Bilderpossen

Titel der zweiten Auflage von 1880

[286]

die vier Innentitel der ersten Auflage von 1864

[287]

Der Eispeter


Als Anno 12 das Holz so rar,
Und als der kalte Winter war,
Da blieb ein jeder gern zu Haus;
Nur Peter muß aufs Eis hinaus.

[288]
Da draußen, ja, man glaubt es kaum,
Fiel manche Krähe tot vom Baum.

Der Onkel Förster warnt und spricht:
»Mein Peter, heute geht es nicht!«

[289]
Auch ist ein Hase bei den Ohren
Ganz dicht am Wege festgefroren.

Doch Peter denkt: Tralitrala!
Und sitzt auf einem Steine da.

[290]
Nun möchte Peter sich erheben,
Die Hose bleibt am Steine kleben.

Der Stoff ist alt, die Lust ist groß,
Der Peter reißt sich wieder los.

[291]
Na, richtig! Ja, ich dacht es doch!
Da fällt er schon ins tiefe Loch.

Mit Hinterlassung seiner Mütze
Steigt Peter wieder aus der Pfütze.

[292]
Bald schießt hervor, obschon noch klein,
Ein Zacken Eis am Nasenbein.

Der Zacken wird noch immer besser
Und scharf als wie ein Schlachtermesser.

[293]
Der Zacken werden immer mehr,
Der Nasenzacken wird ein Speer.

Und jeder fragt: Was mag das sein?
Das ist ja wie ein Stachelschwein!

[294]
Die Eltern sehen nach der Uhr:
»Ach, ach! wo bleibt denn Peter nur?«
Da ruft der Onkel in das Haus:
»Der Schlingel ist aufs Eis hinaus!«

[295]
Mit einer Axt und stillem Weh
Sucht man den Peter hier im Schnee.

Schon sieht man mit besorgtem Blick
Ein Teil von Peters Kleidungsstück.

[296]
Doch größer war die Trauer da,
Als man den Peter selber sah.

[297]
Hier wird der Peter transportiert,
Der Vater weint, die Träne friert.

[298]
Behutsam läßt man Peters Glieder
Zu Haus am warmen Ofen nieder.

[299]
Juchhe! Die Freudigkeit ist groß;
Das Wasser rinnt, das Eis geht los.

[300]
Ach, aber ach! Nun ist's vorbei!
Der ganze Kerl zerrinnt zu Brei.

[301]
Hier wird in einen Topf gefüllt
Des Peters traurig Ebenbild.

[302]
Ja, ja! In diesen Topf von Stein,
Da machte man den Peter ein,
Der, nachdem er anfangs hart,
Später weich wie Butter ward.
[303]

Katze und Maus
Ort der Handlung: Die Küche.

Links ein Mauseloch, rechts ein Loch im Stiefel. Eine Pumpe. Ein Kleiderstock, woran eine Hose hängt. Eine Stallaterne und ein Topf mit Wichse.



[304]

Die Maus spaziert in die Laterne,
Der böse Kater sieht's von ferne.

Schnapp! springt er zu: das Glas zerbricht;
Die Maus, die kriegt er aber nicht.

[305]
Den Kleiderstock erklimmt die Maus,
Der Kater nach in einem Saus.

Hier sausen sie durchs Hosenbein,
Die Maus heraus, die Katz hinein.

[306]
Klatsch! fällt der Kater mit dem Kopf
In einen schwarzen Wichsetopf.

Der Kater ist ein halber Mohr,
Die Maus springt in das Stiefelrohr.

[307]
Der Kater denkt: »Dich krieg ich noch!«
Der Stiefel aber hat ein Loch.

Hier springt denn auch die gute Maus
Bereits zum Stiefelloch heraus.

[308]
Die Maus läuft schnell ins Mäusenest;
Der Kater sitzt im Stiefel fest.

Ja, stelle dich nur auf den Kopf!
Der Stiefel bleibt dir doch am Schopf.

