Carl Friedrich Drollinger
Gedichte

Titelkupfer


[1] Herrn Karl Friederich Drollingers/

weiland Hochfürstlich-Baden-Durlachischen Hofrahts und geheimen Archivhalters,

Gedichte, samt andern dazu gehörigen Stücken/

wie auch einer Gedächtnißrede auf Denselben/

ausgefertiget von I. I. Sprengen/ D. G. W.

der deütschen Beredsamkeit und Poesie öffentlichem Lehrer zu Basel,

wie auch der D.G. in Leipzig und Bern Mitglide.

Basel, druckts und verlegts

Joh. Conrads von Mechel sel. Wittwe,

1743.

[1] Erklärung des Titulkupfers

Die Dichtkunst mahlt durch Kiel und Schrift.
Es zeigt ihr die Natur der Bilder ächte Züge.
Ihr schwärstes ist der Mensch. Wer ists, der solchen trifft,
Wenn ihn die Klugheit nicht entblößt von Larv und Lüge?
Und da ein jedes Bild von einem Schöpfer spricht,
So ist auch dessen Ruhm der Dichtkunst erste Pflicht.

C.F. Drollinger

[Widmung]

[2] Seiner Hochwohlgebohrnen/ dem Herrn Vorsteher, wie auch übrigen Hohansehnlichen Ehrenglidern der Deütschen Gesellschaft in Bern.

Geistliche und moralische Gedichte

[3][5]

Lob der Gottheit

Mein Geist erhebet sein Gefider
Zu seines Ursprungs Göttlichkeit.
Verstummet ihr verdammten Lieder,
Die meine Dohrheit oft erfreüt!
Ich will mich durch die Sterne schwingen,
Das grosse Wesen zu besingen,
Von welchem alles Wesen stammt.
Entzünde mich, o meine Liebe;
Und fülle mich mit jenem Triebe,
Der deinen David einst entflammt!
[5]
Wie aber? welch ein Schimmer blendet,
Welch grosser Anblick schrecket mich?
So weit als sich mein Auge wendet,
Erblick ich nur, o Schöpfer! dich.
Du schöner Bau gewölbter Lüfte,
Durch dessen unerforschte Klüfte
Ein ganzes Heer von Welten blickt:
O welche Pracht! Welch eine Stärke
Hat alle diese Wunderwerke
Mit solchem Reichtum ausgeschmückt!
Doch durch mein frevels Unterfangen
Wird deine Grösse nur verhöhnt.
Wer leihet mir der Worte Prangen,
Das diese Schätze würdig krönt?
In deinen unumschränkten Gränzen,
Da so viel Tausend Sonnen glänzen,
Vergehet aller Sinnen Kraft.
Es eilt mein Geist bestürzt zur Erden,
Um neüer Wunder voll zu werden,
Die Gott so nahe vor uns schafft.
[6]
O Schauplatz reicher Meisterstücke,
Aus dem die höchste Weysheit strahlt:
Worinnen ich ein Bild erblicke,
Da sich der Schöpfer selbsten mahlt!
Ja wahrlich deiner Schätze Mänge,
Ihr unvergleichliches Gepränge,
Der Zweck, nach welchem Jedes stimmt:
Die lassen uns ein Zeügniß lesen
Von einem allmachtsvollen Wesen,
Wo alles seinen Ursprung nimmt.
Wolan, ihr Zweifler, kommt und höret,
Vernemet der Geschöpffe Ruff!
Ein jedes Gräsgen spricht und lehret:
Es ist ein Gott, der mich erschuff.
Eröffnet doch einst Aug und Ohren!
Hat alles dies sich selbst gebohren?
Kan es sein eigner Ursprung seyn?
Wie? oder schuff ein blindes Spielen,
Ein Zufall ohne Geist und Fühlen
Dies schöne Werck? o Nein! o Nein!
[7]
Wie müssen sich die schnellen Zeiten
In einem steten Zirkel drehn!
Erst läßt sich voller Lieblichkeiten
Der holde Frühling lächelnd sehn.
Bald, wenn sein bunter Schmuck vergangen,
Erscheint der Aehren göldnes Prangen;
Balb fleüßt des Weinstocks edler Saft.
Dann schöpft nach überstandnen Lasten
Die müde Welt in sanftem Rasten
Zu neüer Arbeit neüe Kraft.
Ihr Berge! die ihr eüre Spitzen
Bis an die fernen Wolken türmt,
Ihr seyd die Mauern, die uns schützen,
Wenn Macht und Frevel auf uns stürmt.
Durch eüre wundersamen Gänge
Eröffnet sich der Erzte Mänge,
Der lichten Steine teüre Pracht.
Und, wenn uns Pest und Seüchen schrecken,
So steüern eüre grünen Hecken
Mit tausend Kräutern ihrer Macht.
[8]
Und du, du Sammlung wilder Fluten!
Die, wenn sich ihre Wut erregt,
Bald an der Sterne lichte Gluten,
Bald in den tiefen Abgrund schlägt;
Worinn mit tollem Lustgetümmel
Ein unaussprechliches Gewimmel
Belebter Berge schrecklich spielt:
Wer darf in deine Tiefen blicken,
Der nicht mit Zittern und Entzücken
Des grossen Schöpfers Allmacht fühlt?
[9]
Ich schau ein Heer von stolzen Masten
Auf deiner Wellen lichter Bahn.
Sie eilen reich an seltnen Lasten
Von Ost- und Westen schnell heran.
Doch muß das Gut aus allen Reichen
Dem Balsam deiner Düfte weichen,
Der alle Welt erquickt und nährt.
Wo diese Segenstropfen fliessen,
Muß alles wachsen und erspriessen.
Kein Ophir gleichet ihrem Wert.
So macht sich uns durch Berg und Gründe
Ein Schöpfer überzeügend kund.
Die rege Schar der leichten Winde
Belebt der Hauch von seinem Mund.
Er spricht, so kömmt uns Lust und Leben.
Durch ihrer Flügel munters Weben
Wird schwarzer Dämpfe Gift getrennt.
Doch plötzlich kehrt ihr sanftes Blasen
Sich in ein ungezähmtes Rasen,
Wenn sein gereizter Zorn entbrennt.
[10]
Es dunckelt sich. Ein kaltes Grausen
Erschüttert uns mit schneller Macht.
Ich hör ein ängstlich-hohles Saufen;
Der Donner brüllt; der Sturm erwacht.
Bald bricht er durch die Wolkenfeste,
Und reisset Felsen und Palläste
Der bangen Welt aus ihrem Schooß.
Ihr ohnmachtsvollen Erdengötter,
Verberget eüch vor diesem Wetter!
Mein Schöpfer ist alleine groß.
Genug, mein Geist, von fremden Werken!
Auf, schaue, was du selbsten bist!
Du wirst in dir ein Etwas merken,
Das mehr, als Stern und Sonnen, ist.
Du zählst belebt die todten Sterne;
Du missest ihre Größ und Ferne:
Sie sind an Witz und Athem leer.
Du übersteigst der Sonnen Helle,
Und, wenn ihr Lauff unendlich schnelle,
So ists dein Denken noch vielmehr.
[11]
Wolauf, erkenne deine Schätze!
Dein Schöpfer heißt dich ewig seyn.
Des strengen Todes Schreckgesätze
Trifft deinen Körper nur allein.
Du selbsten wirst unendlich stehen,
Und mit erstauntem Wundern sehen,
Wie einst der Bau des Himmels bricht.
Dein Wesen, das kein Raum umschränket,
Das in die Ewigkeiten denket,
Das stirbet nicht, das stirbet nicht.
Erhebe denn die muntern Flügel
Zu jenem Geist, der alles trägt;
Der seiner Gottheit lichtes Sigel
Erschaffnen Geistern eyngeprägt!
Ist ein Geschöpfe so geschmücket,
Welch unermeßner Reichtum blicket
Aus unsers Schöpfers Majestät!
Der Funke, den er uns verliehen,
Soll uns zu seiner Flamme ziehen,
Die über Erd und Himmel geht.
[12]
Ihr, die ihr messet und ergründet,
Was Erd und Himmel in sich hält:
Auf! daß ihr eine Grösse findet,
Die grösser sey, als alle Welt.
Vermehret sie mit neüen Zahlen
Zu hundert-tausend-tausendmalen!
Erschöpfet eürer Geister Macht;
Und denket dann, daß eüre Lehre
Von eüers Schöpfers Allmachtsmeere
Noch keinen Tropfen ausgedacht!
Eröffne deiner Weysheit Fülle!
Mein Schöpfer, lehre mich verstehn,
Welch Opfer sich dein heilger Wille
Von meiner Schwachheit ausersehn!
Wirst du den Weihrauch wol verlangen,
Den meine Hand, mit Furcht befangen,
Zu Ehren deiner Gottheit streüt?
Wie? oder fallen meine Sinnen
Auf ein verwerfliches Beginnen,
Das deine Heiligkeit entweiht?
[13]
Getrost! Ein Strahl von deinem Lichte
Zertreibet meine Finsterniß.
Dein Wort erleüchtet mein Gesichte,
Und machet meinen Gang gewiß.
Ich fühle seiner Gottheit Kräfte;
Hier spielt kein menschliches Geschäffte;
Hier schallt kein eitler Rednersmund.
Was aller Klugen Witz verwirrte,
Das machet uns ein armer Hirte,
Und ein verworfner Fischer kund.
Du eitler Schwarm gelehrter Dohren,
Der vil mit leerem Wissen prahlt,
Du hast das rechte Licht verloren,
Das nur aus diesem Buche strahlt.
Hier findest du der Weysheit Schätze;
Hier sind die heiligsten Gesätze;
Hier öffnet sich die Ewigkeit:
Daß auch ein Sterblicher erfahre,
Was noch der Abgrund später Jahre
Mit Nacht und Nebel überstreüt.
[14]
Hochheiligs Buch! erhabne Lehren!
Mein Herze stimmt eüch kräftig bey.
Da lässet sich ein Zeügniß hören,
Daß eüer Ursprung göttlich sey.
Da fühl ich unter Lust und Zittern
Ein unaufhörlich-reges Wittern
Und des Gewissens leise Stimm.
Die lispelt mir im Sündenschlafe,
Von einem Lohn, von einer Strafe,
Von eines Richters Huld und Grimm.
Ja, Herr! du kanst mich nimmer triegen.
Ich fühl ein ewig Wol und Weh.
O welch unendliches Vergnügen,
Wenn ich in deiner Gnade steh!
Ein holder West, ein sanftes Wehen,
Ein Hauch von jenen selgen Höhen
Erfüllet mich mit Muht und Lust.
Doch weich ich von dem rechten Wege,
O was für bange Marterschläge
Erregen sich in meiner Brust!
[15]
Mein Schöpfer! deine Macht und Güte
Erhebt mich immer mehr zu dir.
Dein Trieb entzündet mein Gemühte
Mit einer heiligen Begihr.
Mir eckelt vor der Erde Schätzen.
Wenn willt du mich dahin versetzen,
Da ich dich näher schauen kan?
Wenn seh ich deiner Werke Prangen,
Die hier noch stets ein Flor umfangen,
Bey dir in voller Klarheit an?
Beschleünigt eüch, ihr werten Stunden,
Da mich kein Kerker mehr umschleüßt;
Da sich mein Geist, der Last entbunden,
Zu seines Ursprungs Gottheit reißt;
Da meiner Stimme frohes Schallen,
Das jetzo noch mit schwachem Lallen
Des grossen Schöpfers Macht besingt,
Vermischt mit jenen selgen Chören,
Dir, Heiligster! zu Ruhm und Ehren
Ein ewig Hallelujah bringt!

