[119] Josephs Reisen

Die erste Reise 1

Herauf, o Sonne! Lange schon harret dir
Der Bard' entgegen, welchen der Hahnenruf
Aus seelenhebenden Gesichtern
Mitten in seinem Gewölbe weckte.
Herauf, o Sonne! Röthe mein Saitenspiel
Mit einem deiner Erstlinge! denn mein Herz
Ist voll von Joseph. Nur dein Anglanz
Mangelt. Erschein'! und Gesänge reifen.
Sie kömmt! die Blume schleußt ihr den Busen auf.
Der Thau der Wipfel blitzet ihr Gold zurück,
Und tausend rege Lüftesänger
Lösen in Freudegetön' die Kehle.
So kömmt zu Völkern, welche das Meer von uns,
Von uns die Kette steiler Gebirge trennt,
So kömmt zu Völkern Joseph. Herzen
Schließen sich auf, und gethürmte Städte
[120]
Tief aufgereget schmücken ihr luftig' Haupt,
Und kleiden sich in Feier, und himmelan
Erschallt von hunderttausend Lippen:
Heil dem Gebiether der deutschen Erde!
Heil sey dem ersten Sohne Theresien's!
Dem Heldenenkel, Herzeneroberer!
Dem wunderbaren jungen Manne!
Weiser, Genügsamer, Holder, Heil dir!
Wem jauchzt ihr? Völker! Städte! wem feiert ihr?
Wem schließen alle Herzen so weit sich auf?
Tön't, Saiten! tön't den Stolz des Barden!
Tön't ihn gewaltiger! er ist unser!
Ihr seht ihn, Völker! Deck't ihn ergrab'ner Werth
Von einer halben Erde? Beschwert er
Von Silber helle Räder? Folgen
Seinem Gespanne die bunten Horden
Geschmückter Diener? Blitzet ein fürchterlich'
Gemisch entblößter Wehren um Joseph her? –
Und dennoch jauchz't ihr? Aechter Größe
Jauchzet ihr, Völker! – Und er ist unser!
[121]
Ihr seh't sein menschenfreundliches Angesicht,
Sein Aug' voll Herz auf Grüßende zugewandt.
Ihr hör't ihn Weisheit, Güte sprechen,
Staunet und liebet. – Und er ist unser!
Ihr seh't ihn, Völker! wenn er dem Ewigen
In seinen Hallen gläubige Kniee beugt.
Ihr seh't, und wünschet allen Erden
Herrscher, wie Joseph. – Und er ist unser!
Das ist er! Harfe, töne des Barden Stolz,
Den Stolz der Kinder Teut's, den entzückenden,
Den wonnetrunkenen Gedanken:
Joseph der zweite so groß – und unser!
Und sängen alle Barden der Kinder Teut's
In ihre besten Harfen, er bliebe doch
Unaugesungen der Gedanke;
Seelen empfinden allein die Süße,
Dem Göttlichen zu dienen, sein Eigenthum,
Und seiner Sorgen einziger Zweck zu seyn,
Der voll des Vaters und der Mutter,
Eh' noch die Wange sich männlich bräunte,
[122]
Noch eh' der Herrscher Gold ihm vom Haupte schien,
Schon Herrscher seiner selber, entadelten,
Oft thronerschütternden Begierden
Niemal den himmlischen Busen aufschloß;
Den, nur von Recht und Einsicht und Mäßigkeit,
Der Erdegötter schönsten Gefährtinnen,
Begleitet, an die Grenzen seines
Mächtigen Erbes die Liebe seiner
Getreuen hinzog 2, jegliches Ungemach
Verachtend, und zur krieg'rischen Arbeit sich
Mit Lust erhärtend, der im Frieden,
Aehnlich dem Adler am Felsengipfel',
Mit wachem Auge ruhet, und adlerschnell
Auf Störer seiner Ruhe sich niedersenkt.
Sie bluten, liegen, und der Sieger
Schwebet zurücke zum Felsengipfel.
[123]
Dann wirbelt heller Siegesgesang ihm nach,
Gestürmt in deutsche Saiten, und Joseph horcht;
Nicht Sänger fremder Zungen, deutscher
Heldenton reize den deutschen Herrscher!
Und kann der Ausbruch meiner Empfindungen,
Und meine Saitengriffe den Göttlichen
Nur einen Augenblick der hohen
Erdebesorgenden Bürd' entlasten,
Dann soll dich, meine Scheitel! ein Eichenkranz,
Der Hauptschmuck deutscher Barden verewigen,
Und junges Eichenlaub in jedem
Monde der Blüthen dich, Harfe! zieren.
Manch' vaterländisch' Bardenlied höret dann
Die langverwöhnte Donau zur Abendluft
Aus nahen Espenhainen schallen
Ihrem erhabenen Herrscher heilig.

