[179] Die Sonne
Eccl. XI, 7.

Es ist das Licht süß, und den Augen lieblich, die Sonne zu sehen.

Sir. XLIII, 2.

Sie ist ein Wunder-Werck des Höchsten.

1.
Lebens-Quelle, Brunn der Strahlen,
Sonne, Göttlichs Schatten-Bild,
Die zu tausend, tausend mahlen
Uns're Welt mit Glantz erfüllt!
Wie die allerstärcksten Augen
Nicht, dein Licht zu dulden, taugen;
So verblendet auch dein Blitz
Und dein Wesen unsern Witz.
2.
Helles Welt-Meer aller Freuden!
Fürst des Lichts, Monarch der Zeit!
Glantz, vor dem die Schatten scheiden!
Gülden' Uhr der Ewigkeit!
Mittel-Punct der Himmels-Kreise!
Nahrung, Leben, Kraft und Speise
Aller Cörper, die die Welt
In dem weiten Schooß erhält!
[180] 3.
Wenn wir alle Ding' ergründen,
Wenn wir alle Welt besehn:
Ist von allem nichts zu finden,
Das so herrlich und so schön.
Alle Schönheit dieser Erden
Muß dir zugeschrieben werden;
Was da schmeichelt dem Gesicht,
Zeugt und zeigt dein güld'nes Licht.
4.
Alles wird von dir gezieret,
Und dich ziert dein eig'ner Schein;
Was das Auge lieblichs spüret,
Stammet bloß von dir allein.
So viel Cörper, die da gläntzen
Hier und in den fernen Grentzen,
Leih'n und borgen allzumahl
Ihren Strahl von deinem Strahl.
5.
Meine Sinne, die ich hefte,
Lichts-Monarch, auf deine Pracht,
Fühlen immer neue Kräfte,
In Betrachtung deiner Macht;
Und mich treibt ein Trieb der Seelen,
Auszubreiten, zu erzählen,
Und, in dir, des Schöpfers Ehr'
Stets zu preisen mehr und mehr.
[181] 6.
Wenn dein noch entferntes Gläntzen
Durch den finstern Abgrund dringt,
Und der Strahlen äuss're Grentzen
(Draus die Dämmerung entspringt)
Sich mit Luft und Dunckel gatten:
Dann versilberst du die Schatten;
Dann erheitert deine Pracht
Das Stockfinstre Schwarz der Nacht.
7.
Drauf erzeugt dein Glantz und bildet
Farben, Morgenröth' und Thau;
Malt, bepurpert und vergüldet
Das gemischte Silber-Grau:
Und der Himmel scheint ein Schleyer,
Der aus Rosen, Gold und Feuer
(Von der Luft Sapphir bezirckt)
Wunderbarlich schön gewirckt.
8.
Wenn du drauf dich selber zeigest,
Und den Diamant'nen Thron
Der durchsicht'gen Luft besteigest,
Bist du selbst dein eig'ne Kron, 1
[182]
Wovor Aug' und Hertz sich beugen,
Ja dein Majestätisch Schweigen
Präg't uns, bey so heiterm Schein,
Anmuth, Lust und Ehrfurcht ein.
9.
Unsers Himmels schönste Stelle!
Grosser Mittel-Punct des Lichts!
Farben-Vater! Freuden-Quelle!
Geist und Seele des Gesichts!
Billig sollte keiner leben,
Der, in dir, nicht GOTT erheben,
Und, des Schöpfers Macht und Ehr'
Stets zu rühmen, schuldig wär'.
10.
Der erhab'nen Berge Spitzen
Ziert dein früher Morgen-Strahl,
Und dein unaufhörlichs Blitzen
Füllt des Mittags Gruft und Thal.
Du beseligest die Felder;
Du umarmest unsre Wälder;
Deiner warmen Strahlen Gluht
Uebergüldet Meer und Fluth.
[183] 11.
Wenn dein Glantz die Fluth vergüldet,
Und ins glatte Wasser strahlt,
Dein vergöttert Wesen bildet,
Und mit güld'nen Pinseln malt;
Scheint es, ob die Fluth der Erden
Selbst zum Himmel wolle werden,
Und das sanft-beweg'te Meer
Schimmert, wie der Sternen Heer.
12.
Ursprung der Belebungs-Kräfte!
Ausfluß aller Geistigkeit!
Brunnquell aller Zeugungs-Säfte!
Feind von aller Dunckelheit!
Deine Macht weis uns zu geben
Wesen, Wärme, Licht und Leben.