[16] Uber die Unsterblichkeit der Seele

Regentinn meiner Leibeshütte!
Ich eile nun zur langen Ruh.
Dem Körper naht mit schnellem Schritte
Die Herrschaft der Verwesung zu.
Kaum stößt annoch des Hertzens Höhle
Das halb-verrauchte Lebensöle
Mit müden Schlägen langsam aus.
Die Muskeln sind entspannt und schwinden;
Der Sinnen schwächliches Empfinden
Verkündigt schon der Faülniß Graus.
[17]
Wolan! der Körper mag verstaüben.
Sein blöder Zeüg kan nicht bestehn.
Doch du, O Seele! wirst du bleiben?
Wie? oder must du mit vergehn?
Ist denn dein Stoff auch ein Gedränge,
Von Teilen ungezählter Mänge,
Als wie ein Körper, zugericht?
Ein Bau von so viel Tausend Stücken,
Auf welche Zeit und Zufall drücken,
Bis ihre Fügung wieder bricht?
Doch nein! du öffnest deine Schätze,
Und legst uns überzeügend dar,
Daß keines Körpers Grundgesätze
Und keine Mischung dich gebahr.
Was ist ein Leib, des Geistes Hülle?
Sein Klumpe liget todt und stille,
So bald ihm ein Beweger fehlt.
Nicht so der Geist, der lebt und denket,
Mit schneller Macht die Sinnen lenket,
Erwigt, beschleüßt, verwirft und wählt.
[18]
So lerne denn, daß Tod und Sterben
Allein in grobe Körper dringt,
Und der Verstörung Grundverderben
Ein geistlich Wesen nie bezwingt.
Der Mischung Bau wird leicht zerstücket.
Dich aber hat ein Seyn beglücket,
Das weder Stück noch Teile kennt.
Vergeblich sucht der Raub der Zeiten
Dein einfach Wesen zu bestreiten.
Nichts, als Gefügtes, wird getrennt.
Ists gläublich, daß dich Gott zernichte?
Er schuff dich vil zu groß und schön.
Schau, welch ein Glantz! schau, welche Früchte
Aus edler Seelen Trieb entstehn!
Mich deücht, in jeder Seele funkelt,
Wenn sie kein grober Dunst verdunkelt,
Ein Schimmer von der Gottheit Licht.
So zeügt er auch von ihrem Währen.
Wer kan ein solches Seyn zerstören?
Was göttlich ist, verdirbet nicht.
[19]
Schau, wie bey Sturm und Kriegsgefahren
Ein Mann oft einen Hauffen schreckt,
Und vor dem Raub der wilden Scharen
Den unbewehrten Säügling deckt:
Wie dort ein Held, von Gott beseelet,
Die Wollust fleücht, die Sorgen wählet,
Für andrer Glücke sich verbannt!
Er wacht, damit wir sicher schlafen;
Erhält sein Volck durch Witz und Waffen;
Und stirbt mit Lust für Kirch und Land.
Und ihr, der Weysheit ersten Söhne,
Geweihte Dichter! heilger Chor!
O welche Kraft, o welche Töhne
Durchdringen plötzlich Hertz und Ohr.
Es wirket eüer mächtger Wille
Der tiefsten Sinnen Sturm und Stille.
Er stellt den Regungen Gebot.
Ich hör, ich höre Davids Lieder.
Der Himmel steigt zu uns hernider,
Und unser Geist hinauf zu Gott.
[20]
Wer zählt das Heer der lichten Sterne?
Wer mißt der Sonne schnellen Lauff?
Wer dringt in ungemeßne Ferne,
Und deckt des Himmels Ordnung auf?
Ists nicht des Geistes Wunderstärcke?
Hier setzt er schrecknißvolle Wercke,
Gebäude, die den Wolken drohn.
Bald stürtzt er wieder Türm und Mauern,
Die Last, die ewig schien zu dauern.
Sein donnernd Erzt zermalmt sie schon.
Doch hör ich nicht ein Lied erklingen,
Das unsern Geist zu prächtig schmückt,
Und eines Wesens Kraft besingen,
Aus dem so mancher Mangel blickt?
Wo bleiben seiner Stärke Proben,
Wenn der Begihrden wildes Toben
Dem schwachen Herrscher selbst gebeüt?
Ist dieses der gepriesne Schimmer,
Den Wahn und Zweifel je und immer
Mit dickem Nebel überstreüt?
[21]
Wolan! es mängt in unsre Schätze
Sich auch der Schwachheit Zusatz ein.
Doch dies bestärket selbst die Sätze
Von unsrer Seelen stetem Seyn.
Wo bliebe sonst des Schöpfers Liebe,
Die, daß sie unsern Geist nur übe,
Ihn so zu stetem Forschen treibt,
Wofern wir, ehe wir erbleichen,
Den Zweck aus Schwachheit nicht erreichen,
Und nach dem Tode nichts mehr bleibt?
Es bringt doch unsrer Gaben Mänge
Uns oft im Leben nur Verdruß.
Wie mancher kürzt nicht seine Länge
Durch vieles Wissens Uberfluß?
Gebricht mirs hier an Ruh und Glücke,
Obgleich kein Fernglas meine Blicke
Des Mondes Flecken je gelehrt:
Ob Huygens Fleiß in jenen Fernen
Mit keinen neüen Folgesternen
Die Herrschaft der Planeten mehrt?
[22]
So merket denn, daß dieses Leben
Auf eine lange Zukunft zielt.
Hier ist uns nur ein Raum gegeben,
Drauf unsers Geistes Kindheit spielt.
Dann öffnet sich nach kurzen Zeiten
Der Schauplatz grosser Ewigkeiten;
Da geht sein Lauff unendlich fort,
So hat die Allmacht es beschlossen.
Hier treibt der Geist die ersten Sprossen.
Was hier gekeimt, das reiffet dort.
Drum zeigt er jetzt schon ein Gefühle
Von Trieben, die nichts Endlichs stillt.
Er setzt sich immer neüe Ziele;
Und sucht umsonst, was ihn erfüllt.
Er wünscht, geneüßt, und wünscht aufs neüe,
Durchirrt der Güter lange Reihe,
Und kan bey keinem stille ruhn.
Gab Gott, der nichts vergeblich füget,
Uns einen Trieb, den nichts vergnüget?
Die Ewigkeit denn muß es tuhn.
[23]
O was entdeckt sich meinem Blicke;
Was wird mir für ein Schauspiel kund?
Welch unerforschliches Geschicke
Beherrscht der Erden weites Rund?
Hier seh ich unter Ach und Flehen
Den heiligen in Qual vergehen,
Den Dampf und Flamme langsam schmaucht;
Wenn, satt von Jahren, Lust und Fülle,
Sein Würger dort in sanfter Stille
Den lastervollen Geist verhaucht.
Wie? teilt uns denn mit blinder Wage
Ein Schicksal zu, was uns befällt?
Regirt ein Zufall unsre Tage,
Und mischt verwirrt den Lauff der Welt?
Doch nein! des Zweifels Nebel brechen.
Kein ungerechtes Urteil-sprechen
Entehrt der Allmacht Richterstrohn.
Du sterblichs Volck! die Wahrheit lehret.
Dein Wesen wird nicht ganz zerstöret;
Es bleibt noch was zu Straf und Lohn.
[24]
Es ist, es ist noch ein Gerichte;
Die Zukunft führet Lohn und Schwert;
Und reicht mit billigem Gewichte
Den Tahten den verdienten Wert.
Mein Vorwitz soll sich nicht vergehen,
Den tiefen Abgrund einzusehen,
Der hier der Allmacht Raht verhüllt.
Doch diesen Satz kan nichts zertreiben:
Gott ist gerecht. Die Seelen bleiben.
Was hier gebricht, wird dort erfüllt.
Der Wahrheit Macht ist durchgedrungen;
Es hört Ost, Süden, West und Nord
Durch ungezählter Völker Zungen
Ihr kräftig-überzeügend Wort.
Gesetzt, ein Hauff sey noch bedöhret!
Was uns ein Plato göttlich lehret,
Braucht keines Hurons Beyfall nicht.
Soll dies der Lehre Kraft vermindern,
Wenn dort, vermängt mit seinen Rindern,
Ein viehisch Volk ihr widerspricht?
[25]
Getrost! Es macht sich ihre Stärke
Durch gröster Geister Zeügniß kund,
Der Helden göttlich-schöne Werke
Entspringen nur aus ihrem Grund.
Sie hören ein geheimes Sprechen:
Ihr Seelen! eüre Körper brechen,
Doch eüch zernichtet keine Zeit.
O folget einem edlen Ziele!
Verübter Tugend Lustgefühle
Begleitet eüch in Ewigkeit.
O Geist, der Geister erste Quelle!
O Wesen unumschränkter Macht!
Schick einen Strahl von deiner Helle
In finstrer Geister trübe Nacht!
Erleücht ein Volk, von dir gebauet,
Dem noch vor seiner Grösse grauet,
Das der Zernichtung Scheüsal ehrt;
Und gib, daß, frey von seiner Bürde,
Mein froher Geist in neüer Würde
Zu deiner Gottheit wiederkehrt!

[26] Uber die göttliche Fürsehung

O Schöpfer, der mit Huld und Stärke
Noch stets erhält, was er gemacht;
Und für das Kleinste seiner Werke
So, wie für Erd und Sonne, wacht!
Mein schwacher Geist will sich bestreben,
Dich, grosser Herrscher, zu erheben.
O rühre du mir Herz und Mund!
Wenn Trieb und Andacht dir gefallen,
So wird auch durch der Kinder Lallen
Die Grösse deines Namens kund.
[27]
Was träumt der Wahn bedöhrter Weysen
Von einer Gottheit ohne Kraft?
Was hör ich für ein Wesen preisen,
Das weder Wol noch Ubels schafft:
Das sich in seiner Himmelsfeste,
Unsorgsam für uns Erdengäste,
In stiller Wollust zärtlich pflegt:
Das nie die Tugend sucht zu schützen,
Und niemals mit verdienten Blitzen
Nach der Verächter Scheitel schlägt?
Was mag denn auch den Schöpfer hindern,
Daß er nicht für die Menschen wacht?
Was zieht ihn ab von seinen Kindern?
Gebricht ihm Willen oder Macht?
Erschreckt ihn wol der Sorgen Bürde?
Beleidigt dies auch seine Würde,
Um einen Wurm sich zu bemühn?
Und gleicht er Göttern dieser Erden,
Die mit ermüdenden Beschwärden
Sich ihrer Herrschaft unterziehn?
[28]
O kränkt doch nicht der Allmacht Grösse
Durch ein so schlechtes Schattenbild!
Was ist ein Mensch, der seine Grösse
Umsonst in Gold und Purpur hüllt?
Der Klügste wird verführt, betrogen,
Von Lüsten hin und her gezogen,
Von Wahn und Irrtum stets beklemmt:
Der Beste wünscht, und will vergebens,
Weil die Gefährtinn seines Lebens,
Die Schwachheit, ihn beständig hemmt.
Den aber, der die Welt regiret,
Hält nichts in seinem Tuhn zurück.
Sein Wille wirkt; sein Wink gebihret;
Das Werden folgt auf seinen Blick.
Die Himmel aus den Angeln rücken,
Und den geringsten Wurm zerdrücken,
Das macht ihm beides gleiche Müh.
Kein Widerstand kan ihn bekümmern.
Er spricht, so fällt die Welt zu Trümmern.
Er will, so steht sie wieder hie.
[29]
Und sollt er wol ein Volk verlassen,
Das seine Hand hervorgebracht:
Und sollt er sein Geschöpfe hassen,
Warum denn hat er uns gemacht?
Unmöglich, daß wir nur ins Blinde
Des Glückes Ball, ein Spiel der Winde,
Und jedes Zufalls Beüte seyn!
Ich fühle wider solche Lehren
Vernunft und Sinnen sich empören.
Die Blindheit gab sie Menschen eyn.
Zwar, wie er seinen Raht vollbringe,
Das soll kein Sterblicher verstehn.
Es mag sich oft der Lauff der Dinge
Nach allgemeinen Regeln drehn.
Wolan! Er hat die Welt hierniden
Zum Vaterlande mir beschieden,
So teil ich mit ihr Wol und Weh.
Ich will nicht, daß mir zu Gefallen,
Mir Staübchen von dem grossen Allen,
Des Ganzen Ordnung stille steh.
[30]
Ich will nicht, daß der Wolken Triefen
Mein dürres Feld zu oft erquickt,
Wenn in des Nachbarn feüchten Tiefen
Die fette Saat davon erstickt.
Und soll ein Heer gemeiner Plagen
Auf meines Landes Grenzen schlagen,
So steh ich ihnen gleichfalls bloß.
Der Schöpfer kan mir stets entziehen,
Was er aus Gnaden mir verliehen.
Sein Tuhn ist so gerecht, als groß.
Genug, daß nie kein Nohtgeschicke
Sein freyes Wirken hindern kan.
Natur und Zufall, Schicksal, Glücke
Sind seiner Allmacht untertahn.
Wenns seiner Weysheit nur gebüret:
Wenn ihn mein wahrer Nutze rühret,
Denn muß sein Raht mit Macht geschehn;
Denn zeigt er seiner Herrschaft Stärke;
Vollbringt sein Tuhn durch Wunderwerke,
Und heißt das Rad der Schöpfung stehn.
[31]
Und dann, was ist ein kleines Leiden,
Von seiner Vatershand geschickt,
Wenn einst dafür ein Meer der Freüden
Mich ewig labet und erquickt?
Was zeitlich heißt, ist bald verschwunden
Hier mängen sich auch trübe Stunden
In unsrer Tage Klarheit ein.
Dort aber wird im Reich der Seinen
Sein Licht uns unvergänglich scheinen,
Und Nacht und Schatten nicht mehr seyn.
Nur dämpf, o Herr, in meinem Herzen,
Was deiner Gnade widersteht!
O laß mich nicht ein Gut verscherzen,
Das über alle Schätze geht!
Auch Böse hält in diesem Leben
Dein allgemeiner Schutz umgeben,
Und deiner Sonne wärmend Licht.
Doch deine Zarten Vaterstriebe,
Den Ausfluß ewig-milder Liebe,
Gewährst du den Verkehrten nicht.
[32]
Drum bleib ich nur auf deinen Wegen,
Und deiner Satzung stets getreü.
So mag sich alle Welt erregen:
Mein Schöpfer steht mir kräftig bey,
Sein Wort gebihrt mir Heil und Fülle.
Er droht dem Meer, so wird es stille;
Er schilt den Feind, so fällt er hin.
Laß Tausend Scharen auf mich stürmen,
Sie müssen, will er mich beschirmen,
Erschreckt vor meinem Schatten fliehn.

[33] Der dreyßigste Psalm

Mein König, der du mich erhöret
In meinem allergrösten Leid;
Der meiner Feinde Lust gestöret,
Die sich auf meinen Fall gefreüt;
Der mich des Todes Arm entrücket;
Und, da ich schon zur Grube sank,
Mit neüer Lebenskraft erquicket:
Dir sag ich ewig Lob und Dank.
Ihr alle, die sein Schutz umfangen,
Besingt ihn mit mir spät und früh.
Sein Zorn ist, wie ein Wind, vergangen;
Doch seine Güte weichet nie.
Wer lebet so in Lust und Segen,
Wie seiner auserwählten Hauff?
Wenn sie sich weinend niderlegen,
So stehn sie Morgens jauchzend auf.
[34]
Ich aber sprach in meinem Glücke:
Nun kan ich nimmer untergehn.
Ich dachte nicht an sein Geschicke,
Und wollte von mir selber stehn.
Doch, o wie plötzlich wird zu nichte,
Was nicht sein starker Arm erhält.
Kaum barg er nur sein Angesichte,
So war ich armer schon gefällt.
Dann sucht ich wieder sein Erbarmen,
Und flehte seiner Allmacht zu:
O mein Erlöser, hilf mir Armen!
Es kan es niemand sonst, als du.
Was nützt dirs, wenn du mich zerstöret?
Wer rühmt dich in des Todes Nacht?
Hingegen, weil mein Athem währet,
So sing ich stets von deiner Macht.
Du hörtest, Herr! und halfst mir wieder
Aus meinem Tod und Untergang.
Du kehrtest meine Trauerlieder
In einen frohen Lobgesang.
Du hast mein Serbgewand zerrissen,
Und mich mit Purpur angetahn.
Ich bin auf deinen Ruhm beflissen,
Biß daß ich nimmer athmen kan.

[35] Der vier- und sibenzigste Psalm

Herr! willt du uns denn gar verdammen?
Sind wir auf ewig ausgetahn?
Wie schlagen deines Zornes Flammen
Von allen Seiten auf uns an?
Wir ligen schmählich auf der Erde.
Hilf, o Erlöser, hilf geschwind!
Gedenke, daß wir deine Heerde
Und dein erworbnes Erbe sind!
Gedenke deines Zions wieder,
Des Berges, da man dich verehrt;
Und stürze bald die Feinde nider,
Die deinen Tempel so verstört!
Kein Grimm ist ihrem Grimm zu gleichen;
Sie brüllen um dein Haus herum;
Und setzen ihre Graüelzeichen
In deiner Allmacht Heiligtum.
[36]
Ich schaue Beil und Aexte blicken.
Halt innen du verwegne Schar!
Du schlägest einen Schmuck zu Stücken,
Der aller Völker Wunder war.
Umsonst! die Fackeln sind vorhanden.
Der Tempel wird der Flammen Raub.
Wo erst das Heiligste gestanden,
Erscheint ein Hauffe Schutt und Staub.
Sie ruffen: Drauf mit Mord und Bränden!
Dies Volk muß ausgetilget seyn.
Ihr Toben reißt an allen Enden,
Herr! deine Haüser grimmig ein.
Nichts zeiget uns mehr dein Erbarmen,
Wie unsern Vätern vormals, an;
Und kein Prophete sagt uns Armen,
Wie lang dein Grimm noch währen kan.
O Herr! wie lange willt du dulden,
Daß dich ein frevels Volk verlacht?
Sie haüffen immer Schuld auf Schulden,
Und spotten aller deiner Macht.
Kan deine Rache sich verweilen?
Hast du denn keinen Donner mehr?
Auf, spiele doch mit Tausend Keilen
Nach deiner Widersacher Heer!
[37]
Herr! alle Hülfe, die man kennet,
Entspringt doch ja von deiner Hand.
Du hast des Meeres Flut getrennet,
Und Israel hindurch gesandt.
Wie schlugest du den Wasserdrachen
Die stolzen Haüpter schnell entzwey,
Und gabst der wilden Tiere Rachen
Ihr gräßlichs Aß zur Speise frey!
Du bringst aus Felsen starke Flüsse,
Und trocknest grosse Fluten auf.
Du schaffest Licht und Finsternisse,
Und ordnest aller Sterne Lauff.
Die unerforschlich-weiten Grenzen
Des grossen Rundes setzest du.
Du ruffest bald des Sommers Glänzen,
Und bald des Winters Frost herzu.
Doch alle diese Wunderwerke
Verachtet der vermeßne Hauff.
Sie höhnen dich und deine Stärke,
Und gehen immer frecher drauf.
Wie? läßst du deine Daube sterben,
Auf die ein grimmer Adler stößt,
Und dein erwähltes Volk verderben,
Das sonst dein Arm so oft erlöst?
[38]
Herr! soll dein Bund denn nicht mehr gelten,
Den du so heiliglich gelobt;
Und willt du nie den Frevel schelten,
Der stets in deinem Erbe tobt?
O gönn uns einst die süssen Stunden,
Da dir der Arme fröhlich singt,
Und der Bedrängte, nun entbunden,
Dir sein Erlösungsopfer bringt!
Zernichte bald des Feindes Rasen!
Er wagt sich bis an deinen Trohn,
Und spricht, von Hochmuht aufgeblasen,
Dir, Fürst der Ehren! Trotz und Hohn.
Erwache, grosser Herr, erwache!
Es fordert dich dein Feind heraus:
Und führe selbsten deine Sache
Mit Macht auf seinen Scheitel aus.

