66. Der im Walde schlafende Bauer.

Journal von und für Deutschland 1786.


Zu Stockhum in Böhmen war einmal ein Bauersmann, der vor Geiz nicht mehr wußte, was recht oder unrecht sei, dem der Sonn- und Festtag gleich einem Alltag, so wie alles Heilige gemein war, ja, der sogar Gottes und seines Wortes spottete. Endlich aber kam die Stunde, in welcher Gott ihn zum Abscheu und Schrecken aller Menschen machen wollte.

Es war am Lichtmesstage Mariä; sein frommer und gottesfürchtiger Knecht Joseph hatte sich vorgenommen, mit anderen Christen sich zu erbauen, und hatte sich bereits angekleidet, um in die Frühkirche zu gehen. Da sprach der gottlose Mensch zu [185] ihm: »Wo willst du hin?« Der Knecht antwortete: »Ich will zur Kirche beten gehen.« Hierauf erwiderte jener: »Kirche hin, Kirche her! heute ist nicht Zeit zur Kirche! Da spann an und fahr mit in den Wald nach Holz! Heute kommt weder Vogt noch Förster; da können wir sicherer einen Baum fällen oder auch zwei!« Der Knecht stellte ihm vor, daß dieß ein heiliger Festtag sei, den Gott und Obrigkeit zu feiern geboten hätten; der Bauer aber versetzte: »Was Festtag! was Festtag! Desto beßer, so störet uns niemand!« Der Knecht sprach: »So muß man sich doch vor Gott fürchten!« Der Bauer erwiderte: »Ei was! Gott schläft heute; er weiß viel, ob wir Holz fahren oder nicht!« und trieb mit solcherlei Spottreden den Knecht an, daß er anspannen und mit ihm in den Wald fahren mußte. Als sie nun einen großen Baum gefället und aufgeladen hatten, sagte der Bauer nochmals zu dem Knecht: »Siehst du, Joseph, Gott hat geschlafen, und der Jäger auch! Fahre nur zu, daß du aus dem Wege kommst; ich will nur eine Pfeife Tabak anstecken und hinten nachkommen!« Hiemit setzte er sich auf den Stock, wo sie den Baum gefället hatten; der Knecht aber fuhr nach Hause. – – Man wartet einige Stunden; es kommt aber kein Bauer nach. In höchster Angst geht der Knecht wieder zurück um ihn zu suchen; er findet ihn endlich auch, aber wie! Auf dem Stock sitzt er und schläft, die glimmende Tabakspfeife im Munde. Er will ihn aufwecken; doch der Bauer hört und fühlt nicht. Er sucht ihn mit Gewalt von dem Stock zu ziehen; doch vergebens! er kann ihn nicht von der Stelle bringen. So eilt denn der treue Knecht nach Hause, erzählt das Unglück und meldet's auch der Obrigkeit und dem Prediger. Hierauf macht man Anstalt, den Schläfer zu erwecken und aus dem Walde zu holen; so sehr man sich aber bemühet, es ist alles vergebens! Man spannet Pferde an; doch keins ziehet, und die Stränge bleiben schlaff. Endlich will man den Stock unter ihm durchschneiden; sobald aber die Säge angesetzt wird, gehet Blut aus dem Stock, und also kann man auch hiemit nichts ausrichten. Und dieß alles haben viele hundert Menschen mit angesehen.

[186] Man hat nunmehro ein Dach über ihn gebauet, und er wird vermuthlich allen Frevlern zum Beispiel und der Nachwelt zum Entsetzen immer und ewig sitzen bleiben. Dergleichen Strafgerichte sind endlich der Lohn frecher Lästerzungen. Ein jeder laße sich dieses erschreckliche Beispiel zu einem Buß- und Tugendspiegel dienen und auch diese Lehre und Warnung, Gal. 6, 7, ins Herze dringen:


»Irret euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten!«

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TextGrid Repository (2012). Colshorn, Carl und Theodor. Märchen und Sagen. Märchen und Sagen aus Hannover. 66. Der im Walde schlafende Bauer. 66. Der im Walde schlafende Bauer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-5688-2