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An Johann Gottfried Schadow

Auf höhere Veranlassung nehme mir die Freyheit Ew. Wohlgeboren über einen schon bekannten Gegenstand, nämlich das Blücher'sche Monument für Rostock gegenwärtig zu unterhalten. Das von Ew. Wohlgeb. verfertigte Modell ist in meinen Händen und ich darf nicht ablehnen, darüber meine Gedanken zu eröffnen. Da ich aber der Meinung bin, daß eine Unterhandlung über ein zu fertigendes Kunstwerk zwischen dem Kunstfreunde und dem Künstler unmittelbar zu veranstalten [116] sey, so nehme mir die Freyheit dasjenige zu übersenden, was mir über das vorstehende Modell beygegangen. Entschließen Sie Sich zu einem zweyten, so wünsche ich, daß Sie es, sowohl wegen erst bemeldter Ursache, als auch der Abkürzung des Geschäfts willen, unmittelbar an mich senden möchten.

Was ich Herrn von Preen geantwortet, lege ich abschriftlich bey, damit in einer so bedeutenden Sache eine wechselseitige Aufklärung nilcht fehlen möge.

Der ich in Erwartung gefälliger Antwort die Ehre habe mich hochachtungsvoll zu unterzeichnen

ergebenst
Weimar 25. Octbr. 1815.
J. W. v. Goethe.

[Beilage.]
Weimar, den 25. October 1815.
Betrachtungen bey einem Modell
des Blücher'schen Monuments für Rostock.

Mein Vorschlag wäre, den rechten Fuß zum Standfuße zu machen, wodurch der doppelte Vortheil entspränge, daß die rechte Schulter, nach welcher das Gesicht gerichtet ist, schon für sich höher käme, auch der Commandostab mehr rückwärts seinen Platz fände, und sich, zu einigem Anhalten, mit dem Körper verbinden ließe. Die Brust und der rechte Schenkel wären frey und dem einfallenden Lichte völlig zugänglich; daß allsdann der linke Fuß vorträte und der Säbel auch vorrückte, würde, sowohl artistisch als symbolisch, [117] vortheilhaft seyn, indem sich dieser Held beynahe noch mehr durch That als durch Befehl auszeichnet.

Der Brust wünschte ich einen Harnisch, weil ein solches Waffenstück, als eine große Partie, das Licht gar schön auffängt. An den Füßen wünschte das Nackte durch größere Faltenpartien bezeichnet, Löwenhaut und Kopf mehr symbolisch als real dargestellt, worin uns die Alten z.B. bey der Nebris der Bacchanten vorgegangen. Da die rechte Schulter nach dem gethanen Vorschlage ohnedieß in die Höhe kommt, so möchte die hier angebrachte Tatze zu verflächen seyn. Wie denn auch durch Symbolisirung der Löwenhaut die Rückseite der Statue, welche auf einen freyen Platz zu stehen kommt, interessanter werden müßte, wenn die Form des Körpers deutlich durchschiene. Vielleicht würde das Piedestal nicht rund, sondern viereckig gemacht, mit einfachem Simswerk verziert und, um für das Ganze mehr Höhe zu gewinnen, auf einen auf jeder Seite etwas vorspringenden Untersatz gestellt, welcher wohl eine Elle hoch werden dürfte. – Die viereckige Gestalt der Base bietet auch für die Inschrift mehr Bequemlichkeit dar als die runde.

Doch kann alles dieses der Kunstfreund nur andeuten und wünschen; dem Künstler, der mit Geist und Geschmack solche Werke ausführen soll, setzt freylich Material und Technik Schwierigkeiten entgegen, die nur von ihm zu beurtheilen und zu überwinden sind. Soviel für dießmal. Die Sache ist von solcher[118] Wichtigkeit, daß in der Folge wohl noch manchmal darüber zu interloquiren seyn möchte; einsichtigere Meinung nicht ablehnend.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Johann Gottfried Schadow. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6DA7-7