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An Constanze von Fritsch

Frau von Lyncker ist mir niemals hübscher vorgekommen als da sie mir das köstliche Gefäß und die lang entbehrten holden Worte meiner lieben Freundinn übergab. Meinen empfundensten Dank für jenes erstatten Sie höchsten Ortes und Sich [41] selbst sehen Sie einmal im Spiegel recht freundlich an, in meinem Nahmen und zu meinem Andencken.

Die Geschichte meiner Wanderungen theilt sich in zwey Epochen, eine günstige und eine Widerwärtige. Gute Wirckung des Bades, schönes Wetter, gemäße Thätigkeit, ununterbrochen fast einen Monat; dann kaltes Wetter, Carls Krankheit, worüber ich in Mismuth und Unthätigkeit verfiel, indem ich zugleich einen Diener, Rechter und Schreiber vermißte. Nun scheint sich's mit allem wieder in's bessre zu schicken. Auch die Übel sind nicht ohne Vortheil gelieben; denn ich habe gelernt daß man bey meiner Taille, mit Rheumatismus in der Schulter doch noch, wenn's Not thut, enge seidne Strümpfe selbst anziehen kann.


Montag d. 17ten.

Gedachtes Kunststück habe abermals gestern durchgeführt, es war aber auch der Mühe werth. Ein Fest in Bibrich zu Mittage, abends hier im Cursaal, welches Erzherzog Carl durch seine Gegenwart verherrlichte, war, bey dem doppelten schönen Local, höchst erfreulich. Nur konnte man niemanden seine Freude über das allgemeine Glück mittheilen, der nicht einen Familien Verlust zu bedauren hatte. Aber am betrübtesten war der Herzog selbst, der sich auf die würdigste Weise darüber erklärte.

Durch solche Feste und sonstige Unnäherungen bin in soviel Verhältnisse gekommen nach manchen [42] Seiten eingeladen worden, daß es mir bange wird wie ich scheiden will, ohne für unartig gehalten zu werden, und am Ende muß man doch auf den Rückzug denken.

Wie viel sollen Sie mir nicht von Wien erzählen! Damit ich wieder Muth fasse unsern allerhöchsten und hohen Damen auch nur in Gedancken mich zu nähern; wo nicht gar, wenn die Liebe zu kleinen Büchelchen noch obwaltet, mein Andencken wieder anzufrischen.

Mit der Bitte mich unsrer unmittelbarsten, gnädigsten Herrin oft und dringend zu empfehlen, schließe und nenne mich aufrichtig

Den Ihrigen.

Wiesb. d. 18. Juli 1815.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Constanze von Fritsch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8F23-E