[93] [95]Oden. Das vierte Buch oder Tränen über das Leiden Jesu Christi

1657.

[95]

[Widmung]

Dem Wolehrenvesten/ Achtbaren vnd Wolbenambten

Hn. Fridrich Ledeln/

Vornehmen Bürgern vnd Handelsmann in Dantzig.

Meinem großgünstigen vnd hochgeehrten Herrn Schwager.


Nemt von mir/ werther Freund/ vor offt erzeigte Gunst/
Nicht eyteln Rauch der Welt/ nicht außgeschmünckten Dunst:
Nem't diesen/ der/ da Er vns mehr nicht konte geben/
Sich selbst gab in den Todt vor vnser aller Leben.

Meines hochgeehrten Herrn Schwagers Bereitwilligster


Glogaw den 9. Januar. An. 1652.


ANDREAS GRYPHIUS.

[96] Großgünstiger Leser

Ob wol meine Meinung niemals gewesen dich alhier mit weitläuftiger Vorrede auffzuhalten/ weil zumal ich mit diesen wenigen vnd geringen Liedern gar nicht zu prangen suche/ Hat mich doch hierzu veranlasset daß vnlängst mein Carolus den ich iederzeit an mich zu halten begehret/ wider mein vermutten/ in vieler ja auch Fürstlicher vnd vortreflicher Personen Hände gerathen/ Derowegen ich mir einbilden muß/ daß eben so wol heute geschehen könne/ was sich gestern zugetragen/ vnd dürffen sich etliche bey übersehung dieser Blätter verwundern über mir/ über der Art zu schreiben/ vnd über dem Wercke selbsten. Was mich betrifft/ muß ich bekennen/ daß ich anitzo nicht nur durch allerhand schwere Geschäffte/ sondern auch durch die Drangseligkeiten meines noch nicht zu Kräfften kommenden Vaterlandes/ gar fern abgetrieben von der anmuttigen Ruhe/ welche alle dieselbigen suchen/ die etwas taugliches auffzusetzen ihnen vorgenommen/ dennoch könte mich/ wenn vonnöthen/auch der numehr stumme Mund so vieler vortreflicher Männer || entschuldigen/ welche auch in den höchsten Würden vnd Verrichtungen sich zuweilen nach demParnassus 3 vmbgesehen. Maphæum Barberinum hinderte nicht die Purpur/ ja nicht die dreyfache Crone/ dessen Pœnitens oder reuender Sünder/ aller Urtheil vnd Lob übersteiget/ J.A. Thuanus konte bey so vielen Geschäften/ die Ihm (wie man zu reden pfleget/) kaum zulissen Athem zu holen/ bey außfertigung seiner niemals von freyen vnd auffrichtigen Gemüttern/ genung geprisenen Jahrbücher/ nicht vnterlassen/ daß ich anderer Gedichte nicht erwehne/ die Propheten vnd der Heyligen Geduld höchstes Beyspiel vnd reinesten Spiegel zu übersetzen. Wer sihet Hugonis Grotii grosse vnd sinnreiche Schrifften ohne Bestürtzung an? Wer bedencket was ihme vor eine hohe vnd mühsame Ehrenstelle anvertrauet/ vnd erinnert sich nicht zugleich/ daß er mit seinen zwey Traurspielen schier aller Ruhm verdunckelt? Doch ists nicht der Wichtigkeit/ daß ich mich hinter dieser vnd anderer vnsterblichen Gemütter Schatten verberge/ sintemal ich/ was du hier sihest/ in erster Blüthe der noch kaum zeitigen Jugend dem Papier vertrauet/hätte es auch vieleicht länger in dem Staube liegen/vnd vor mir vntergehn lassen/ wenn [97] nicht ein vnd andere Ode bereits vor etlichen Jahren von Bekanten vnd Freunden abge-|| schrieben/ vnd noch itzt begehret worden. Derowegen ich mich endlich entschlossen/lieber meinen eigenen Auffsatz selbigen durch den Druck mit zutheilen/ als durch offtes vmbschreiben veränderte Worte vor die Meinen zu erkennen. Vnd werden diese Lieder niemands auffgedrungen/ steht auch iedwedem frey/ wo sie ihm ja in die Hände gerathen