Fußnoten

1 Nach Italien, 1769.

2 Er war vorher schon bis an die türkische Grenze gereiset.

[124] Die zweite Reise 1

Wo ist der Sohn Theresien's? o Kaiserstadt!
Wo ist dein Herrscher? Wölke dein thürmend Haupt,
Aus deinen blauen Düften höre,
Was dir vom heiligen Eichenhaine
Der Barde Joseph's (Wag' ich den herrlichsten
Der Namen unter Barden? Gefährlich ist
Der Reiz dem Einzigen zu folgen!
Aber zu mächtig! – Er sei gewaget!)
Der Barde Joseph's tönet: Hier oben ist
Der Thaten Joseph's unübersehliche,
Wie Sonnen, helle Bahn gezeichnet.
Frühe begann er die Bahn zu wandeln,
Je That auf That erhab'ner. Italien
Liegt noch im süßen Taumel. Es küsset noch
[125]
Des göttergleichen Fürsten Spuren,
Und schon erschallen der Markomannen
Und Quaden 2 Hügel, dienstbar sie selber einst
Den Ahnen Joseph's, von der Begeisterung
Des tiefgereihten Brennenheeres,
Welches den kommenden Herrscher grüßet.
Er, jeder großen Gabe Bewunderer,
Er hatte schon den weisen Gebieter 3, der
Am Apennin die Völker weidend
Friedsam und furchtbar ist, aufgesuchet.
Nun eilt er auch den Wünschen des mächtigen,
Des unbezwung'nen Helden 4, der, weit umringt
Von seinen Starken, an der Spree
In dem Gewande der Ehre stralet,
Erkämpft in rothen Feldern, ein Bardenfreund,
Und Barde selber 5 – aber den gallischen
[126]
Gesängen holder! – und des Kieles
So, wie der Klinge gewöhnt, entgegen.
Zween Kriege, leichenträchtig, verderbenvoll, –
Wir Männer denken's! – kriegete Friederich
Mit Josephs Mutter (denn er hatte,
Nie sie gesehen) und Heldenbräute
Vergossen zweimal Thränen, und Jünglinge
Beschwuren zweimal über der Väter Grab
Des Todes Rache, deutsche Flüße
Trübten sich zweimal in deutschem Blute.
Nun wirft die Großmuth auf das Vergangene
Den himmelreinen Schleier. Die Fürsten stehn,
Zwo Sonnen, die der Mittag 6 scheidet,
Sehen sich Ewigkeit an der Stirne;
Und Einer ehret, was ihn verewiget,
Am And'ren, einer schließet dem Anderen
Sein großes Herz auf. Freundschaft strömet
Von der Gebieter erhitzten Lippen.
[127]
So stand vor Siegmar'n Herrmann 7. Des Jünglings Aug'
Verrieth dem grauen Helden den künftigen
Vernichter stolzer Legionen,
Und den Zerbrecher der fremden Feßeln.
O könnten meine Saiten die Kinder Teut's
Von allen Enden wecken! Sie sollten mir
Den hohen, ahnungsvollen Anblick
Tief in erregtester Seele feiern,
Die Stelle zeichnen, wo sich umarmeten
Die Größten Deutschlands, Joseph und Friederich,
Hin Eichen pflanzen, daß die spät'sten
Enkel im Schatten sich dieß erzählten!
Und, Feinde Deutschlands! häufet nicht Dunkel sich
Um euer schielend Auge? verschwindet nicht
Auf List und Trug gebautes Hoffen,
Wenn sich mit mächtig erhob'nem Arme
[128]
Den Bund der Freundschaft Joseph und Friederich
Beschwören? – O so wartet ein Saitenspiel
Herabgestimmt zu Todestönen
Euer an einer verdorrten Eiche!

