[Warumb betrübstu mich / der dich so hertzlich liebet]
[66] [83]1.
Warumb betrübstu mich / der dich so hertzlich liebet
Und so viel seuffzer dir zum treuen opffer giebet?
Ich dacht / es zeigte licht in deinen augen sich /
Jetzt find' ich flecken drein / warum betrübstu mich?
2.
Die vormals treue hand / die ich so offt gedrücket /
Befind ich nicht mehr treu / sie hat mich nur berücket;
Auch frembden fingern ist ihr kützel schon bekandt /
Sie drückt mich nicht allein die vormals treue hand.
3.
Die schöne liljen-brust voll lieblicher narcissen /
Mit rosen auffgespitzt / die ich nur pflag zu küssen /
Hegt frembden lippen nun auch blumen süsser lust /
Warum ist sie so falsch die schöne liljen-brust?
[83] 4.
Die quelle meiner lust / ob sie noch rein verschlossen
Und nicht auch frembde saat mit ihrem thau begossen?
O nein! verstreustu schon die liljen deiner brust /
Bleibt auch die scohoß nicht rein / die quelle meiner lust.
5.
Der mund ist etwas treu; doch wills nur also scheinen
Indem er kräfftig denckt die fehler zu verneinen;
Doch nein / ich glaub es nicht / bring mir nicht unschuld bey /
Aug / hand / brust / schooß sind falsch / der mund ist etwas treu.
6.
Mein hertz bezwinge dich / dasselbe zu verlassen /
Was du so hertzlich liebst / die untreu muß man hassen.
Krönt dich / Melinde / nur dergleichen treu / wie mich
Ich ließ dich nimmermehr; mein hertz bezwinge dich.