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An den Großherzog Carl August

Durchlauchtigster Großherzog
gnädigster Herr,

Ew. königliche Hoheit einige Nachrichten schuldigst mitzutheilen hat mir bisher nicht gelingen wollen; denn verschiedne an Höchstdieselben gerichtete Blätter veralteten über den anderen Tag, und da überhaupt das Beste was ich zu sagen hatte mehr in Betrachtungen als That, mehr in Reflexion als Begebenheiten bestand, auch dergleichen dem Papier anzuvertrauen nicht räthlich; so habe von Woche zu Woche gezaudert, die ich noch überdem in ziemlichem Unmuth über häusliche an fremdem Ort sehr beschwerliche Übel zubrachte.

Nun aber seyen die ersten heiteren Stunden Höchstdenenselben gewiedmet und vor allen Dingen meine aufrichtigste herzlichste Danckbarkeit ausgesprochen, für die meinem Sohn gnädigst gegönnte Beförderung; möge er sich jederzeit Ihro Höchsten Bemerckung werth machen.

Für mich selbst habe dann auch einen freudigen Danck hinzuzufügen. Denn als ich gestern mich bereitete, auf den Johannisberg zur Übergabe an Ihro Kayserl. Maj. von Österreich zu fahren, trat Herr v. Hügel herein, mir Glückwünschend daß Allerhöchstdieselben mich zum Commandeur des Leopoldsorden zu ernennen geruht, wobey ich sogleich, in meiner [47] frohen Verwunderung gedachte, wie auch dieses Gut Ew. königl. Hoheit früherer Verwendung schuldig geworden, und also auch die Feyer dieses Tags in danckbarer Erinnerung an Höchstdieselben zubrachte. Nach vollbrachter Übergabe, nach einem Umgang um Schloß und Berg, sodann einem heitern Mittagsmahl, die Gegend immerfort bewundernd, sah ich denn den Kayserl. Adler über den alten, in Eisen gegossnen Fuldischen Kreuzen schweben und also auch den Besitz dieses merckwürdigen Erdpuncktes entschieden. Möge doch auch bald das Ew. Hoheit zugesagte wircklich zu Theil werden. In diesen Tagen wird wohl die Übergabe jenes Landstrichs an Preußen geschehen.

Erzherzog Karls Kayserl. Hoheit ertheilten mir den freundlichsten Auftrag zu den allerbesten Empfehlungen als ich am 18ten in Maynz aufwartete. Das Gleiche war den 16ten am großen Feste zu Bibrich von den hiesigen Herrschaften geschehen.

Mögen Höchstdieselben auch meiner bey Ihro Frau Gemahlinn Hoheit in Gnaden gedencken und meiner ewigen Anhänglichkeit einen gnädigen Blick gewähren!

unterthänigst

Wiesbaden d. 20. Jul. 1815.

treu gehorsamstJ. W. v. Goethe


In einem Beyblatte gedencke der Hoffnung und Zuversicht daß Höchstdieselben mir noch einen längeren Aufenthalt in diesen Gegenden gewähren mögen.

[48] Der Großfürstinn Catharine Kayserl. Hoheit aufzuwarten gelingt mir wohl heute.

Einer freundlichen Einladung des Herrn von Stein zu Folge bereite ich mich in diesen Tagen denselben zu besuchen.

Die Empfindung in diesem Augenblicke ist sehr angenehm daß, durch das allgemeine Glück die Herzen mehr geöffnet, sich freyer gegen einander bewegen. Klänge nicht hie und da die Mishelligkeit innerer Partheien hervor; so würde man sich im Himmel glauben. Auch blickt schon wieder niemand nach Paris mit Zufriedenheit.

Der Ihrigen sich empfehlend

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-969B-B