6/1995.

An den Herzog Carl August

Durch Ihre Frau Gemahlinn habe ich einen Grus, und durch die Staffete einen Brief von Ihnen erhalten, ich dancke für beydes und eile Ihnen aus dem stillen Kreise meines Lebens einige Nachrichten zu geben die für Sie interessant seyn könnten.

[377] Zuerst muß ich sagen, daß mich der Inhalt Ihres Briefs nicht befremdet hat. Denn obgleich das Schachspiel dieser Erde nicht genau zu kalkuliren ist, und ein fehlerhaffter Zug manchmal Vortheil bringt, so schien es mir doch beynahe unmöglich daß die Schritte es F. v. D. zu etwas gutem und zweckmäsigen führen sollten, besonders war seine letzte Reise ein hors d'oeuvre, wie die Unterredung des Prinzen mit Emilie Galotti im Kreutzgange, worüber sich Marinelli mit Recht zu beschweeren hatte. Ihre Verwunderung beym Anblick des K. R. M. konnte ich mir vorausdencken. Es ist mir dann aber doch ietzo sehr lieb daß Sie die Reise machen, Menschen und Verhältnisse selbst sehn und in der Folge entweder sich zurückeziehn, oder aus eigner Erfahrung, Trieb und Überzeugung handlen.

Nun zu dem Haushalte. In Daasdorf wird ein Anfang mit Umreisen eines Theils des Angers gemacht, ob wir gleich noch nicht mit des Guts Übergabe zu Stande kommen können. Dem Pastor will die Einrichtung noch nicht in den Sinn, seiner alten Frau, die eigentlich Herr ist, noch weniger. Wir gehen sehr gelinde und sachte zu Wercke, um unsern Zweck zu erreichen, und ihnen die Weege zu allen Entschädigungs Gesuchen abzuschneiden. Ich habe dem Cammerassessor Büttner und Cammer Calkulator Treuter die Sache besonders aufgetragen, um auch diese in's Intresse zu ziehen, die Ausführung zu erleichtern, [378] und sie in ihren Handelsweisen näher kennen zu lernen.

Im Grimmenstein ist alles in voller Arbeit, und ich hoffe bey Ihrer Wiederkunft sollen Sie das Raub und Rattennest wenigstens so umgeformt finden daß die Wohlthätigkeit ein Absteigequartier daselbst nehmen kann. Den von Bertuch eingegeben Riß, den der Zimmermeister Curt gefertigt hatte, fand Castrop unausführbar, weil zu vieles in dem alten Wercke hätte müssen umgeändert werden, und würcklich bey näherer Untersuchung war der Vorschlag sehr kostspielig und mit Gefahr verknüpft. Er that deswegen einen andern, ich berief Bertuchen, dem er auf dem Platze vorgelegt wurde; man überlegte, maß und fand daß derselbe Entzweck erreicht werden würde und daß die neue Einrichtung gegen die erste vielleicht einige Mängel, dagegen aber auch wieder Vortheile haben werde. Es wird also darnach die Abtheilung gemacht. Verschlossne Bäncke, Räder pp werden auch gleich besorgt, und der Körper bis zur Belebung geformt werden.

Der Gesundbrunnen in Ilmenau worauf der arme Docktor Schwabe seine ganze Hoffnung gesezt hat und schon völlig überzeugt ist daß die schwachen Nerven seines Beutels dadurch auf das dauerhaffteste gestärckt werden würden, ist von Göttlingen sehr verständig und ausführlich untersucht worden, und es findet sich daß das Wasser Gyps und Kalchtheile und[379] sonst weiters nichts, also eher schädliche als heilsame Ingredienzien enthält. Ich will ihm den darüber gefertigten Aufsatz zuschicken lassen, und er wird hoffentlich erkennen daß es ein Irrlicht war das ihn auf das sumpfig quellige Fleck geführt hat.

In Jena ist auch alles in Ordnung, das Hospital abgetragen, und kan der Plaz nun den Winter über liegen bleiben, der Brücken Bogen ist frey, und wäre dadurch die letzte Hinderniß die sich dem Ablaufe des Wassers entgegen stellte gehoben. Der abgestochne Rand der Mühllache wird auch beflochten, wir haben diese Arbeit die ieder Besitzer unter Aufsicht verrichten muß dadurch erleichtert daß wir ihnen die benötigten Pfäle dazu verwilligt haben. Es macht dieses gegen den Vortheil der für das Publikum erreicht wird eine kleine Summe.

