6/2018.

An den Herzog Carl August

Dieser Brief soll Ihnen hoffe ich noch in meinem väterlichen Hause begegnen und Sie auf Ihrer Rückreise willkommen heisen. Den Brief aus Zürch habe ich erhalten und mich Ihrer glücklichen Reise gefreut, Sie haben die Jahresfeyer von 79 in Zürch feyern können. Ich bin sehr neugierig wie Sie Lavatern gefunden haben, und in welchen veränderten Gesichtspunckten Ihnen Menschen und Land erschienen sind.

Bey uns wohnt Friede wenigstens äussere Ruh. Die Holländer haben durch einen wunderbaren Gesandten Subsidien anbieten lassen. Einsiedel der Afrikaner ist als Holländischer Hauptmann und Substituirter bevollmächtigte des Rheingrafen von Salm aufgetreten. Die Bedingungen klingen ganz gut ich lege sie bey. Indessen war er schon selbst überzeugt daß es eigentlich nur ein Compliment sey das er anbringe, und ist über Dresden nach Berlin wo er seinen Substituenten finden wird. Noch weis niemand mit einiger Wahrscheinlichkeit [395] zu folgern was kommen werde. Die Zweydeutigkeit Franckreichs macht ieden verrwirrt.

Wir fahren indess mit unsern Ameisenbemühungen fort als wenn es gar keine Erdbeben gebe.

Vom Steigen und Fallen der Furcht, von zu befürchtendem Mangel und nothwendiger Sperre ist viel Fragens und Redens, vielerley Meynung, Rath und kein Schluß. Auch ist es leider eine Angelegenheit in der ein kleiner Staat fast nichts beschliesen kann. Gotha hat einen sehr eigennützigen Vorschlag unter dem Schein einstimmenden Wohlmeynens gethan.

Der Preis ist gefallen der Scheffel 1 rh. 15 gr. gegen Weynachten steigt er gewiss und weiter hinaus noch mehr. Bey der Kammer wird mit Verkaufen tauglichen Korns schon eine Zeit lang innegehalten. Wenn die diesjährige Kollecktion eingebracht ist, und man alles abzieht was an Bedürfnissen für Hof, Dienerschafft, Militar pp zurückzulegen ist bleibt etwa 9 bis 10 tausend Scheffel zum Verkauf.

Der Grimmenstein ist fertig und wird hoffentlich Ihren Beyfall haben, das Wetter hat uns sehr sekundirt.

Ich weis nicht ob ich schon gemeldet habe daß ein Theil des Angers bey Daasdorf umgerissen ist, und daß wir den trefflichsten Boden gefunden haben. Es wird sich an dem kleinen Gütgen recht viel artiges thun und zeigen lassen.

Schubartens Ausfall auf unser Reglement habe [396] ich gelesen, und mußte schon vorher daß es nichts taugte. Es ist aber nicht eigentlich der Fehler daß man ein schlechtes Reglement gemacht hat sondern daß man eins gemacht hat unter solchen Umständen. Der ganze Grundsatz desselben ist: ihr sollet zween Herren dienen. Und das ist auch der Text zu Schubarts Tadel. Man muß Hindernisse wegnehmen, Begriffe aufklären, Beyspiele geben, alle Theilhaber zu interessieren suchen, das ist freylich beschweerlicher als befehlen, indessen die einzige Art in einer so wichtigen Sache zum Zwecke zu gelangen, und nicht verändern wollen sondern verändern. Ich habe zu dieser Handlung ein besonder Concilium bestellt welches sich lustig genug ausnimmt. Der Assessor Büttner, der Cammer-Calculator Treuter, der Heichelheimer Pachter, der Postmeister Lüttich der selbst schon in der Stille diese Proben durchgemacht hat. In der Buttelstädter Ziegelhütte wird eine Gypsmühle angelegt. u.s.w. Der Schmidtische Pachter in Obringen macht auch Versuche und so dencke ich soll sichs nach und nach ausbreiten.

Von andern Dingen werden Ihnen andre geschrieben haben.

Unsere Gesellschafft wird gegenwärtig sehr durch einen Grafen Morelli unterhaltender von Braunschweig mit starcken Empfehlungen hierher gekommen ist. Er scheint mir ein ziemlich kluger Abentheurer der die Schwächen der Menschen leicht aufzufinden [397] und sich in sie zu finden weis, seine musikalischen Talente sind gros, er hat eine Leichte und gefällige Art zu seyn. Genug der leidenschafftliche Anteil den Tante Guftgen an ihm genommen hat, wird durch das Betragen unsrer Damen entschuldigt die sehr gesinnt zu seyn scheinen ihn für seinen Braunschweiger Verlust zu entschädigen. Was für Hoffnungen er auf Ihre Gnade hegt werden Sie wohl schon wissen, auch von dem übrigen Detail unterricht seyn. Sie haben soviel Correspondenten daß man fürchten muß Ihnen nur bekannte Dinge zu schreiben.

Bey Knebeln bin ich einigemale gewesen, er findet sich nach und nach in die Einsamkeit und in die Naturlehre. Diese Wissenschafft hoffe ich soll ihm von grosem Nutzen seyn sie ist sicher, wahr, manichfaltig, lebendig; man mag viel oder wenig in ihr thun, sich an einen Theil halten oder auf's ganze ausgehen, leicht oder tief, zum Scherz oder Ernst sie treiben, immer ist sie befriedigend und bleibt doch immer unendlich, der Beobachter und Dencker, der ruhige und strebende ieder findet seine Nahrung. Im Anfange kam sie ihm fremd vor da er nur an Dichtkunst und Geisteswesen gewöhnt war, ietzt aber wird ihm nach und nach der Sinn aufgeschlossen mit dem man die alte Mutter verehren muß.

Der ganze Aufwand in Jena wird auf 4000 rh. hinaufsteigen. Es ist nunmehr alles berichtigt und fast geendigt. Die Befestigung der Mühllache ist das [398] Letzte. Das academische Hospital muß bis aufs Jahr liegen, indessen ist doch der Brückenbogen frey.

Übrigens lebe ich insofern es die Umstände erlauben nach Vorschrifft meines Genius und befinde mich wohl, besser als mir sonst dieser Monat erlaubte. Möge Ihnen auch die Bewegung und Veränderung der Gegenstände recht wohlthätig seyn, und Sie zu rechter Zeit gesund zurücke kommen. Weimar d. 26. Nov. 1784.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8808-8