möchten/ mit selbigen vmbzugehen wie ihm beliebet/ ja auff seinem Herde oder auff seinem eigenen Hertzen zuverbrennen/ ich werde darumb nicht zörnen. Was die Art zu schreiben belanget/ ist selbige auff das schlechteste/ vnd so viel möglich/ an die Worte der heiligsten Geschichte gebunden/ Denn weil ich hier nichts als die Andacht gesuchet/ habe ich mich bekanter Melodien vnd der gemeinesten Weyse zu reden gebrauchen wollen. Wehm poetische Erfindungen oder Farben in derogleichen heiligen Wercke belieben/ den weise ich zu meinem Oliveto, Golgatha vnd Trauer-Spielen/ ja auch in vorhergehenden Oden zu der verlassenen Zion/ oder den hinweggeführeten Kindern. Hier bringe ich zu dem Grabe meines Erlösers nicht teure Aloen vnd Myrrhen/ sondern nur schlechte Leinwand vnd Ehre derjenigen Feder/ die bey dem grossen Söhn-Altar deß Sohnes Gottes höher fliegen wollen. Denn ich der Meynung gar nicht zugethan/ die alle || Blumen der Wolredenheit vnd Schmuck der Dichtkunst auß Gottes Kirche bannet/angesehen die Psalmen selbst nichts anders als Gedichte/ derer etliche übermassen hoch vnd mit den schönesten Arten zu reden/ die himmlischen Geheimnüß außdrucken/ wie daß ich anderer nicht erwehne/auß dem 19. 104/25/68. mehr denn Sonnen klar zu spüren. Die aller trefflichsten Wolthaten deß Höchsten/ werden von den Alten nicht so wol beschrieben als besungen/ die heilige Schwester deß grossen Gesetzgebers brauchet zugleich Paucke vnd Zunge/ da der Tyrañ in dem roten Meer ertruncken/ Moses selbst weiß diese wunderbare Errettung, nicht besser als auff solche Art heraußzustreichen/ vnd seine letzte Weissagung bestehet in seinem letzten Gesang. Debora/Hanna/ Judit/ sind mehr denn zuviel bekandt. Hiskias richtet sich singend auff von seinem Sichbette/ vnd Jonam hindert nicht das Eingeweide deß Walfisches/wo nicht die Sti ie/ doch die Seufftzer zu erheben. Was sag ich von der vnbefleckten Jungfrauen der heiligsten Mutter vnsers Erlösers/ welche sich Gott ihres Heilandes auff diese weise freuet/ denn daß man einwenden wil es [98] könten solche Stellungen nicht alle verstehen/ schleust so viel als nichts: Wolte ich wol sagen/ daß das hohe Lied nicht heilig/ weil ich es nicht verstehe? || Daß die letzten Gesichter Ezechielis nicht vortreflich/ weil sie mir zu dunckel! Das Hiob zu verwerffen/ weil er voll schwerer Sprüche? das die heimliche Offenbahrung/ dessen/ der Amen/ den warhafftigẽ Zeugen gesehen/ nichts nütze/ weil bißher auch die Gelehrtesten Außleger darüber zu Kindern worden/ oder/ daß der 45. 68. vnd andere Psalmen nicht deß heiligen Geistes/ weil sie zierlich vnd verblümet.

Man sihet wie hoch bald nach Christi Leiden/ die leidend- vnd streittende Kirche sich bemühet die heiligen Gesichte/ die vornemesten Gründe vnsers Glaubens: den Zweck vnserer Hoffnung durch solche Art zubeschreiben vnd vnter das Volck zu bringen. Clemens Alexandrinus vnd Eusebius haben in ihren Büchern noch etliche Stück Ezechielis eines vornehmen Meisters/ Christlicher Traurspiele erhalten/ eben dieser Eusebius erwehnet im 22. Capittel deß 7. Buchs der Kirchen-Geschichte deß Nepotis welcher vnterschiedene Psalmen vnd Lobgesänge gedichtet. AlsHarmonius seine Ketzerey durch Lieder außgestreuet/hat der heilige Ephræm ihn durch Lieder bekrieget vnd überwunden.

