[187] [189]Prinz Eugenius

[189][191]

Herr Abbé

Sprach der alte Prinz zum Sohn:
»Kind, ich dien' um Frankreichs Lohn,
Bin an Kindern reich,
Nicht an Gütern gleich;
Taugst zu anderm nicht auf Erden,
Magst mir ein Prälate werden.«
Hübsch in Notredame stehn,
Psalmen singen soll Eugen;
Seltsamer Abbé,
Flieht des Münsters Näh',
Trägt Gesporn statt seidner Socken,
Schwingt Rappiere statt der Glocken!
Hält nicht sehr auf Kleiderpracht,
Ist der Dose mehr bedacht,
Ein Abbé zum Glück
Nur in diesem Stück;
Aber klopft er drauf, so schallt es
Wie ein Schuß, von Pulver wallt es!
[191]
Mädchen läßt er ungeneckt,
Tag und Nacht im Buch er steckt;
Grad in diesem Stück
Kein Abbé zum Glück!
Sein Brevier ist's, mögt ihr rathen,
Nein, doch Alexanders Thaten!
Glühend steigt es ihm zu Haupt;
Unfrisirt, tabakbestaubt
Fliegt er in das Schloß:
»Herrscher, kühn und groß,
Gib mir Rang in Frankreichs Heere
Daß ich's führ' in Sieg und Ehre.«
König Louis ihn scharf beschaut:
»Seid mit Pulver zwar vertraut,
Doch, mein Herr Abbé,
Bleibt nur beim Rapé,
Das Rapier doch mögt Ihr lassen,
Einst den Bischofsstab zu fassen.«
Schönes Frankreich, nun Ade!
Gegen Wien trabt dein Abbé;
Kaiser Leopold,
Jedem Schwarzrock hold,
Heißt in Oestreich ihn willkommen:
»Offen steht mein Reich den Frommen.«
»Ist im lieben Portugall
Sanct Antonius Feldmarschall,
[192]
Taugt wohl ein Abbé
Mir in Türkennäh';
Beten hilft so gut wie Raufen,
Und ein Sieg auch ist das Taufen.«
Die Dragoner, schlachtgereiht,
Sehn das kuttenbraune Kleid,
Lachen durch die Reihn:
»Kapuzinerlein,
Lies uns Messe, weih' die Fahne,
Pred'ge, neuer Kapistrane!«
Und das Pfäfflein früh und spat
Predigt gut in Feld und Rath;
Springt einst rasch vom Pferd,
Hält im Mund sein Schwert,
Klimmt empor zum Türkenwalle;
Diese Predigt lobten Alle.
Und vor Belgrad auf der Schanz'
Betet er den Rosenkranz.
Riß vielleicht die Schnur?
Daß auf Stadt und Flur
Schwarz und dicht die Betkorallen
Aus dem Paternoster fallen!
Dann in Wälschland und am Rhein
Räuchert er den Franzmann ein;
Dieser Weihrauch doch
Nicht nach Amber roch,
Rauchfaß auch und heil'ge Kerze
War von etwas grobem Erze.
[193]
In Cremona holt vom Bett
Er den Feind zur frühen Mett';
Marschall Villeroi
Stand im Schlafrock da,
Frierend auf des Lagers Wiese,
Eugens beste Morgenprise!
Daß solch frommes Thun geehrt,
Weiht der Pabst ihm Hut und Schwert,
Deutschlands Kaiser gab
Ihm den Marschallstab,
Hängt ihm selbst des Vließes Orden
Uebers Kleid mit goldnen Borden.
Brittenschiffe schmückt sein Nam',
Auch ein Bot' aus Frankreich kam:
»König Louis Euch beut,
Eures Ruhms erfreut,
Gruß und Rang in Frankreichs Heere,
Daß Ihr's führt zu Sieg und Ehre.«
Prinz Eugenius sinnt nicht lang:
»Eurem König schönen Dank!
Folgsam seiner Lehr'
Ward ich Missionär,
Hab' in Oestreich eine Sendung,
Führte gern sie zur Vollendung!
Auch den Bischofsstab ich fand
Freilich nicht in seinem Land;
[194]
Doch von Zeit zu Zeit,
Da die Grenz' unweit,
Komm' ich, will der Herr mich schirmen,
Gern auch in sein Kirchspiel firmen.«
Also ehrten Land und See
Oestreichs kleinen Herrn Abbé.
Seiner Priesterhand
Segen strömt aufs Land;
Einig schwören's Pfaff und Laien:
»Ja, das sind die heil'gen Weihen!«