Fußnoten

1 Nach Schlesien, 1769.

2 Die alten Bewohner Mährens und Schlesiens.

3 Den König von Sardinien.

4 Des Königs von Preußen.

5 Man kennt die Poésies diverses.

6 Die Mitte des menschlichen Alters.

7 Diese zwei deutschen Helden kann man am beßten aus Herrmanns Schlacht von Klopstock kennen lernen. –

[129] Die dritte Reise 1

Die Flüsse sind los. Die Weiden sind grün.
Die Nachtigall rufet den Gatten ins Laub.
Auf, Krieger! auf, auf! Und hörest du nicht
Den ehernen Ruf in's Gefild?
Schön wirbelt der Ruf. Ihn höret dein Roß,
Und wiehert und stampfet. Auf, Krieger! entheb'
Dein Heldengeschmeid' der ruhigen Wand!
Auf, schmücke dich, zäume dein Roß!
Hinan in's Gefild! hinan in's Gefild!
Dort warten sie deiner die Lenker der Schlacht.
Du kennest sie längst. Sie kennen auch dich.
Ihr saht euch in Feuer und Staub.
Hinan in's Gefild! hinan in's Gefild!
Der Waffen und Heldenbemühungen Freund,
Der Liebling des Ruhm's, dein Vater und Haupt,
O Krieger! auch Joseph ist dort.
[130]
Im thürmenden Wien, da saß er und schalt
Den zögernden Winter, und wünschte den Lenz,
Und seufzte, sobald im Saale sein Aug'
Die Väter im Panzer ersah.
Und schlief er, da war's, als kläng' ihm das Erz,
Als wehten die Fahnen, und blitzte der Stahl,
Als krachten um ihn die Donner der Schlacht.
O Krieger! er träumte von dir.
Nun kehrte der Lenz. Noch gab er den Kuß
Der scheidenden Schwester 2, ein Bruder und Held,
Und wandte sich weg, und eilte zu dir,
O Krieger! in's Eisengefild.
Hat etwa sein Wien nicht Reize genug,
Nicht gold'ne Gerichte, nicht Göttergetränk,
Nicht Hallen, geschmückt mit jeglicher Kunst,
Nicht Tänze, nicht Saitengetön?
Und brannte nicht erst im feiernden Wien
Auf Joseph's erhabener Mutter Gebot
[131]
Zur neidischen Nacht ein sterniger Bau,
Ein sterniges Blumengefield' 3?
Und locket der Tag, hat Joseph nicht Lenz
In deinem Gebiete, du feierndes Wien!
Nicht Vögelgesang, und Fluthengeräusch,
Nicht Blumen, und Schattengewölb'?
Und will er nicht ruh'n, und suchet er Schweiß,
Wie? schallet kein Jagdruf? erhitzt ihn kein Hirsch?
Und fasset er nicht im Haine den Spieß,
Und stößt ihn dem Eber in's Herz?
Und ehrte sein Volk ihn minder darum?
Und blieb' er nicht Herrscher der Deutschen auch dann?
Und freu'ten vor ihm sich Fürsten nicht so?
Und freuen sich Fürsten nicht so?
Doch kann er? – Und wie, wie trieb' er von sich
Die Geister der Ahnen, sein helles Geleit?
[132]
Sie schweben um ihn, und winken. Er schaut,
Sieht Arbeit und Ehre vor sich.
Wie zwäng' er den Ruf, den mächtigen Ruf,
Der stets ihm die schwellende Seele durchfährt?
Ihn hörte der Knab', und Jüngling mit Lust;
Wie zwäng' ihn nun Joseph der Mann?
Schön locket der Ruf, den Söhnen von Teut
Ein Schirmer, den Fürsten ein Beispiel zu seyn,
Von allen gefolgt, von keinem erreicht,
Unsterbliche Thaten zu thun.
Ha, lockender Ruf! Er folgt dir, er folgt!
Ha, Geister der Ahnen! Er folgt euch, er folgt!
Dort trägt ihn sein Roß in Wolken von Staub
Die reisigen Haufen hinan! –
Und blieb' ich zurück, sein Barde? Mein Geist,
Nimm Flügel, und folge durch Wolken von Staub!
Und dulde mit ihm den brennenden Tag,
Die Wasser vom Himmel herab!
Und lebet das Feld auf Joseph's Gebot
[133]
Von seinen Versuchten, und wieherts umher,
Und donnert der Grund vom Schlage des Hufs,
Dann schaure du freudig empor.
Dann sieh'st du die Glut der krieg'rischen Lust
Auf Joseph's Gesichte, dann siehst du den Muth,
Den Lenker der Schlacht, des narbigen Mann's,
Des Jungen in Waffen entflammt.
Dann ahnet's dir schön. Dann sing'st du zunächst
Am Rosse des Herrschers: O spielet nur itzt
Auf Joseph's Gebot dieß eiserne Spiel!
Einst sieg't ihr auf Joseph's Gebot.
Und glitte vielleicht dem Herrscher indeß
Ein Tropfen des Schweißes die Wangen herab,
Und finge mein Kranz den gleitenden auf,
Wo glich' ihm in Deutschland ein Kranz?