Apollinaris erhilt vnter Juliani Verfolgung das Gedächtnüß deß Christlichen Glaubens durch geistliche Trauer- vnd Lustspiele/ Lieder vnd Gesänge. Wie Sozomen im 17. || Capit. deß 5. Buchs erweiset/ vnd als er selbst hernach in gefährliche Ketzerey gerathen/sang Gregorius von Nazianz, seine Verdammung.Augustinus schrib Psalmen wieder die Donatistẽ. Wie herrlich betrachtet Prudentius die Auferstehung der Todten in dem überaußschönen Begräbnüß-Gedichte? Wie donnert er wider Symmachi schleichende Beredsamkeit. Wie vieler heiligen Märterer Gedächtnüß hat er vnsterblich erhalten? Diese vnd mehr seliger Seelen wurden zu jener Zeit gelobet: Da wir hergegen itzund alles tadeln vnd verwerffen/ was nur etlicher massen geistreich scheinet/ wiewol es wenig wunder/ denn wir ausser dehnen Jharen.


[99]
Cum rudis, & simplex nondum se fecerat artem
Relligio, nondum titulum pietatis habebat
Fulmineus Mavors, & sceptri dira Cupido,
Cum brevis, hoc totum melior quovita paratur
Regula dictabat, non solis nota magistris;
Sed populi commune bonum. neque docta ferebant
Jurgia dissidium, sed certabatur amando.
Omnibus idem ardor, Verum defendere, tantùm
Morte suâ, nullusque alieni sangvinis usus.

Was endlich das Werck selbst betrifft/ vermeynen etliche/ es wäre gar nicht erlaubet/ || daß Musen vmb das Creutz deß Herren singen solten; Denen muß nicht nur Lactantius, Cyprianus, Alcimus, Ambrosius, Damasus, Prudentius, Prosper, Paulinus, Sedulius, Juvencus, Fulgentius, Gregorius, Fortunatus, Nonnus, vnd welchem vorzeiten allein nechst dem heiligen Johanne der Titel eines Theologi gegeben/Gregorius Nazianzenus vnbekand seyn/ sondern ich möchte wol wissen/ ob sie den Rednern zuliessen/über den Tod deß Herren zu wehklagen? Sagen sie/nein: So verwerffen sie der gantzen sechzehenhundert Jahre berühmbteste Lehrer/ deren iedweder/ nach seinem vnd seiner Zeiten Vermögen/ mit dem bestürtzten Hauptmann geschryen hat: Warlich dieser ist Gottes Sohn gewesen. Sagen sie Ja: So bitte ich/ man wolle mir entdecken/ warumb diese mehr Vorzugs haben sollen denn jene. Poeten (spricht man) pflegen zu dichten; es ist war/ aber auch Redner zu lügen. [100] Und die Geschichte der Weltlichen vnd Kirchenhändel bezeugen/ wer den grössesten Schaden thun könne/zumal wenn man den gläntzenden Mantel der Scheinheiligkeit recht zu brauchen weiß. Es sey aber ferne/daß etlicher Geister Unart/ die der edelsten Gaben Gottes/ zu schaden ihrer Seelen vnd ihres Nechsten mißbrauchen/ so schöne Künste selbst auffheben solle. Mehr wäre zu wüntschen/ daß alle/ die Eytelkeit (G) dieses Lebens recht beobachten/ vnd ihre Feder allein in dem Blutt deß vnbefleckten Lammes netzen möchten.

