsttag gwesen, mir hat er aber nit zu Sinn wolln, denn damal is's mir grad grimmig schlecht gegangen, was braucht mir auch d' Sunn so freundlich in leeren Sack und in hungrigen Magen z' scheinen, hab ich mir denkt, was hab ich davon? Is a boshaftigs Ding! Die Rauch habn mich geärgert, die aus die Schornstein gradauf gstiegn sein, 's Obst af dö Bäum – mein war's net –, und af der Gmeinwiesen hätt ich mögen 's ganze Gras ausreuten, na, ich war ja kein Kuh, daß ich's hätt mögen fressen. Teufi hnein!

Ich war froh, wie die Sonn ein Anstalt macht zum Untergehn und bin noch fort ins Gebirg, bin durch Schluchten angstiegn, daß ich vor ihre letzten Lichter sicher bin, bis 's Monad raufkimmt, was nit so aufdringlich is mit sein Licht.

Wie ich später so forttapp, denn 's sakrische Mondschein is hinter dö Wolken bliebn, riegelt sich was in der Finstern, kommt hervor ausm Schatten und steht a schmächtigs Bürschel vor mir, so wie man's sieht af der Wanderschaft.

Er fragt nachm Ort, was überm Berg enten liegt. Gscheiters wußt ich mir grad nit zu tun, denk ich mir, führst ihn bis hin, vielleicht zahlt er dir dafür doch a Glasl Wein.

Sag ich also zu ihm, wann's ihm recht wär, könnten wir ein Weg gehn, ich selbst möcht nach Tappental.

Er steht, schaut mich eine Weil an, auf einmal sagt er, es wär ihm lieber, ich gäbet ihm die Weisung, daß er sich allein hinfinden könnt.

Ahan, denk ich, selb is a notiger Kerl, der fürcht sich zwegn einer klein Derkenntlichkeit, und sag deswegen zu ihm: »Ich steh af nix nöt an, ich führ Enk schon umsonst.«

Da sagt das Bürschel ganz wegwerferisch: »Ich hab Enk gebeten, mir 'n Weg z' beschreibn, wollts net, so such ich mir 'n halt selber.«

[318] Auf dös sag i, nöt freundli: »Na, na, wo ich zwider bin, dring ich mich nöt auf!« – Weis ihm die Steig, sag, von da geht's a so und von dort a so nach Tappental zu, halt, daß er nit irr geht, dreh mich dann um und bhüt Gott!

No gibt er mir dö Hand, bedankt sich recht schön und meint, ich söllt's ihm nöt in Übel aufnehmen, aber er wär noch in tausend Angst und Schrecken.

U mein, und wie er das sagt, schau ich ihm ins Gsicht, er war käsweiß.

»Je, je, lieber Herr«, sag ich, »was is Enk denn zugstoßen?«

No erzählt er mir, es hätt sich ihm heut afm Weg a wilder Kerl angschlossen, der wär schon 'n Anschaun nach zun fürchten und nit von der Seit z' bringen gwest, wie's aber in 'n finstern Wald kemma, fallt der Kerl über ihn her, und wann nöt a alte Holzklauberin dahertappt und zun schreien und zetern anhebt, wer weiß, was gschehn wär! Nöt gar weit von da und vor a klein halbn Stund hätt sich dös zutragn. Selb hätt 'n ganz scheu und verzagt gmacht, er wußt sich kaum aus in sein Sinn, gern möcht er allein gehn, doch noch lieber mit einm ehrlichen Menschen.

»No«, sag i, »da seids schon recht, i bin, soweit i warm bin, a ehrlicher Kerl, von was nit mein war, hon ich all mein Lebtag nit was Schwarz' unterm Nagel is weggnomma!«

»Jo«, lacht er, »freilich, um was Schwarz' unterm Nagel is, zahlt sich's net aus, in der Weis steckt die ganze Welt voll lauter ehrliche Leut, aber wann's mehr gilt, da probiert sich dö Ehrlichkeit.«

»Kreuzsakra«, sag ich, »nöt um 'n Kaiser sein Gschloß tat ich a Schlechtigkeit.«

»Glaub's wohl«, meint er, »a Gschloß kann mer halt wieder net leicht in Sack schiebn; was z' gring is oder was einer nit aufhebn mag, laßt a jeder liegn, um zwenig und zviel belobt sich a jeds der Enthaltsamkeit von fremden Gut, aber, mein lieber Hanns« (ich wußt wahrhaftig net, woher er mein Nam gwußt hat, aber genennt hat er 'n), »mein lieber Hanns, [319] es is ganz a andere Sach, wann's um a schwermächtig Stuck Geld hergang und dös kunnt eins nehma und war sicher vor Klagen und Fragen und wußt kein lebendige Seel drum.«

»Na, na«, sag ich, »ehrlich währt am längsten, und wanns wollts, i soll weiter no mit Enk gehn, so tuts ein andern Dischkurs anhebn, sonst müßt ich frei glaubn, Ös halts mich net für besser wie den Schubjak, der Enk vorhin hat ausraubn wölln.«

»Ah«, sagt das Bürschel und lacht dabei so spöttig, daß ich ihm hätt eins versetzen mögn, »ah, beileib, Hanns, ich weiß schon, du bist a ganz a andrer Mann. Übrigens 's is a Glück für mich, daß der Rauber von vorhin sich wohl auch denkt hat, es zahlt sich net aus; hätt er gwüßt, was i weiß, i mein, er wär dabei bliebn und hätt mich und dö alte Holzklauberin spediert.«

»No, was is's denn nachher, was Ös wißts?« brumm ich, daß i nur was red, obgleich ich von den dummen Dischkurs gern loskomma wär, aber ich mag net so zneben einm hertorkeln und mein Gedanken nachhänga.