[195] Zenta

Aus dem Röhricht flieht der Reiher
Und der Storch mit schrillem Laut,
Wo, ein träger Riesenweiher,
Sich die Theiß im Flachland staut;
Aus dem Schlummerlied der Unken
Fährt der Flußgott jach empor,
Streicht vom Aug', noch schlafestrunken,
Sein Gelock' von Schilf und Rohr.
Welch ein ungewohntes Tönen
Stört der Oedniß tiefe Ruh?
Horch, mit Rasseln, Rollen, Dröhnen
Wälzt ein Strom dem Strom sich zu;
Lauter brausen, näher schwellen
Sein Fluthen wogend an
Und vom Glanz metall'ner Wellen
Blitzt es über'm Haideplan.
Fluth der Türken und Tartaren
Ueberschwemmt das Ungarland!
Hurtig pflanzten Janitscharen
Halbmond, Roßschweif dort am Strand,
[196]
Wo Wessiren jetzt und Bassen
Kriegsbefehl der Sultan gab,
Der nicht fremder Hand will lassen
Zornesruth' und Gnadenstab.
Leise, wie der schlaue Jäger
Den viel stärkern Ur beschleicht,
Folgt' ihm Oestreichs Bannerträger,
Hat sein äsend Wild erreicht.
Hoch zu Roß beschaut die Horde
Prinz Eugen im Augenflug,
Sieht, wie sie an Zenta's Borde
Schon die mächt'ge Brücke schlug.
Scheint ihn just nicht zu betrüben,
Wie ihr Heer in Theile fällt,
Halb noch hüben, halb schon drüben,
Hier in Schanzen, dort im Zelt;
Auf der Brücke ziehn noch Reiter
Und Geschütze, lange Reihn!
Zu den Seinen ruft er heiter:
»Jetzt ist's Zeit, jetzt sind sie mein!«
Halt! Ein Bot' in Schweiß und Schaume!
Eugen nimmt aus Wien den Brief,
Kennt das Vöglein schon am Flaume,
Steckt es in die Tasche tief.
»Vom Hofkriegsrath, Herr, vom Kaiser!«
Ungestüm der Bote rief,
Aber spräch' er sich auch heiser,
Ungelesen bleibt der Brief.
[197]
Eugen winkt, die Trommeln rasseln;
Tod, du sollst ans Ernten gehn!
Salven knattern, Säbel prasseln,
Bei Musik nur willst du mähn!
Eugens Fußvolk hat erklettert
Schanz' und Wall auf blut'gem Weg,
Rechts und links sein Stückknecht wettert
In den langen Brückensteg.
Um des Lagers fette Rinder
Bangt der Wessir mit Verdruß:
»Die Gefahr ist drüben minder,
Schwemmt die Heerden durch den Fluß!«
Scheu vom Lärm doch drängen, stoßen
Sie zur Brücke, daß sie wich,
Unverhoffte Bundgenossen,
Wurden schnell gut kaiserlich!
Trotz'ger Flußgott, halfst zerschlagen
Deine Schmach, ihr Brückenjoch,
Mußt von Leichenknäueln tragen
Jetzt die zweite Brücke noch!
Bist ein Schlemmer, bist ein Prasser,
Hast der Schwimmer nie genug,
Ziehst noch in dein fischreich Wasser
Roß und Mann und Wagenzug!
Hei, im Türkenlager springen
Oestreichs Krieger mit Gesang!
Rasten Schwert und Speer, so schwingen
Pfann' und Bratspieß sie mit Klang.
[198]
»Fangt die Heerden, die verirrten!
Groß der Sieg, das Mahl nicht karg!
Doch zu braten die Alliirten,
Solcher Undank ist zu arg!«
In des Sultans Purpurzelte
Auf dem Teppich ruht Eugen,
Fand nun Zeit, die früher fehlte,
In den Wienerbrief zu sehn:
»Nur nicht schlagen, nur nichts wagen!
Keinen Sturm und keine Schlacht!
Denn wird dieses Heer geschlagen,
Ist zu End' all unsre Macht.«
Eugen liest's und winkt dem Boten:
»Seine Antwort will ein Brief;
In Depeschen doch und Noten
Läuft mein Griffel manchmal schief;
Drum vermerke mir's unhuldig
Nicht des Kaisers Majestät,
Wenn die Antwort, die ich schuldig,
Etwas lang und breit geräth:
Türk'sche Beute, Rosse tragen
Sieben Tausende sie kaum,
Auf des Sultans tausend Wagen
Hat die ganze noch nicht Raum;
Sechszigtausend von Kamehlen
Sollen mühsam schleppen dran,
Was die Todten nicht erzählen
Dreißigtausend auf dem Plan.
[199]
Aus zehn Tonnen von Dukaten
Spricht es laut mit goldnem Mund,
Was vielhundertfach ihm thaten
Fahnen schon und Roßschweif kund. –
Als Postscript den Herrn Jesuiten
Bring' zehn Haremsdamen froh,
Hübsche Nönnlein, fromm von Sitten,
Taufen gibt's, so oder so.
Und besiegelt sei das Ganze
Mit dem Sultanssiegel hier,
Das vom Hals ich in der Schanze
Nahm dem sterbenden Wessir;
Doch der langgerathnen Worte
Kurzgefaßter Sinn ist der:
Hingeschmettert liegt die Pforte,
Schlafe ruhig, hoher Herr!«

