Dritter Akt
SATYROS.
Ich bin doch müd; 's ist höllisch schwül.
Der Brunn, der ist so schattenkühl.
Hier hat mir einen Königsthron
Der Rasen ja bereitet schon;
Und die Lüftelein laden mich all
Wie lose Buhlen ohne Zahl.
Natur ist rings so liebebang;
Ich will dich letzen mit Flöt und Sang.
Zwei Mägdlein mit Wasserkrügen.
ARSINOE.
Hör, wie's daher so lieblich schallt!
Es kömmt vom Brunn oder aus 'm Wald.
PSYCHE.
Es ist kein Knab von unsrer Flur;
So singen Himmelsgötter nur.
Komm, laß uns lauschen!
ARSINOE.
Mir ist bang.
PSYCHE.
Mein Herz, ach! lechzt nach dem Gesang.
SATYROS
singt.
Dein Leben, Herz, für wen erglüht's?
Dein Adlerauge, was ersieht's?
Dir huldigt ringsum die Natur,
's ist alles dein;
Und bist allein,
Bist elend nur!
ARSINOE.
Der singt wahrhaftig gar zu schön!
PSYCHE.
Mir will das Herz in meiner Brust vergehn.
[169]SATYROS
singt.
Hast Melodie vom Himmel geführt
Und Fels und Wald und Fluß gerührt;
Und wonnlicher war dein Lied der Flur
Als Sonnenschein;
Und bist allein,
Bist elend nur!
PSYCHE.
Welch göttlich hohes Angesicht!
ARSINOE.
Siehst denn seine langen Ohren nicht?
PSYCHE.
Wie glühend stark umher er schaut!
ARSINOE.
Möcht drum nicht sein des Wunders Braut.
SATYROS.
O Mädchen hold, der Erde Zier!
Ich bitt euch, fliehet nicht vor mir.
PSYCHE.
Wie kommst du an den Brunnen hier?
SATYROS.
Woher ich komm, kann ich nicht sagen,
Wohin ich geh, müßt ihr nicht fragen.
Gebenedeit sind mir die Stunden,
Da ich dich, liebes Paar! gefunden.
PSYCHE.
O lieber Fremdling! sag uns recht,
Welch ist dein Nam und dein Geschlecht?
SATYROS.
Meine Mutter hab ich nie gekannt,
Hat niemand mir mein' Vater genannt.
Im fernen Land hoch Berg und Wald
Ist mein beliebter Aufenthalt.
Hab weit und breit meinen Weg genommen.
PSYCHE.
Sollt er wohl gar vom Himmel kommen?
ARSINOE.
Von was, o Fremdling, lebst du dann?
SATYROS.
Vom Leben, wie ein andrer Mann.
Mein ist die ganze weite Welt,
Ich wohne, wo mir's wohlgefällt;
Ich herrsch übers Wild und Vögelheer,
Frücht auf der Erden und Fisch' im Meer.
Auch ist auf 'm ganzen Erdenstrich
Kein Mensch so weis und klug als ich.
Ich kenn die Kräuter ohne Zahl,
Der Sterne Namen allzumal,
[170] Und mein Gesang, der dringt ins Blut
Wie Weines Geist und Sonnenglut.
PSYCHE.
Ach Gott! ich weiß, wie's einem tut.
ARSINOE.
Hör, das wär meines Vaters Mann.
PSYCHE.
Ja freilich!
SATYROS.
Wer ist dein Vater dann?
ARSINOE.
Er ist der Priester und Ältest im Land,
Hat viele Bücher und viel Verstand,
Versteht sich auch auf Kräuter und Sternen;
Ihr müßt ihn wahrhaftig kennenlernen.
PSYCHE.
So lauf und bring ihn geschwind herbei!
Arsinoe ab.
SATYROS.
So sind wir denn allein und frei.
O Engelskind! Dein himmlisch Bild
Hat meine Seel mit Wonn erfüllt.
PSYCHE.
O Gott! seitdem ich dich gesehn,
Kann kaum auf meinen Füßen stehn.
SATYROS.
Von dir glänzt Tugend-Wahrheits-Licht
Wie aus eines Engels Angesicht.
PSYCHE.
Ich bin ein armes Mägdelein,
Dem du, Herr! wollest gnädig sein.
Er umfaßt sie.
SATYROS.
Hab alles Glück der Welt im Arm
So Liebe-Himmels-Wonne-warm!
PSYCHE.
Dies Herz mir schon viel Weh bereit',
Nun aber stirbt's in Seligkeit.