Kraft, die, was sie zeugt, erhält!
Himmels-Auge, Hertz der Welt!
13.
Wenn du uns den Tag verlängerst:
Spür't man, wie du Berg und Thal,
Durch dein männlichs Feuer, schwängerst;
Ja man sieht, durch deinen Strahl,
Den gewölbten Bauch der Erden,
Voll Verwund'rung, trächtig werden,
Der, wenn sich das Jahr verjüngt,
Lauter Wunder-Kinder bringt.
[184] 14.
Unser Hertze schwimmt in Lüften,
Wenn sich Floren Schatz uns zeigt,
Die, aus hundert tausend Brüsten,
Die gefärbten Kinder säugt;
Wenn die Felder bluhmicht werden:
Deucht mich, daß ich, auf der Erden,
Und in dem Smaragd'nen Klee,
Den gestirnten Himmel seh.
15.
Wie bezaubert das Gemüthe,
Wie ergetzet das Gesicht
Die so Wunder-schöne Blühte,
Die aus rauhen Rinden bricht!
Was die schlancken Bäume zieret,
Und die Lüfte balsamiret,
Opfert seinen Wunder-Krantz,
Güld'ne Sonne, deinem Glantz.
16.
Jedes Gräsgen uns'rer Felder,
Alle Stauden und Gesträuch',
Alle Blätter uns'rer Wälder,
Alle Büsche, jeder Zweig,
Samen, Blüht' und Frucht der Aeren,
Womit Mensch und Vieh sich nähren,
Gold und Silber, Holtz und Stein
Stammen bloß von dir allein.
[185] 17.
Wer kann fassen und begreifen,
Was für Wunder deine Gluht,
Durch der Früchte nützlichs Reifen,
In dem Sommer, an uns thut?
Du schaff'st auf besond're Weise
Allen Creaturen Speise;
Es verzuckert deine Kraft
Aller Pflantzen herben Saft.
18.
Daß sich Thier' und Menschen nähren,
Zeug'st du ihnen Kraut und Gras,
Korn, die Frucht der gelben Aeren,
Wein, der süssen Reben Naß;
Ja viel tausend, tausend Früchte
Ziehn aus deinem warmen Lichte
Ihres Saftes Süßigkeit,
Die uns nähret und erfreut.
19.
Welche denn, wenn du die Tage,
Da der Sommer von uns weicht,
Wiegest auf der güld'nen Wage,
Uns der Herbst, mit Haufen, reicht;
Da die schwang'ren Bäum' und Reben
Uns die süssen Früchte geben,
Deren Kraft uns tränckt und nährt,
Wenn der Frost die Welt verheert.
[186] 20.
Ja weil die Veränd'rung Freude,
Und der Wechsel Lust gebiehrt:
Wird im gantzen Welt-Gebäude
Täglich diese Lust verspürt.
Wenn des Jahr's verschied'ne Zeiten
Uns verschied'ne Pracht bereiten:
Scheinet jedes Tages Schein
Auch ein kleines Jahr zu seyn.
21.
Wie die Kraft des lauen Lentzen
Die erfror'ne Welt verjüngt,
Wenn sie dein entferntes Gläntzen,
Voller Anmuth, wiederbringt;
So zertheilt der heit're Morgen
Alle Dünste schwartzer Sorgen,
Wenn, nach dunckler kalter Nacht,
Die halb-todte Welt erwacht.
22.
Schmücket die bereiften Felder
Des beblühmten Frühlings Hand;
Färbet die geschwärtzen Wälder
Deiner Flammen güld'ner Brand:
So sieht man den Morgen malen,
Mit dem Pinsel deiner Strahlen,
(Wenn sein Licht die Schatten trennt)
Erde, Fluth und Firmament.
[187] 23.
Scheidet drauf die Pracht des Lentzen,
Und der frühe Morgen weicht:
Merckt man, daß des Mittags Gläntzen
Sich dem schwülen Sommer gleicht.
Wie man diesen wohl wird können
Unsers Jahres Mittag nennen:
Mag, mit Recht, des Mittags Schein
Unsers Tages Sommer seyn.
24.
Bringt der Sommer Korn und Früchte,
Womit sich die Welt ernährt:
Werden allerley Gerichte
Von dem Mittag' uns beschert.
Beyde zeugen, wie dein Blitzen
Könne den Geschöpfen nützen;
Beyde zeigen deine Macht,
In vollkomm'nem Schmuck und Pracht.
