Das Menschenbewußtsein

Wie muß ich meinem Schöpfer danken,
Daß Ich nicht eine Kröte ward,
Die ohne sittlichen Gedanken,
Im Kothe nur sich wälzt und scharrt,
Ich bin ein Mensch, vor Gott zu wandeln,
Kein Schamgefühl bringt mir mein Handeln.
Wär' ich ein Ochse an der Krippe,
Ich wüßte mir zu helfen nicht,
Kein Wort belebte meine Lippe,
Verstehen könnt' ich kein Gedicht.
Wie müßt' ich mich unglücklich fühlen,
Wenn ich nur könnte sinnlos brülen!
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Wär' ich zum Tiger gar verfluchet,
Der raubt und mordet grausen Sinns,
In Wildheit sich die Gattin suchet –
Ich schauderte zu sehn, ich bin's.
Gottlob, daß ich ein Mensch geworden,
Der nicht den Trieb hat, wild zu morden.
O, Mensch zu sein von Gottes Gnaden,
Gut sein zu dürfen, fromm und rein,
Die Vögel, Fische, Molche, Maden,
Sie ahnen nicht, was Das mag sein!
Der Seraph aber muß uns neiden,
Denn er entbehrt Familienfreuden.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Das Menschenbewußtsein. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A0AE-B