SATYROS.
Du hast nie gewußt, wo mit hin?
PSYCHE.
Nie – als seitdem ich bei dir bin.
SATYROS.
Es war so ahnungsvoll und schwer,
Dann wieder ängstlich arm und leer;
Es trieb dich oft in Wald hinaus,
Dort Bangigkeit zu atmen aus;
Und wollustvolle Tränen flossen,
Und heil'ge Schmerzen sich ergossen,
Und um dich Himmel und Erd verging?
[171]PSYCHE.
O Herr! du weißest alle Ding'.
Und aller Seligkeit Wahntraumbild
Fühl ich erbebend voll erfüllt.
Er küßt sie mächtig.
PSYCHE.
Laßt ab! – mich schaudert's – Wonn und Weh –
O Gott im Himmel! ich vergeh –
Hermes und Arsinoe kommen.
HERMES.
Willkommen, Fremdling, in unserm Land!
SATYROS.
Ihr tragt ein verflucht weites Gewand.
HERMES.
Das ist nun so die Landesart.
SATYROS.
Und einen lächerlich krausen Bart.
ARSINOE
leise zu Psyche.
Dem Fratzen da ist gar nichts recht.
PSYCHE.
O Kind! er ist von einem Göttergeschlecht.
HERMES.
Ihr scheint mir auch so wunderbar.
SATYROS.
Siehst an mein ungekämmtes Haar,
Meine nackte Schultern, Brust und Lenden,
Meine lange Nägel an den Händen;
Da ekelt dir's vielleicht dafür?
HERMES.
Mir nicht!
PSYCHE.
Mir auch nicht.
ARSINOE
für sich.
Aber mir!
SATYROS.
Ich wollt sonst schnell von hinnen eilen
Und in dem Wald mit den Wölfen heulen,
Wenn ihr euer unselig Geschick
Wolltet wähnen für Gut und Glück,
Eure Kleider, die euch beschimpfen,
Mir als Vorzug entgegenrümpfen.
HERMES.
Herr! es ist eine Notwendigkeit.
PSYCHE.
Oh, wie beschwert mich schon mein Kleid!
SATYROS.
Was Not! Gewohnheitsposse nur,
Fernt euch von Wahrheit und Natur,
Drin doch alleine Seligkeit
Besteht und Lebens-Liebens-Freud;
[172] Seid all zur Sklaverei verdammt,
Nichts Ganzes habt ihr allzusamt!
Es drängt sich allerlei Volk zusammen.
EINER AUS DEM VOLK.
Wer mag der mächtig' Redner sein?
EIN ANDERER.
Einem dringt das Wort durch Mark und Bein.
SATYROS.
Habt eures Ursprungs vergessen,
Euch zu Sklaven versessen,
Euch in Häuser gemauert,
Euch in Sitten vertrauert,
Kennt die goldnen Zeiten
Nur als Märchen: von weiten.
DAS VOLK.
Weh uns! Weh!
SATYROS.
Da eure Väter neugeboren
Vom Boden aufsprangen,
In Wonnetaumel verloren
Willkommelied sangen,
An mitgeborner Gattin Brust,
Der rings aufkeimenden Natur,
Ohne Neid gen Himmel blickten,
Sich zu Göttern entzückten.
Und ihr – wo ist sie hin, die Lust
An sich selbst? Siechlinge, verbannet nur!
DAS VOLK.
Weh! Weh!
SATYROS.
Selig, wer fühlen kann,
Was sei: Gott sein! Mann!
Seinem Busen vertraut,
Entäußert bis auf die Haut
Sich alles fremden Schmucks,
Und nun ledig des Drucks
Gehäufter Kleinigkeiten, frei
Wie Wolken, fühlt, was Leben sei!
Stehn auf seinen Füßen,
Der Erde genießen,
Nicht kränklich erwählen,
Mit Bereiten sich quälen;
[173] Der Baum wird zum Zelte,
Zum Teppich das Gras,
Und rohe Kastanien
Ein herrlicher Fraß!
DAS VOLK.
Rohe Kastanien! O hätten wir's schon!
SATYROS.
Was hält euch zurücke
Vom himmlischen Glücke?
Was hält euch davon?
DAS VOLK.
Rohe Kastanien! Jupiters Sohn!
SATYROS.
Folgt mir, ihr Werten!
Herren der Erden!
Alle gesellt!
DAS VOLK.
Rohe Kastanien! Unser die Welt!
Ende des dritten Akts.