[190] Mein Dichten und Trachten

Ich sehe keinen Frühling mehr,
Bis daß die Freiheit blüht;
Es duftet kein Rose mir,
Bis jedes Herz ihr glüht.
Ich höre keinen Vogelsang
Als meiner Dichter Wort;
Mich trägt kein Strom mehr als der Tag
Zum Weltenmeere fort.
[191]
Ich schaue keine Steinenpracht
Als Herrscherstolz und Zwang;
Ich habe keine Hoffnung mehr
Als ihren Untergang.
Die eine Sonne, die mir glänzt,
Ist meines Volkes Geist,
Und meine Kirche jede Brust,
Die laut die Freiheit preist.
Ich hasse alle Wissenschaft,
Die einen Bauch sich frißt;
Ich achte keinen Helden mehr,
Der's seinem Herrscher ist.
Ich habe keine Liebe mehr,
Die um ein Küßchen minnt;
Mein Vaterland ist meine Braut,
Die schon zur Hochzeit spinnt!
[192]
Die Wahrheit ist mein heil'ger Geist,
Mein Gott und Seelenhirt!
Ich habe keinen Glauben mehr,
Als daß es besser wird.

Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Glaßbrenner, Adolf. Mein Dichten und Trachten. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D66A-0