25/7006.

An den Herzog Carl August

Ew. Durchl.

gnädigstes Schreiben vom 16ten dieses habe, zu meiner danckbaren Freude, bald zu erhalten das Glück gehabt. Bergrath Lenz hat sogleich die verlangten Egel eingepackt und sie sind, nebst einem Schreiben an Dr. Bremser, an Geh. R. Voigt übergeben worden. So gut ist es, daß auch die unscheinbarsten Dinge geachtet und aufbewahrt werden, weil man immer einmal dadurch erfreuen und nutzen kann.

Der biographische Versuch über Prinz Ligne ist sehr glücklich gerathen und setzt eine schöne Übersicht [176] des Weltwesens voraus. Ich habe mich dadurch auf's wunderbarste angeregt gefunden, und sogleich angefangen, unserm abgeschiednen Freunde ein Requiem zu dichten, wovon einsweilen der Eingang beyliegt. Ich bin schon weit hinein, und wäre wohl schon fertig, wenn nicht die Bewegung der festlichen Tage meine geringe Thätigkeit für das Nächste in Anspruch nähme. Ich hoffe aber bis zur Hälfte Februars das Ganze zu Stande zu bringen und werde es dann sogleich an Graf Odonel senden.

Haben Ew. Durchl. die Gnade mich diesem trefflichen Manne vielmals zu empfehlen. Unter den neuen Bekanntschaften, die jene große Völkerfluth mir zugeführt, behauptet er allerdings den ersten Rang. Möchten doch die äussern Umstände ihm so günstig seyn als er es verdient.

Im Orient, wo ich mich jetzt gewöhnlich aufhalte wird es schon für das höchste Glück geachtet, wenn von irgend einem demüthigen Knecht, vor dem Angesichte der Herrin gesprochen wird und Sie es auch nur geschehen läßt. Zu wie vielen Kniebeugungen würde derjenige hingerissen werden, deßen Sie selbst erwähnte! Möchte ich doch allerhöchsten Ortes nur manchmal nahmenweise erscheinen dürfen!

Da Ew. Durchl. gewiß in Gesellschaft öfter auf Orientalisten treffen, so dient es vielleicht zur Unterhaltung, wenn erzählt wird: daß wir vor Kurzem, zu hiesiger Bibliotheck, ein wohl erhaltenes unvergleichliches [177] Prachtstück Persischer, handschriftlicher Art und Kunst angeschafft haben. Es ist das Methnewi des Mohammed Dschelaleddin Rumi, ein Gedicht welches von den Sofis für das fürtrefflichste Buch nach dem Koran gehalten wird. Dieses Exemplar ist in Schiras geschrieben, und zwar zu einer Zeit, wo diese Stadt die Residenz der Persischen Kayser war, welches sie ohngefähr um 1500 aufgehört hat zu seyn.

Mögen Ew. Durchl., indessen wir die Fundgruben des entferntesten Orients mentaliter wühlen, in dem nächsten Osten, persönlich die Erfüllung Ihre Wünsche und der unsrigen erfahren!

unterthänigst

W. d. 29. Jan. 1815.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-70C1-0