[39] Psalm 139. 23, 24

Erforsche mich Gott! und erfahre mein Herz! Prüfe mich; und erfahre, wie ich es meyne; und sih, ob ich auf bösem Wege bin; und leite mich auf ewigem Wege!


Schöpfer! der du alles kennest,
Was in meinem Herzen ruht:
Der du es mit Namen nennest,
Ob es irrig, ob es gut:
Schaue, was für Dunkelheiten
Sich durch meine Seele breiten;
Und gebiete deinem Licht,
Daß es meine Nächte bricht!
Herr! ich bin mir selbst verborgen.
Wem ist wol sein Herze kund?
Tausendmal in Einem Morgen
Aendert sich sein innrer Grund.
Träume, die kein Wesen halten,
Ungewisse Scheingestalten,
Licht und Schatten, Wahn und Witz
Wechseln stets in seinem Sitz.
[40]
Dennoch richt ich mein Beginnen
Nur nach eignem Dünkel ein,
Und es wollen meine Sinnen
Klüger, als du selbsten, seyn.
O welch döhrichtes Geschöpfe!
Haben denn die schnöden Töpfe,
Die ein leichter Streich zerstört,
Ihren Schöpfer je gelehrt?
Nun! ich weiß durch Tausend Proben,
Daß mein Tuhn mich stets betriegt,
Bis die hohe Macht von oben
Sich zu meiner Schwachheit fügt.
Drum, o einig-weyses Wesen,
Sorge du für mein Genesen;
Und eröffne deinem Knecht,
Was verboten, was gerecht!
Schau herab von deinen Höhen,
Und erforsche meinen Gang!
Sihest du mich irre gehen,
O so warte nicht zu lang!
Reisse mich mit starken Armen
Durch dein heiliges Erbarmen
Von dem Weg, den ich berührt,
Eh er mich zur Höllen führt!
[41]
Herr! ich fühle deine Stärke,
Die mir Licht und Trost verheißt.
Deiner Gnade Wunderwerke
Wirken schon in meinem Geist.
Ja du willt, du willt mich führen,
Wenn sich Bahn und Tag verlieren.
Deine Rechte leitet mich;
Und ich gehe sicherlich.
O wie selig, welcher immer
Unter deiner Führung steht!
Höchster Führer, weiche nimmer,
Bis mein Lauff zum Ende geht!
Leüchte meinem Angesichte,
Bis ich einst in vollem Lichte,
Frey von irrtumsreichem Wahn
Deine Gottheit schauen kan!

[42] Gedanken bey einem Spazirgange im Sommer

Auf überstandne Tageslast
Fand sich Sylvander einst begihrig nach der Rast,
Ermüdet von der Arbeit Mänge;
Und wollte sich dem wühlenden Gedränge,
Dem Kerker seiner Stadt entziehn.
Er floh den unmuhtsvollen Ort,
Da uns die bange Luft beklemmet,
Da Maur und Wall uns unsre Freyheit hemmet,
Und satzte seinen Fuß ins holde Grüne fort.
Erst irrt er hin und her mit ungewissem Tritt,
Bis daß sich seinem Aug ein schöner Vorwurf wiese.
Doch führet ihn zuletzt der unvermerkte Schritt
Zu einem holden Platz, zu einem Paradise.
Zur Linken stund ein anmuhtsvoller Wald
In einer prächtigen Gestalt.
Man sah die Baüme fast bis an die Wolken reichen.
Die etwas dünne Zahl der grün-belaubten Eichen,
[43]
Worauf der Vögel munters Heer
Mit freyem Spielen flog, mit unbesorgtem Singen,
Ließ seinen Blick je mehr und mehr
In eine dunkle Ferne dringen,
In eine schattenreiche Kluft.
Dort stellte sich in offner Luft
Ein schöner Hügel dar, bedeckt mit schlanken Reben.
Es schien, als wär er selbst bedacht,
Sein stolzes Haupt emporzuheben,
Und wollte seiner Schätze Pracht
Der Welt zu schaun und zu bewundern geben.
An diesen stieß ein buntes Feld,
Das teils mit saftigen, und teils schon reiffen Saaten
Ein prächtig Schauspiel vorgestellt,
Das einem Teppich ähnlich schien,
Worauf ein schimmernd Gold aus grünemTafte strahlte,
Den hier und dar der Bäume dunkler Grün
Mit lieblicher Schattirung mahlte.
Darzwischen lief ein Tahl, in dessen Mitten
Ein Dörfchen lag, voll angenemer Hütten,
Die nicht nach eitler Kunst bereit,
Nicht nach gezwungnem Maß des Zirkels eingefangen;
Nein, sondern hin und her zerstreüt,
Wie der bequeme Brauch und Nutzen es verlangen,
In einer wilden Zierlichkeit.
Sylvander sah entzückt so viele Lieblichkeit.
Er legte seine müden Glider
[44]
Bey einem dicken Busche nider,
Bedeckt vor Hitz und Sonnenschein;
Und sog allda mit langen Zügen,
Zu seinem innigsten Vergnügen,
Des Himmels reinen Hauch, der Blumen Balsam ein.
Die Gegend reizet ihn zu andachtsvollem Triebe.
Mein Schöpfer, hub er an, du Abgrund aller Liebe,
Wie schöne hast du Lust und Nutzen doch gepaart!
Was jetzt mein Aug entzückt, erhält mir auch das Leben.
Die Felder müssen uns die beste Nahrung geben;
Der Weinstock stärket uns; die Früchte mancher Art
Erfrischen Herz und Blut; Und, wenn des Winters Grimm
Und Schnee und Flocken uns bestürmen,
So muß die Waldung uns vor strenger Kälte schirmen.
Er wollte weiter gehn,
Als sein betrübtes Ohr ein lärmendes Getöhn
Aus einer nahen Schenke hörte,
Das plötzlich ihn in seiner Andacht störte.
Ein trunkner Hauff, gereizt von Geig und Leyer,
Bemühte sich, sein wildes Feüer,
Das Wein und Wollust angeblasen,
Mit tollem Springen auszurasen.
Sylvander seüfzt und sprach: O du verblendte Schar,
Wie weit ist deine Lust von meiner unterschieden!
Mir stellt sich die Natur in voller Schönheit dar.
Ich sehe hier in stillem Frieden
Des Schöpfers Macht in seiner Werke Zier.
[45]
Was aber zeigt sich dir?
Du sihest, wo dein Aug auch etwas sehen kan,
Nichts, als ein schwärmendes Gewühle
Von ganz verstellten Menschen an.
Mich labt mit seiner holden Kühle
Der anmuhtsvolle West:
Du wirst, wofern der Jescht dich noch was fühlen läßt,
Von lauem Dampf, von bangem Qualm gepreßt.
Des Feldes Ruh, der Blumen Ambrahauch,
Ein Balsam, der ins Herze dringet,
Erquickt mir Muht und Geist; Da dich ein dicker Schmauch
Und stank und Unlust nur umringet.
Mir singt der Vögel muntre Schaar
Mit tausendfach-gebrochnen Melodeyen,
Mit tausendfachen Schmeicheleyen,
Ein Lied, das sie der Schöpfer selbst gelehrt;
Da dir ein toller Lärm, ein unvernünftig Schreyen
Das Ohr betäubt, den Sinn bedöhrt.
Mich führet meine Lust dem grossen Schöpfer zu;
Sie ist ein Vorschmack jener Freüden,
Die einst die Auserwählten waiden,
Die niemand nicht erzählen kan:
Dich treibt die Deinige zu Schand und Graüel an;
Du wälzest dich im Koht hierniden.
O wie beklag ich dich, du armer Hauffe du!
Wie weit ist meine Lust von deiner unterschieden!

[46] Herbstgedanken

Der schwüle Sommer ist verschwunden.
Die Sonne laüfft der kühlen Wage zu.
Die Erde neiget sich zur Ruh
Nach ihren arbeitsvollen Stunden.
Ihr bunter Schmuck wird blöd und alt,
Und, was sich nächst im Flor befunden;
Verändert Farben und Gestalt.
Der Himmel trübet sich. Es haucht ein frischer Duft
Gleich einer kühlen Abendluft,
Und will des Jahres Abend kühlen.
Der Baume Zierat weicht; die leichten Winde spielen
Mit dem entlaubten Schmuck. O welch ein Unbestand!
Doch nein! ich kenne deine Hand,
Du grosser Schöpfer und Erhalter!
Des Laubes Schirm, die schattenvolle Wand,
Die ihrer Früchte zartes Alter
[47]
Vor Hitz und Sturm in Sicherheit beschloß,
Hat nun die treüe Hut vollendet,
Da der verwahrte Schatz gezeitigt und geendet;
Drum fällt sie weg, und stellt ihn frey und bloß.
O reicher Schatz, den wir bewundern müssen!
Schau, wie die süsse Last die schwanken Aeste beügt!
Es scheint, als wollen sie die werte Muter küssen,
Die Muter, welche sie gezeügt.
Der Blätter Schmuck, der allgemach verfleügt
Erscheinet nun noch eins so prächtig.
Die schlanke Rede steht an Frucht und Zierat trächtig.
Schau, wie sie ihre grüne Pracht
Mit Gold und Purpur ausgesticket;
Wie sich ihr sterbend Laub zu guter Letzte schmücket,
Und seinen Abschied herrlich macht.
Wie aber? welch betrübtes Bild
Erblick ich voller Scham und Schanden!
Ich Armer ach! Mein Herbst ist auch vorhanden;
Mein Sommer ist bereits erfüllt.
Wie darf ich, Höchster! vor dir stehn,
Und mein beschämtes Haupt zu deinen Wolken strecken?
Ich bin ein kahler Baum, gleich einer dürren Hecken,
Von keinen Früchten reich, von keiner Zierat schön.
O wehe mir! die Art der Rache blicket schon,
Und draüt mir schnödem Holtz mit dem verdienten Lohn!
[48]
Erbarme dich! Erwecke meine Kraft,
Du Wesen voller Huld und Liebe;
Und fülle mich mit neüem Saft,
Mit einem gnadenvollen Triebe,
Eh mich dein Grimm zur Straf und Flamme rafft!
Herr, laß mich noch in dieser Zeit,
Obgleich mit später Frucht, zu deinem Ruhme dienen!
So werd ich dort in Ewigkeit
Bey dir im Paradise grünen.

[49] Auf die Religionsspötter

In mehr als einem Land, entstunden seltne Weysen,
Die sich alleine frey vom alten Joche preisen,
Das, wenn man ihrem Spruch gesichert trauen darf,
Nur blinder Aberglaub auf unsre Schultern warf.
Zu lange, sprachen sie, hat schon der Wahn gewähret,
Mit dem der arme Mensch sich seine Wolfahrt störet,
Den schlecht-verstandne Pflicht in Tausend Fessel schränkt,
Und einer Zukunft Furcht stets gegenwärtig kränkt.
Bald sah man sie bemüht, dem Unheil Raht zu finden;
Zwar nicht mit scharfem Schluß und tiefgesuchten Gründen.
Der Lehren Ernst erschreckt. Sie wagten den Versuch
Auf einen neüen Weg. Oft hat ein kurzer Spruch,
Wenn er ein lüstern Volk mit regem Kützel rühret,
Was sonst kein Witz vermocht, durch Kurzweil ausgeführet.
Drum griffen sie das Werk, (man macht es, wie man kan,)
Mehr durch ein höhnisch Wort, als schwäre Regeln, an.
Schau doch, wie ernstlich der den alten Satz betreibet,
Daß nach dem Tode selbst von uns was übrig bleibet!
Schau, wie so schüchtern dort der Neüling sich bedenkt,
[50]
Bis einer Helenen er sich zum Paris schenkt,
Und eh sein eigen Weib zu lieben sich bequemet.
O Sitten unsrer Zeit! Wie der sich ängstlich grämet,
Was, wenn er nicht mehr ist, sein Gott ihm zugedacht;
Wie jener seinen Feind durch Nachsicht frecher macht;
Wie der sich Nacht und Tag um andrer Heil bemühet,
Und den gemeinen Haß getrost zu Lohn beziehet.
Dies war der Inbegriff der Sprüche dieser Zunft.
Ihr Klang ertöhnte weit. Sie hiessen es Vernunft.
Die Schüler mühten sich, die neüen Seltenheiten
Mit wolbeschwatztem Mund geschäfftig auszubreiten.
Ja, wem ein grobes Hirn der Geister Fluß gehemmt,
Und Tummheit oder Wein der Zunge Band beklemmt,
Der suchte wenigstens, den Hasser seiner Lehren
Mit spöttischem Gesicht und Pfeiffen zu bekehren.
So wuchs der neüe Hauff. Die Lehre ward bekannt,
Geschwind bey Hof und Stadt, doch langsam auf dem Land.
Der Landmann widerstund dem Reiz der fremden Künste.
Der Einfalt Schwäre brach das dünne Kunstgespinste.
So mühsam gibt ein Volk, verliebt in einen Satz,
Den die Natur gelehrt, der Gegenlehre Platz.
Jedoch, was Kunst und Fleiß vergeblich unternamen,
Gelang der heissen Sucht, den Grossen nachzuahmen.
Ein glänzend Beyspiel lockt. Der Höfling gieng voran,
Der Bürger folgt ihm nach, und dem der Ackersmann?
Bis auch in Hütten selbst der Beyfall eingekehret.
Doch bleibt noch immer was, das seinem Anwachs wehret.
[51]
Ein zwar nur kleiner Hauff, zum Denken angewöhnt,
Verwarf den blossen Schmuck, der einen Satz verschönt,
Und drang auf Grund und Schluß. Der Pöbel ward geschrecket,
Als seiner Führer Herz verdächtig sich entdecket.
Wie, sprach er, merkt man doch, daß Folger dieser Zucht
Das, was sie laut gelehrt, stets in geheim verflucht,
Und daß ein Seüfzer oft, zur Unzeit ausgebrochen,
Dem frohen Jubelschall des Lehrers widersprochen.
Ja, wenn ein naher Strahl die Wolken plötzlich trennt,
Wenn in der festen Brust ein tödtlich Feüer brennt,
Wenn Pest und Schlagfluß ihm ein schnelles Ende melden:
Dann zeügt, wie kömmt es doch? die Herzensangst des Helden
Nun auch durch Stimm und Mund, mit lang-verlerntem Tohn,
Von Gott und Ewigkeit, von Pflichten, Straf und Lohn.