[200] In Wien

Von der Theiß zum fernen Rheine
Wölbt ein Freudenmünster sich,
Drin die ganze Christgemeine
Jauchzt: »Herr Gott, wir loben Dich!«
Ungarns Volk küßt den Befreiern
Kleid und Hand auf ihrer Fahrt,
Unberedte Lippen feiern
Dieß Te-Deum frömmster Art.
In den Thronsaal vor den Kaiser
Tritt der Prinz zum Kriegsbericht;
Ist die Majestät wohl heiser,
Daß sie kein Willkommen spricht?
Eugens Worte ziehn geschlossen
Wie Kolonnen in die Schlacht,
Festgegliedert, stahlgegossen,
Siegsbewußt in ihrer Macht.
Doch wie Schaum an dürrer Klippe
Schier der Rede Fluth versank,
Denn die größte Kaiserlippe
Fand kein kleinstes Wort von Dank.
[201]
Nun die höchste der Perrücken
Steif dir nickt den Abschiedsgruß,
Siegesheld, magst du dich bücken,
Denn die Zwiesprach ist am Schluß.
Unten an der Treppenpforte
Der Trabanten Hauptmann stand,
Der beredtern Fluß der Worte
In des Kaisers Namen fand:
»Euren Degen, stolzer Sieger!
Euer Haus dien' Euch zur Haft;
Denn Gehorsam schmückt den Krieger
Höher noch, als Glück und Kraft.«
Eugen reicht den Degen artig:
»Nehmt ihn, der nicht rosten darf!
Ward im Dienst des Kaisers schartig;
Nehmt und schleift ihn wieder scharf!« –
Groß mag dieser Degen scheinen,
Als er Heer und Schlacht gelenkt,
Größer war's, als vor so Kleinen
Er in Treue sich gesenkt.
Als das Volk mit Scham und Staunen
Sah den Feldherrn schwertberaubt,
Rief der Zorn wie mit Posaunen
All zum Schutz so theurem Haupt;
Doch auch dieses Heer der Liebe
Schlägt die degenlose Hand,
Auch sein Blick führt Heldenhiebe,
Auch sein Wort streckt in den Sand.
[202]
Zu den ew'gen Sternengleisen
Blickt der Held aus seiner Haft;
Künft'ge Siegessterne kreisen
Um das Haupt ihm geisterhaft.
Oesterreich, dieß Gotteserbe,
Füllt die Seele ihm mit Glanz;
Daß kein Feind den Thron verderbe,
Der ihn beugt, sei einst sein Kranz!
Ob den wucht'gen Heldendegen
Leopoldus prüfend wog?
Ob den Andern, die ihn wägen,
Das Gewicht die Arme bog?
Ob dem Fürsten auf sein Kissen
Sanftern Traum gestreut die Nacht?
Schlief ein kaiserlich Gewissen,
Ist's doch herrlich, wenn's erwacht!
Morgens früh an Eugens Pforte
Schon der Gardehauptmann stand,
Der den Strom der Gnadenworte
In des Kaisers Namen fand:
»Nehmt dieß Schwert glorreich wie keines,
Durch Gehorsam schartenrein;
Doch daß Haupt und Arm nur Eines,
Seid Hofkriegsrath Ihr allein!«
Großen Herzen steigt der Tröster
Leuchtend aus dem eignen Gram;
Seiner großen Siege größter
War's, als er dieß Schwert jetzt nahm,
[203]
Das er weiht' in Morgenröthen,
Dran er Glück und Ehre band. –
Misse nie, mein Land, in Nöthen
Solchen Degen, solche Hand!