25.
Kann man dort den Herbst erkennen,
Wenn man kält're Lüfte fühlt:
So wird auch des Mittags Brennen,
Durch den Abend, abgekühlt.
Wenn dein Strahl sich von uns lencket,
Und dein Glantz sich abwärts sencket:
Wird des Jahres Herbst geschickt,
Und der Abend hier erblickt.
[188] 26.
Kommt der Herbst mit seinen Schätzen:
Hat der Land-Mann Speis' und Rast.
Kommt der Abend: welch Ergetzen!
Nach der schweren Tages-Last
Leg't der Mensch die müden Glieder,
Freuden-voll, zur Ruhe nieder,
Wenn er, womit er sich nährt,
Hat zur Abend-Kost verzehrt.
27.
Wenn dein Strahl nun gantz entwichen,
Weicht zugleich der Erden Pracht,
Und es kommt heran geschlichen
Dort der Winter, hier die Nacht.
Jener schwärtzt, durch Dunst und Düfte,
Die vom Frost verdickten Lüfte:
Diese kleidet Luft und Land
In ein schwartzes Trau'r-Gewand.
28.
Hüllt der Frost den Kreis der Erden
In ein Kleid, das Silber-weiß,
Wenn recht als begraben werden
Feld und Land in Schnee und Eis;
Sucht der Mond, mit blassen Strahlen,
Auch die Schatten weiß zu malen,
Und sein kühler Silber-Schein
Scheint dem Winter gleich zu seyn.
[189] 29.
Alles wird mit Lust erfüllet,
Wenn sich zeigt dein güld'ner Schein;
Aber wenn du weichst: So hüllet
Sich die Welt in Trauer ein.
Alles dräuet das Verderben;
Alles scheint alsdann zu sterben;
Alles schliesset Aug' und Mund;
Es erstarr't der Erden Rund.
30.
Dann, wann sich dein Strahl entfernet,
Stirbet die gefror'ne Welt,
Draus man augenscheinlich lernet,
Daß nur er die Welt erhält.
Wann Luft, Erd' und Fluth gefrieren:
Müssen wir, mit Zittern, spüren,
Es sey unsers Lebens Saft
Deiner Strahlen Wunder-Kraft.
31.
Selbst des Winters frostigs Stürmen,
Schnee-Gestöber, Reif und Eis,
Welche Berg' auf Berge thürmen,
Die erhöhen deinen Preis.
So viel Flocken, so viel Zungen,
Wodurch gleichsam wird gesungen:
Alles auf der Welt erbleicht,
Wenn die güld'ne Sonne weicht.
[190] 32.
Allen Cörpern, die wir kennen,
Flöss't dein Licht das Leben ein;
Die sind nicht von dir zu trennen.
Wenn sich nun dein Wunder-Schein
Von den Creaturen scheidet:
Sieht man, wie der Cörper leidet;
Weil aus deinem Wunder-Licht
Wärme, Glantz und Lind'rung bricht.
33.
Daß nicht nur in den Gedancken
Solche Wunder-Werck' entstehn,
Können wir, bey allen Krancken,
Und in allen Schmertzen, sehn.
In den Wunden kann man's spüren,
Wenn wir deinen Strahl verlieren,
Daß, bey deinem fernen Schein',
Alle Schmertzen grösser seyn.
34.
Ob nun gleich so Mensch-, als Thieren
Die Natur ein Mittel reicht,
Und, den Muth nicht zu verlieren,
Durch den Schlaf, ein Pflaster streicht,
Wodurch dieses Leidens Plagen
Etwa leichter zu ertragen;
Wird doch deine Gröss' und Stand
In des Mittels Gröss' erkannt.
[191] 35.
Welch ein Abgrund voller Schrecken,
Welche düstre Kercker-Kluft
Würde sich bey uns entdecken?
Welche grause Todes-Gruft?
Würde nicht dieß Rund der Erden
Augenblicks zur Hölle werden,
Wenn der holden Sonnen Schein
Stets uns sollt' entrissen seyn?
36.
Schwärtzer, als des Abgrunds Rachen,
Wär' die Welt, ohn' deinen Strahl;
Ein entsetzlichs Nest der Drachen,
Ein verwildert Mörder-Thal;
Nichts, als ew'ge Wüsteneyen,
Wo nur Eulen würden schreyen,
Wo Gespenster Bürger sind;
Blinder Larven Labyrinth.
37.