[52] [63]Vermischte Gedichte

[63][65]

Auf eine Hyacinte/ so im Wasser geblühet

An Herrn D. Eichrodt/ Baden-Durlachischen Hofraht und Leibarzt.


Der Sommer war dahin. Der Schmuck der bunten Wiesen
Verwelkte mehr und mehr; Die rauhen Norden bliesen,
Und machten unsrer Welt mit fürchterlichem Mund
Des kalten Scorpions verhaßte Herrschaft kund.
[65]
Kaum zeigte sich annoch von unsrer Gärten Ruhme
Ein welker Amarant und eine Ringelblume,
Die unter Frost und Sturm halb sterbend ausgedaurt,
Und mit gesenktem Haubt der Schwestern Tod betraurt.
Bis Flora, voller Gram bey ihrer Kinder Leichen,
Uns endlich gar verließ, und zu den schönen Reichen,
Zu jener Gegend floh, da Phöbus rege Kraft
Ein immerwährend Grün und stete Blühte schafft.
O schmerzlicher Verlust für Anthosanders Blicke!
Sein Augenmerk zerfiel. Ihr Blumen kommt zurücke!
Du unschuldsvolle Schaar, wie kurz ist deine Pracht!
So rief Er; doch umsonst. Der Kälte strenge Macht
Gab keiner Bitte Statt. Die Kraft des holden Lenzen
War noch zu sehr entfernt von unsern öden Grenzen.
Bis Anthosanders Fleiß; was die Natur versagt,
Voll reger Ungeduld zu künsteln sich gewagt.
Die Sehnsucht trieb ihn an, des Winters Grimm zu triegen.
Sein Zimmer mußte sich zu einem Garten fügen;
Da lockt Er allgemach das bunte Frühlingsheer
Mit angenemem Zwang zur frühen Wiederkehr.
Er hielt ein manches Glas bis oben angefüllet
Mit jener Segensflut, die aus den Wolken quillet,
Die die Natur gekocht, und aus der Lüfte Schooß,
An Wuchs und Kräften reich, auf unsern Boden goß.
Auf deren jedem ließ sich eine Zwiebel sehen.
So wie ein blanker Knopf sich von den steilen Höhen
Erhabner Türme zeigt, so streckt der ganze Hauff
Von dem erhöhten Sitz die runden Haüpter auf.
[66]
Doch schied vor allen sich von der gemeinen Mänge
Ein Hyacintenkiel mit zierlichem Gepränge.
Des Frühlings schönstes Kind hielt seine Kluft versteckt,
Bis Florens eigne Hand es nach und nach entdeckt.
Drey Tage stund er kaum auf dem crystallnen Trohne,
Als schon der Wurzeln Heer gleich einer runden Krone
Aus seinem Kerker brach, von dem erregten Duft
Gereizet und gelockt. Des Zimmers warme Luft
Befördert ihren Trieb sich weiters auszudehnen.
Wie eine holde Reih von Perlenweissen Zähnen,
Wenn sie der erste Druck aus ihren Höhlen stößt,
Bey einem zarten Kind sich allgemach entblößt:
Nicht anderst drangen sich der Zasern erste Spitzen
Durch den geschwellten Kiel aus Hundert kleinen Ritzen;
Und füllten nach und nach, gleich einem dichten Strauß
Verwirrt, doch angenem, den Raum des Glases aus.
Bald zeigte sich ihr Tuhn. Es schwand des Wassers Mänge;
Die Wurzeln zogen es durch ihre kleinen Gänge,
Gehöhlten Teicheln gleich, und sogen seine Kraft,
Sein fünfftes Wesen, aus zu ihrem Nahrungssaft.
Das Wachstum folgte drauf. Der Kiel war nunmehr offen,
Aus dessen Spitze bald, nach Anthosanders Hoffen,
[67]
Ein gelblich-grüner Berg geschloßner Blätter stieß,
Und uns ein Vorgebirg der frohen Hoffnung wies.
Doch fehlt die Blume noch. Du Muter aller Dinge,
Vergönne, daß ich jetzt in dein Geheimniß dringe,
Daß ich ein Zeüge hier von deinen Wundern sey;
Und laß mir einen Blick in deine Werkstatt frey!
Zwelf Wälle stunden da, Zwelf runde Festungswerker
Gewölbten Mauern gleich, ein angenemer Kerker,
Mit Nahrungssaft gefüllt, in dessen engem Zwang
Der Blätter dichter Busch sich in einander drang.
Ihr Innerstes beschloß der Schönheit Meisterstücke.
Zwelf Knöpfgen hatten sich mit künstlichem Geschicke
In einen Knopf gedrängt, der fern von Licht und Tag,
Wie eine Fichtenfrucht, in seiner Muter lag.
Mein Eichrodt, dessen Witz den Ursprung selbst ergründet,
Und einer Gottheit Spur in jedem Kraütgen findet;
Der nebst des Fürsten Heil auch seiner Gärten Pracht
Mit nimmer-müdem Fleiß besorget und bewacht,
Belehre deinen Freünd, der von Begihrde brennet,
Wie man den dunkeln Weg verborgner Weysheit kennet,
Woher das erste Seyn so vieler Wunder fleüßt,
Und was für Ordnung sich in ihrer Zeügung weist!
Ists ein besondrer Geist, der alle diese Schätze
Nach unsers Schöpfers Schluß, dem ewigen Gesätze,
In jeder Pflanze wirkt, und die, die ihm vertraut,
In vorgeschriebner Art zu seiner Wohnung baut?
[68]
Wie? oder sind es wol verborgne kleine Gänge
Unzählbarer Figur, unendlich-grosser Mänge,
Worinn der waiche Saft, allmählich eingedrängt,
Nach seiner Formen Art die Bildungen empfängt?
Villeicht auch lehrst du mich, daß Tausend Millionen,
Daß Pflänzgen sonder Zahl in einem Sämgen wohnen,
Da stets ein Inneres im Aüseren versteckt
Sich bis zur Ewigkeit entwickelt und entdeckt.
Vergebens, werter Freünd! Ich kenne meine Schwäche?
Mein Blick erforschet kaum der Körper aüsre Fläche.
Der Ursprung ihrer Pracht, der Bildung dunkles Spiel,
Ist meinem blöden Licht ein Abgrund ohne Ziel.
Die Allmacht hat sie selbst mit einer Nacht umringet,
In deren Tiefe nicht der Allerklügste dringet.
Mich schreckt die Finsterniß, und weiset meinen Blick
Ermüdet und beschämt zum Aüseren zurück.
Der Wuchs vermehrte sich mit immer-regen Sprossen:
Sechs Blätter, die bisher ein fester Zwang geschlossen,
Zerteilten ihren Busch um den verwahrten Schatz,
Und machten allgemach dem regen Stengel Platz.
[69]
Er kam, als wie ein Turm aus seinen tiefen Gründen;
Sein Kommen fiel ihm schwär. Nach langem Unterwinden
Durchdrang sein rundes Haubt des Kieles enge Kluft,
Und drückte mühsamlich sich in die freye Luft.
Bald sah man seine Pracht in neüem Schimmer blühen;
So wie vor Sonn und Licht die bleichen Schatten fliehen,
So wich die grüne Nacht, die auf den Knöpfen lag,
Der Farben erstem Spiel, dem Einbruch von dem Tag.
Dann folgt der volle Glanz in ungesaümter Eile.
Der kleine Stengel stieg, wie eine kleine Saüle
Von Jaspis ausgedreht, mit schneller Macht empor;
Um sein erhabnes Haubt erschien der volle Flor;
Die Kelche schlossen sich in Sechs geteilte Zinken,
Wie Sterne, welche dort am Firmamente blinken,
Mit doppeln Strahlen auf. Ihr holder Schimmer schien,
Wie ein vereinter Glanz von Perlen und Rubin.
Doch nein! Mein Pinsel treügt. Er kränket ihre Würde.
Kein Edelstein erreicht der holden Blumen Zierde.
Sie schmeicheln meinem Blik, mit sanft-gebrochner Glut,
Mehr, als der ganze Schmuck von einer Krone tuht.
Was soll der strenge Blitz, der aus den Steinen blicket?
Ein Demant blendet nur: der Blumen Glanz erquicket;
Mein Auge wird geschwächt, wenn jener Feüer streüt;
Und diese stärken es mit sachter Lieblichkeit.
Zu dem, was ist ein Stein, der uns so mächtig rühret,
Eh ihn der eitle Mensch mit langer Müh gezieret?
[70]
Ein Klumpe sonder Form, bedeckt mit Erd und Sand,
Und borget seinen Stolz nur von des Künstlers Hand.
Hier aber können wir in so viel Wunderwerken
Auf einem jeden Blatt des Schöpfers Finger merken.
Hier ist ein lebend Werk, und kein entseelter Stein;
Der Blumen Athem bläst uns selbst ein Leben ein.
Der Balsam, welchen sie aus ihren Höhlen düften,
Ist selbst die fünfte Kraft aus reinen Himmelslüften:
Die füllet unsre Brust mit einer Regung an,
Die keine Demantkluft, kein Zeilon geben kan.
Weicht, schnöde Steine weicht! Wo seyd ihr schönen Stunden,
Da noch ein Blumenstrauß, von werter Hand gebunden,
Ein Pfand der Liebe war? Die Neigung schätzte nur
An Herzen und Geschenk die Einfalt der Natur.
Nun hat ein schnödes Gift die Menschlichkeit verletzet,
Daß man sich Gold und Stein zu seinem Abgott setzet,
Und die erlaubte Lust, die Feld und Garten krönt,
Mit Unempfindlichkeit versaümet und verhöhnt.
[71]
Mein Freünd! Du opferst nicht in diesem Götzentempel,
Es gibt uns unser Fürst ein reizendes Exempel
Von einer edlen Lust, der, wie man wundernd schaut,
In seinem Carolsruh ein Eden sich erbaut;
Und da, wenn ihn die Last des schwären Zepters drücket,
An dem beblümten Schmuck sich labet und erquicket.
Er mißt der Dinge Wert mit klugem Unterschied.
Ich schweige. Carols Ruhm verdient ein höher Lied.

[72] Gedanken über die Mahlerey/ an den berühmten Mahler, Herrn Rahtsherr Hubern in Basel

Aus dem Englischen des Herrn Pope.


O Möcht ich auch mein Lied, an ächtem Zierat schön
Und deinen Farben gleich, beständig scheinend sehn!
O möchte, werter Freund, mein mühsams Reimgefüge
So frey, doch tadellos, wie deine Pinselzüge,
Sanft, aber nicht zu matt, frisch ohne Gaukelschein,
Und mit den Jahren erst an Anmuht reicher seyn,
Mehr durch ein gutes Glück, als schwären Fleiß, gelungen,
Und von den Regeln nur geleitet, nicht gezwungen!
[73]
Du holde Zauberkunst! belebte bunte Schatten,
Worinn sich Feür und Geist mit todten Farben gatten,
Was wirket ihr in uns für angenemen Trug!
Was seh ich? Traümt es mir? Ein jeder Pinselzug
Gebihrt ein neües Werk. Er gibt den kalten Bildern
Den warmen Lebenshauch. Er kan die Regung schildern.
Schau, welch gewölbtes Bild aus glatter Leinwand steigt,
Das die gereizte Hand mit leeren Schatten treügt!
Sie fühlt, und kan doch nichts, als ebne Flächen, finden.
Hier blickt ein weites Land, vertieft mit dunkeln Gründen,
Mit Bergen übertürmt, aus einer Tafel vor.
Da steht ein naher Berg in grünlich-buntem Flor.
Ein andrer hinter ihm weicht allgemach zurücke
In purpurblauem Schmuck, erhellt durch lichte Blicke.
Dort läßt sich weit entfernt durch einen Nebelduft
Ein neüer Gipfel sehn, verloren in der Luft,
[74]
Und streckt sein bleiches Blau ans blaue Reich der Sterne;
Mein Auge reist ihm nach, bewundert seine Ferne,
Und mißt die Meilen aus. Ein silberheller Fluß
Entdeckt und schlängelt sich um der Gebirge Fuß.
Ich seh ein schnelles Schiff auf seinem Rücken schweben,
Ein schwimmendes Gebaü. Die regen Lüfte beben;
Das leichte Segel weht. Es zittern Well und Flut,
Und Phöbus wirft darinn den Abdruck seiner Glut.
So folg ich voller Lust dem angenemen Strande,
Und irre hin und her in diesem Wunderlande,
Bis, wenn ich es zuletzt begihrig durchgereist,
Ein schattenreicher Wald die holde Gegend schleüßt.
So bald erlab ich mich an der gemahlten Kühle;
Des Auges Reizung bringt den Eindruck ins Gefühle;
Es lockt ein hohler Raum, allmählich aufgetahn
Mit grauer Dunkelheit, mich schon zum Schlummer an;
Gleich einem Wandersmann, ermüdet von dem Wege,
Begeb ich mich zur Ruh. Bald werd ich wieder rege.
Ein neües Wunderwerk ermuntert meinen Blick.
Ein Bild. Ein menschlich Bild! der Schöpfung Meisterstück.
Es athmet, wie mich deücht. Die Muskeln sind belebet.
Schau, welch ein linder West in seinen Haaren webet.
Sein Auge spielt und webt, und Schimmert voller Kraft;
Man siht auf Wang und Mund den warmen Lebenssaft,
Die rege Purpurflut in dünnen Adern spielen.
Gibt auch des Künstlers Hand den Farben Geist und Fühlen?
Ein denkend Wesen blickt aus seinem Angesicht;
Ich schau es wundernd an, und warte, bis es spricht.
[75]
Berühmte Wissenschaft, wie groß ist deine Stärke!
O stellte doch mein Kiel die Schönheit deiner Werke
So, wie du die Natur mit Farb und Pinsel, vor!
Mein Huber, lehr es mich! Dir ist der ganze Chor
Der grösten Meister kund. Du kennest ihre Weisen,
Und was an jedem Werk zu tadeln und zu preisen.
Du weist, wie Dürer stets auf strenge Regeln zielt,
Und Holbeins reicher Geist in freyer Schönheit spielt;
Die Zeichnung Raphaels, von keinem Fehl beflecket;
Der Farben Wunderkraft vom Titian entdecket:
Wie Rubens die Natur mit neüer Kraft geziert;
Und wie die Gratien Corregiens Hand geführt.
Du kennst Carraschens Hand und stark-belebte Züge,
An Licht und Schatten reich: der Muskeln Kunstgefüge
Von Bonarotens Hand den Marmorn nachgemacht:
Das Leben, das van Dyk in seine Bilder bracht:
Den Reichtum Tintorets in glücklichem Erfinden;
Und, wo sich Geist und Fleiß zusammen sonst verbinden.
Du folgst den Künstlern nach, doch mehr noch der Natur;
Sie führt Dich für und für auf eine neüe Spur.
Mein eigen Bildniß kan von deinem Ruhme sprechen:
Verliebt in deine Kunst vergeß ich die Gebrechen,
Die mein Gesicht entdeckt. Dein Pinsel macht sie schön,
Und dennoch find ich sie nach neüem Ubersehn.
Du weist die Aehnlichkeit auch schmeichelnd zu erlangen.
Ich schau ein dürres Bild von eingefallnen Wangen,
Der Farbe kränklichs Roht mit Gelbem starck geschmückt,
Und Fünfzig Jahre schon den Zügen eingedrückt.
[76]
Der Anblick lehret mich, ich werde bald erkalten;
Drum suchst Du, werter Freünd! mein Denkmahl zu erhalten.
Umsonst! Weil, wer den Blick auf deine Bilder lenkt,
Mehr an des Künstlers Hand, als nach dem Urbild, denkt.
Wolan! so must du mir nur dieses noch gewähren:
(Dann wird man nebst dem Bild auch mein Gedächtniß ehren;)
Verschaffe, daß darauf die Uberschrift erscheint:
Dies Bild ist Hubers Werk. Er mahlte seinen Freünd.

