1828, die nächsten Tage nach 7. Juli.


Mit Karl August Christian Sckell u.a.

Am Morgen nach der Ankunft Goethes erhielt er, wie an den folgenden Tagen, den Kaffee früh 6 Uhr aus meiner Küche; das Frühstück wurde um 10 Uhr, das Mittagsessen um 1 Uhr aus dem Rathskeller geholt. Beides behagte ihm nicht. Bald stellte sich daher der Secretär John wieder bei mir ein, um mir die Noth zu klagen. Ich machte den Vorschlag, das Essen bei dem Gastwirth »Zum Schieferhof« in dem, eine Viertelstunde entfernten, am Fuße Dornburgs gelegenen Dorfe Naschhausen zu bestellen. Man ging auf meinen Vorschlag ein, aber auch hier war Goethe nicht zufrieden. Beim Mittagsessen am folgenden Tage äußerte er gegen seinen Bedienten: bei dieser Kost könne er nicht bestehen; der Kaffee sei zwar sehr gut, aber davon allein könne er nicht existiren. Er trug nun John auf, nochmals Rücksprache mit mir zu nehmen und mir zu sagen, der Hofmarschall von Spiegel habe ihm gesagt, daß er sich wegen der Beköstigung nur an mich wenden möge; wolle ich dieselbe aber durchaus nicht übernehmen, so sehe er sich genöthigt am an dern Tage wieder von Dornburg abzureisen. Der Secretär John stellte mir das Unangenehme der Situation Goethes so lebhaft vor und drang so sehr in mich, außer Goethe doch auch ihn, den Bedienten [305] und Kutscher mit an den Tisch zu nehmen, daß ich mich endlich nach vielem Sträuben dazu bereit erklärte ..... Ich sandte nun Boten auf die umliegenden Dörfer nach Geflügel, Fischen und Aalen, nach Tautenburg an den Leibjäger Ciliax nach Wildpret aus. Meine Küche war bald bestellt, um die Zubereitung der Speise durch meine Frau durfte ich ohne Sorge sein. Schon nach dem ersten Frühstück äußerte Goethe gegen seinen Bedienten: »Das ist ein guter Anfang!« und bei dem, aus fünf Gängen bestehenden Mittagsessen: »Das lasse ich mir gefallen!« Nach Tische kam Goethe selbst zu mir, klopfte mich auf die Achsel und sagte: »Fahren Sie so fort, guter Freund! Auf diese Art werden Sie mich aber sobald nicht loswerden.«

– – – – – – – – – – – – – – – – –

Goethe hatte seine eigene Equipage mitgebracht, fuhr jedoch wenig aus; als ich daher etwa acht Tage nach seiner Ankunft einmal bei ihm auf dem Zimmer war, sagte er: seine Pferde müßten ja steif werden, da er sie so wenig brauche, er wolle sie doch lieber zurückschicken, da die Seinigen immer Geschirr brauchten; wolle er einmal wegfahren, so könne man ja wohl hier ein Geschirr bekommen. Ich erwiederte: »Ja wohl! Ich darf nur, wenn es Ew. Excellenz wünschen, zu dem großherzoglichen Kammergutspachter Liesegang gehen, von welchem Sie gewiß stets Geschirr bekommen werden.« Er schickte nun seine Equipage nach Weimar [306] zurück und bediente sich der des Kammergutpachters, während Sohn und Schwiegertochter erstere fleißig benutzten, um nach Dornburg zu fahren. Gewöhnlich brachte Frau v. Goethe etwas Gemüse, namentlich Blumenkohl mit, welchen Goethe sehr gern aß, der aber hier nicht aufzubringen war. Auch feines Backwerk, Torten und dergleichen, brachte Frau von Goethe mit. Zwar war er davon kein Freund, da er aber täglich Gäste bei sich sah, so wurde das Backwerk, nachdem meine Frau und meine Kinder davon erhalten hatten, mit auf die Tafel gegeben. Große Schmausereien liebte Goethe überhaupt nicht. Eines Tages sagte er mir: Wenn zu Mittag kein Besuch käme, so seien so vielerlei Gerichte überflüssig. Während seines ganzen Aufenthalts in Dornburg hat es sich indessen, die beiden ersten Tage ausgenommen, nur einmal getroffen, daß er allein speiste; denn noch am letzten Tage seines Hierseins waren Schwiegertochter und Enkelchen bei ihm zu Mittag, worauf sie mit ihm nach Weimar zurückkehrten.

– – – – – – – – – – – – – – – – – –

Nachdem er acht bis zehn Tage hier war, benachrichtigte er mich, daß er von dem Großherzog Karl Friedrich einen Brief erhalten habe, in welchem derselbe seine Freude ausspreche, daß es ihm in Dornburg so wohl gefalle, und ihm, falls ihm die Wohnung nicht behage, anbiete, in das mittlere Schloß überzusiedeln; ich könne den Brief lesen: er liege auf seinem [307] Arbeitstische; überhaupt gestatte er mir, alle Schriften zu lesen, welche auf dem Tische lägen. Ich machte von diesem überaus freundlichen Anerbieten so wenig Gebrauch, wie er von dem des Großherzogs: mir blieb zum Lesen keine Zeit übrig, und ihm gefiel es in den, ihm anfangs zugewiesenen bescheidenen Räumen. Er meinte auch: es schicke sich doch nicht für ihn in den Zimmern zu wohnen, in welchen die höchsten Herrschaften bei ihrem Hiersein zu logiren pflegten; doch bat er mich, ihm die Schlüssel zu dem mittleren Schlosse anzuvertrauen, um von nun seine Besuche in dem Saale desselben zu empfangen, da ja doch auch oft sehr hochgestellte Personen bei ihm vorsprächen.

[308]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1828. 1828, die nächsten Tage nach 7. Juli. Mit Karl August Christian Sckell u.a.. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A455-9