25/6977.

An Georg Heinrich Ludwig Nicolovius

[Concept.]

[7. Januar 1815.]

Dem verehrten Hamann, dem ich soviel schuldig geworden, dank ich auch gegenwärtig, nach seiner[133] Verklärung, daß er zum Mittler wird, uns in ein näheres, dauerndes und fruchtreiches Verhältniß zu setzen; ich erwidere daher auf Ihren lieben Brief sogleich Folgendes.

Ihre Zuschrift, mein Werthester, war mir um desto erfreulicher, als ich dadurch die Hoffnung wieder belebt sehe, Hamanns Werke gesammelt und herausgegeben zu wissen; ich selbst muß eine solche Arbeit für mich täglich mehr unmöglich achten. Eine neue Ausgabe meiner Schriften beschäftigt mich, in welches ich manches Mittheilbare, Ungedruckte aufnehmen möchte; als beständige Begleiter sollten meine biographischen Eröffnungen zur Seite fortgehen; auch möchte ich die Resultate dessen, was mir in Wissenschaft und Kunst geworden, nicht gerne dem Untergang oder dem Mißbrauch überlassen, und so ist, die zerstreuende Vorkommnisse des Tags nicht mitgerechnet, die mir vielleicht noch zugetheilte Lebensfrist ziemlich bedingt, wenn auch äußerer und innerer Friede mir den erwünschten Raum gestatten möchten.

In solchem Betracht habe ich für unmöglich gehalten, mich mit der Ausgabe Hamannischer Schriften zu befassen, werde aber das Unternehmen gern nach Vermögen fördern, wenn Sie, mein Werthester, sich der Redaktion unterziehen mögen.

Die Sache, näher betrachtet, hat manche Schwierigkeit; der Redakteur müßte sich am Druckorte befinden, er müßte die Revision des Druckes mit Liebe und [134] Aufmerksamkeit übernehmen, ja den Setzer und den Maitre en page dirigiren: denn Hamann hat solche Zierlichkeiten, in dem Abdruck seiner Schriften, daß etwas Ähnliches vor Augen zu sehn, den Leser gefällig zu dem innern Sinne hinneigen würde.

Ferner entsteht die Frage, wie man es mit den Schriften halten wolle, wozu er selbst Randglossen geschrieben, ja hineincorrigirt? Es fragt sich, druckt man die Schrift ab wie sie stand und bringt die Correctur als Varianten unten an, oder umgekehrt? wo setzt man die Randglossen hin? schaltet man sie in den Text, oder bringt man sie gleichfalls unten? Dergleichen Dinge giebt es noch mehr, die mit Geschmack, dem Auge gefällig, mit Ernst und Heiterkeit zu besorgen wären. Das Format ist auch nicht gleichgiltig; genug dieß alles zu überlegen, fortzusetzen, durchzuführen, ist schon eine Aufgabe.

Mögen Sie also, mein Theuerster, Ihre Zeit und Kräfte, in Liebe und Vertrauen gegen den Abgeschiedenen, an dieses Werk verwenden, so steht ihnen alles zu Diensten, was ich davon gesammelt habe.

Seltsamerweise bin ich gerade um die ersten Schriften, um die Sokratischen Denkwürdigkeiten und die Wolcken gekommen, welche aber wahrscheinlich in Ihren Händen sind.

Eine geschriebene Recension über die Herdeische Preisschrift wird man deswegen merkwürdig finden weil er sich noch heftiger und humoristischer, gegen [135] die natürliche Entwickelung der Sprache aus dem Menschen, und für die göttliche Überlieferung erklärt, als er es aus Schonung für Herder öffentlich gethan hat.

Die Briefe, welche das Verhältniß zu Präsident Moser einigermaßen aufklären, bin ich gleichfalls nicht abgeneigt mitzutheilen.

Auf dem beyliegenden Blatte finden Sie ein Verzeichiß der Hamannschen Schriften; was ich nicht besitze ist roth angestrichen. Alles kann erfolgen, sobald Sie es verlangen.

Lassen Sie mein Andenken in Ihrem Familienkreise immer freundlich fortleben!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Georg Heinrich Ludwig Nicolovius. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8ADE-7