Aber daß mit tausend Schätzen
Die so Wunder-schöne Welt
Alle Sinne kann ergetzen,
Und unendlich wohl gefällt;
Daß sie aller Augen Wonne,
Macht dein Götter-Glantz, o Sonne;
Deine Schönheit präg't allein
Aller Welt die Schönheit ein.
[192] 38.
Alle Kräft' in unsrer Seelen
Ziehn sich in sich selbst zurück,
Um das Aug' zum Sitz zu wählen,
Und, durch dessen klaren Blick,
Sich an deinem Strahl zu nähren.
Ja es fliessen Freuden-Zähren,
Wobey doch die Seele lacht,
In Betrachtung deiner Pracht.
39.
Welch ein Majestätisch Prangen,
Welch ein heit'rer Wunder-Glantz,
Hält dein strahlend Rund umfangen?
Welch ein güld'ner Sieges-Krantz
Hat dir, unser Licht und Leben!
Dein durchleuchtigs Haupt umgeben?
Dein vom Schimmer reicher Schein
Präg't uns Lieb' und Ehrfurcht ein.
40.
Wann zumahl dein herrlichs Prangen,
Nach verschwund'nem Regen, strahl't,
Und, da Duft und Sturm vergangen,
Die noch nasse Welt bemalt.
Was bezaubernders auf Erden
Kann nicht ausgesonnen werden;
Dann vergleicht sich Wald und Feld
Jener neu-versproch'nen Welt.
[193] 41.
Denn, durch solch entzückend Wetter,
Scheint der Erden grüne Pracht,
Gras und Pflantzen, Kraut und Blätter,
Recht wie Silber und Smaragd,
Drauf die Tropfen, die vergüldet,
Nicht, wie Perlen, nur gebildet,
Sondern gar, an Farb' und Schein,
Kleinen Sternchen ähnlich seyn.
42.
Deren Blitz und funckelnd Gläntzen,
Durch das Aug', ins Hertze dringt;
Wodurch denn, aus seinen Grentzen,
Sich der Geist zum Schöpfer schwingt.
Dann rührt ein erstaunt Gemüthe,
Gottes Wunder, Gottes Güte,
Und, erquickt durch solche Pracht,
Rühmt es Den, Der sie gemacht.
43.
Wenn mein forschend Hertz bedencket,
Wie die Sonne diese Welt
Nicht allein erleuchtet, lencket,
Schmückt, erwärmet und erhält;
Sondern noch viel' andre zieret,
Dreht, belebt, bestrahlt, regieret:
Präg't ihr Wunder-voller Schein
Folgend Bild den Sinnen ein.
[194] 44.
Erstlich sincken die Gedancken
In den hohlen Raum der Luft,
Drin sie schwindeln, stutzen, wancken,
In Betrachtung dieser Gruft.
Denn wie tief ein Geist gedrungen;
Fühl't er sich dennoch verschlungen,
Durch die tiefe Dunckelheit
Dieser Unermeßlichkeit.
45.
Siehet man des Meeres Breite:
Muß man nicht erstaunt gestehn,
Daß die ungeheure Weite
Fast entsetzlich anzusehn?
Dennoch schwimmt, samt dem Gefässe,
Dieses Welt-Meer's Tief' und Grösse
In der Sonnen Meer von Gluht,
Wie ein Tropf' im Welt-Meer ruht.
46.
Ocean so vieler Erden,
Himmlisch Lichts- und Lebens-Meer,
Reich, darin vereinigt werden
Dieser grossen Cörper Heer,
Zeiget nicht dein weit Gefilde
Die Unendlichkeit im Bilde,
Wenn ich ein unendlichs Blau
In des Himmels Höhen schau?
[195] 47.
Dieß durchsicht'ge Blau der Lüfte
Färbt sich, durch dein Wunder-Licht,
Welches selbst der tiefsten Grüfte
Unergründlichs Dunckle bricht.
Wenn sich deine Strahlen gatten
Mit dem Grentzen-losen Schatten:
Sieht man die Unendlichkeit
Gleichsam durch ein blaues Kleid.
48.
Dieser ungeheuren Gründe
(Die doch in sich selber leer)
Grund- und Grentzen-lose Schlünde
Schlagen, wie ein wallend Meer,
Ueber aller Geister Flammen,
Als ein Fünckchen, schnell zusammen,
Daß der Witz, als wie ersäuft,
Von dem Raum fast nichts begreift.
49.