[77] Auf die Musik

Ode.


Auf, rühret eüch ihr muntern Saiten,
Und flammet meine Geister an,
Damit ich eüern Trefflichkeiten,
Ein würdigs Opfer bringen kan!
Wer ist der nicht in Wollust schwimme,
Wenn eüer himmlisches Gestimme
Durch unsrer Sinnen Tiefen bricht?
Ihr spielet schon; Ich bin entzücket.
Wo werd ich von eüch hingerücket?
Welch eine Regung fühl ich nicht!
[78]
So wie die Königinn der Büsche,
Wenn sie des Frühlings Anmuht fühlt,
Mit Wundervollem Tohngemische
Durch die erfreüten Lüfte spielt:
So steiget ihr und sinket wieder.
Bald lasset ihr eüch sanfte nider;
Bald stürmet ihr mit Macht herbey.
Ihr spielet streng. Ihr spielet schöne
Ihr mischet eüre Zaubertöhne
Mit tausendfacher Schmeicheley.
So lernen wir durch Lust und Grausen,
Wie kräftig eüre Züge seyn.
Bald kömmt ein lieblich-sanftes Sausen,
Und wieget uns in Wollust ein.
Bald werden wir von eüerm Schallen
Mit Furcht und Schrecken überfallen;
Bald rühret ihr uns Geist und Muht;
Und bald so fügt es eüer Wille,
Daß unter einer holden Stille
Der Sturm der Sinnen wieder ruht.
[79]
Drum bleiben eüre werten Spiele
Das beste Labsal unsrer Brust.
Sie wirken in uns ein Gefühle
Von jenes Paradises Lust.
Ermuntert eüch, gepriesne Saiten!
Verdoppelt eüre Lieblichkeiten,
Womit ihr Herz und Sinne zwingt!
Wie aber? hör ich nicht Climenen
Mit ihrer Stimme Wundertöhnen?
Ihr Saiten schweigt! Climene singt.

[80] An sein Vaterland

O Würden mir noch einst die angenemen Stunden,
Die ich mit Stehelin, durch gleichen Trieb verbunden,
Von gleichem Reiz gelockt, in meinem Vaterland
Den Schätzen der Natur vor diesem zugewandt;
Da wir in Wald und Busch uns oftermals verwirrten,
Und um den grünen Fuß des stolzen Blauen irrten!
Da war kein Platz an Lust, kein Raum an Nutzen leer.
Mein Auge sah vergnügt der Blumen buntes Heer,
Die eine reine Luft und nahen Himmel fühlen,
In tausendfachem Schmuck, in Tausend Farben spielen.
Da reckte manches mal aus dem bekannten Chor
Ein ungewohnter Strauch sein seltnes Haubt empor,
Und reizte meinen Freünd, mir durch geschickte Lehren
Den kleinen Wunderbau der Pflanzen zu erklären;
Da stellt Er, was dem Sinn sonst unerkänntlich war,
Ihr zärtestes Gespinst durch Gläser sichtbar dar.
[81]
Bald sah ich Ihn bemüht, die Kraft gesunder Quellen,
Der Bäder innern Schatz, dem Auge vorzustellen,
Da Er das feste Band der Teilgen aufgelöst;
Ein stärkend Eisenerzt verkörpert hier entblößt;
Da ein eröffnend Salz, im innersten verstecket,
Und einen Schwefel dort, ein Heilungsöl entdecket.
Und, wenn wir dann vergnügt die Arbeit eingestellt,
So lockt ein heitrer Tag uns wieder auf das Feld.
Da ließ sich unserm Blick, zu neüer Lust und Lehre,
Ein seltsam Muschelvolk, die Bürger fremder Meere,
Auf hohen Bergen sehn. Da schloß ein Kieselstein
Oft eine ganze Brut gewundner Schnecken ein.
O Zeügen jener Flut, in harten Stein verkehret,
Daß ihr der zweyten Welt ein warnend Denkmahl wäret,
Wie, als die erste sich mit Sünden überhaüfft,
Ein schrecklich Strafgericht ihr frevelnd Volk ersaüfft!
Dann zog uns unser Trieb, die Klüfte zu befahren,
Die Werkstatt der Natur, gefüllt mit seltnen Waaren.
Da legt ein tiefer Schacht ein reiches Vorrahtshaus,
Metall und Stein vermischt, in krausen Klumpen aus.
Den blauen Amethyst mit blankem Erzt umkränzet,
Samt jenem Wunderstein, der in dem Dunkeln glänzet,
Und, wenn ein sachtes Feür allmählich ihn erhitzt,
In blaulich-hellem Schein gleich einem Sterne blitzt.
Da konnten wir zuletzt auch in den Tiefen spüren,
Wie oft Gestalt und Schein die Sterblichen verführen;
Wie sich ein reiches Erzt in grauen Kittel schmiegt,
Und schlechter Schwefelkies mit göldner Farbe triegt.
[82]
O möcht ich für und für mit innigstem Ergetzen
Die Schätze der Natur, gepaart mit andern Schätzen,
In Badens Gränzen sehn: sein Glücke nie gestört,
Sein Land an Segen reich; und, was sein Boden nährt,
Verbessert durch den Fleiß, mit klugem Raht genützet,
Und durch Gesätz und Recht gesichert und beschützet!
Dann sollt ein neüer Trieb mir durch die Adern gehn,
Und mein gesuncknes Lied zu neüer Kraft erhöhn.
Getrost! mein Wunsch gelingt. Ein günstiges Geschicke
Versichert meine Lust in meines Landes Glücke.
Schau, wertes Baden, an, was dir der Himmel schenkt!
Wohin mein Auge nur die frohen Blicke lenkt,
Erscheint dein Segensstand; die ährenreichen Felder;
Die Wiesen reich an Klee; an Holz und Wild die Wälder;
Ein fettes Rinderheer, bestimmt zu deiner Kost;
Der Wasser Schuppenvolk; der Hügel Nectarmost.
Der Berge Gipfel schmückt gewürzter Kraüter Mänge,
Und mancher Heilungsbrunn durchrauschet ihre Gänge;
Und, wenn in deinem Kreis der Sonnen schwächre Kraft
Schon keinen Demant reifft, und deiner Klüfte Saft
Zu keinem Golde kocht, so bist du doch dargegen
An andern Erzten reich; so hat des Himmels Segen
Ein blankes Eisen dir in Fülle zugezählt,
Das jenes nackte Volk vor allem Golde wählt.
Sein Witz beschämet uns. O daß doch so bedöhret
Der Mensch sein bestes Erzt in Mordgewehre kehret!
O möchte wenigstens ihr Vorwurf nur allein
Ein raüberischer Wolf und wilder Hauer seyn,
[83]
Und keine Frevelhand, begihrig aufs Verderben,
Den unschuldsvollen Stahl in Menschenblute färben!
Dann würde Baden auch, (o möcht es stets geschehn!)
Durch seiner Fürsten Huld sein Glücke blühend sehn,
Bey frölichem Genuß den guten Himmel preisen,
Und ein gesegnet Land vor Tausend Ländern weisen.
Was kan auch sonsten mehr, als strenge Kriegeswut,
Das Blut der Zäringer, das königliche Blut,
An dem ererbten Trieb zu stetem Woltuhn hindern,
Und unsern Segensstand bey solchen Fürsten mindern?
Schau Heil und Sicherheit durch Ihren Arm gestützt;
Der Kirche reines Wort; der Bürger Recht beschützt;
Von keinem strengen Joch Ihr treües Volk gedrücket;
Das Land gebaut und schön; die Wege neü-geschmücket!
Es trabt der muntre Gaul getrost auf ebner Bahn,
Und kündigt seine Lust mit frohem Wiehern an.
Der Reiter darf nicht mehr gefahr und Stürzen scheüen;
Der rohe Fuhrmann selbst verlernt sein wildes Schreyen,
Vergißt je mehr und mehr der Geisel strenge Zucht,
Und segnet nun den Weg, dem er zuvor geflucht.
Die Räder rollen sanft und zeichnen ihre Reise
Mit einem leichten Strich und nicht mehr tiefem Gleise.
Ein Fluß, der oft erzörnt aus seinem Ufer drang,
Und Wagen, Mann und Pferd in wilde Strudel schlang,
Vermerkt sich unverhofft gezähmt durch Damm und Brücken,
Und läßt den Wandersmann nun über seinen Rücken
[84]
Mit sichern Schritten gehn. Kein ausgeworfner Sand
Verwüstet, wie zuvor, das umgelegne Land.
Es schaut der Reisende des Wolstands holde Zeügen,
Gebaüde mancher Art aus mancher Gegend steigen,
Nicht dürftig, nicht zu stoltz, mit Mäßigkeit geschmückt,
Und zu bequemem Brauch vernünftig angeschickt.
Oft fängt ein kleiner Herr sich mächtig an zu brüsten,
Und meynt sich noch so groß, wenn sich auf sein Gelüsten
Ein ungemeßner Bau aus seinem Boden streckt,
Und bald den halben Raum von seinem Ländgen deckt.
So steht ein Riesenkopff auf einem Zwergenleibe.
Wie aber gehts zuletzt dem teüern Zeitvertreibe?
Der Untertahn verarmt; dem Herren fehlt das Geld;
Die Arbeit stecket sich; der Wunderbau zerfällt;
Bald soll der Pflug aufs neü in seinen Gränzen spielen,
Und durch den teüern Schutt zerknirschten Marmors wühlen.
Hier wird Gebaü und Lust dem Fürsten nie vergällt,
Weil kein erpreßtes Ach an Hof und Mauern prellt,
Noch der Palläste Zahl der Länder Mark verschlinget,
Und ein erarmtes Volk aus seinen Hütten dringet.
Bescheidne Masse dient zum steten Augenmerk;
Und Nutzen und Gebrauch veredeln jedes Werk.
Auch ich geniesse nun der lang gewünschten Freüde:
Was meiner Hut vertraut, beschirmt ein fest Gebaüde,
Das der verblichne Carl, auch in Gebaüden groß,
Eh Ihm die Todesnacht Sein wachsam Auge schloß,
[85]
Zur Letzte noch befahl, vor künftigen Gefahren
Der Schriften teüern Schatz gesichert zu bewahren.
Wie manche Kirche steigt aus ihrem Schutt hervor!
Die Türme strecken sich in neüem Schmuck empor;
Der Spitzen Schimmer blinkt zurings um in die Ferne,
Und ein entlegnes Land bemerkt die neüen Sterne,
Dieweil der Glocken Klang durch die gerührte Luft
Das umgeseßne Volk zum Andachtsopfer rufft.
Hier steht ein Waisenhaus mit ungespahrtem Fleisse
Der Armut aufgebaut. Der Saügling, satt von Speise,
Erfährt nicht, daß er erst der Muter Brust verlor,
Und ein gebückter Greis sitzt lächelnd an dem Thor.
Die Sorgfalt wacht allhier auch bey des Bettlers Bette;
Der arme Kranke ruht auf sanfter Lagerstätte;
Verpflegt, erquickt, erfrischt vergißt er seiner Pein,
Und mängt den heissen Wunsch in seine Seüfzer ein:
O gib dem Fürsten, Herr! o gib Ihm Heil und Segen,
Der so für Kranke sorgt! Doch, weil das Unvermögen,
[86]
Weil wahre Schwachheit stets die Hülfe fröhlich kennt,
Wird fauler Müssiggang Gesunden nicht vergönnt.
Ein Kind, das erst die Hand recht ohne Wanken führet,
Und mit gewissem Tritt den Boden erst berühret,
Erleichtert sich bereits durch Arbeit seine Noht,
Und ißt mit frohem Muht sein selbst erworbnes Brot.
Kein Dürftiger verzagt, wenn Noht und Hunger schrecken;
Der Landesvater läßt ihn nicht in Mangel stecken.
Schau, wie der bleiche Gram den Wucherer verzehrt,
Den Teürung fett gemacht, und Mißwachs oft ernährt,
Wenn sein gehaüfftes Korn, den Armen abgedrücket,
Ihm kein gedoppelt Geld mehr in die Kisten schicket.
Betrug und Falschheit wird durch Vorsicht eingeschränkt,
Der Segen, den uns oft ein guter Himmel schenkt,
Zum Vorraht eingelegt, der bey besorgter Teüre
Nach Nohtdurft ausgeteilt, dem nahen Mangel steüre.
Der Wälder reiche Frucht, der Holzung Kostbarkeit
Enhielt ein bergicht Land, mit Felsen überstreüt,
In dessen Wildniß kaum sich eine Deichsel waget.
Der arme Landmann sah, von strengem Frost geplaget,
Den ungenoßnen Schatz von ferne seüfzend an;
Des Fürsten Sorge dacht auf eine neüe Bahn:
Bald leiht ein wilder Bach ihm seinen dienstbarn Rücken,
Mit der Gebirge Frucht die Länder zu beglücken.
Ein frohes Volk begrüßt die segensreiche Flut,
Und nimmt mit Tausend Lust das mitgebrachte Gut
[87]
Von ihren Wellen ab, wenn Schnee und Winde stürmen,
Sich vor der Kälte Grimm bey sanfter Glut zu schirmen.
Hier war ein sumpficht Land, bedeckt mit Schilf und Rohr,
Der Frösche Wohnungsplatz, woraus der laute Chor
Sich quackend hören ließ durch manches Sommers Länge.
Der Vater Rhein empfieng durch ausgeworfne Gänge,
Worein das viele Naß gesammelt abwerts floß,
Den feüchten Uberfluß in seinen tiefen Schooß.
So bald erschien das Land in einem neüen Kleide,
Geschmückt mit fettem Klee und nahrungsreicher Waide,
Die mit gesunder Milch die satten Eüter füllt.
O wenn der Himmel nur mein heisses Sehnen stillt,
Und uns den Frieden läßt zu keiner Zeit gebrechen,
So sollte Baden nie von Noht und Mangel sprechen.
Schau andre Völker an! Schau das berühmte Land
Dort um den Tyberstrom und am Tyrrhener-Strand
Von der Natur beglückt vor Hundert andern Reichen!
Ist auch sein Glücke wol dem Deinen zu vergleichen?
Obschon ihm für und für ein milder Himmel lacht,
Und seinen holden Kreis zu einem Eden macht;
Ob seine Baüme schon mit göldnen Aepfeln prangen,
Und Reben beßrer Kraft an seinen Ulmen hangen.
Doch wie? wenn auf einmal, von innerm Brand entsteckt,
Ein wütender Vesuv mit Rauch und Flammen schreckt,
[88]
Die Luft mit Aschen schwärzt, und bald aus seinem Rachen
Metall und Stein vermängt mit ungeheuerm Krachen
Zu rings um von sich schmeißt; bald nach verstärkter Glut
Sein schmelzend Eingewaid, als eine Feüerflut,
Die Gegend überschwemmt, den schönen Kreis verheeret,
Und Menschen, Saat und Feld in schneller Wut verzehret
Wenn der erzörnte Schooß der Erden sich bewegt,
Und aus dem tiefen Grund ein grauser Donner schlägt,
Palläst und Türme stürzt, der Städte Pracht zerstücket,
Und oft ein ganzes Volk durch ihren Schutt erdrücket;
Wenn mit gehaüffter Last der Untertahn gequält
In strenger Sclaverey die Tage seüfzend zählt,
Verhungert bey dem Korn, nach rauhen Wurzeln gräbet,
Und unter stetem Fluch im Paradise lebet;
Wenn Aberglaub und Wahn dem Mangel sich gesellt,
Die Kinder nahrungslos ihr väterliches Feld,
Nunmehr der Mönche Raub, erschwatzt mit frommen Lügen,
Für die geweihte Zunft der Müssiggänger pflügen:
Alsdann erkennst du erst, durch fremde Noht gelehrt,
Den Vorzug deines Glücks und deiner Schätze Wert;
Da wirst du, wolvergnügt mit deinem Wolergehen,
Um keine Güter mehr, als um den Friden, flehen.
Denn, gibt die Allmacht nur noch diesem Wunsche Platz,
So soll der Künstler Fleiß, der Handlung reicher Schatz,
Gewerbe mancher Art in unsern Gränzen blühen,
Und Tausend Hände mehr für Baden sich bemühen.
Dann blieb, o wertes Land! dein Wolstand unverrückt;
Dein Fürstenhaus im Flor; der Untertahn beglückt;
[89]
Ernährt, dieweil er lebt; vergnüget beym Erblassen,
Sein lang genoßnes Feld dem Sohne zu verlassen.
Doch welch ein Donnerschlag betaübt mir Ohr und Geist?
Ist Carl der Sechste todt, und unser Reich verwaist?
O was für Wetter ziehn sich über uns zusammen!
Wie droht der Himmel schon mit neüen Zornesflammen!
Du Macht, die alles schafft, und alles lenken kan,
Sih ein erschrocknes Land auch jetzo gnadig an,
Und halt den nahen Strahl von unserm Haupt zurücke!
Gib unserm vierten Carl, zu Seines Volkes Glücke,
Gib Seinem Fürstenstamm noch länger sichre Ruh!
Dann sende, wenn du willt, mich meinen Vätern zu!