»Nö«, sagt er, »was i bei mir führ, wär schon ein Mord und ein Totschlag wert gwesen. Was meinst?«

»Was weiß denn i, um was sich ein Mord und Totschlag auszahlt«, schrei ich, »glaubts, ich bin a glernter Rauber?«

»Na«, sagt er, »Hanns, a dreißigtausend Gulden sein doch a Geld!«

Dreißigtausend Gulden! Liebe Leut, wie er dös sagt, is mer völlig schwindlich wordn, denkts, so viel Geld und i nöt ein Groschen in Sack, a kein Aussicht für morgn oder übermorgn und no weiter, daß ich zu a bissel was komm.

»Dreißigtausend Gulden«, sagt er, »und alles in kleine Bankanoten, was sich leicht verzetteln lassen und wo kein Frag is, wie kommst dazu?«

Bei der Red kommen wir übern hochen Kamm, der Weg is kaum für zwei, turmhoch, steilauf steigen da die Felsen übers Tal an; dort bleibn wir a Weil stehn, denn das Bürschel schnappt a weng nach Luft, dann hebt er wieder an:

[320] »Dreißigtausend Gulden, Hanns, kein groß Papier dabei, wo dich der Kramer oder der Wirt drum groß anschaut; langsam, wann Jahr drüber hingangen sein, kann mer's nach und nach zum Vorschein bringen, mer gewinnt in kleine Händel, es wird mehr und mehr, dö Leut können einm doch nit jeden Posten nachrechnen; auf einmal, alle Welt muß meinen, es is mit rechten Dingen zugangen, sitzt mer af ein Bauerngut, kujoniert sein Gsind, is wer und stellt was vor, hat Gründ und Liegenschaften, Geld im Kasten – all dös, was kost's? Ein Griff nach meiner Taschen und ein Ruck, daß ich da hnunter flieg – und morgen is weiter kein Reden drüber, als daß a armer Handwerksbursch verunglückt is.«

»Höllteufel, verfluchter!« schrei ich auf.

Da lacht er und sagt: »Und wann d' noch weiter wüßt, Hanns, das Geld alles hon i noch dazu selber gstohln; i bin in einer großen Handlung gwest, da is's mir glungen. Wär doch a Narr, der in die Gericht rennet, kann er mich doch selber bstrafen, und fand mer mich morgn da unt liegn und derkennet mich auch, mer denket, ich hätt all dös Geld sauber durchbracht.«

»Du elendiger Dieb«, schrei ich, »du hast Lohn und alles ghabt, ich hab nix, gar nix als 's nackete Lebn, teil dein gstohlens Gut mit mir, oder –«

»Kein Red«, sagt er, »alles oder nix is mein Wahl!«

Da hab i mich nimmer ausgwüßt, der Teuxel hat mich bei jedem Haar ghabt – kein Seel weiß's, was du tust – es kann gar nit aufkommen – Liegenschaften – Geld im Kasten – bist wer, auf Lebzeit geborgn –! Das geht mer durchn Kopf wie a Spinnradl schnell. »Alsdann nix«, schrei ich und stürz mich af ihn, reiß ihm die Taschen weg und gib ihm gleichzeitig ein Renner –

Da lacht er wie der leidige Teuxel auf, und nöt wie a anderer Mensch kopfüber abisaust, langsam, ganz langsam wie a Federn fallt er hinunter, und dabei lacht er fort und fort und schreit: »Hanns, du ehrlicher Mann du!« Und unten fallt er schwer auf, nochmal hör ich von unt ganz tief, wie [321] aus der Höll auffer, sein Lacher: »Hanns, du ehrlicher Mann du!«

Ich schrei aber auf: »Jesses und Joseph!« und fall ausm Bett.


»No, is's halt wieder a Traum gwest«, sagten die Zuhörer.

Hanns zwinkerte mit den Augen. »Als a Wacher bracht i jo kein Hendel um, freilich war's a Traum, aber Leuteln, es is mir lieb gwest, daß's nix Wirklichs war, und i mein, es därf jeden lieb sein, er hätt an meiner Stell auch nur träumt.«

»No und was beweist dös af dös Heutige?« fragte ein junger Bursche.

»Die Müllerin und der Knecht«, sagte der Steinklopfer, »dös sein verlorene Leut, laßts dö Richter mit dö fertig werdn, sein wir froh, daß wir froh sein könna, aber überhebn mer uns net! Freun mer uns, daß wir gsund sein, sorgn wir allfort für die Gsundheit von Leib und Seel, aber vergessen wir nöt, daß doch unser jeden ein Übel anfalln kann, und sollt uns vor ein Siechtum auch grausen, so dürfn mer doch mit dö Kranken a Barmherzigkeit habn.«

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TextGrid Repository (2011). Anzengruber, Ludwig. Erzählungen. Die Märchen des Steinklopferhanns. III. 4. Die Versuchung. 4. Die Versuchung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DDA1-9