Dieser, von den festen Sternen,
Bloß allein umschrenckte Kreis,
Den die Menschheit nicht zu lernen,
Und nicht auszusinnen weis,
Die von solcher Läng' und Breite
Unermeßlich hohe Weite,
Der fast keine Grösse gleich,
Ist der Sonnen Königreich.
[196] 50.
Dieß beherrschet und erfüllet
Ihr durchleucht'ger Wunder-Strahl,
Der beständig aus ihr quillet,
Ohne Maass' und ohne Zahl.
Auf, mein Hertz, zu überlegen!
Auf, bewundernd zu erwegen,
Welch ein unumgrentzt Revier
Dieser Strahlen-Fürst regier'.
51.
Der Begriff von seiner Kronen
Schrenckt, mit ewig-hellem Schein,
Hundert tausend Millionen
Millionen Meilen ein,
Die er wärm't, erfüllt, durchstrahlet,
Sie belebt, beweget, malet.
Welche Tiefe, welch ein Reich,
Welche Gröss' ist dieser gleich?
52.
Kommt, ihr irdischen Monarchen,
Die man fast wie Götter ehrt,
Die man nur von Grösse schnarchen,
Und von Hoheit pralen, hör't;
Welch's von euren Königreichen
Kann sich diesem Reiche gleichen?
Wahrlich! eurer aller Land
Ist hier kaum ein Körnchen Sand.
[197] 53.
Selbst der gantze Kreis der Erden
Kann fast, als ein blosses Nichts,
Ja, wie nichts, gerechnet werden,
Bey dem Reiche dieses Lichts.
Der Planeten Heer verschwindet,
Weil sich keine Gleichheit findet;
In dem ungeheuren Raum
Spür't und rechnet man sie kaum.
54.
Und in diesem weiten Kreise,
Der fast keine Grentzen kennt,
Herrscht sie nicht nur Strahlenweise,
Sondern füllt ihn ungetrennt.
Unzertheilet, fest und dichte
Ist das Rund von diesem Lichte.
Nun erweg't einst diesen Schein;
Wie sein Licht so groß muß seyn!
55.
Wenn sie ihre Strahlen schösse
Bloß allein auf unsre Welt;
So erweg't die Läng' und Grösse!
Da sie nun auch Seit-wärts fällt,
Und der Schein, der aus ihr quillet,
Alle Himmels-Theile füllet;
So erstaunet Geist und Kiel,
Weil hier weder Maaß noch Ziel.
[198] 56.
Wenn man, was wir hievon lesen,
Und, was glaublich ist, erwegt,
Welch ein Majestätisch Wesen
GOTT der Sonne beygelegt,
Was für Macht Er drein gesencket;
Ruft mein Hertz, das dieß bedencket:
Welch ein König! welcher Thron!
Welch ein Reich und welche Kron!
57.
Welch ein prächtiges Gefilde
Stellt sie den Gedancken für!
Wenn man auch nur, als im Bilde,
Der Planeten Glantz und Zier
Mit Aufmercksamkeit betrachtet,
Auf der Cörper Grösse achtet,
Und dann auf das Wesen denckt,
Das sie schmückt, regiert und lenckt.
58.
Sollt' ein Mensch, im Geist' erhoben,
Von der Erd' entfernet stehn,
Und der Sonnen Reich dort oben,
Mit verklärten Augen, sehn;
Welche Pracht aus allen Dingen
Würd' ihm in die Seele dringen,
Säh' er der Planeten Heer
Schwimmen, wie im grossen Meer!
[199] 59.
Ihre Grösse, ihre Menge,
Deren man schon sechszehn kennt,
Ihre Schönheit, ihre Gänge,
Wovon sich nicht einer trennt,
Sondern ordentlich bald steigen,
Bald sich wieder abwärts neigen:
Welch ein Schau-Spiel, welch ein Schein
Würde dieß der Seele seyn!
60.
Welch ein unbeschreiblichs Prangen,
Welch ein unbegereiflichs Licht
Würd' Hertz, Aug' und Geist befangen?
Welche Seel' erstaunte nicht,
Dieser grossen Creaturen
Glantz, Bewegung und Figuren,
Die sich Wunder-würdig drehn
Und verändern, anzusehn!
61.
Würd' Saturnus in der Nähe,
Samt dem lichten Kreis', erblickt;
Wenn man Jupiter so sähe
Mit vier Monden ausgeschmückt;
Wenn man die Gestalt, die Grösse
Dieser Himmels-Cörper mässe:
Welch Erstaunen, welche Lust
Wirckten sie in unsrer Brust!
[200] 62.