[90] An den Herrn Rahtsherr Brockes/ über dessen Irdisches Vergnügen in Gott

Sonnet.


O Geist! der unsern Geist mit holder Macht bezwingt;
Der Lust und Grauen schafft, vergnüget und erschrecket;
Der etwas Göttliches in unsrer Brust erwecket,
Wenn sein unsterblich Lied der Gottheit Ruhm besingt.
Du deckst die Wunder auf, mit welchen wir umringt.
Die Blindheit hatte lang den Sterblichen verstecket;
Was nun der Schöpfer Dir, und Du der Welt entdecket;
Was uns allhier bereits des Himmels Vorschmack bringt.
[91]
Wolan, erhabner Brocks! Du hast ein Werk vollführet,
Das hier der Erden Kreis, und dort die Engel, rühret,
Das schon die Seligen an deinen Schall gewöhnt.
Geneüß der Schätze lang, die Gott uns hier geschenket,
Bis, wenn dein greises Haupt zur Ruhe sich gesenket,
Ein ewig Lied von Dir in Davids Harfe töhnt!

[92] An den Herrn Pfarrer Spreng/ über dessen im Jahr 1724 zu Basel gehaltene Rede von Verbesserung der deütschen Sprache in der Schweitz

Sonnet.


Ich sah Helvetien in Gram und Unmuht sinken,
Als durch sein weites Land, zum Vorwurf unsrer Zeit,
Fast keinem Dichter mehr ein deütsches Lied gedeiht.
Wie, sprach Es, wollt ihr nie aus eignen Quellen trinken?
[93]
Soll nur Athen und Rom eüch eüre Lieder schmincken?
Wird doch ein deütscher Mund verhöhnet und entweiht,
Dem ein besiegtes Volk die waichen Worte leiht,
Und dessen Schätze stets in fremdem Schmucke blinken.
Es kam Ihm dieser Schimpf ganz unerträglich vor.
Wie aber schaute nicht Helvetien empor,
Als seines Sprengen Kiel zu seiner Hülf erschienen!
Es rief: O werter Sohn! der seine Sprache krönt,
Weil noch ein Heldenlied um meine Berge töhnt,
Soll dein Gedächtniß auch in stetem Ruhme grünen.

[94] Poetisches Sendschreiben an eben Denselben, den 11. Wintermonats 1737.

Geschätzter Freünd! Ich muß Dirs klagen:
Die Reimsucht die mich einst verließ,
Als ich ihr oft die Tühre wies,
Beginnt aufs neüe mich zu plagen.
Wenn mich das Ubel länger trifft,
So weiß ichs nicht mehr auszustehen;
Und, schickst Du mir kein Gegengift,
So ists um deinen Freünd geschehen.
Kein Tag ist, daß ich nicht gedenke,
Was einsten mir ein Weyser rieht:
Sohn! bist du um dein Heil bemüht,
So fleüch zur See die Ruderbänke,
Und auf dem Land ein deütsches Lied.
Wie glücklich ist doch ein Poet
Dort um die Seine, Tems und Tyber!
[95]
Ein Lied, das spielend ihm geräht,
Das macht uns Armen fast das Fieber.
Der Deütsche steckt in steter Preß;
Er muß die Sylben ängstlich wägen,
Der leichte Franzmann hüpft dagegen,
Und lachet unsers Tohnmässes.
Die Fügung ist des Römers Spiel;
Er kan sie, wie er will, verschränken.
Der Deütsche darf sich nie zu viel
Aus dem geschwornen Gleise lenken.
Sehr wenig Wörter stehn uns frey,
Die nicht in Deütschland aufgewachsen.
Der Britte raubt sie sonder Scheü,
Und plündert Rom, Paris und Sachsen.
Ja selbst Tuiskons eigne Söhne
Verwirrt ein steter Wörterzwist.
Was einem unerträglich ist,
Das deücht den andern rein und schöne.
Und, wenn dis alles überstanden,
So kömmt der Reim zu unsrer Qual,
Und macht oft mehr als zwanzigmal
Vernunft und Einfall erst zu Schanden.
Der Reim ist, was bey Kriegeszeiten
Der Werbungstrommel wilder Tohn.
Ihm folgt ein Schwarm von schlechten Leüten,
Die Besten bleiben stets davon,
Schau Gallien und Albion:
[96]
Wie müssen wir ihr Glück beneiden,
Das wir aus Dorheit doch vermeiden!
Ist gleich ihr Volk nicht gänzlich frey,
So leichtert es sich doch die Strafe.
Der Deütsche nur ist gern ein Sclave,
Und bleibet seinen Fesseln treü.
Der Fremde reimt, als wie im Schlafe;
Er martert sich nicht lange, bis er
Das Reimwort künstlich ausgesucht;
Kaum denkt er erst, wo nem ich dis her,
So hat er schon, was er gesucht.
O möchte doch ein deütsches Ohr
Sich von dem Schellenklang entwöhnen!
Die Zürcher-Mahler gehn uns vor,
Und wagen sich mit freyen Töhnen
Vor unsrer Musen eckeln Chor.
Selbst Gottsched hat es jüngst gewagt,
Ein Mann den Phöbus kennt und liebet.
Doch, was mich inniglich betrübet:
Der Beyfall bleibt ihm noch versagt.
Wolan! Wird denn nichts anders draus,
So reimt getrost, ihr werten Brüder!
Begebt eüch muhtig in den Strauß!
Nur sucht eüch doch was würdigs aus
Zum Vorwurf eürer schwären Lieder!
[97]
Ists möglich, daß ihr eüre Leyer
Bey einer jeden Kirchweih trillt?
Ists möglich, daß von solchem Feüer
Eüch nur die kleinste Ader schwillt?
Crispinus freiht: Glück zu dem Orden!
Susanna starb: Genad ihr Gott!
Johannes ist Magister worden:
Ich wünsch ihm bald Verdienst und Brot.
Da habt ihrs. Bey so schlechten Wundern
Fällt wahrlich mir nichts bessers ein.
Soll etwas meinen Geist ermuntern,
So muß es etwas grössers seyn.
[98]
Doch nochmals, daß ihrs recht begreiffet:
Was Gutes kostet Fleiß und Müh.
Drum, liebe Brüder, schleiffet, schleiffet!
Sonst glänzen eüre Werke nie.
Des Dichters Pult und Bacchus Fässer
Vergleich ich stets in meinem Sinn,
Laßt eüre Waare lang darinn,
So werden Wein und Verse besser!
O glaubt nicht, daß ein langes Flicken
An eüerm Ruhm eüch Abbruch tuht!
Der Leser, den ihr wollt entzücken,
Fragt nicht, wie lang, und nur, wie gut?
Hat dort den Boileau sein Burgunder
Mit heilger Trunkenheit entsteckt,
Und Namurs Grablied ausgeheckt,
So tuht der Rheinwein gleiche Wunder.
An Feüer fehlts dem Deütschen nicht;
Es blickt ihm oft aus allen Zeilen.
Er bringt ein kräftig Bild ans Licht:
Doch auf der Arbeit sich verweilen,
Und seinen Guß recht überfeilen,
Ist, was ihm meistens noch gebricht.
Das Stolpern kömmt uns nur vom Eilen.
Ich wollt eüch rahten, (doch ich weiß,
Ihr würdet mich für döhricht schelten)
Man suche, mag mein Vorschlag gelten,
Im Norden Feür, in Frankreich Fleiß.
[99]
Schaut, daß ihr alles schicklich fügt,
Den Nachdruck schärft, die Schwulst vermindert,
Dem Dunkeln helft, die Härte lindert,
Und Geist und Ohr zugleich vergnügt,
Des Flaccus Regeln eüch bequemt,
Und, den ich ihm zum Folger gebe,
Den Boileau zum Exempel nemt.
Wie oft nicht hat er uns beschämt,
Nur, weil er Jenes Kunstgewebe
Mit Frankreichs Spitzen neü verbrämt!
Fügt Popen noch, (ihr sollt mirs danken,)
Der Britten Ruhm, an diese Zween
Wo solche grosse Lehrer stehn,
Da weich ich billig aus den Schranken.
Doch nein! Mich deücht, ich höre fragen:
Herr Dichter! gebt uns doch Bericht:
Wie dörft ihr viel von Regeln sagen,
Und folgt doch selbsten keiner nicht?
Den Vorwitz kan ich leicht beschämen.
Die Antwort fällt mir glücklich ein.
Ich bin ... Und was denn wollt ihr seyn?
Ein Schleiffstein ... Nein, das ist ein Lied,
Das ihr dem Flaccus nachgepfiffen.
Doch wißt ihr wol den Unterschied?
Er schliff, und schrieb auch selbst geschliffen.
Mein Freünd ich kan dirs nicht verbergen,
Die Spötter sind mir sehr verhaßt.
[100]
Wer auf den Nächsten listig paßt,
Den haß ich ärger als die Schergen.
Dem Zanken war ich niemals hold.
Sonst könnt ich, glaubt es, eüch gar füglich ...
Doch besser ists, ich schweige klüglich,
Und laß eüch denken was ihr wollt.
Nun weiters. Ist die Kunst so schwär,
Wie gehts uns denn bey langem Wachen,
Wenn Miltz und Nacht uns bange machen?
Kein Zeitvertreib gedeiht uns mehr.
O reimt denn bis zum frühen Licht,
Kein Richter wird eüch drum bestrafen;
Und fangt ihr zehnmal an zu schlafen,
So reimt doch fort; es schadet nicht.
Allein, daß ihr die lieben Pressen
Mit Traumgedichten nicht beschwärt.
Nicht alles ist des Druckes wert;
Wir reimen oft nur zum Vergessen.
Was unserm Kiel in Eil entfährt,
Das schickt sich doch auf keine Messen.
Noch Eines muß ich Dir gestehn;
Ich weiß nicht, darf ichs wol entdecken;
(Die kluge Welt wird sehr erschrecken:)
Ich finde Davids Psalmen schön.
[101]
Denk, was ich über deine Lieder
Zu drey Poeten neülich sprach:
Schwingt unser Spreng nicht sein Gefider
Dem Dichter Jacobs glücklich nach?
Man sprach: Ein Psalm ist keine Sache.
Da fuhr ich aus: Du arme Rott,
Du rühmst dich doch der Göttersprache,
So singe, kanst dus, auch von Gott.
Umsonst! du kreüchst in deiner Pfütze.
Wer zu dem nidern Schlamm verbannt,
Der steigt nicht bis ans Reich der Blitze,
Wo David seinen Donner fand.
Nun, werter Freünd! hier wirst Du finden,
Was meiner Muse nächst gerieht.
Hingegen willt Du mich verbinden,
So schick mir auch einmal ein Lied!
Erinnre Dich der Freündschaft immer,
Womit uns Basel einst vereint;
Und liebst Du auch den Dichter nimmer,
Wolan, so liebe nur den Freünd!

[102] Bildniß des sel. Herrn Brothagen/Baden-Durlachischen geheimen Registratoris

Vergnügt mit seinem Glück, um grössers unbekümmert;
Von keinem Gut gereizt, das nur von ausen schimmert;
Durch Armut nicht gedrückt, mit Reichtum nicht verwirrt!
Im nöhtigen gelehrt, doch nicht zu weit verirrt;
Bemüht in eignem Tuhn, mit fremdem nie bemänget;
Ein Feind von Müssiggang, doch nicht zu sehr gedränget;
Dem Kern der Weysheit hold, mehr als dem leeren Klang;
Fromm ohne Heüchelschein, und mäßig ohne Zwang;
Im Christentum geübt, doch fern von Streit und Hassen;
In sichrer Nidrigkeit dem Schicksahl stets gelassen:
Dies war einst Brothag hier. Dem Leben folgt der Lohn.
Hier trug er Ruh und Lust, den Himmel dort davon.

