Entoptische Farben

An Julien


Laß dir von den Spiegeleien
Unsrer Physiker erzählen,
Die am Phänomen sich freuen,
Mehr sich mit Gedanken quälen.
Spiegel hüben, Spiegel drüben,
Doppelstellung, auserlesen;
Und dazwischen ruht im Trüben
Als Kristall das Erdewesen.
Dieses zeigt, wenn jene blicken,
Allerschönste Farbenspiele;
Dämmerlicht, das beide schicken,
Offenbart sich dem Gefühle.
Schwarz wie Kreuze wirst du sehen,
Pfauenaugen kann man finden;
Tag und Abendlicht vergehen,
Bis zusammen beide schwinden.
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Und der Name wird ein Zeichen,
Tief ist der Kristall durchdrungen:
Aug in Auge sieht dergleichen
Wundersame Spiegelungen.
Laß den Makrokosmus gelten,
Seine spenstischen Gestalten!
Da die lieben kleinen Welten
Wirklich Herrlichstes enthalten.

Notes
Entstanden 1817, Erstdruck 1827.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Goethe, Johann Wolfgang von. Entoptische Farben. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-65CA-8