[119] Im Spiel des Lebens

1. [Auf und nieder]

Auf und nieder
schwankt die Wage
deiner Tage,
wie sich füllen
ihre Schalen,
diese hoch und jene tief.
Laß sie sinken,
laß sie steigen ...
diese hoch und jene tief ...
Du nur zwischen beide stehe,
unbeirrt in deinem Ziel,
fest und stark, als Halt und Träger,
als gerechter Gleicher und Wäger,
still und ruhig über ihrem
steten Auf- und Niederspiel.

[120] 2. [Da aber liegt's]

Da aber liegt's:
der eine biegt's,
der andre bricht's!
laß nur das Schwert nicht in die Scheiderosten,
den freien Mut des freien Manns!
Wer etwas will, der kann's ...
der kann's!
und würd es eine Welt ihn kosten!
Was du vor dir bist, nur entscheidet!
der Spruch der Welt, du lieber Gott,
zerrt heute hist und morgen hott,
und wenn sie dich mit Purpur kleidet ...
für das, was einer litt und leidet,
ist all ihr Purpur Fastnachts-Spott!
Was du vor dir bist, nur entscheidet
und wird des Ganzen innerer Kern ...
nicht Glück, nicht Zufall oder Stern!
und was dann auch dagegen streitet,
der Freie macht sich stets zum Herrn!
[121]
Was du vor dir bist, nur entscheidet
und bleibt im buntverwirrten Spiel
des breiten Weltgetriebs das einzig
unverlierbar klare Ziel,
der einzige schaffende Gedanke,
der all dem blinden Her und Hin
Beziehung gibt, Verstand und Sinn,
daß es sich formt und fügt und ordnet
und still zu einem Ganzen webt ...
der einzige
feste
Punkt, von dem aus
ein Starker
die Welt aus ihren Angeln hebt!
Den einen trügt's,
den andern trägt's,
dem einen liegt's,
der andere legt's ...
laß nur das Schwert nicht in die Scheide rosten,
den freien Mut des freien Manns!
wer etwas will, der kann's ...
der kann's!
und würd es eine Welt ihn kosten!

[122] 3. [Und das allein ist's]

Und das allein ist's, drum sich's handelt,
wie Welt und Zeit auch stürmt und wandelt
mit allem, was du je begannst:
daß ohne Vorwurf, ohne Lüge,
daß ohne Reue, ohne Rüge,
auch vor dem eigenen Tribunal,
daß du mit ruhigem Gewissen
zurück- und vorwärtsblicken kannst
auf deines Jahres stille Mühe ...
ob du verlorst, ob du gewannst.
Nicht fremden Anderen zu Dank ...
was denn auch sollen diese Andern!
es ist ja doch ein stetes Wandern
voll Mißgunst überall und Zank!
Nein, dir allein zu Recht und Ehre,
dir allein zu Lust und Last:
deinem Glauben, deinem Leben,
deinem Schaffen Genüge zu geben.
[123]
Mag man's dann loben oder tadeln,
was liegt daran!?
Es wird sich immer adeln,
trotz Acht und Bann:
wer ohne Vorwurf, ohne Lüge,
wer ohne Reue, ohne Rüge
zurücksehn darf und sagen kann
von seines Jahres stiller Mühe:
er habe seine Pflicht getan ...
ob er verlor, ob er gewann ...
Und weder Glück noch Unglück
hab je was über ihn vermocht,
und weder Täuschung noch Erfüllung
das freie Herz ihm unterjocht!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Flaischlen, Cäsar. Im Spiel des Lebens. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B621-0