Fußnoten

1 Nach Ungarn 1770.

2 Antonia, vermählten Dauphine.

3 Im kaiserlichen Lustschlosse Belvedere genannt aus Gelegenheit der dauphinischen Hochzeitfeier.

[134] Die vierte Reise 1

Lange verzögert sein Rad. Kein wallender Staub
Kündet den Kommenden an.
Immer noch horchet mein Ohr. Vergebens! kein Laut
Fröhlicher Hörner ist nah'.
Trüb', wie das sinkende
Jahr, ist die Kaiserstadt.
Still ist sein Giebel, und leer sein Fürstengemach.
Hat er sein niedriges Dach mit Söhnen der Schlacht
Wieder im Felde gespannt?
Bricht er den Schlummer, der Freund des eisernen Spiel's,
Wenn sich der Hahnenruf heb't?
Stürmet sein Heergebot
Seine Gewaltigen
So wie die Flocken der Nord, die Fluren hinan?
Männer der Wunden 2! euch ehr't der Barde. Sein Herz
Folgt euch in jede Gefahr.
[135]
Thaten des Stahles gethan mit mächtiger Faust
Feiert mit Wonne sein Spiel.
Aber in dieses Lied
Krache kein Flammenschlund,
Klirre kein Eisengeschmeid, und brause kein Roß!
Joseph ist jetzo nicht Held, nicht wohnet er jetzt,
Männer der Wunden! mit euch.
Joseph ist Vater des Volk's. Dem Vater des Volk's
Singet sein Barde dieß Lied.
Wünsche des dankenden,
Seufzer des liebenden,
Stimmen des lobenden Volk's! o tönet darein!
Stille beherrschte das Land. Da schwang sich ein Weh,
Moldau von deinem Gestad',
Elbe! von deinem Gestad', jetzt heller, und jetzt
Ohrebetäubend empor.
Eben so rauschet in
Wipfeln das Espenlaub
Leise, nun stärker, und nun erbrauset der Sturm.
Elbe! was klagest du so? Was klagest du so,
Moldau! zur bebenden Luft?
[136]
Tränket ein Gegner in euch den blutigen Spieß?
Wälzet ihr Leichen in's Meer?
Täuschte das Adleraug'
Joseph's ein feindlicher
Heerzug, und stemmt sich kein Schild entgegen? – O nein!
Dieß ist die Klage der Noth. So furchtbar ertönt
Mangel zur bebenden Luft.
Ganze Geschlechter die seh'n nach Früchten des Pflug's,
Schätzen des Lebens umsonst.
Bleich ist ihr Antlitz, und
Dämmernd ihr Augenlicht.
Tief aus dem Eingeweid' heult ihr Hunger empor.
Jetzo vernimmt ihn das Ohr von Joseph. Sein Herz,
Vaterempfindungen voll,
Flügelt sich, Elbe! zu dir vom thürmenden Wien,
Flügelt sich, Moldau! zu dir.
Harre der Boten nicht,
Die dir dein Herrscher schickt!
Joseph ist Herrscher. Kein Bot', er selber, er kömmt!
Er! der Entscheider des Werth's, er kennet, und liebt,
Elbe! dein tapferes Volk.
[137]
Moldau! die Söhne von dir sind Busen von Stahl,
Felsen im Schwalle der Schlacht.
Kann er sie schmachten seh'n?
Mutter des Herrschers! er
Erbte dein göttliches Herz. Er eilet, er kömmt!
Sing' ich ihn jetzo den Wunsch, den feurigen Wunsch,
Der sich im Geiste mir hebt?
Töne dir ruf' ich hervor, o könnt' ich auch so
Rufen die Fürsten der Welt!
Alle sie stünden, und
Sähen auf Joseph, und
Sprächen: O Beispiel! wer liebt, wie dieser, sein Volk?
Saiten, o jauchzet es nach! Wer liebet sein Volk,
Wie mein Gebieter es liebt!
Hält ihn im thürmenden Wien sein goldenes Dach
Herrscherergötzungen voll?
Hält ihn ein liebender
Bruder, ein Schwesternpaar,
Hält ihn der zärtlichste Blick Theresien's auf?
[138]
Schreckt ihn das sinkende Jahr, der Flügel des Nord's
Von den Sudeten 3 herab?
Schrecken ihn Felsen den Freund der Arbeit, und Wald,
Tiefen und Höhen, und Strom?
Scheuchen ihn Hütten, wo
Landmann und Mangel wohnt,
Scheucht ihn das blasse Gesicht des Hungers zurück?
So wie der kommende Tag den schweigenden Flug
Räub'rischer Eulen verstralt,
Schatten und Nebel zerstreut, so schwindet die Noth
Vor dem Gebieter hinweg.
Einsicht und Rath und Fleiß,
Huld und Gerechtigkeit
Hellen, wie Sonne, vor ihm die Gegenden auf.
Klein ist sein dienend Gefolg. Und wär' er denn nicht
Joseph auch ohne Gefolg?
Feier und Ehrengepräng' verlenkt er, begnügt,
Menschenretter zu seyn.
Auch der Geringste tritt
[139]
Freudig vor ihn, und spricht,
Kehret entzücket, und ruft: Ein Herrscher, wie Gott!
Harfe! das wirb'le du nach! Ein Herrscher, wie Gott,
Ist er ein Vater des Volk's.
Hätten ihn Fremde, nicht wir, ihr Freudengeschrei
Schlüge die Wolken hinan.
Aber wir Söhne Teut's,
Stiller und thätiger,
Jauchzen zwar minder, als sie; doch lieben wir mehr.

