[134] Die Birke

1.

Die junge Frühlingssonne
Mit zarten Strahlenfädchen
Flirrt um die Jungfer Birke
Mattgoldenes Filigran.
Wie eine Braut im Schmucke,
So schämig schön, jungfräulich,
Steht zwischen schwarzen Tannen
Die schlanke junge Birke.
Könnt ich ein Bildchen malen
Mit zartgehauchten Farben,
Ich malte meine Birke
In junger Frühlingssonne.
Der Himmel sollte sie küssen,
Der heiter helle Himmel,
Und eine weiße Wolke
Schwömme über sie hin.
Das Gras zu ihren Füßen,
Halb hoch im Halm, durchflockt ich
Mit zarten Rosakelchen
Und blassen Margeriten.
[135]
Die sollten still wie Kinder
Aufblicken mit hellen Augen
Zur holden Jungfer Birke
In junger Frühlingssonne.

2.

Birke, wie warst du schön,
Als du im grünen Kleid,
Zierliche Jungfrau, standst
Und dir der Frühlingswind
Leise durchs zage Gezweig
Strich, wie des Bräutigams Hand
Zärtlich der Braut durch die schimmernden Locken streicht.
Birke, wie bist du schön,
Die du im goldnen Kleid,
Schöne Matrone, stehst.
Ruhig in klarer Luft
Hängt nun das fahle Gezweig,
Wie die Arme der Frau
Lässig herab im ermüdeten Schooße ruhn.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Die Birke. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3218-4