[60] Bitte an den Frühling

Komm, o Frühling, aber doch
Nicht bloß meinetwillen;
Denn zum Glücke fang' ich noch
Keinen Schwarm von Grillen.
Aber sieh! wie bleich und stumm
Amarant dort sitzet,
Und den Mund zu einem Hum!
So verdrüßlich spitzet!
Seine blauen Augen sind,
Wie der Himmel, trübe;
Ja! ich glaube, daß er blind
Sich noch läs' und schriebe,
Wenn du länger, holder May,
In dem Walde schliefest,
Und nicht bald mit der Schalmey
In das Feld ihn riefest.
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Seine Dinte will ich dann
In das Wasser gießen,
Seine Bücher, unter Bann,
In den Kasten schließen.
Unbekümmert, was ein Schwarm
Siecher Weisen schreibet,
Lern' er hier in meinem Arm',
Wer gesunder bleibet.
Goldne Sonne, Himmelskind!
Wolltest du erwachen,
O wie würd' er nicht geschwind
Schon im Märze lachen!
Ach! zum Opfer wollt' ich dir
Zwei Kalender weihen,
Die mit dunklem Wetter, schier
Noch acht Tage dräuen.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Bitte an den Frühling. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DE92-5