Porträtstudie

Listig liebe blaue Kinderaugen,
Milde, müde, müd ein wenig:
Ganz tief drin lustiger Trotz.
Feine, bogenspitze, schmale Lippen;
Dunkel kirschenrot brennt drin
Küsseglut.
Aber es lächelt auch
In den Winkeln des zierlichen Schnörkelschwungs
Neckende Redekunst.
Drunter weich,
Weich und keck,
Springt heraus der lebendige Sammt
Des Grübchenkinns.
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Nach oben ein wenig,
Ein ganz klein wenig nach oben schnubbert
Lauschend ein höchst fideles Näschen.
Ueber dem lustigen Augenpaar
Schwingen sich voll, zwei goldene Bogen,
Feine Brauen; sie weisen kokett
Mit ihren letzten, flaumigen Spitzchen
Hin auf die rosig-roten Muscheln
Zweier wunderkleiner Oehrchen.
Aufwärts in elegantem Schwunge
Von dem weichen, weißen Nacken
(Nur ein braunes Fleckchen drauf)
Schwingt sich wellenweich das Blondhaar,
Strudelt sich oben fidel und lacht,
Lustig ein wenig vornüber geneigt,
Ueber die kleine, klare Stirn,
Der es zum Schutze
Flirrender, goldener Fäden ein Rieselnetz
Fröhlich überbreitet.
Unter dem Ganzen
Gehen sittig auf und nieder
Warme, weiche, kleine Brüste ....

Notes
Erstdruck in: Erlebte Gedichte, Berlin (Issleib) 1892, bzw. in: »Nemt, Frouwe, disen Kranz«. Ausgewählte Gedichte, Berlin 1894.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Porträtstudie. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-318F-F