[204] Malplaquet

Im Blachfelde ringen
Die ehernen Geschwader
Zu rächen, zu sühnen
Der Könige Hader.
Und wieder verkünden
In Waffen zwei Heere
Die blutige Mahnung,
Die bittere Lehre:
Daß seit jenen Tagen,
Da Kain im Grolle
Den Bruder erschlagen,
Kein Retter erstand,
Kein Weiser sich fand,
Der Meinungen Streit,
Des Zwiespalts Brand
Zu lösen, zu löschen
Mit heilender Hand,
Daß der Blutthat Erbe
Nicht die Enkel verderbe.
Es wußten der milden
Gesittung Apostel
Nur umzubilden
[205]
In grimmere Waffen,
In Eisen und Flammen,
Die Keule des Wilden,
Daß, die einst zu Tode
Den Einen nur traf,
Jetzt Tausende schleudert
In ewigen Schlaf.
Des Himmels Blitze,
Des Donners Grollen
Aefft ihrer Geschütze
Aufleuchten und Rollen.
Die Gottes Gebote
Nur machen zu nichte,
Ihr Würgen und Schlachten
Sind Gottes Gerichte!
O herrlicher Richter,
Die tobenden Horden,
Die rauben und sengen,
Verstümmeln und morden,
Bis unter der Last
Der Greu'l und Verbrechen
Gelähmt und erschöpft
Sie zusammenbrechen!
Dann rufen sie jammernd,
Den sie thöricht verbannt,
Den Frieden, ins Land.
Doch kehrt er nicht wieder
Als der himmlische Bote
Von den Göttern entsandt
Mit des Füllhorns Brode.
Auf Flügeln von Blei,
Mit schwarzem Gefieder
Und heiserem Schrei
Schwebt er hernieder,
[206]
Ein Leichenrabe,
Der Todtes begrabe.
Die Faust bleibt König
Dem späten Geschlecht,
Dem größern Verderber
Das bessere Recht.
Hüben am Waldessaum von Sart
Steht Eugen an Malb'roughs Seite,
Drüben, auch ein Held im Streite,
Macht Villars, ihr Gegenpart;
Wie auf der Parketten Glätte
Ohne Straucheln, ohne Gleiten,
Weiß er auch gewandt zu schreiten
Auf der schlüpfrig blutigen Stätte.
Ueber den kämpfendeu Schaaren,
Leitend der Schlachten Geschicke,
Gleich blitzschleudernden Aaren
Schweben der Feldherrn Blicke,
Ruhn auf dem eigenen Volke,
Spähn nach des Feindes Fahnen,
Bohren durch Risse der Wolke,
Staubs und Rauches die Bahnen,
Mühn sich, bis in die Seele
Selbst des Gegners zu dringen,
Daß auch, was er verhehle,
Sichre ihr eignes Vollbringen.
Trefflich hat in Busch und Feld
Vorhut und Massen der Feind gestellt,
Reitervolk und Geschütze klug
Dem entscheidenden Punkt gesellt,
[207]
Wald und Lichtung gut benützt,
Daß sich der Kolonnen Zug
Frei bewege und doch geschützt;
Und wie wohlberechnet schlau
Schanzen errichtet und Verhau,
Selbst des Stroms treulose Wogen
Dienstbar in seinen Bund gezogen!
Doch was klar der Meister erdacht,
Groß und ganz sein Geist erschaut,
Wird, der Menge anvertraut,
Leicht zerbröckeln unvollbracht;
Ist ein Faden nur gerissen,
Schwer wird das Geweb' ihn missen;
Und versagt nur eine Hand,
Locker wird das ganze Band. –
Jetzt im Feindesheere Lücken
Sieht und nützt der Feldherr hüben:
»Auf! Jetzt muß das Wagniß glücken!
