6/1949.

An Charlotte von Stein

[Eisenach] d. 20ten Juni 84.

Wieder ein Tag den ich in deinem Nahmen anfange. Ich habe heute Briefe von Tiefurt und von Herders erhalten, diese sind gar lieb und gut gegen mich. Sie stehen mit deinem Bruder übel, ich sehne mich auch um ihrentwillen sehr nach Hause.

In wenigen Stunden erwarte ich meinen Boten zurück, wie wird mich eine Zeile von dir erfreuen!

[305] Die Bechtolsheim ist wieder besser, und gleich wieder so munter und genüglich wie du sie kennst. Sie erzählt mir was die Leute von mir sagen. Frau von Lichtenstein in Gotha hat ihr versichert: Qu'elle m'avoit trouvé entierement changé, que ie n'etois pas seulement presentable partout, mais meme aimable.

Es ist mir als wenn ich dir diese Aneckdote schon einmal geschrieben hatte. Ich dencke so viel an dich und was ich dir schreiben will daß es in meinem Gedächtniß zusammen fliest. Du siehst wenigstens daraus wie angelegen mir ist dir zu sagen daß die Menschen deine Wahl in ihrer Sprache nicht misbilligen. Ach ich weis von alle dem nichts, fühle nichts als daß du mich liebst.

Mein Bote ist glücklich wieder zurück, und hat mir so viel von dir mitgebracht! Wie erfreut bin ich, wie sehr hast du mein Leben erneut.

Der Ring ist mir eine wahre Wohlthat und accurat recht. Ich lies mir viel erzählen wie er dich getroffen hatte. Ich weis es hat dir eine rechte Freude gemacht.


d. 21ten.

Mit wie viel Freude les ich deine Briefe wieder. Schon gewöhne ich mich auch den geschriebnen Worten deine Liebe anzusehn, verzeih mir wenn der Mangel deiner Gegenwart mir selbst die geliebte Handschrifft kalt machte.

[306] Ich habe mit Bätty einen Spazierritt gemacht und ein Cammergut besehen, nachher sind wir in der Gegend umhergeritten, sie ist so reich und schön als sich etwas dencken lässt.

Gerne wollt ich des Tags meine Schuldigkeit thun und was mir auferlegt ist treiben wenn ich nur Abends dich wieder erreichen könnte.

Es geht ein Husar nach Weimar der dieses Blat mitnehmen soll. Es reut mich daß ich einige Stunden in der Commödie und nicht mit dir zugebracht habe. Künftigen Winter wird das wieder unsre beste Zeit seyn wenn die andern im Schauspiele sind und wir für uns ein hergebrachtes liebes stilles Leben führen.

Leider wird mir der Sommer nicht zur schönen Jahrszeit da er mich gewöhnlich von dir entfernt.

Schreibe mir nur recht viel. Ohne dich ist mir eine Lücke in meinen Tagen die ich noch nicht ausfüllen lerne.

Lebe wohl du lieber Innbegriff aller meiner Freuden und Schmerzen, Lebe wohl.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6CF7-E