6/1943.

An Samuel Thomas von Sömmerring

Sie haben mir durch Übersendung des Elephanten-Schädels ein großes Vergnügen gemacht. Er ist glücklich angelangt, und ich verwahre ihn in einem kleinen Cabinete, wo ich ihm heimlich die Augenblicke widme, die ich mir abbrechen kann, denn ich darf mir nicht merken lassen, daß ein solches Ungeheuer sich in's Haus geschlichen hat.

Mein Wunsch wäre nur ihn mit nach Weimar [292] nehmen zu können, von da Sie ihn längstens Anfang September, wenn Sie ihn nicht eher brauchen, zurück haben sollen. Ich mögte ihn gar gerne mit einem großen Schädel, den wir besitzen, und mit andern Thierschädeln vergleichen, besonders da meine Hoffnung, die meisten Suturen und Harmonien unverwachsen zu finden, glücklich eingetroffen ist. Wie sehr mich diese Wissenschaft, der ich im eigentlichen Sinne nur Minuten widmen kann, anzieht, werden Sie leicht fühlen, da Sie sich ihr ganz gewidmet haben. Welch Vergnügen würde es mir sein, Ihnen bald einmal von meinen kleinen Bemühungen Rechenschaft geben zu können.

In Weimar haben wir einen Ballon auf Montgolfierische Art steigen lassen, 42 Fuß hoch und 20 im größten Durchschnitt. Es ist ein schöner Anblick, nur hält sich der Körper nicht lange in der Luft, weil wir nicht wagen wollen, ihm Feuer mitzugeben. Das erstemal legte er eine Viertelstunde Wegs in ungefähr 4 Minuten zurück, das zweitemal blieb er nicht so lange. Er wird ehstens hier steigen.

Auf den Schädel des Hippopotamus hatte ich gleich nicht so sicher gerechnet als auf Ihre Gütigkeit. Vielleicht glückt es in der Folge. Durch wen könnte man denn etwa dazu gelangen? Besonders da der Herr Landgraf abwesend ist. Ich kenne die Verhältnisse in Cassel wenig, und weiß nicht wer über Todte und Lebendige gebietet.

[293] Ich freue mich recht auf Mercken, wenn er von Klein Lanckum zurückkommt, er wird sich so vollpfropfen und es wacker wiederkäuen.

Ich komme noch einmal auf den Schädel zurück. Die ossa unguis waren mir ein erwünschter Anblick. Eh' ich von Weimar ging, zeichnete ich auf unsern großen Schädel die Suturen wo ich sie muthmaßte, um nachher zu sehen wo ich mich geirrt hätte. Von den ossibus unguis fand ich keine Spur.

Wenn Sie zu irgend einer Druckschrift etwa ein Präparat zu zeichnen oder zu stechen haben, so schicken Sie es mir, ich habe einem jungen Menschen Anleitung gegeben nach der Camperischen Manier zu arbeiten, er verspricht viel. Leben Sie recht wohl.

Ew. Wohlgeb.

ergebenster Diener

Eisenach den 9. Juni. 1784.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An Samuel Thomas von Sömmerring. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7767-A