[205] 3. An Pio nono

»Die Pfaffen haben sein Gehirn verriegelt;

Sie haben ihm den Gottesgnadentraum

Mit albernem Gewäsche vorgespiegelt.«

(S. Heller.)

1.

Vergänglich ist die Menschheit und, dem Staube
Mühsam entwachsen, unrettbar verfallen
Dem grauen Chaos. Keinen von uns allen
Befreit vom Erdenlos sein Himmelsglaube.
Arm ist die Menschheit; jeder lebt vom Raube
Und von Geschenken aus des Todes Krallen;
Und was beherrscht Despoten wie Vasallen?
Die liebe Sünde nur, die blinde, taube.
Des Fleisches Wut, des Denkens finstre Macht,
O Papst! verbrüdern Sklaven mit Cäsaren
Im Schlamme, der auch dir entgegenlacht,
Wo mir, dem Sünder in der Sünder Scharen,
Graut vor der Lüge, die dein Stolz erdacht,
Und graut vor dir, dem einzig Unfehlbaren.

[206] 2.

Wenn über uns, jenseits der Himmelslichter,
Ein Schöpfer thront, der Zeit und Raum ersonnen,
Mit unlösbaren Rätseln uns umsponnen,
Der ist Jehovah, der ist unser Richter!
Nicht du mit all den irdischen Gebrechen.
Was ist dein priesterlicher Strahlenkranz?
Theaterschmuck; – dein Pomp? – ein Mummenschanz;
Dein Gotteswort? – ein nichtiges Versprechen.

3.

Ich sah dein greises Haupt mit Silberlocken
Und dachte: Nein! du hast nicht wohlgethan;
Ein Haus des Irrsinns ist der Vatikan –
Und wandte mich von dir, bewegt, erschrocken.
Doch draußen in dem schrankenlosen Dom,
Erleuchtet von der Sternenkuppel Lichtern,
Da rief ich, fern von päpstlichen Gesichtern:
Urquell des Lebens, hier ist unser Rom!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Dranmor, (Schmid, Ludwig Ferdinand). 3. An Pio nono. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-8222-F