Der Klapperstorch

1

Was klappert im Hause so laut? horch, horch!
Ich glaub, ich glaube, das ist der Storch.
Das war der Storch. Seid, Kinder, nur still,
Und hört, was gern ich erzählen euch will.
Er hat euch gebracht ein Brüderlein
Und hat gebissen Mutter ins Bein.
Sie liegt nun krank, doch freudig dabei,
Sie meint, der Schmerz zu ertragen sei.
Das Brüderlein hat euer gedacht,
Und Zuckerwerk die Menge gebracht,
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Doch nur von den süßen Sachen erhält,
Wer artig ist und still sich verhält.

2

Und als das Kind geboren war,
Sie mußten der Mutter es zeigen;
Da wird ihr Auge voll Tränen so klar,
Es strahlte so wonnig, so eigen.
Gern litt ich und werde, mein süßes Licht,
Viel Schmerz um dich noch erleben.
Ach! lebt von Schmerzen die Liebe nicht,
Und nicht von Liebe das Leben!

3

Der Vater kam, der Vater frug nach seinem Jungen,
Und weil der Knabe so geweint,
So hat ihm auch der Alte gleich ein Lied gesungen,
Wie er's im Herzen treu gemeint.
Als so ich schrie, wie du nun schreist, die Zeiten waren
Nicht so, wie sie geworden sind,
Geduld, Geduld! und kommst du erst zu meinen Jahren,
So wird es wieder anders, Kind!
Da legten sie, mit gläub'gem Sinn, zu mir dem Knaben
Des Vaters Wappenschild und Schwert;
Mein Erbe war's, und hatte noch, und sollte haben
Auf alle Zeiten guten Wert.
Ich bin ergraut, die alte Zeit ist abgelaufen,
Mein Erb ist worden eitel Rauch.
Ich mußte, was ich hab und bin, mir selbst erkaufen,
Und du, mein Sohn, das wirst du auch.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Chamisso, Adelbert von. Der Klapperstorch. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4C09-4