279. Jungfer Eli

In der Davert, einem Walde im Münsterlande, sind viele Gespenster und Poltergeister gebannt, da dürfen sie nicht heraus, um so greulicher durchspuken sie den Wald. Einer dieser Geister gehörte einer Haushälterin an, welche im Münsterschen Stifte Freckenhorst einer frommen Äbtissin diente, aber nichts weniger als selbst fromm war, vielmehr recht böse, geizig und gottlos. Diese Haushälterin hieß Jungfer Eli. Arme jagte sie mit der Geißel aus der Pforte des Stifts; die Klingel an der Türe band sie fest, daß kein Bettler anläuten konnte; Knechte und Mägde plagte und schalt sie, ließ es wohl auch bei letztern nicht an Püffen und Schellen fehlen. Jungfer Eli trug ein grünes Hütchen mit weißen Federn darauf, so sah man sie häufig im Garten gehen oder sitzen. Eines Tages kam eine Klostermagd eilend zum Pfarrer, er möge gleich ins Stift kommen, Jungfer Eli wolle sterben. Der Pfarrer eilte, sein Weg führte ihn durch den Garten, und da saß Jungfer Eli in ihrem grünen Hütchen mit weißen Federn auf einem Apfelbaum. Wie aber der Pfarrer dennoch in das Haus trat, führte ihn die hochwürdigste Frau Äbtissin an das Bette der Kranken, und da lag Jungfer Eli doch wieder darin und schalt und belferte: Das dumme Mensch hat gesagt, ich wolle sterben, ist nicht wahr, ich will nicht sterben, ich sterbe nicht, ich halt's nicht aus! Geht zum Kuckuck! Endlich aber mußte Jungfer Eli doch sterben, sie mochte wollen oder nicht; wie sie starb, zersprang eine Glocke der Abtei, und bald darauf ging Jungfer Elis Spuken an durch Küche und Stall, über Treppen und Gänge. Mit Saus und Braus fuhr sie wie ein Wirbelwind im ganzen Abteigebäude herum, ja selbst im Stiftswalde sahen sie die Holzknechte von einem Ast zum andern fliegen. Bisweilen trug sie, wie sie sonst getan, eine schöne Torte aus der Küche nach dem Zimmer der Äbtissin, zeigte sie den Mägden und bot sie ihnen an und sagte: Tort, Tort! Wenn nun jene die Torte nicht annahmen, weil sie sich entsetzten, schlug Jungfer Eli ein Gelächter auf, daß die Kannen klirrten, und warf ihnen die Torte vor die Füße, und da war es insgemein ein runder Kuhplappert. Selbst die Äbtissin blieb nicht ungeplagt; auf einer Fahrt nach Warendorf wollte Jungfer Elis Geist zu ihr in den Wagen, und jene entging ihr nur mit List, indem sie einen Handschuh fallen und, während Jungfer Eli sich danach bückte, den Kutscher eilend davonjagen ließ. Endlich berief die Äbtissin die Geistlichkeit der ganzen Gegend, den Spukgeist zu bannen. Die geistlichen Herren fanden sich ein mit allem Rüstzeug zum Bannen und Teufelaustreiben und begannen im Herrenchor der Stiftskirche ihre Zitationen. Da rief eine Stimme: He gickt, he gickt! Und es fand sich, daß sich ein Knabe in die Kirche geschlichen hatte und lauschte. Der Knabe wurde hinausgejagt und schlug draußen ein Höllengelächter auf, er selbst war Jungfer Eli und durch die Herren selbst vom Banne befreit. Doch half ihr das nicht, denn es wurde gleich ein stärkerer Bann angewendet und Jungfer Eli in die Davert gebannt. Alle Jahre einmal fährt der Sage nach Jungfer Eli mit Gebraus und Getümmel wie die wilde Jägerin über die Freckenhorster Abtei, wirft einige Schornsteine ab und zertrümmert Fensterscheiben, und mit jedem hohen Feste kommt sie der Abtei wiederum einen Hahnenschritt [203] näher. – Von dem Hahnschritt näher erzählt auch die Sage von einem umgehenden Bauer bei Bassum.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 279. Jungfer Eli. 279. Jungfer Eli. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-24D1-F