Rasch den Stoß in Feindesrücken!«
Rasch doch ist auch jener drüben,
Führt mit Wucht den Gegenzug,
Füllt die Lücken wie im Flug;
Durch den trüben Nebeltag
Dringt sein Falkenaug' und mißt
Jedem Schlag den Gegenschlag,
Jeder List die Gegenlist.
Aber Eugen kann's nur loben,
Was mit Leid er soll erproben,
Und den Geist, mit dem er ringt,
Fühlt er eignem Geist verwandt,
Reichte, die das Schwert jetzt schwingt,
Jenem gern als Freundeshand,
Neigt die Stirne kranzumlaubt
Vor dem edlen Feindeshaupt.
[208]
Wer den Schwächern niederzwang,
Ward darum nicht selber stark,
Leichter Sieg wird Untergang,
Lähmt den Arm und frißt am Mark;
Doch wer mit dem Stärkern ringt,
Selbst ein Starker, fühlt die Kraft
Frisch am Widerstand beschwingt,
Wachsen an der Gegenkraft. –
Stund um Stunde währt das Ringen,
Unermüdlich mäh'n die Klingen
Und die Menschengarben fallen,
Doch ersteht ihr Rächer allen.
Horch, ein Prall in dem eisernen Knäule!
Sieh, welch mächtige Staubessäule!
Ha dort sprengt mit Wetterstreichen
Eugens Panzerschaar die Flanken
Und der Franzmann kommt ins Wanken,
Die gelösten Rotten weichen.
Mitten doch im Kugelregen,
Im Gewog' und Kampfgedränge
Leuchtet Villars' Heldendegen,
Lenkt sein Wort die flüchtige Menge,
Rückzugswege macht er frei,
Springt Verwundeten hilfreich bei,
Bleibt in Siegen und Niederlagen
Eingedenk, daß er im Sohne
Auch ein Mutterleben schone.
Plötzlich rings um ihn welch Klagen,
Welch ein markerschütternder Schrei!
Weh, den Feldherrn traf das Blei.
Noch, auf der Sänfte fortgetragen,
Wacht er über jedem Leben,
Das in seine Hut gegeben;
Denn das Eigen ist's so Vieler,
[209]
Das auf diesem Zahltisch gilt,
Das Gepräg' mit Gottes Bild
Viel zu gut für wüste Spieler! –
Und es sieht der Feldherr hüben
Ihn die milden Thaten üben;
Auch der Gegner muß es preisen,
Daß der tapfre Mann von Eisen
In der Brust ein Herz auch trägt,
Wie's ihm selbst im Busen schlägt,
Das im rauhen Werk der Schlacht
Menschlich fühlt und liebvoll wacht;
An solch Herz wohl möcht' er fliegen
Und in jenen Armen liegen.
Wo sich große Seelen messen,
Ist der Kleinen Zwist vergessen;
Während sich die Massen morden,
Sind die Feldherrn Freunde worden;
Und das ganze Schlachtenwetter,
Trommelgewirbel und Horngeschmetter,
All dieß Rasseln, Knattern, Rollen,
All dieß Jauchzen, all dieß Grollen
Schmilzt im großen Weltaccord
In ein einzig glorreich Wort,
In den Vollklang aller Ehren,
In den Seelengruß zusammen,
Den sich über kämpfenden Heeren
Gottverwandte Herzen senden.
Und die Zungen lodernder Flammen
Und die Blitze von leuchtenden Bränden,
All die glühenden, sprühenden Schrecken
Werden feurige Freundesarme,
Die sich über dem tobenden Schwarme
Geister des Lichts entgegenstrecken.