Fußnoten

1 Nach Böhmen, 1771.

2 d.i. die Krieger!

3 Von dem Riesengebirge.

[140] Die fünfte Reise 1

Wie schön erwacht der Tag! Wie trächtig steht
Von bunten Morgentropfen Laub und Gras!
Wie zeichnet Sined's Fuß den Pfad ins Thal 2! –
Willkommen, Thalbach! der du gestern noch
Mir Joseph lispeltest, und o gegrüßt,
Ihr Weiden um den Thalbach! Sonnenhell
Sind schon die Schwestern alle, derer Haupt
Von Bergen rings umher in's Blaue ragt.
Nur unter euren Zweigen brütet noch
Ein nächtlich Kühl und Dämm'rung. Aber bald,
Bald stralet auch auf eu're Niedrigkeit
Der Sonne Blick. Denn was verbirgt sich ihr?
Sie geht, wie Joseph. – Ist es der Durst nach Ruhm,
Ist's Liebe zu dem Volke, zur Arbeit Lust,
Was in des Herrschers hoher Seele
Unüberstimmlicher, als des Himmels
[141]
Vereinte Donner, rufet? – Noch eines ist,
O Sohn Theresen's! eines der Völker ist
Noch unbesuchet, die Dir dienen!
Auf, und besuche die Deinen alle! –
O Durst nach Ruhm! o Liebe zum Volk'; o Lust
Zur Arbeit! ihr, ihr seid es vereinet, ihr,
Die in des Herrschers hoher Seele
Unüberstimmlicher, als des Himmels
Vereinte Donner, rufen! Er höret euch.
Nun bald ist Habsburg's weit sich erstreckendes,
Bewohnerreiches Erb' erschöpfet,
Keine der Gegenden unbesuchet,
Wo Joseph's Mutter herrschet. – Ha seh't ihr ihn,
Den Fernen von den Freuden der Kaiserstadt,
Den Sonnendulder, im Geleite
Weniger Ed'len, auf steilen Höhen,
In unwirthbaren Hainen! Ha seh't ihr ihn
Auf unermeß'nen, dürstenden Flächen itzt,
Itzt unter strohbedeckten Hütten,
Wie er in Mitte des Staubgewölkes
[142]
Die Hände zu den Bitten der Seinen streckt,
Und unermüdlich forschet, und hört, und lernt,
Und Rath und Recht, und Trost und Lohnung,
Wie der Gebieter des Himmels, austheilt!
Betäubet steht, und glaubet dem Auge kaum
Der pelzumgeb'ne Dacier, und der Theil
Der Kinder Lech's, dem itzt Theresien's
Mächtige Fittige wieder schatten.
O Fürst der Fürsten, Kenner des hohen Zweck's,
Nach dem Allvater einst die Gewaltigen
Der Erde richtet! o des hohen,
Aber nicht immer erfüllten Zweckes:
Der Völker wegen da zu sein, Vater, Hirt
Nicht nur zu heißen, aller Gelüste Reiz
Dem Menschenheile nachzusetzen,
Selber zu hören, zu seh'n, zu herrschen!
O Kenner und Erfüller des hohen Zweck's!
Wenn einst vom Herrscherstuhle Dein Aug' umher
Auf Deine Völker schaut, und irgend,
Wie vor der faulenden Pfütze, Nebel.
[143]
Ein Rath voll Eigennutzes, Betruges voll,
Zu dir sich aufzuschwingen es wagen will,
Wie muß er, gleich dem Nebel schwinden,
Wenn ihm dein Eifer entgegenstralet:
»Ich Joseph kenne besser, als du, mein Volk,
Und meine Länder alle. Sie hat mein Aug',
Mein Fuß durchwandert.« Schwinden muß er,
Wie vor der Sonne der Pfütze Nebel.
Beglückte Völker! ihr auch, o Söhne Lech's!
Seit jenes Tages würdig, Theresien's Gut,
Und Joseph's Eigenthum zu heißen,
Da sich vor eurem erhob'nen Arme
In Wien's Gefilden nieder der Roßschweif warf 3;
O gebt der Freiheit trügliche Luftgestalt
Für Joseph's und Theresien's Herrschaft,
Viele Gebieter o geb't für Einen!
Und nehm't der Menschheit Rechte, der Sitten Schwung
Und Künste Wissenschaften, und Ordnung, und
[144]
Wofür sich Joseph's göttergleiches
Antlitz verbürgte, zu reichem Wucher!
So sang ich, und die Buchen, deren Haupt
Von Bergen rings umher in's Blaue ragt,
Die waren nicht mehr sonnenhell allein,
Die Schwestern um den Thalbach waren's auch
In aller ihrer Niedrigkeit. Und sieh',
Die Morgentropfen, die an Laub und Gras,
Wie reine Tugendthränen, zitterten,
Die hatte schon der milde Stral verzehrt.

