26/7189.

An Carl Ludwig von Knebel

Unverantwortlich muß ich es selbst nennen, wenn ich so lange nichts von mir hören lassen. Zu meiner Entschuldigung möcht ich dir recht bald erzählen, wie ich seit 4 Monaten, als ein Ball, von mehr guten als bösen Ereignissen hin und wieder geworfen worden. Denn es ist doch wohl seltsam genug, wenn ich gestehen muß, daß ich mehr dem Willen anderer als dem meinigen gefolgt bin. Da mir aber dadurch planlos mehr Gutes zugegangen, als mir nach dem wohlüberlegtesten Plan hätte werden können, so habe ich alle Ursache zufrieden zu seyn und suche nun, indem ich in der Erinnerung lebe, die Erfahrungen mir und andern zum Besten zu leiten.

Ich bin veranlaßt worden, über Kunst und Alterthum in den Rhein- und Mayngegenden dasjenige zu[105] Papiere zu bringen, was zu wiederholten Malen theilnehmend, ja leidenschaftlich ausgesprochen worden. Auch dieses thu ich mehr andern als mir zu Liebe, denn freylich in diesem Augenblick, wo so vieles in Bewegung ist, fürchten die Einsichtigen, manches möchte sich falsch fixiren, und da wünschen sie, daß ich meine Meinung ausspreche, die zugleich die ihrige ist. Kommt dir dieses Heft zur Hand, wie es denn nicht lange säumen wird, so weißt du auf einmal, was mich bisher beschäftigte.

Zugleich muß ich dir mit Vergnügen melden, daß für den Divan sich neue reiche Quellen aufgethan, so daß er auf eine sehr brillante Weise erweitert worden. Bey Paulus habe ich 14 Tage arabisch geschrieben, welches zu manchen geselligen Scherzen Anlaß gab.

Das Wetter war in der letzten Zeit ganz himmlisch. Den 6. dieses befand ich mich noch in Carlsruh an einem unglaublich schönen Tage. Hebel ist ein ganz trefflicher Mann. Jung ist leider in seinem Glauben an die Vorsehung zur Mumie geworden. Ich darf nicht anfangen von Menschen zu reden, deren ich unzählige gesehen, und nehme für dießmal zugleich Abschied. Gerning bringt durch seine Art von Thätigkeit sich doch immer so durch und etwas weiter; weniger dünkelhaft würde er noch größere Vorschritte thun. Gegen mich hat er sich sehr gut betragen und es an einem dankeswerthen Gastgeschenk nicht fehlen lassen.

[106] Vor allen aber bitt ich dich, mein Theuerster, mir von deinen Gesundheitsumständen das Genauere zu melden; ich höre leider, daß es dir nicht zum besten geht. Sag mir auch von den lieben Deinigen.

Auch habe die Gefälligkeit mir zu sagen, womit du dich vorzüglich beschäftigst.

Gerning schickt hier noch ein paar Ovide. Es ist nichts lustiger, als wenn er mit einem solchen Exemplar den jungen Prinzessinnen ein Geschenk macht, die eigentlich nicht wissen, was es heißen soll, wenn die älteren Damen es mit einer schicklichen Miene zu ignoriren suchen.

Mir geht es nach meiner Art ganz gut, möge ich bald das Beste von dir hören.

Weimar den 21. Octbr. 1815.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7AF0-B