[111] [113]DIE ANDENKEN

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[Grosse tage wo im geist ich nur der herr der welten hiess]

Grosse tage wo im geist ich nur der herr der welten hiess ·
Arger tag wo in der heimat meine tempel ich verliess!
Dort beriet ich mit den göttern über ihren höchsten plan
Ihre kinder stiegen nieder mir zu lust und untertan.
O so werde wieder knabe der im haine ruhe sucht ·
Inne hält er eben bang vor eigener gedanken wucht.
Mit der feinen kühnen blässe · schweren wechseljahres spur ·
Trätest du an meine seite mit mir und kein schatten nur!

[Fern ist mir das blumenalter]

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Fern ist mir das blumenalter
Wo die zähre noch genuss.
Starb im reif der sommerfalter
Dem ein atem schon ein kuss?
Der auf gras und klee und garbe
Und in reiche gärten flog ·
Einen hauch von duft und farbe
Rasch aus allen blüten sog?
Dem die nacht ein gut erteilte
Das er tags umsonst erspäht ·
Den sie mit der hoffnung heilte
Dass ihn doch die tulpe lädt.
Kommt er wieder mit der meisen
Mit der lerchen erstem ton?
Wird er neu den juni preisen
Schläft er oder starb er schon?

[Jahre und vermeinte schulden]

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Jahre und vermeinte schulden ..
Wisch die zeichen ihrer hiebe ·
Kind erkoren von den Hulden
Zu der völker heil und liebe.
Heimgekehrter sieger rotte
Beugten sich vor deiner schöne ·
Ihrem jugendlichen gotte
Jubelten die erdensöhne
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Die der ehre dank erwiesen
Neben solchem hort zu wohnen
Wenn du auf den jaspis-fliesen
Weihtest vor bekränzten thronen.
Männer weinten frauen stöhnten
Unter deines tempels türe ·
Glühend baten die gehöhnten
Dass dein kleid ihr haar berühre –
Eh dein grösster ruhm ersterbe
Schmücke dich im weissen bade
Dass er noch zum wettbewerbe
Alle hermen vor sich lade.

[Am markte sah ich erst die würdevolle]

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Am markte sah ich erst die würdevolle
Die schönste aus der weissen schwestern zug ·
Wie fürstenmantel hing die schlichte wolle
Um ihres nackens ihrer schulter bug.
Im schauspiel dann als sich die opfer mehrten
Und zügellos die menge beifall rief ·
Die todberufenen den cäsar ehrten:
IHR auge blieb gelassen streng und tief.
Wenn ich der kurzen werbung rausch bedenke!
Ich riss die priesterin von dem altar ·
Und alle länder brachten brautgeschenke ·
Ich bot in bächen gold und balsam dar ..
Und zweifelnd ob das neue glück mir werde
Erfand ich nur den quell der neuen qual ..
Ich sandte sie zurück zu ihrem herde ·
Sie hatte wie die anderen ein mal.

[Ich will mir jener stunden lauf erzählen]

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Ich will mir jener stunden lauf erzählen:
Die kinder unterm feigenbaum entschlafen
Nach unbedachtem seligem vermählen.
Mich kümmerten der kalten väter strafen.
Wol! da ich euch den starken tropfen gönnte
Aus meinem treuen ringe der mir diene
Wenn es bei einer dämmerung mir schiene
Dass ich die sterne nicht mehr schauen könnte.
Begnadete! da ich euch gütig nahte
Und kein erwachen euch ein glück ermattet
Das nur der traum so herrlich euch gestattet
Als ich es jezt aus euren zügen rate.

[Fühl ich noch dies erste ungemach]

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Fühl ich noch dies erste ungemach ·
Sündig eilte fremden stapfen nach
Der um sie den schönsten traum zerbrach:
Wenn mir neulich vor die sinne tritt
Wie ich früh vom gram am tiefsten litt
Bei den gräbern pochend »führt mich mit«:
Deucht er heut mir fast geschwind und sacht ·
Halt ich dich sogar in milder acht ·
Trübster tröster · sohn der nacht!

[Ob denn der wolken-deuter mich belüge]

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Ob denn der wolken-deuter mich belüge
Und ich durch opfer und durch adlerflüge?
Dass niemals dieser knospe keusche lippe
Vom windgeführten seim der freundin nippe ·
Dass sie im schwall der salben und gewürze
Des schwülen kerkers weile sich verkürze ·
Besprengt vom saft des hanfes und der rebe
Die trägen adern zu beleben strebe
Und flehend bis sie welke stehen bleibe
Vor einer säule sprödem marmorleibe.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Die Andenken. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D114-B