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An Christiane von Goethe

Von dir wieder ein Wort zu vernehmen war mir sehr erfreulich. Wohl hat uns beyde der Sommer übel behandelt und darin hast du vollkommen recht [78] daß man sich, durch äussere Gegenstände, von der Betrachtung seines innern Zustandes zerstreuen müsse. Die angenehmsten Tage die ich zubrachte, waren immer die wo alles so schnell zuging daß ich nicht an mich dencken konnte. Deshalb mache dir soviel Bewegung und Veränderung als du kannst, in diesen schönen Tagen und dencke darauf wie wir diesen Winter abwechselnd die Tage zubringen. Etwas Musick wäre sehr wünschenswerth, es ist das unschuldigste und angenehmste Bindungsmittel der Gesellschaft. Gegenwärtig bin ich in der Stadt, allein, in Willemers Wohnung, deren unschätzbare Aussicht du kennst. Von Morgens bis Abends ists unter meinen Fenstern lebendig, Tags laufe in der Stadt herum, Menschen und Sammlungen zu sehen. Franckfurt stickt voll Merckwürdigkeiten.

Seebeck war hier und wohnte mit auf der Mühle, Boisseree ist noch hier, Schlossers sind förderlich und liebreich. Wie gerne gönnt ich dir nur vierzehn Tage in dieser unendlich schönen Gegend! Mittags esse ich manchmal im Schwanen an Wirths Tafel, das ist auch in der Messe unterhaltend. Riese ist noch unverändert. Alle suche ich auch zu fördern und alle sind froh und freundlich. Das seiden Zeug ist gekauft, es gefällt jedermann. Manche Kleinigkeit bring ich mit, dencke wem man eine Artigkeit erzeigt? Riemers, M. Kirch, Kreiter, und wem sonst? [79] Friz Stein versäumt zu haben thut mir leid. Sein Brief ist gar liebreich, verständig. Suche die Mutter und übrige Frauen im Guten zu erhalten. In kleinen und großen Städten, an Hof wie im Freystaat ist Ruhe und nachgiebige Beharrlichkeit das einzige was leidlich durchs Leben bringt. Daß wir in Weimar sind, daß August sich in das Hofwesen so gut findet, ist unschätzbar. Wie sich das alles in diesen Paradies-Gegenden treibt und reibt ist höchst unerquicklich. Wie sehr wünsche ich über alles das mit dir zu sprechen, und wenigstens für die nächste Zeit hierüber Masregeln zu nehmen. Herr und Frau von Mettig sind hier, ich habe sie aber noch nicht finden können. Hofr. Schweizer besucht ich. Szen grüßt Augusten vielmal. Wegen meiner Rückkehr sag ich folgendes: Da es in vielem Btracht so schicklich als räthlich ist daß ich dem Gr. Herzog unterwegs begegne; so halte ich mich hier solange auf bis er zurückkehrt und sehe ihn wahrscheinlich in Heidelberg und kehre über Würzburg zurück. Das nähere erfährst du. Möge ich euch froh und gesund antreffen! Zu einiger Unterhaltung sende ein Kästchen ab mit dem Postwagen, darin ihr euch vergnüglich theilen werdet.

Gar mancherley habe ich vorgearbeitet welches diesen Winter fertig werden soll. Grüße August, Kreiter und die Freunde in der Stadt. Hofr. Meyer sage: daß ich ihn oft vermisse, indem ich Kunstwerke aller Art beschaue. August möge mich den Herrschaften [80] empfehlen! Und nun lebe wohl meine herzlich geliebte und dencke auf Unterhaltung für den Winter.

Frfurt d. 12. Sept. 1815.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9788-D