[103] Scherzgedanken bey Ubersendung eines Blattes an den Hamburgischen Patrioten

So wie ein Gockelhan mit aufgereckter Krone
Sein Schaugerüst besteigt, und auf dem waichen Trohne
Die Flügel munter straüßt, den stolzen Hals erhebt,
Und bald ein Feldgeschrey, vor dem der Hof erbebt,
Getrost erschallen läßt; bald sehnlich um sich blicket,
Ob auch sein holder Tohn das Federvolk entzücket:
So greifft zur Frühlingszeit ein junger Bücherheld
Von neüem Trieb belebt, zu Trost der klugen Welt,
Nach dem geschärften Kiel, und will mit Tausend Zügen
Der Dichter stolzes Heer beschämen und besiegen.
Bald reist sein schönes Blatt dem Patrioten zu;
Der Held ist auser sich; er kennet keine Ruh,
Bis eine schnelle Post ihn sein Verhängniß lehret.
[104]
Doch, wenn sein zitternd Ohr die Trauerbottschaft höret,
Daß ihn ein strenger Spruch verächtlich unterdrückt,
Und Hamburgs Blätter nicht mit seiner Frucht geschmückt.
O welch ein Donnerstrahl für den bestürzten Dichter!
Wie? rufft er halb entseelt, verdammt der eckle Richter
Mein Unschuldvolles Blatt? Ist dies der Weysheit Lohn?
Jedoch die Rache folgt auf unverdienten Hohn.
Ich schwere bey dem Schimpf, der meine Schrift beflecket,
Daß ich zum letsten mal der Dorheit Quell entdecket,
Der Laster Brut bekämpft. Komm, tumme Barbarey!
Es steht Germanien dir förter bloß und frey.
Und sollte Kunst und Witz aus aller Welt verfliegen,
Soll mein beschimpfter Kiel auf ewig müssig ligen.

[105] [296]Uber die Tyranney der deutschen Dichtkunst

Ihr Musen helft! Der Verse Tyranney
Ist allzu schwär. O macht uns endlich frey!
Uns plagt ja schon mit seinem Schellenklang
Der Feind von Geist und Witz, der Reim, zu lang,
Der, von den rauhen Barden ausgeheckt,
Die strenge Herrschaft bis auf uns erstreckt.
Was schreibt doch noch der deütsche Dichter-Chor
Für eine Versart sich zur Strafe vor;
Ein Doppelvers, erdacht zu unsrer Pein!
Zu groß für Einen und für Zween zu klein.
Je mehr er hat, je mehr ihm stets gebricht.
Zwelf Füsse helfen ihm zum lauffen nicht.
Ihn macht dem Ohr kein Wechsel angenem,
Und kein geschicktes Maß dem Sinn bequem.
[296]
Er trabt betrübt daher mit schwärem Schritt.
Ein gleicher Tact bestimmt ihm jeden Tritt.
Beym Sechsten stellt auch, wenn er lauffen will,
Das strenge Reimgesätz ihn immer still.
Vernunft und Witz entweicht vor seinem Zwang,
Und findt ihn bald zu kurz, und bald zu lang;
Und, wenn sein Tic und Tac beständig schallt,
Gleich einer Glocke, so entschläft man bald.
Schau, wie so oft ein Dichter ängstlich ringt,
Bis nach den Regeln ihm ein Vers gelingt!
Er martert sich, verdreht, versetzt, verschränkt;
Der Sinn wird schwach; die Sprache wird gekränkt.
Ein Einfall fließt. Doch kan er nicht bestehn.
Warum; Zween Füsse fehlen noch zu Zehn.
Was ist zu tuhn? Ein Flickwort kömmt herbey,
Daß die geschworne Zahl nur richtig sey.
Die Zahl ist ganz. Das Werk will doch nicht fort.
Der Abschnidt fällt nicht recht auf seinen Ort.
Nach langer Müh gebihrt man eine Brut,
Von Wind und Luft erfüllt, für Geist und Blut.
Und ist sie nicht an Kraft und Geiste leer,
So zeigt ihr Leib den Zwang nur desto mehr.
Was Wunder! daß der Britten feiner Ohr
Ein Reimgebände sich vorlängst erkohr,
Das, nicht so sehr vom Regelzwang beschränkt,
Sich nach des Dichters Wunsch bequemer lenkt,
Bald hier, bald dort den Abschnidt wechselnd stellt,
Und, wie die Regung will, so laüfft, als hält.

[297] [107]Leichen- und Trost-Gedichte

[107][109]

Auf den Tod Seines seligen Vaters, Herrn Johann Martin Drollingers/ Hochfürstl. Baden-Durlachischen Rechnungsrahts und Burgvogts in der Herrschaft Badenweiler

Mein Vater, gute Nacht! Es ist um Dich geschehen.
Ich werde Dich nicht mehr in diesem Lichte sehen.
[109]
Mein trübes Auge hat den schwarzen Tag erblickt,
Der Dich, o Seliger! den Deinigen entrückt.
O Tag! verworfner Tag! o düstre Sonnenblicke,
Welch Denkmahl lasset ihr meinem Geist zurücke!
Welch trauriges Gesicht! Die Stunde war nun da:
Des Schreckens König kam dem Sterbbett endlich nah,
Und ließ sein ganzes Heer den Kranken überfallen.
Erkalten, Todesschweiß, der Zunge schwäres Lallen
Erschienen auf einmal. Der Kinder Hauff erbleicht,
Und rief: Allmächtiger! ach, unser Vater weicht!
Du höchster Vater, schau auf uns Verlaßne nider!
Schenk uns den Sterbenden zu unserm Troste wieder!
Ist deinen Frommen denn so kurze Frist bestimmt?
Umsonst! der Himmel war zu sehr auf uns ergrimmt,
Und sein gerechter Schluß bestund auf unsrer Strafe.
Der Kranke lag bereits, als wie im Todtenschlafe;
Doch goß sein werter Geist sich noch zum letzten mal
Durch seinen Körper aus, den die erlidtne Qual,
Der Schmerzen grimmes Heer, schon halb entseelet hatten,
Und hieß Ihn seinem Gott die letzte Pflicht erstatten.
Bald kam dem Sterbenden ein neües Leben zu.
Er schien, als wie erwacht, aus einer tiefen Ruh,
Er hub so Hand als Haubt nach den gestirnten Höhen,
Und winkt uns ins gesamt den Schöpfer anzuflehen.
Der ganze Hauffe stund mit kalter Furcht beeist,
Und schry: Erlöser hilf! Empfang den werten Geist;
[110]
Herr, ende seinen Kampf! Er hat genug gerungen.
Her Halberstorbne brach das Band der schwären Zungen,
Und seüfzte noch einmal ein feürigs Amen aus.
Er sprach. Der freye Geist verließ sein sinkend Haus;
Und mein bestürzter Blick sah meines Vaters Leiche.
Weh mir! ich sehe noch, ich seh es, und erbleiche,
Wie seine blasse Hand mir meine Hand gedrückt;
Wie sein gebrochnes Aug uns sehnlich angeblickt;
Wie meine Trähnen Ihm die Seinen ausgetrieben;
Wie seine Liebe fest bis in den Tod geblieben.
O Liebe, deren Wert ich nie genug beweint!
Mein Vater! fleüchst Du mich? Mein allerbester Freünd!
Vergönne, Seligster! daß, wenn ich dich bedaure,
Ich so um einen Freünd, wie einen Vater, traure!
Wie mancher, dessen Herz von blinder Liebe brennt,
Und nur den tummen Trieb verwöhnter Neigung kennt,
Bringt seine Kinder oft aus Liebe zum Verderben!
Du aber, Seligster! Du zeigtest bis zum Sterben,
Daß Witz und Frömmigkeit der Deinen Zügel war;
Daß einem wahren Freünd auch an der Seinen Schaar
Das Laster häßlich scheint, und nur die Tugend schöne.
Du liebtest, wie man soll. Du liebtest deine Söhne,
Doch ihre Fehler nicht. Und, wenn ihr leichter Schritt
Den rechten Weg verließ, und mit verkehrtem Tritt,
Verführt auf falscher Bahn, begunnte hinzurennen,
So sah ich deinen Zorn, wie sonst die Liebe brennen.
Dein ganzes Denken gieng auf unser Wolergehn.
Dein Wandel ließ mich stets das beste Muster sehn:
[111]
Ein Muster, das mich mehr, als Tausend Worte lehret.
Zwar, was ein grosser Hauff der leichten Welt verehret,
Das hast Du nie gelernt. Geschmückt mit leerem Schein,
An Worten reich und mild, an Werken spahrsam seyn;
Sich nach geschickter Art vor einem Jeden bücken;
Dem, den man nie geliebt, die Hände freündlich drücken;
Und, was die Blösse mehr für Larven sich erdicht:
Wenn dieses Tugend heißt, so kanntest Du sie nicht.
Die deütsche Redlichkeit, der Eifer fürs Gesätze,
Die Folge strenger Pflicht, das waren deine Schätze.
Es macht ihr wahrer Wert sich ohne Schminke kund.
Dein Ruhm erschallet selbst aus unsers Fürsten Mund,
Der deine Treü erkannt, und deinen Tod bedauert.
Ich schau noch, wie um Dich die ganze Gegend trauert;
Ich schau ihr Volk bestürzt um deine Bahre stehn,
Die Fremden trähnenvoll, die Deinen fast vergehn.
O allzu schwärer Fall; was hast du mir entrissen?
Was muß ich Armer nicht mit meinem Vater missen!
Verzeihe, Seligster, wenn eine späte Schrift
Nach deiner Asche geht, und Dir ein Denkmahl stift,
Das meine Dankbarkeit Dir eher bringen sollen!
Es fehlte nicht an mir und meinem ernsten Wollen;
Ich wollte mich so bald um diesen Dienst bemühn:
Ich wollte; doch umsonst! Die Kräfte waren hin.
Ich fiel, als selbst erblaßt, auf deine Leiche nider.
Fünf Jahre sind es schon, daß deine werten Glider
In ihrer Grube ruhn. Doch mein bestürzter Muht
Hat von dem ersten Sturm noch wenig ausgeruht.
[112]
Mein Schmerze währet noch. Er wird unendlich währen.
Nimm, Werter, eine Flut von Tausend, Tausend Zähren
Zu einem Denkmahl an, das Dir ein Sohn geweiht,
Der voll von treüer Pflicht nach seinem Vater schreyt!
Ich weiß Dir sonsten nichts zu deiner Gruft zu bringen.
Genug! die Hand erstarrt; und mein betrübtes Singen
Erstummet allbereit. Mein altes Leid erwacht.
Genug! Ich kan nicht mehr. Mein Vater gute Nacht!

[113] An den Herrn Professor Haller/ Uber das Absterben seiner ersten Frau Eheliebsten

Lebt Haller denn noch stets im Kummer?
Will seiner Gattin Todtenschlummer
Ihn auch in Gruft und Bahre ziehn?
O Freünd, lern einst dein Leid ertragen!
Ein Weyser soll nicht ewig klagen.
Wirf deinen Unmuht endlich hin!
Zwar sind Dir Tausend seltne Gaben
Mit der Erblaßten jetzt begraben.
Ihr Wert erscheint aus deiner Wahl.
Dein Herze war nicht leicht zu binden.
Die, die es einig konnt entzünden,
Erweckt ihm sterbend Weh und Qual.
[114]
Doch kennst Du ja das Haubtgesätze,
Das stets der Erden gröste Schätze
Mit der Vergänglichkeit gesellt.
Ein Staübchen unterbricht das Leben;
Dies kan sich jede Stund ergeben:
Wie daß es uns denn fremde fällt?
Wie mancher stirbt schon in der Wiege!
Du kennst des Körpers Kunstgefüge;
Sein schwacher Bau kan nicht bestehn.
Du weist, daß, was man dran erblicke,
Ein Ausbund gröster Meisterstücke,
Doch so gebrechlich sey, als schön.
Der Tod verschohnet nicht der Kronen.
Er spielt in Hütten und auf Trohnen
Ein immer gleiches Trauerspiel.
Monarchen müssen selbst von hinnen.
Das Beyspiel gröster Königinnen,
Der Britten Carolina, fiel.
O danke vielmehr deinem Glücke,
Das Marianens holde Blicke
Dir noch so lange Zeit gegönnt!
Das Schicksal, reich an Lust und Schmerzen,
Hat oft ein Paar der schönsten Herzen
Zugleich verknüpfet und zertrennt.
[115]
Wem solch ein Schatz, wie Dir, beschehret,
Wie kurz auch das Besitzen währet,
Dem gab der Himmel schon genug.
Er ist uns doch zu nichts verbunden.
Drum, kürzt er unsre Glückesstunden,
Wolan! Er hat es Macht und Fug.
Nun heißt er dich beständig hoffen.
Sein härtster Streich hat Dich getroffen;
Die gröste Furcht ist nun vorbey.
Und hat er früh auf dich geschlagen,
So denke, daß es, ihn zu tragen,
Der Jugend Kraft am leichtsten sey!
Und mußtest Du von deiner Schönen
Dich nicht auch lebend schon entwöhnen?
Die Stunden sind Dir noch bekannt,
Da die Begihr, in Büsch- und Hecken
Der Schöpfung Wunder zu entdecken,
Dir öfters ihren Blick entwandt.
Du reistest auf der Berge Wipfel,
Da mancher Alpe steiler Gipfel
Des Himmels nahen Einfluß fühlt,
Und die Natur aus ihren Klüften,
Gereizet von den reinsten Lüften,
Mit Tausend seltnen Pflanzen spielt.
[116]
Drum lern auch jetzt die Selge missen!
Sie ist Dir doch nicht gar entrissen;
Die Trennung wird nicht stets bestehn.
Fiel ihres Körpers Bau zu Stücken,
Die Seele konnt er nicht ersticken.
Sie lebt und lebt erst recht und schön.
Sie war der Vorwurf deiner Liebe.
Du liebtest Sie mit reinem Triebe,
Nicht deine Lust an Ihr, allein.
So gönn Ihr nun auch ihre Freüden;
Und bilde Dir beym frühen Scheiden
Ihr frühes Heil auch kräftig ein!
Gesellt sich nicht mit unsern Tagen
Ein steter Anwachs neüer Plagen?
Wie glücklich ist, wer zeitlich fällt!
Wie manchem wird durch Pest und Seüchen,
Der Haüser Brand, der Kinder Leichen,
Die allzu lange Frist vergällt!
O möcht ein Sterblicher erlernen,
Was in der Zukunft dunkeln Fernen
Das Schicksal oft für Ruhten flicht!
Er spräch: O selig, die entschlafen!
So mancher Tag, so manche Strafen:
Ein greises Alter reizt mich nicht.
[117]
Drum hemm einmal dein ängstlich Sehnen!
Auch selbst der Ursprung deiner Trähnen
Verlangt kein ungemeßnes Leid.
Und Eürer Liebe zarte Zeügen,
Ob Schule, Stand und Freünde schweigen,
Erfordern deine Munterkeit.
Laß deinen Geist mit neüen Trieben
Sich auf dem grossen Schauplatz üben,
Den uns die Allmacht vorgestellt!
Schau, die Natur will Dich erquicken,
Und öffnet ihres Freündes Blicken,
Was ihre Werckstatt in sich hält!
Hier lockt sie Dich, die wilden Höhen
Des stolzen Harzes zu besehen,
Den sie mit Wundern angefüllt,
Wo unter einem rauhen Kleide
Sein silberreiches Eingewaide
Von königlichen Schätzen schwillt.
Es wird dein trauriges Empfinden
Villeicht in einer Gegend schwinden,
Die so manch seltner Vorwurf ziert:
Gebaüde von sich selbst entsprossen,
Gewachsne Saülen, Schreckcolossen,
Die keines Künstlers Stahl berührt.
[118]
Schau, wie nun dort, dein Weh zu lindern
Ein Heer von holden Frühlingskindern
Auf Wies- und Feldern lieblich lacht!
Und sihst Du ihre Pracht verfliegen,
So denke: Das ist Gottes Fügen;
Drum schwand auch Marianens Pracht.
O möcht ich doch von deinen Töhnen
Die feüerreiche Kraft entlehnen,
Die uns durch Herz und Sinnen bricht!
Von deiner Gattinn Wert zu singen.
Umsonst! Du must es selbst vollbringen;
Mein schwaches Lied vermag es nicht.

