26/7212.

An Johann Gottfried Schadow

Weimar, den 12. November 1815.

Ew. Wohlgeboren

werden sich überzeugen, wie angenehm mir Dero Schreiben vom 4. November gewesen, wenn ich versichere, daß ich gegenwärtig keine andere Zufriedenheit kenne, als auf dem befreyten deutschen Boden, in gereinigter Luft, frühere schöne Verhältnisse wieder anzuknüpfen und für Kunst und Wissenschaft nach Kräften mitzuwirken. Empfangen Sie daher den verbindlichsten Dank für die freundliche Aufnahme meines Vorschlags. Ich billige sehr, daß der Künstler sich in seinem Unternehmen nicht irre machen lasse; doch habe ich selbst in manchen Fällen und Fächern die Vortheile gemeinsamer Berathung erprobt. Kunstfreunde sind eine Art von Vorpublicum; kommen sie mit dem Künstler überein, so werden sie, wenn das Werk erscheint, demselben eine Schutzwehr gegen so manche unerfreuliche Urtheile, die in einer ungebildeten und wogenden Menge nicht fehlen können. Mit Verlangen erwarte daher das [144] zugesagte zweyte Modell, und denke das erste, welches indessen vor mir steht, immer wieder durch; man erkennt daran so gleich den gewandten Meister. Die Gestalt des Kriegers ist brav, bewegt, geistreich, und man freut sich schon zum voraus auf eine künftige Ausführung.

Könnten Ew. Wohlgeboren sich im Januar kurze Zeit abmüßigen, so würde es mir sehr glücklich machen, Sie bey uns zu sehen. Daß es auf Veranlassung der Herrn Unternehmer geschähe, ist schon eingeleitet, und hiezu gäbe neuerdings das beste Motiv der Umstand, daß die Statue aus Kupfer getrieben werden soll. Unser wackrer Pflug in Jena lebt noch, geschickte Söhne stehen ihm bey, auch haben sich, nach seinem Vorgange, an genanntem Orte, so wie auch hier in Weimar, noch zwey andere Meister gebildet, und es in dieser Art zu arbeiten sehr weit gebracht. Ew. Wohlgeboren würden sie sämmtlich prüfen und einen oder den andern vielleicht zu einer Probe veranlassen, und so jene wichtige Ausführung vorbereiten. Wie mancherley schlösse sich wohl noch an, was zum Nutzen und Vergnügen gereichen könnte. Ich würde mich z.B. gern mit Ihnen berathen, wie man die Stelle unseres voreilig abgeschiedenen Weißers wieder ersetzen könnte, da Ew. Wohlgeboren gewiß junge Männer kennen, die sich dazu qualificiren.

Da ich, in meinem ersten Schreiben an Herrn von Preen, mir schon die Freyheit genommen, auf [145] eine solche Zusammenkunft anzuspielen, so werde in meinem nächsten, mit anzuhoffender Ihrer Genehmigung, der Sache erwähnen, ohne jedoch Ew. Wohlgeboren letztem Entschlusse irgend vorzugreifen.

Empfehlen Sie mich Herrn Hofrath Hirt zum allerschönsten; es freut mich sehr, daß er mir die alte Beweglichkeit der Vorstellung und Meinung noch zutraut. Grundsätze kann man nicht fest genug bey sich stellen, aber was die Anwendung betrifft, ist es Pflicht, sich freygesinnt und nachgiebig zu verhalten.

Ergebenst Goethe.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Johann Gottfried Schadow. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9F48-A