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An Sulpiz Boisserée

Den 11. Octbr. zu Mittag kam ich in Weimar an, nachdem mir zuletzt die Dämonen noch einige Gesichter geschnitten hatten. Ich that aber nicht dergleichen und so ging es vorüber. Vor allen Dingen warf ich mich auf den Aufsatz. Nun ist der Anfang, ohngefähr wie Sie ihn kennen, in die Druckerey; das Übrige mußte alles umgeschmotzen werden. An trocknem Holz und zinnernen Tellern haben wir's nicht fehlen lassen.

Daß ich zurückgeeilt, reut mich nicht, denn ich habe manche Verwirrung angetroffen, wo theils zu lösen, theils zu durchschneiden ist. Auch geht der junge Hof nächstens über Berlin nach Petersburg und zwar [108] auf einige Zeit, da gab es denn auch noch manches abzusprechen.

Die Heiligenbilder aus der Priesterfabrik zu Susdal sind mir abermals zugesagt. Sie sollen unterwegs, ja vielleicht schon hier seyn, nur ist man in Irrung wegen der Kiste worin sie befindlich. Es wäre mir sehr gelegen, wenn sie sich gerade jetzt aufthäten, denn ich bin schon bis an die Thore von Heilelberg gelangt und präparire einen feyerlichen Einzug, um, weniger re fractär als die Europäer in China, den heiligen drey Königen le compliment d'usage zu machen.

Haben Sie doch die Güte mir über Mannheim etwas Detaillirteres geschwind zu schreiben; denn was ich unaufmerksam gemerkt, fällt gar zu mager aus.

Die Gefälligkeit mir den Domriß mitzugeben, kann ich Ihnen nicht genug verdanken. Unserer Frau Großherzogin Hoheit, welche Sie schönstens grüßen läßt, hat das Werk viel Freude gemacht, und mehrere Beschauer sind von selbst darauf gekommen, auszusprechen, daß es ein Glück sey nunmehr ein Musterbild zu haben, wonach man ähnliche Arbeiten beurtheilen könne. unser Architekt sagte ganz unbewunden, seine Herrn Collegen hätten diese Bauart bisher einzuführen gewünscht, weil sie die Willkür zu begünstigen scheine; er hoffe, daß der Anblick dieses Risses sie erschrecken, und von jener Thorheit heilen werde. General Sivers besuchte mich gestern, er interessirt sich sehr für Sie und erwartet mit Schmerzen, was [109] gesagt werden soll. Unser Vorsatz ist schon weit genug erschollen, das ist desto besser; sobald das Werkchen erscheint, werde ich eine Anzeige davon in's Morgenblatt geben und dabey alles benutzen, was ich bey Seite ließ und deutlicher aussprechen, was ich in dem Heft andeutete. Und so müßte es nicht von rechten Dingen zugehen, wenn der löbliche Zweck verfehlt würde, wenn unsere patriotischen Feuerchen, die wir auf soviel Bergen und Hügeln des Rheins und Mayns anzünden, nicht auch patriotische Gesinnungen erregen und glücklich fortwirken sollten.

Antworten Sie mir übrigens bald und sagen mir etwas von Ihrem 18. Octbr. Auf unsern Thüringer Hügeln wurde er auch ganz löblich gefeyert. Grüßen Sie Melchior und Balthasar, der letztere macht, wie mir General Sivers erzählt, schon guten Gebrauch von meinen Äußerungen bey seinen gallerie-inspectorlichen Späßen, wofür er schönstens Dank haben soll. Wenn nur erst der Text anlangt, so wird sich noch manches zur Unterhaltung von Gästen aller Art auffinden lassen.

In den nächsten Tagen wird der Domriß sorgfältig wieder eingepackt. Soll ich das Kästchen, gut emballirt, auf die fahrende Post geben, oder soll ich es in den Kasten einschließen, worin ich das Schwänchen zu senden gedenke?

Herzllich dankbar für alles Gute und Liebe.

W. d. 23. Octbr. 1815.

G. [110]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8526-9