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An Heinrich Friedrich von Diez

[Concept.]

[15. November 1815.]

Wenn auf Ew. Hochwohlgeb. verehrliches und lehrreiches Schreiben in geraumer Zeit nichts erwidert, so wird mir zu einiger Entschuldigung dienen eine viermonatliche Abwesenheit vom Hause. Daß ich sogleich bey meiner Rückkunft wegen der Catalogs der orientalischen Sammlung nach Gotha geschrieben, bezeugt beyliegendes Schreiben des Herrn Hofrath und Oberbibliothekar Jacobs, von welchem begleitet ich ein Exemplar vor einigen Tagen erhalten. Es geht mit der fahrenden Post an Ew. Hochwohlgeb. ab und steht ganz zu Diensten. Wie erfreut es mich, daß ich für so viele Belehrung und Aufklärung hiedurch etwas Freundliches erzeigen kann. Sobald ich Herrn Lorsbach gesprochen, vermelde wie weit derselbe mit der Revision gekommen. Durch Seezens Tod geht denn nun leider noch so manches Bemerkte und Angeschaffte verloren.

Das weite Feld des orientalischen Studiums giebt mir sehr frohe Ansichten, leider fehlt mir die Kenntniß der Sprachen, an welche seit meiner Jugend kaum mehr denken können. Wie höchst schätzbar daher jene [152] Vermittlung sey, die wir Ew. Hochwohlgeb. verdanken, darf ich nicht erst betheuern. Das Studium Ihrer Einleitungen in das Buch Kabus, sodann des Werkes selbst, vergegenwärtigt uns Sinn und Geist jener merkwürdigen Völker. Die Schrift Achmet Effendi setzt die neuere Denkweise und den gleichzeitigen Zustand in's hellste Licht. Wie ich denn auch den 2. Theil der Denkwürdigkeiten, nach Ihrer gefälligen Zufrage, zum voraus dankbar, erwarte.

Höchst wichtig ist es für den Kunstfreund die alten Mythen, Fabeln und Legenden kennen zu lernen, aus welchen die Griechen ihre Gedichte, ja selbst ihre plastischen und mahlerischen Arbeiten, kunstreich gleichsam epitomisirt haben. Man wird dadurch in den Stand gesetzt, Stoff und Behandlung zu vergleichen, welches mir bey ästhetischer Beurtheilung immer das Fruchtbarste zu seyn scheint. Nach dem Polyphem trage daher ein großes Verlangen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Heinrich Friedrich von Diez. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6E3D-F