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An Johann Jacob von Willemer

Als der gute Sulpicius mich in Würzburg verlies und ich mich auf den weiten fränckischen Stoppelfeldern unter hasenjagenden donischen Cosacken allein sah, hätte ich meine beschleunigte Rückreise gewiß bereut, wenn nicht die Nothwendigkeit derselben mir vor Augen gewesen wäre, noch mehr aber die Gewißheit mich beruhigt hätte daß ich den Freunden so wie sie mir immer gegenwärtig wäre.

Wie angenehm hat mich daher das Protokoll vom 18ten Octbr. überrascht, welches, in so bedeutendem Augenblick von so lieber Hand verfaßt, mir die Freuden des vorigen Jahrs, das Glück des jetzigen unmittelbar wieder zu Herz und Sinn brachte. Auch die von Anfang der Welt sich herschreibende Jahrzahl hat ihre Wirckung nicht verfehlt und ich hoffe wir wollen immer so fortrechnen.

Wie ich voraussehen konnte, waren die Tage seit meiner Ankunft am 11ten bis heute den 26ten sehr unruhig. Das Theater fand ich erschüttert auf einen Grad daß der Philosoph am Mayn es doppelt und dreyfach verwünschen würde. Vor der Abreise des jungen Hofes gab es hunderterley Beredungen, Auf träge und Bestellungen, nicht weniger häufige Besuche russischer Magnaten und Schönheiten; wie denn heute die Untergötter Baskiren Cosacken u. dergl. das [120] Bißchen Herbstluft vor sich her nach Norden zu treiben scheinen.

Am 18ten fuhr ich mit Freund Meyer auf unsre Hügel um die Feuer welche auf Thüringens Höhen, zwar nicht so reichlich und prächtig als am Mayn, aber doch ganz anständig und fröhlich brannten, im Ganzen zu überschauen; da vergegenwärtigte ich mir die Freunde und die über Franckfurts Panoram so zierlich aufpuncktirten Flämmchen, und zwar um so mehr als es gerade Vollmond war, vor dessen Angesicht Liebende sich jedesmal in unverbrüchlicher Neigung gestärckt fühlen sollen.

Das Buch Kabus kommt mit dem Postwagen. Diesem Weisheitsbuche ist ein dichterisches Blättchen beygefügt, dem Divan entnommen, welcher um viele Glieder gewachsen ist. Ich schickte mehr, wenn ich nicht bedächte daß es wohl besser sey diese Novitäten einige Monate aufzuheben, damit man, bey erneuter Gegenwart, auch wieder mit neuen Gaben vor den Freunden erscheinen könne.

Nun das Herzlichste Lebewohl. Die schönsten Grüße an die liebe Rosette und die sämmtlichen Kinder. Hat denn die ernste Vorsteherinn mir gar nichts mitzutheilen? Die Angelegenheiten des Vereins sind auch im Norden sehr wichtig.

Möge es Allen recht wohl ergehen.

W. d. 26. Octbr. 1815.

Goethe. [121]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Johann Jacob von Willemer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6DB6-5