[210] Belvedere

Siegreich wehn des Kaisers Fahnen
Von Neapels Schloßaltanen,
Wie von Belgrads trotz'gem Stein,
Fächeln in Messinas Gluthen,
Spiegeln sich in Nordseefluthen,
Wie im Po und grünen Rhein.
Sorglos lebt am Wienerhofe
Kanzler, Kämmerling und Zofe,
Auffahrt gibt's, Empfang und Fest;
Goldkarossen, welche Kette!
Nur die span'sche Etikette,
Herrn und Damen, nicht vergeßt!
Leichter haben sie vergessen
Dem sie Alles danken, dessen
Tapfrer Degen es gewann:
Eugen, Oesterreichs Erwecker,
Türken- und Franzosenschrecker,
Ihn, den großen kleinen Mann.
[211]
Ihre Sterne funkeln munter,
Doch ist Zentas Stern nicht drunter
Und nicht der bei Blenheim schien;
Prunkhaft flimmern goldne Schlüssel,
Doch es sind nicht die von Ryssel,
Die von Belgrad und Turin.
Gern entbehrt er ihre Feste,
Hat ja selbst viel höh're Gäste:
Göttervolk im Gartenhain;
Und die Bilder ew'ger Meister
Und die Bücher großer Geister
Laden ihn zur Zwiesprach ein.
Hallen und Paläste sprechen,
Daß der Held im Wallzerbrechen
Auch im Bau'n ein Zaubrer ganz,
Blumen pflanzt er, Bäume, Reben,
Und so ruht sein Heldenleben
Wie ein Schwert im Blumenkranz.
Dreien Kaisern ein Erretter
Wußt' er zu bestehn die Wetter,
Doch den Hofwind scheut der Held;
Will er Majestäten ehren,
Geht mit Cäsar er verkehren
Und in Alexanders Zelt.
Alt geworden ist er eben,
Schlachten, Wunden, Lagerleben
[212]
Spinnen kein Verjüngungskleid;
Selbst die Friedensjahre zehren,
Denn die Lorbeern seiner Ehren
Sind die liebste Trift dem Neid.
»Undank ist nur schlecht Gedächtniß,
Manchem Haus ein Erbvermächtniß,«
Denkt der Held mit gleichem Muth;
Füttert dann Gethier im Zwinger,
Löwen lecken ihm die Finger,
»Löwen sind ein dankbar Blut.«
Auf des Belveders Terrassen
Wallt der Held und sieht gelassen,
Wie der Springbrunn stieg und fiel;
Marmorsphynxe ruhn im Grunde
Und er liest von ihrem Munde
Ungelöster Räthsel viel.
Rechts und links die Baumspaliere
Stehn wie seine Grenadiere
Um den kriegsgewalt'gen Herrn;
Von den Höhn des Belvedere
Blickt er nach dem Häusermeere
Wie des Landes guter Stern.
Und es mag ihn selbst gemuthen
Wie den Stern, aus dessen Gluthen
Licht und Glanz die Erde trank;
Die da unten lang im Dunkeln
Hüllt in Licht und Glanz sein Funkeln,
Unbekümmert um den Dank.
[213]
Einsam stehn ist Loos der Sterne!
Bangt nicht in so öder Ferne
Selbst ein Sonnenherz vielleicht?
So in stiller Nacht nicht minder
Ihn, der ohne Weib und Kinder,
Oft ein heimlich Weh beschleicht.
Was der Sonne eine Wolke
Ist die Krankheit ird'schem Volke,
Hellstem Sein ein dunkler Flor;
Eugens Haupt umschnürt er bleiern,
Plötzlich doch aus Fieberschleiern
Fährt der Held erwacht empor.
Horch, sind's Stimmen, die ihn riefen?
Lieder schallen aus den Tiefen,
Schenkhaus singt und Wachtquartier;
Becherklang, Soldatenknaster,
Weinduft wirbelt auf, – doch faßt er
Wort und Weise dort und hier;
Hört durch Fiedelschall und Zither:
»Prinz Eugen, der edle Ritter –
Stadt und Festung Belgarad« –
Wie auf einer Pulverwolke
Fährt sein Geist zum Sternenvolke,
Zu den Seinen, schnurgerad.

