Der Fuchs. Die Drachen.
Zwei lustige Sachen
1881

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Der Fuchs


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Die Bäurin hat ein Huhn erstrochen um Supp mit Huhn davon zu Roden. Der Bauer sprach: das giebr'n Jux! Mit diesem Huhn fang ich den Fuchs!

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Vor's Loch der Mauer strellt er schlau die Schlinge heimlich und genau

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Grad denkt der Fuchs: Was ist zu thun? Ich strehle irgendwo ein Huhn!

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Und wie er da was Gutes riecht und durch das Loch der Mauer Kriecht - Oh weh! der Schreck ist nicht geringe - Er hat das Huhn, ihn hat die Schlinge. Schon kommt in froher Hast und Eile der Bauer mit dem langen Beile

Indessen Kroch und schlüpfte flugs durch's Loch zurück der schlaue Fugs. Draus sitzt der Fugs, drin steht der Bauer, dazwischen steht die Gärtenmauer.

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Er steigt hinauf; er hat von oben Zum wucht'gen Hieb das Beil erhoben.

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Doch unbedacht, weil er in Zorn, zieht ihn der Hieb zu sehr nach vorn.

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Drin sitzt der Fuchs, draus liegt der Bauer, dazwischen steht die Gärtenmauer.

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Er läuft nach innen durch das Thor. Das Ding ist wieder wie zuvor.

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Er sieht, es geht nicht so allein; drum fängt er heftig an zu schrein: Catrine, Catrine! komm raus, wir haben ihne!!

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Sie kommt begierig angerannt, die Ofengabel in der Hand. Jetzt, Meister Fuchs, muszt du erliegen, wenn sie dich in die Mitte Kriegen.

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Schnell fährt er auf die Bäurin los. Zu langsam war der Gabelstoß Weh, aber wenn sie noch mal stricht!

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Der Fuchs kehrt um und wartet nicht. - Der Bauer faßt mit aller Kraft das Beil und zielt gewissenhaft.

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Trotz alledem zerhaut er bloß die Schlinge, und der Fuchs ist los. Der Fuchs beschleunigt seinen Schritt und nimmt auch noch das Hühnchen mit.

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Verdonnert sehen hinterher Sowohl die Bäurin wie auch Er.

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Sie sahen, wie der Fuchs entrann; dann sahen sie sich selber an. Du dumme Gans! sprach er zu ihr. Du Schafskopf! nennt sie ihn dafür.
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Die Drachen


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Schon seit mehren Wochen haben drei intim bekannte Knaben - Fritz, Franz, Conrad hießen sie - mit Verstand Geduld ü. Müh schöne Drachen sich gepappt und zum Flug bereit gehabt, So daß sie bis auf den Wind mit der Sache fertig sind.

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Endlich weht'ne frische Briefe, und fort geht es auf die Wiese. Conrad wandelt an der Spitze, dann Kommt Franz und schließlich Fritze.

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Freund! sprach plötzlich Franz zu Fritzen - Siehst du Zöpfel's Äpfel sitzen?

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und als Fritze dies bejaht Schreitet man sofort zur That. Doch was Conrad anbetraf, der geht weiter Klug und brav.

Trefflich gut ging die Geschichte; Franz hat Zöpfel seine Früchte. »Lirum larum! - dachte er - Fritze hin und Fritze her! Ich genieße was ich habe!« - Damit ist der freche Knabe grad als wäre nichts passirt Äpfel essend fortmarschiert. Saftig kann man's Knirschen hören. Soll das Fritzen nicht empören??

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Mit dem fuße und mit Krachen, grades weges durch den Drachen, giebt er Franzen rücksichtlos einen wirkungsvollen Stoß.

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Franz, der dieses Krumm genommen, ist sofort herum gekommen.

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Und es hebt sich und es saust seine zorngeballte Faust durch den vorgeschützten Drachen, gleichfalls unter großem Krachen, dergestalt in Fritzen's Nacken, daß er meint, er muß zerknacken.

Jetzt sucht jeder sich zu decken, und es wird so mit den Pflöcken, wo die Schnur herum gewickelt, emsig hin und her geprickelt.

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Franz zuerst durch Kühnes Wagen trifft genau auf Fritzens Magen.

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Dafür sticht ihn Fritz der flinke in das Nasenloch das linke.

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So entspinnt sich auf die Länge ein direktes Handgemenge, was zunächst und augenscheinlich für die Ohren äußerst peinlich.

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Dennoch wird der Kampf zuletzt noch am Boden fortgesetzt.

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Grad kommt Zöpfel wie gewöhnlich, um sich wieder mal persönlich und gewiß zu überzeugen, daß sein Obst noch an den Zweigen. Wer - rüft er - hat dies gethan?? Damit stockt sein Sprachorgan.

Ha! jetzt wird er grausam heiter. Er entdeckt die beiden Streiter.

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Fritze Kriegt den ersten Schlag, weil er am bequemsten lag.

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Und der Franz war schon vergnügt, daß er siegt und oben liegt; bis die Peitsche wieder pfiff und auch ihn empfindlich Kniff.

[444]
Gern entrönnen nun die beiden, um das Weitre zu vermeiden, wären nicht die nöthgen Beine tief verwickelt in die Leine. - Also folgt der Rest der Hiebe. - Zöpfel thut's mit Lust und Liebe.

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Sorgsam sammelt hierauf Zöpfel Seine hochgeschätzten Äpfel. Einer nur ist angenagt, was jedoch nicht viel besagt; und so kehrt er hocherfreut heim in seine Häuslichkeit.

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Aber ach, wie traurig stand's um den Fritze und den Franz. So viel ist gewiß für sie: ihre Drachen steigen nie. während Conrad seiner schon, dieser Erdenwelt entflohn, höher stets und höher steigt, bis man vor Erstraunen schweigt.

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Notizen
Erstdruck: München (Bassermann) 1881.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Der Fuchs. Die Drachen.. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-360A-6