[119] Uber das Absterben Herrn Burgermeister Wettsteins zu Basel

So hast Du auch den Lauff vollbracht,
Berühmtes Haubt! so sinckst Du nider.
Und schließst die müden Augenlider,
Die lang für deine Stadt gewacht!
Dich hat ein spätes End entrissen:
Doch wer Dir an Verdiensten gleicht,
Und hätt er Tausend Jahr erreicht,
Den muß man stets zu zeitlich missen.
Wie, daß ihr jede Last der Welt,
Ihr Dichter, zu vergöttern suchet,
Und Dohrheitsvoll dem Tode fluchet,
So oft er einen Menschen fällt!
Nun, nun ermuntert Kunst und Dichten!
Nun heischts ein würdig Trauerfest;
Was schnödes Heücheln oft erpreßt,
Das fordern jetzund Treü und Pflichten.
[120]
Doch was soll eüer schwacher Tohn
Um unsers Haubtes Gruft erschallen?
Wer weinet nicht, daß er gefallen?
Ein grosses Volk beträhnt Ihn schon.
Helvetiens vereintes Klagen
Wird seinen wolverdienten Preis
Mehr, als der grösten Dichter Fleiß,
Bis auf die späte Nachwelt tragen.
Umsonst! daß man in Schrift und Buch
Sich nach der Ewigkeit bestrebet.
Wenn ein verhaßter Name lebet,
So lebt er doch in stetem Fluch.
Vergebens! daß in manchem Lande
Man dem Tyrannen Tempel setzt.
Was werden solche denn zuletzt?
Ein dauernd Merkmahl seiner Schande.
Ihr, denen wahrer Ruhm gefällt,
O folget unsers Haubtes Tugend,
Und widmet eüch von erster Jugend
Dem Wol des Standes und der Welt!
Da müßt ihr seyn, was Er gewesen;
Der Wittwen Arm, der Waisen Schutz!
Da sey kein Stolz, noch Eigennutz
Aus eürer Tahten Zweck zu lesen!
[121]
Dann wird aus ganzer Völker Mund
Eüch ein gerechtes Lob ertöhnen.
Die Muter macht es ihren Söhnen,
Und ein Geschlecht dem andern kund.
Was Tausend Schriften nicht gewähren,
Das ist der Tugend Eigentum.
Sie baut sich selbsten ihren Ruhm,
Und zwingt die Welt, sie zu verehren.
So wurd auch jener Wettstein groß,
Der Schutz der Freyheit vieler Staten:
Von dem ein Trieb nach gleichen Tahten
In seines Enckels Adern floß.
So ist zuletzt nach Sturm und Kriegen
Die weltbelobte Heldenschaar,
Die einst Helvetien gebahr,
Zum Ehrentempel aufgestiegen.
Wolan! Du hast das schöne Ziel,
Hochseliger! nun auch erstrebet.
O daß der Fall, der Dich erhebet,
Uns nur nicht unerträglich fiel!
Wie seltsam spielet das Geschicke!
Dein Haus, der Stand, der Freünde Zahl,
Die weinen nun das erste mal,
Verklärter! über deinem Glücke.
[122]
Umsonst! Du ruffst uns selbsten zu:
Ihr Werten! die mein Abschied rühret,
Ich habe meinen Lauff vollführet,
Drum gönnt mir einst die späte Ruh!
Seyd mit der Schickung Schluß zufrieden!
Wer ihr zu folgen sich bestrebt,
Der danket, daß ich lang gelebt;
Und murret nicht, daß ich verschieden.

[123] [125]Sinnschriften und dergleichen kleine Gedichte

[125][127]

Sonnet auf einen verstiegenen Poeten

Welch flammenschwangrer Schall der lärmenden Trompeten,
Welch grasses Angstgetöhn benebelt mein Gehör!
Der Trommel schwarzer Klang entbrennt je mehr und mehr,
Und macht den bangen Wall von blasser Furcht erröhten.
Der Stücke Donner brüllt, gleich düstern Blutcometen;
Die Haüser sind entseelt, die Tempel Athem-leer.
Es wimmelt überall der Leichen reges Heer,
Und führt ein Klaggeschrey von Jammer, Mord und Tödten.
[127]
Ich schau die arme Stadt, wie sie von Trähnen glüht;
Wir ihr zerstücktes Volk vor ihrem Würger flieht,
Und eine Wüsteney die öde Gegend drücket.
Verirrter Dichter, halt mit dem betrübten Spiel!
Der ungeheüre Sturm, der deine Stadt befiel,
Hat auch dein blödes Haupt getroffen und verrücket.

[128] Auf den Rimificus

Rimificus will Verse machen,
Und bringt in alle seine Sachen
Fast nichts, als Sonn und Sternen, ein.
Wie kömmt es, hoherleüchter Dichter!
Es hat dein Werk so viele Lichter,
Und sihet doch so dunkel drein.

Auf den Mahler Mopsus

Ist Mopsus nicht ein andrer Titian?
Schau, welche Kunst aus seinen Tafeln blicket.
Er mahlt ein Kleid so schön mans finden kan,
Von Farben bunt, mit Golde reich gesticket.
Was guckt daraus? Ein Kopf ists, wo mir recht.
Ey merket doch des Mopsus kluge Ränke!
Er mahlt den Kopf gewaltig matt und schlecht,
Nur daß er nicht der Kleidung Schönheit kränke.

[129] Der wider die Gesätze der Arzneykunst genesene Bauer

Ein Bauer machte sich vom Fieber
Mit Wein und Pfeffer glücklich frey.
Ein junger Doctor lachte drüber,
Und sprach, daß das unmöglich sey.
Ja sagte Jener, der genesen,
An diesem ligt mir nicht ein Haar,
Obs möglich oder nicht gewesen;
Genug für mich: Es ist doch wahr.

Wie der Gruß; so der Dank

Ein Ordensmann sprach: Friede sey mit dir!
Als ein Husar bey ihm vorüber rennte.
Was? sagte der, so wöllt ich, daß hinfür
Kein Funke mehr an deinem Fegfeür brennte!
O frecher Mensch! Mein Freünd, verzeih dirs Gott!
Ist dies ein Wunsch für fromme Christenseelen?
O tummer Pfaff! was hast du viel zu schmählen;
War deiner nicht von eben diesem Schrot?
Denn, merk es doch, wenn Krieg und Fegfeür fehlen,
Wer Henkers gibt uns Beiden denn das Brot?

[130] Auf Megären

Ruffine sprach zur zänkischen Megären:
Hör Junge, schweig, und laß mich ungeplagt.
Denn, schweigst du nicht, so sollt du etwas hören,
Das dir kein Mensch noch jemals nachgesagt.
Sag immer her, du altes Ungeheüer!
Denn, was du sagst, ist doch nur Lug und Trug.
Ey nicht so schnell, was nützt das viele Feüer?
Ich sage nur: Dein Tuhn ist keüsch und klug.

Auf. N.N.

A.

Acch Nachbarinn, der Kummer bringt mich um;
Denk, was ich heüt von Sylvien erfuhre!
Ein Bösewicht, der Henker lohn ihm drum,
Hieß kürzlich mich mit Züchten eine H**
B.

Wer war es denn?
A.

Crispin, der Lumpenhund.
Ach, hätt ich ihn, ich bräch ihm Arm und Knochen.
B.

Nein, Freündinn, nein! Der hat es nicht gesprochen;
Kein wahres Wort gieng je aus seinem Mund.

[131] Auf eine Heürat

Medardus freihet auch einmal;
Er macht es, wie die Fliegen:
Die sumsen über Berg und Tahl,
Und bleiben dann nach langer Wahl
Auf einem Q** ligen.

Grabschrift eines Geitzigen

Hier ligt in seiner Ruhestatt
Ein Mann von listigem Geschlechte,
Der sich zu Tod gehungert hat,
Damit er nicht verarmen möchte.

[132] Rangstreit

Zween Brüder zankten sich zu Prag
Einst um den Rang beym Staupenschlag.
Es war ein schwäres Streiten.
Der Büttel schlichtet ihren Zwist,
Und stellte sie mit kluger List
Zur recht- und linken Seiten.
Doch diesen, der zur Linken stund,
Den strich er mit dem Ruhtenbund
Am ersten um die Lenden.
Des triumfirt das edle Paar,
Und jeder dacht: Nun ist fürwahr
Der Sieg in meinen Händen.
Der Eine rief: Victoria!
Seht! muß sich doch der Flegel da
Zu meiner Linken bücken.
Bald schry der Andre: Jubilo!
Der erste Streich, seyd alle froh,
Der fiel auf meinen Rücken.

[133] Grablied eines Katzenfängers, mit Anmerkungen des Verfassers

Den Maüsefeind (o Wunderding!)
Der manche Ratte künstlich fieng,
Hat nun der Tod gefangen.
Ach Schade, daß der Mann erbleicht!
Der selbst dem Alexander gleicht,
Mit dem die Griechen prangen.
Denn erstlich kam er auf die Welt
Natürlich, als wie jener Held,
Und schry auf gleiche Weise.
Sie schliefen Beyde, wenn sie müd;
Auch lebten sie bey Krieg und Fried
Von nichts, als Trank und Speise.
[134]
Man glaubt so gar mit gutem Recht,
Es zähle Maüsefeinds Geschlecht
Noch mehr an alten Ahnen.
Und, traut man der gemeinen Red,
So glückt es dem bey seiner Greth,
Trutz Jenem bey Roxanen.
Doch wißt ihr, worinn Maüsefeind
Dem Alexander ungleich scheint?
Das will ich eüch vertrauen.
Er würgte nichts, als Maus und Ratt.
Hingegen jener Nimmersatt
Der würgte Mann und Frauen.
Seit aber unser Held erblich,
So gleicht er erst recht meisterlich
Dem alten Alexandern.
Denn jetzund, (merkt auf diese Lehr,)
Gibt niemand einen Kreüzer mehr
Um Einen, als den Andern.

[135] Grabschrift eines guten Manns

Hier ligt ein Mann von klugem Raht.
Der zweyerley begangen hat,
Damit er Ruhm erwarbe.
Denn erstlich lebt er manche Stund;
Und da er nicht mehr leben kunnt,
Bedacht er sich, und starbe.

[136] Fabeln und Übersetzungen

[137][139]

Der Bettelmann und der Tod

Ein Bettelmann warf seine Krücke
Voll Unmuhts in den tiefen Rhein,
Und sprach, erzörnt auf sein Geschicke,
O Tod, verkürze meine Pein!
Der Tod erschien ihm aus Erbarmen.
Ey, sprach der Bettler, bist du hier.
Mein Trost und Stab entfiel mir Armen,
Ach schwimm ihm nach, und hohl ihn mir.

[139] Die Eüle und die Elster

Die Eüle saß in einer hohlen Kluft,
In welcher sie mit klugem Auge wachte,
Und hörte da wie in der freyen Luft
Auf einem Baum die Elster sie verlachte.
Du Nachtgespenst, so sprach die Plaudrerinn,
Du Schattenfroh, der keine Sonne kennet!
Wie daß der Mensch dich voller Eigensinn
Der Weysheit Bild, Minervens Vogel nennet?
O tummer Wahn! der die für weyse hält,
Die für und für im dunkeln Schatten sitzen.
Du Döhrichte! was nützest du der Welt?
Was mag sie dir in deinem Kerker nützen?
Nein! meinen Leib belebt ein andrer Sinn.
Ich freüe mich der holden Sonnenblicke;
Und, weil ich noch bey guten Tagen bin,
So leid ich nicht, daß mich ein Grab ersticke.
So machte sich die Plaudertasche groß.
Doch, als ihr Lied zu lange sich verweilet,
So hatte sie mit einem grimmen Stoß
Der Vögel Prinz, der Adler, schnell ereilet.
[140]
Er riß sie weg. Die Eüle rufft ihr zu:
Erkennst du nun, wer besser oder schlimmer
Von uns getahn? Denn, wahrlich hättest du,
Wie ich, gelebt, so lebtest du noch immer.

[141] Die Athenienser

Einst wollten zu Athen, an einem schönen Morgen,
Die Bürger ihre Stadt mit einem Gott versorgen.
Die Stimmen wurden bald bedächtlich abgezählt,
Und mit gemeinem Schluß Minervens Schutz erwählt.
Der trotzige Neptun, durch diesen Schimpf erbittert,
Hub seinen Dreyzack auf, der See und Flut erschüttert,
Und sprach: O blindes Volk, das allen Witz verlor!
So ziehst du denn ein Weib Neptunus Gottheit vor?
Wer könnte, fuhr er fort, mit einem herben Lachen,
Dich mehr an Handlung reich, den Feinden furchtbar machen,
Als ich, der Wellen Herr? Wolan! es ist erkannt:
Es sey Athen forthin der Narren Vaterland!
Er sprach. Der Hauffe stund verwirrt, als wie im Schlafe;
Aus Tummheit fühlte kaum ein Jeder seine Strafe.
Doch bracht ein Rest von Witz noch Einem endlich bey,
Was für ein kläglichs Ding ein Volk von Narren sey.
Drum naht er sich gebückt zu der Minerven Trohne:
O Göttin, steüre doch dem unverdienten Hohne!
Die Liebe, die dein Volk zu deiner Weysheit trug,
Hat uns darum gebracht. Ach mach uns wieder klug!
Nein, Kinder! sprach sie, Nein! Das hab ich nicht in Händen;
Denn, was ein Gott gefügt, kan keine Göttin wenden.
[142]
Doch, wenn Neptunus eüch Verständ und Witz verkehrt,
So mach ich, ihm zu Trotz, eüch allesamt gelehrt.
Vernunft und Wissenschaft, wir lernens von Athene,
Sind öfters nicht gepaart; beysammen stehn sie schöne.
[143]

Notizen
Erstdruck: Herrn Karl Friederich Drollingers Gedichte, samt andern dazu gehörigen Stücken, hg. von I. I. Sprengen, Erster Teil, Basel (Joh. Conrads von Mechels Wittwe) 1743. Der Erste Teil der Ausgabe wurde von Drollinger selbst zum Druck bestimmt.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Drollinger, Carl Friedrich. Gedichte. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-83B7-A