Wer den Himmel übersiehet,
Und, so weit sein Auge reicht,
Diesen Raum in Circkel ziehet,
Hat was, das der Grösse gleicht,
Die wir am Saturnus fünden,
Wenn wir nahe bey ihm stünden.
Schätzt hieraus der Sonnen Stat,
Da sie solche Bürger hat!
63.
Die (wird ihre Gröss' betrachtet)
Alle Sinnen übergehn.
Doch sind sie, dem ungeachtet,
In der Herrschaft kaum zu sehn.
Wenn ich, bey der Sonnen Reiche,
Ihrer aller Heer vergleiche;
Wird die weite Grösse klein,
Und scheint kaum ein Punct zu seyn.
64.
Edle Quelle güld'ner Klarheit,
Deine Grösse, Kraft und Pracht,
Zeigen uns die grosse Wahrheit,
Daß der GOTT, Der dich gemacht,
Unbeschreiblich schöner, grösser,
Unaussprechlich heit'rer, besser,
Unbegreiflich herrlicher,
Höher und gewaltiger.
[201] 65.
Heg't der Schatten so viel Strahlen,
Hat's Geschöpf so grossen Schein;
So muß ja zu tausend mahlen
Leib und Schöpfer besser seyn.
Aber dieses zu ergründen,
Fühl' ich den Verstand verschwinden;
In Betrachtung dieses Lichts,
Wird die Seele selbst zu nichts.
66.
GOTT, ruft die entzückte Seele,
GOTT, Brunn aller Herrlichkeit.
Meines Wesens Andachts-Oele
Brennet vor Zufriedenheit.
Ich verspür', wie meine Sinnen,
Vor Vergnügen, fast zerrinnen;
Meines Geistes rege Kraft
Schmiltzt, vor Lust und Leidenschaft.
67.
Da wir nun die Wunder-Wercke
Einer Sonne nur betracht't;
Auf denn, Seele! schau und mercke,
Bey recht hell-gestirnter Nacht,
An des Himmels tiefen Ferne
So viel Sonnen, als wie Sterne,
Wovon wir noch gern gestehn,
Daß wir nur die mind'sten sehn.
[202] 68.
Wären wir so hoch erhoben,
Als die höchsten Sterne stehn;
Würden wir aufs neue, droben,
Eben solche Himmel sehn,
Eben solche tiefe Ferne,
Eben so viel' andre Sterne:
Ja dasselbe träfe man,
Wär' man auch bey denen, an.
69.
Ohne Grentzen, Grund und Schrancken
Ist der Raum, durch Gottes Hand,
Ueber aller Welt Gedancken,
Unbegreiflich ausgespannt.
Dieser unumschrenckten Weiten
Ewiger Unendlichkeiten
Wunder-vollen Abgrunds-Thal
Füllen Sterne, sonder Zahl.
70.
Nicht nur droben sind die Grüfte
Dieses Raumes Grentzen-los;
Seitwärts streckt sich auch der Lüfte
Unergründlich hohler Schooß.
Selbst die Gegen-Füsser sehen
Eben so viel Sterne stehen;
Also, wo man hin sich lenckt,
Ist der Himmel unumschränckt.
[203] 71.
Wenn ein Geist die ird'schen Glieder
Einst verliesse, schnell entwich',
Und, auf feurigem Gefieder,
Durch des Himmrels Abgrund strich',
Dort die herrlichen Figuren
Der gestirnten Creaturen,
Und auf einmahl, in der Näh',
Millionen Sonnen säh';
72.
Wie würd' ihm, bey solcher Weite,
Wie würd' ihm, bey solchem Schein,
Solcher Lichter Gröss' und Breite,
Gluht und Glantz, zu Muthe seyn?
Würd' er nicht in Lieb' entbrennen?
Würd' er sonst was dencken können,
Als: O GOTT, es rühme Dich
Alles, alles ewiglich!
[204]

Fußnoten

1 In dieser Strophe ist der Sonnen Aufgang, auf ein blosserdings Poetische Art, beschrieben; wie denn die alten Poeten durchgehends die Vorstellung hievon nicht anders gemacht, als daß die Sonne, bey ihrem Aufgange, aus dem Meer hervor stiege, woselbst sie des Nachts zuvor ausgeruhet hätte. Man findet nöthig, solches zu erinnern, weil der Herr Verfasser an andern Orten meistens der Meynung des Copernicus und anderer neueren so Natur- als Stern-Kündiger genau gefolget.

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