Übrigens gehe ich das Cammerrechnungs Wesen durch und werde überhaupt wenn Sie wiederkommen einige Vorschläge wegen dieses Departements thun.

Was sonst vorgefallen ist werden Sie durch andre vernommen haben. Ausser dem Brand von Hammerstädt weis ich nichts schlimmes. Ihre Frau Mutter war am 24. Oktbr. vergnügt und munter. Alle dichterische Federkiele hatten sich geregt und allerley kleine harmlose Gaben waren dargebracht worden. Prinz Constantin verherrlichte das Fest durch seine Gegenwart und Tags drauf sahen wir einen Prinzen als Irrwisch gleichfalls zu Ehren der Geburtsfeier [380] auf dem Theater. Knebel wohnte acht Tage bey mir und ist wieder nach Jena. Die Stein hat mich auch wieder verlassen, sie schleppt an dem Kochberger Wirthschaffts Kreuze, sie theilt blos das Übel ohne es heben zu können.

Das fünfte Buch von Wilhelm Meister habe ich indessen geendigt und muß nun abwarten wie es aufgenommen wird.

Einen Brief an Sömmring über den famosen Knochen, dessen Mangel dem Menschen einen Vorzug vor dem Affen geben soll, habe ich auch geschrieben und werde ihn ehstens mit einigen Zeichnungen abgehen lassen. Waiz wird fast täglich besser, er hat den Cassler Elephantenschädel ganz trefflich gezeichnet.

Wenn Sie nach Darmstadt kommen, haben Sie doch die Güte den Herrn Schwager höflichst auf die 20 Louisdor zu exequiren die er auf seine Kuxe zurücksteht. Er hat mir nicht einmal geantwortet, oder den Empfang melden lassen. Wenn er ia mit unsern unterirdischen Operationen nichts zu thun haben will, und die Erinnerung an das Ilmenauer Leben ihm das Geld nicht aus der Tasche locken kann; so wünschte ich nur daß er die Gewährscheine zurückschickte und sich lossagte.

Das Vertrauen des auswärtigen Publici wächst immer, indessen unser innländisches sich gutmütig mit Fatalitäten beschäftigt die uns zustosen sollen. Neulich [381] haben sie zugleich das Werck ersäuft, und die Arbeiter durch Schwefel Dünste umgebracht.

Grüsen sie Lavatern recht sehr, denn ich nehme als bekannt an daß Sie ihn sehen werden, auch Schlossern und wen Sie gutes begegnen.

Wie sich auch ihr Geschäffte wendet, betragen Sie Sich mäsig, und ziehn Sich wenn es nicht anders ist heraus, ohne Sich mit denen zu überwerfen die Sie hineingeführt und kompromittirt haben. Die Reise des B. fiel mir gleich auf.

Noch hat mir Bode einen Auftrag gegeben, auf den er sich balde Antwort erbittet. Sie haben ihm gewiß vor einiger Zeit gesagt daß man Ihnen ein groses Capital angeboten, das wahrscheinlich Jesuiten Geld seye. Er habe für einen guten Freund die Summe von 40/m Thalern nötig, ob Sie ihm nicht näher den Canal angeben könnten und wollten durch den zu diesem Anlehn zu gelangen seye.

Einer Pariser Loge fällt es ein, einen neuen Congress zusammen zu berufen, der das Schicksaal der vorigen haben wird. Vielleicht hören Sie etwas in Strasburg davon. Bode ist auch eingeladen, es fehlt nur am feurigen Wagen zu dieser Propheten Reise.

Leben Sie recht wohl, und gedencken der Ihrigen in fremden Landen. Ich schreibe bald wieder. Wenn ich mich repetire; so verzeihen Sie.

[382] Hier ein Probedruck von einer Radirung Fritzens nach einer Kobelischen Zeichnung. Leben Sie recht wohl. Weimar d. 28. Oktbr. 1784.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-78B9-8