1815, 28. August.
Geburtstagsfeier in der Gerbermühle
bei Frankfurt
Morgens hatte Frau Hollweg in einem Boot Musik machen lassen, sehr schöne Harmonieen. Es war so eingerichtet, daß sie anfing, als Goethe eben aufstand. [216] »Ei, ei,« sagte er, etwas ängstlich und bedenklich, »da kommen ja gar Musikanten;« doch fand er sich bald zurecht, weil die Musik sehr gut war. Damit gab's ein Mißverständniß, mit einem Dukaten, den der Alte durch seinen Bedienten Karl an die Musikanten schickte. Sie wollten und konnten natürlich nichts nehmen, es war das Theaterorchester, und fanden sich dadurch beleidigt.
Willemer eröffnete den Tisch mit einer passenden Anrede und Anspielung auf Freimaurersitte, und brachte Goethes Gesundheit aus, mit Wein aus seinem Geburtsjahr (1749) es war 1748er Rheinwein. Durchgehend herrschte eine muntere Stimmung. Dann kam ein Brief vom Consistorium an Geheimerath Willemer, mit dem gedruckten Erlaubnißschein zur Haustaufe eines an diesem Tag geborenen, unehelichen Sohns Wolfgang. Ein zweiter Brief kam in Knittelversen, von einem Meistersänger Christian, darin war eine kurze Wiederholung von Goethes Biographie, soweit sie jetzt gedruckt ist, mit den Namen aller seiner Mädchen in den Reimen, aber ohne den seinigen. Goethe merkte es gleich; beide Späße waren von Dr. Ehrmann.
Ich legte die heilige Barbara von Eyck mit meinen darunter versteckten Versen in Goethes Schlafzimmer; zur Linken des Bildchens einen schönen Eichenzweig, zur Rechten einen großen Lorbeer, unten, wo beide sich kreuzten, einen dreischüssigen Kleezweig, dieß faßte das Ganze angenehm ein. Vor Tisch hatte ich ihm auf [217] seinem Zimmer von Glück gewünscht, und gesagt, daß ich ihm was mitgebracht. Ich fand ihn da gerade bei der Denkschrift beschäftigt, wir umarmten uns herzlich, und als ich meine Freude zu erkennen gab, gerade an diesem Tag hier mit ihm zusammen zu sein, sagte er: »Ja es ist recht schön und ominös.« Das kleine Geschenk und den Vers nahm er nun mit Rührung auf; es entfuhr mir die auf mich selbst störend wirkende Entschuldigung: es seien die ersten Verse, die ich gemacht. »Nun,« sagte er, »sie sind gut gedacht, das übrige wird schon kommen.« Dann las er mir seine Denkschrift von Köln vor. Es muthete mich an, wie ein Kapitel aus seinem Leben. Ich solle in diesen Tagen zu ihm heraus kommen, da wolle er mir alles noch einmal rascher in die Feder sagen, man sehe dann am besten, wo es noch fehle. Er wollte nicht, daß ich weggehe; ich blieb den Abend draußen; er las uns von seinen orientalischen Gedichten. Es herrschte eine heitere, freundliche Stimmung in dem kleinen Kreis.
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