Fußnoten

1 Nach Siebenbürgen und Polen, 1773.

2 Hinter Dornbach.

3 Beim Entsatze Wien's, 1653.

[145] Die sechste Reise 1

Das Grau der Vorzeit hellt sich dem Barden auf.
Er sieht. Ein Sprößling laubt sich vor ihm empor,
Unüberpflanzt, in eig'nem Grunde,
Strecket er Wipfel und Nebenzweige,
Wird Baum, erzeuget Aeste. Sein waldig Haupt
Erraget Wolken, schattet Gebirgen selbst.
Rhein, Weser, Elbe, Weichsel, Donau
Tränken die Tausende seiner Wurzeln.
Er blüh't, und reifet Samen. Der Winde Zug
Verträgt die reifen Körner in Ost und West
Und Süd und Nord. Vom Mutterstamme
Fallen sie ferne, gewinnen Erde.
Ein Korn (vergeßt, o Söhne von Teut, es nicht!
Sind schon dazwischen lange Jahrhunderte)
Flog einst den Rhein hinüber, grub sich
Keimend in sonnenerhitzte Schollen,
[146]
Und trieb Geschoß und Wipfel, und eiferte
Mit seinem Mutterstamme. Gar oft erscholl:
»Und wer, wer ist denn meine Mutter?«
Aus des erregteren Wipfel's Höhen.
Da stürzten Felsenklumpen, dem Wanderer
Unübersteigbar, gräßlich an's Ufer her,
Und jeder Uebergang des Rheines
Barg sich in feindliche Dorngebüsche.
Therese kam. »Wie lange schreckt es noch
Am Rheine?« war ihr Wort, dem Mann' ein Wink,
Der ihre große Seele ganz versteht 2.
Er sah' der Felsenklumpen wilden Sturz,
Der Dorngebüsche feindliches Gewirr'
Mit jener stillen Geisteshoheit an,
Die seiner Herrscher ihn so würdig macht.
Sie schwanden weg.
Wie sollten sie nicht schwinden?
Denn mußte nicht Antonia,
[147]
In welcher sich verjüngt die Göttermutter sah,
Den Weg gebahnet finden,
Um an des Frankenkönig's Hand
Zwei Völker durch ein ewig Band
Der holden Eintracht einzuweih'n,
Und Deutschland's Ehre, Frankreich's Lust zu seyn?
Holder Sonnebot!
Letzter aller Sterne,
Schweb' hinan! Der Tagesgott
Folget dir aus heller Ferne.
Er kömmt! Zwar will er seine Stralen decken,
Sucht Dunkel um sich her zu streu'n.
Allein, wie kann des Lichtes Urquell Schatten wecken,
Er, was er ist, nicht seyn?
Sein klein Gefolg – ja klein, wenn Arbeitsliebe,
Wenn Einsicht, Klugheit, Mäßigkeit,
Wenn Wißbegier und Menschenhuld zurückebliebe,
Das herrlichste Geleit,
[148]
Das schon heran vom nachbarlichen Rheine
Den niegeseh'nen Fremdling schmückt,