[309]
Die Köchin und der Hausknecht sehn
Mit Staunen an, was hier geschehn.

[310]
Und beide sieht man mit Bemühn
Am Katzenschwanz und Stiefel ziehn.

[311]
Pardauz! Da haben wir es ja!
Sie liegen alle beide da.

[312]
Der Kater, der's verdient gehabt,
Wird eingeklemmt und abgeklappt.

[313]
Und wenn sich einer schwarz gemacht,
Mit Wasser wird's herausgebracht.

[314]
Die Mäuse aber springen
Im Kreis herum und singen:
»Der brave Stiefel hat ein Loch!
Der Stiefel lebe! Vivat hoch!«
[315]

Krischan mit der Piepe


De Vader seggt: »Eck mot nu gahn!
Krischan! lat de Piepen stahn!«

Kum awer geiht he ut der Doer,
Krigt Krischan all de Piepen her.

[316]
Min Krischan steckt ok gar nich fuul
De Smoekepiepen in dat Muul,

He smoekt! – Wat, Deuker, is denn dat?!
Mi dücht, dar achter rögt sick wat.

[317]
De Stock is mit den Schirm in Gange,
De Aben danzet mit der Tange.

[318]
De Slaprock danzt mit den Stohl, juheh!
Un de Disch mit den olen Kanapeh.

[319]
Up eenmal – puff! – do werd et dunkel:
Dat is de ole Runkelmunkel!

[320]
Un – puff! – kummt no'n Keerel an:
Dat ist de swarte Morian.

[321]
Se danzet un springet un dreihet sick,
Den Krischan werd so wunderlick.

[322]
Se danzet, dildi, se trampelt, schrum schrum!
Wupp! dreiht sick de ganze Stube um!

[323]
Jüst tret de Moder in de Doer,
De Krischan ligt ganz krumm und quer.

[324]
He ligt to Bed; de Keerels winkt,
Als Moder swarten Kaffe bringt.

[325]
He drinkt den swarten Kaffe ut,
Dat deiht min lewen Krischan gut.

[326]
Un Vader sitt dabi un lacht
Un seggt: »Dat heb eck lange dacht!
Ja ja, min Jung! so mot et gahn!
Krischan, lat de Piepe stahn!!«
[327]

Hänsel und Gretel


»Ihr Kinder«, spricht das Mütterlein,
»Geht ja nicht in den Wald hinein!«

Ja, prosit! wenn der Has' nicht wär!
Gleich müssen sie dahinter her.

[328]
Nicht lange, eh man's sich versah,
Steht schon die Kinderfalle da.

[329]
Die böse Hexe schreit: »Nanu!«
Perdatsch! da fällt die Falle zu.

[330]
Und Hans und Gretel, ach, o Graus!
Schleppt man bis in das Hexenhaus.

[331]
Die Hexe macht das Feuer an,
Daß sie die Kinder kochen kann.

[332]
Am Tisch der dicke Bösewicht,
Der paßt schon auf sein Leibgericht.

[333]
Doch Hänsel faßt die Hex am Bein,
Plums! fällt sie in den Topf hinein.

[334]
Die Hexe kriegte ihren Lohn,
Tot hängt sie an der Gabel schon.

[335]
Der Menschenfresser, zornentbrannt,
Kommt mit dem Messer angerannt.

[336]
Im Kasten will er sie ertappen,
Der Kasten aber hat zwei Klappen.

[337]
O weh! Das hat er nicht bedacht,
Nun wird der Käfig zugemacht.

[338]

Der Dicke wird gerollt – und plumpf!
Schmeißt man ihn in den tiefen Sumpf.

[339]
Jetzt gehn die zwei zum Wald hinaus,
Die Mutter schaut schon aus dem Haus;

Sie winkt und läßt die Rute sehn:
Na, gute Nacht! da dank ich schön!

[340]

Notizen
Erstdruck: Dresden (J. Heinrich Richter) 1864. Zweite Auflage: München (Bassermann) 1880.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Bilderpossen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-1CB2-9