[214] Ein Adler

1809.


An dem Mal des Helden schleichen
Siebzig Jahre träg vorbei;
Wecken könnt' ihn von den Leichen
Solch ein Wonnemond von Mai,
Dessen goldne Morgenröthen
Städtebrand und Waffenblitz,
Eingesungen, statt von Flöten,
Von Trompeten und Geschütz!
Zu Schönbrunn in laub'gen Hallen
Geht des Korseneilands Sohn;
Lauscht sein Ohr den Nachtigallen,
Dröhnt es doch von Schlachtenton;
In das Knopfloch eine Rose
Pflückt die schicksalschwere Hand,
Leise schwebt sein Fuß im Moose,
Wenn er stampft, erbebt das Land.
[215]
Zu den Zwingern fremder Thiere
Lenkt der Kaiser jetzt den Tritt,
Plötzlich vor dem Steinquartiere
Eines Adlers stockt sein Schritt;
Auf dem Block im Eisenringe
Zittert ein uralter Aar,
Blöden Aug's, gebrochner Schwinge,
Der einst Fürst der Lüfte war!
Bild des Jammers ohne Gleichen
Solch geknickter Wolkensohn!
Sicher, selbst als Bild und Zeichen,
Sei die Majestät vor Hohn!
Und der Kaiser ruft den Wärter:
»Alter, laß den Vogel frei!«
Seine Züge wurden härter:
»Oder send' ihm ein Stück Blei!«
»Möge Gott den Sinn Euch lenken!«
Sprach der Alte warm und weich;
»Schont dieß theure Angedenken,
Heilig Sinnbild ist's zugleich;
Dieses Thier im Eisenrahmen
Hielt ein Held gar lieb und gut,
Prinz Eugen, – Ihr kennt den Namen?«
Frankreichs Kaiser rückt den Hut.
»Aber seit sein Herr gestorben,
Ist ein schön'rer Wappenaar,
Diesem Vogel gleich, verdorben
Zum Geripp, der Schwungkraft baar,
[216]
Dem der edle Schmuck des Flaumes
Stück für Stück abfällt vom Leib,
Wie das welke Blatt des Baumes,
Rauher Winde Zeitvertreib.
Habsburgs Fahnen sah man wandern,
Federn gleich, am Po, am Rhein,
In Sicilien und in Flandern,
Flattern fort von Belgrads Stein,
Bis in Schlesiens reichem Garten
Jene schönste Schwinge sank;
Traun, auch Oesterreichs Standarten
Sind an bösen Mausern krank.
Als mein Aar im Belvedere
Speise nahm aus Eugens Hand,
Ragte, wie bewußt der Ehre,
Sonnenwärts sein Haupt gewandt;
Schatten warf sein Fittig mächtig,
Wie ein Königsbaldachin,
Und das Auge flammenprächtig
Glomm, ein rollender Rubin.
Wie ihr krankes Kind die Mutter
Pfleg' ich ihn, doch ohne Trost;
Den gestärkt einst Eugens Futter,
Lähmt jetzt meines Kaisers Kost!« –
– »Alter, wahrlich, an dem Brocken
Liegt es nicht, doch an der Hand!«
Nickend sprach's der Korse trocken,
Schritt ins Dickicht und verschwand. – –
[217]
Eines Tags der Aar im Gitter
Schlägt mit Macht sein Flügelpaar;
Grüßt am Himmel das Gewitter
Jungen Muths der greise Aar?
Asperns Donner sind's! sie klingen
Bis in seinen Kerkerraum;
Eines andern Adlers Schwingen
Jetzt entsank der erste Flaum.

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TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Prinz Eugenius. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-1141-E