Und mehr, als Purpur, Silber, Gold und Edelsteine
Der Franken Aug' entzückt.
Sie steh'n geblendet, rufen: »Dieser wäre,
Der Deutschlands hohen Machtstab hält!
Herr ungezählter Völker, ungezählter Heere,
Der erste dieser Welt?
Er wär' es, den wir ruhig wandeln schauen
Von Menschenfluthen weit umringt,
Als ging' er, fernes Wien! in deinen Frühlingsauen,
Wo jede Kehl' ihn singt?
Er wär's, auf dessen heit'rem Angesichte
Die Güte seelefassend wohnt,
Den Gruß zurücke gibt, dem mindesten Berichte
Mit holdem Danke lohnt?
Er, der in Ludwig's Burg mit gleichem Fuße,
So, wie in Pflügerhütten, steht,
Und von der zartgeliebten Schwester Herzenskusse
Zu siechen Armen geht?
[149]
Nun zusieht, wie gereizt von Waffenruhme
Das Feld im Lustgefechte blitzt,
Nun in der Kunst und Weisheit stillem Heiligthume
Mit Lehrlingsblicke sitzt,
Und nun von Jedem, was er sieht und höret,
Mit solcher Meistereinsicht spricht,
Daß, wer den Einzigen nicht kennen sollte, schwöret:
Er hat nur diese Pflicht! –
Ha Franz und Heinrich, und ihr Ludewige!
Werth bleibt ihr ewig uns und groß;
Doch gönnt der Sonne, die nun stralet, ihre Siege!
Sie stralet mackellos.«
So schallt es von den Thürmen an der Seine
Den fernen Pyrenäen zu,
Und kreis't an zweien Meeren, kehret zu dem Rheine.
Mein Deutschland! horchest du?
Beim Zeugnisse so vieler fremden Zungen
Wie hoch muß dein Entzücken seyn!
Noch einmal sei's empfunden, einmal noch gesungen:
O Fürst! so groß – und mein!
[150]
Heil allen Herrschern, die in seinen Tagen
Allvaters Hand der Erde lieh!
Durch seinen Aufschwung wird ihr Stand emporgetragen.
In Joseph glänzen sie.
Und Heil uns allen deutschen Biederleuten!
Der fühl' ihn mit, der fühlen kann,
Groß ist der Stolz und schön: Ich lebe Joseph's Zeiten,
Bin selbst sein Unterthan!
O Fürst und Mensch! – O Tugendfreund und Weiser,
Der größten Mutter größter Sohn!
Es lohnet Harfe – nein, für einen solchen Kaiser
Hat Harfe keinen Lohn!
So sang ich seine sechste Reise. Doch
Ich fühle, daß mit jeder Reise sich
Mein Adler immer mehr dem Blick' entschwingt.
Mein Spiel erschlafft, und meine Stimme bricht.
Wer hielt's auch mit dem Unerreichlichen?
Ich müßte Joseph unter Barden seyn,
So wie er Joseph unter Fürsten ist.

Fußnoten

1 Nach Frankreich, 1777.

2 Der Fürst, Hof- und Staatskanzler.

[151] Die siebente Reise 1

Mutter! wen suchet dein Aug' in Norden, wenn Tag
Jetzo die Fernen erhellt?
Mutter! wem lauschet dein Ohr in Norden, wenn Nacht
Jetzo den Erdenkreis deckt?
Wolken des Staubes die wehn aus Norden. Doch sie
Wölkte sein Wagen nicht auf.
Nächtliches Rollen erschallt aus Norden. Doch sind
Räder von Joseph es nicht.
Aber dir pochet dein Herz, dein mütterlich Herz
Seinem Geliebtesten nach;
Sieht ihn in Wachen des Tag's, in Träumen der Nacht;
Ahnet Gefahren und pocht.
Denn er ist ferne, dein Sohn. Manch reißender Strom
Scheidet ihn, manches Gebirg'.
Manchen unwirthlichen Hain, manch' ödes Gefild',
Mutter! bewandelt sein Fuß.
[152]
Allein gewaltig ist das geflügelte
Geleit' von oben, das ihm Allvater gab.
Und gab er ihm's denn erst nach Norden?
Las er nicht lange schon, als der Wand'rer,
Der grosse Wand'rer jetzo das erstemal
Wien's Freuden aufgab, hoher Entschlüsse voll
Zu seh'n, zu dulden und zu lernen,
Itzo die Reise nach Süden antrat,
Von seinem Botenheere die mächtigsten,
Dem Throne nächsten, trautesten Schwingen aus?
»In Joseph hab' ich mir gefallen.
Decket, umschattet auf jedem Pfade
Theresien's Erstgebohrnen, mein Lieblingsbild!«
Sie, froh des Auftrags, decken, umschatten ihn
In Süden, Osten, Westen, Norden.
Jegliches Unheil verweh't ihr Fittig.
Dann athme Trost, o Mutter! Erreichet hat,
Erreichet er die große Gebieterinn,
(Noch größer, trügest du nicht, Mutter!
Mit Katharina zugleich die Krone,)
[153]
Erreichet sie, die weise, bewunderte,
Geliebte Völkermutter, und Bilderin
Von zahl- und namenlosen Stämmen,
Sie, die gepriesene Künstefreundin,
Im düst'ren Norden Schimmerverbreiterinn,
Der Mondenträger Schrecken auf Land und See,
Und – Barde! dieses tön' in vollem
Stolze der Harfe – von deutscher Abkunft!
Nach ihr begehrte lange schon Joseph's Geist,
Der Schätzer großer Geister. Schon lange war
In Joseph's Geiste sich zu spiegeln
Wunsch der Gebieterinn – itzt erfüllet!
O wer den Aufschluß dieser erhabenen
Sich itzt zum erstenmale begegnenden
Gebieterherzen, wer der ersten
Fürstenumarmungen Innbrunst sänge!
Den Inhalt ihrer Göttergespräche, ganz
Dem Wohl der Menschheit heilig, o Mutter! kann
Nur Joseph (wer erzählt, wie Joseph?),
Wenn er dich wieder umarmt, erzählen.
[154]
Und wird's. Die Bothen die ihm Allvater gab,
Die wenden schon den Flügel, geleiten ihn
Nicht ohne Sehnsucht der Verlaß'nen
Von Katharina zu dir zurücke.
Dem großen Wand'rer folgen auf jeglichem
Der Pfade tausend Segen für ihn und dich;
Denn nicht geboren nur, (die Völker
Wissen es) hast du ihn, auch gebildet.
So sang ich in der Sommernacht. Und horch'!
Ein Rollen kam vom fernen Norden her.
Die Räder Joseph's! Itzt beschien der Tag
Den wonnevollen Schwung, mit welchem er,
Dem Barden unausdrücklich, an das Herz
Der liebenden erfreuten Mutter flog,
Noch größer, als er je gekehret war.

Fußnoten

1 Nach Rußland 1780.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Denis, Michael. Josephs Reisen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7E45-F