Ein vortreflicher Mann wolte kurtz vor seinem Ende/ daß alle seine Papiere vnd Getichte Aschen wären/ ausser denjenigen/ die von göttlichen Sachen handelten. Denn die Betrachtung der Geheimnüß deß Höchsten erquicket vns in Schwermuth/ vnd begleitet/wenn wir von allem verlassen werden: Was man der Welt zu Ehren schreibet/ das vergehet mit der Welt/vnd beschwärtzet offt die Finger vnd Gewissen derer/die damit bemühet. Ich weiß mich zu erinnern/ daß diese/ welche derer todte Leichẽ/ die durch faulende Kranckheiten von dieser Welt abgefordert/ mit Balsam vnd Kräutern vor der Verwesung bewahren wollen; Salben vnd Specerey verderbet/ vnd selbst einen bösen Dampff/ der ihrer Gesundheit höchst schädlich/an sich gezogen. Ich weiß mich zu erinnern/ das jenige/ welche böse Leute durch prächtige Reimen oder wolklingende Reden heilig machen wollen/ ihren Fleiß übel angeleget/ vnd in dem sie andern einen grossen Namen machen wollen/ ihren eigenen guten verlohren. Vnd nicht vnbillich: denn Gott hat über die schon längst seinen Fluch vnd Weh' außgesprochen/die das Böse gut/ vñ das Gutte böse heissen. Im gegentheil werden die || jenigen welche in den köstlichen Würtz-Laden der Balsam vnd Geruchkrämer sich auffhalten/ auch vnwissend von dem guten Geruch gantz durchzogen/ vnd die/ welche eines treflichen vnd wolverdieneten Mannes Leben beschreiben/ nehmen die Abbildungen der Tugenden an ihre Seele/ in dem sie selbige rühmen/ gleich einem Maaler/ der eines Menschen Gestalt zuvor in seine Sinnen wol einfassen muß/ ehe er denselbigen auff das Tuch entwerffen wil. Haben nun irrdische vnd vergängliche Dinge die Krafft vnsere Leiber vnd Gemütter zu verändern/ was wird der nicht können/ der den seinen ist ein Geruch deß Lebens zum Leben/ vnd dessen wehmüttigste Blicke Petrum bekehren/ vnd den am Creutze lästernden Mörder vmbkehren? dem befehle ich dich vñ mich/ Großgünstiger Leser. Glogau. Den 9. Januar. dieses 1652. Jahres.

Andreas Gryphius.

[101] [103]1.
Die Einsetzung deß Abendmahls

Auff die Melodie: Jesus Christus vnser Heyland.

1.
Als das Fest der Ostern nahe:
Vnd der HE rr Messias sahe/
Daß Ihn Judas schon bedacht
Zu liefern in der Feinde Macht.
2.
Wolt' Er das Gesetz erfüllen/
Seines Vaters Eyfer stillen/
Vnd der Höll' erhitzte Glut
Außleschen durch sein reines Blut.
3.
Drumb hieß Er zwey Jünger gehen:
Vnd den Speise-Saal bestehen/
In dem vor der letzten Stund/
Er könnt' auffrichten seinen Bund.
4.
Als sich nun der Tag geneiget:
Kam/ auff dehn das La i gezeiget:
Das durch Blut den Würger stillt:
Vnd erster Mütter Frucht erhilt.
5.
Vnd nach dem Er/ vnser Leben/
Sich hat' an den Tisch begeben/
Sprach Er zu der Jünger Zahl:
Wie offt wüntscht ich nach diesem Mahl!
[103] 6.
Wie hab ich mit euch begehret/
Eh' der Creutz-Tod mich beschweret/
Diesen Abschied zu begehn/
Der mich mein höchstes Pfand sol stehn!
7.
Liebsten/ glaubt: es geht aufs scheiden/
Ich kan/ weil ich nun muß leiden/
Vnd zum Thron gehn durch viel Schweiß/
Nicht essen mehr die Oster-Speiß.
8.
Man wird mir den Safft der Reben
Künftig nicht zu trincken geben/
Bis mein aufferweckte Leich
Beherrschen wird deß Vatern Reich.
9.
Vnd in dem die Jünger aßen:
Nam Er recht bedachter maßen
Das Ihm vorgelegte Brodt/
Vnd danckte/ wie gewöhnlich/ Gott.
10.
Brachs/ gabs vnd spach: Nembt vnd esset/
Diß ist mein Leib: vnd ermesset/
Daß der für euch hingereicht/
In herber Todesangst erbleicht.
11.
Als das Mahl zu ende kommen/
Hat Er Wein im Kelch genommen/
Vnd bot den der werthen Schaar/
Zum Zeichen heisser Liebe dar.
12.
Nemt/ (die Worte ließ Er hören)
Was ich kan zu letzt verehren:
Alle trinckt: diß ist mein Blut.
Diß ist die purpurrothe Fluth/
13.
Die für Euch vnd viel wird müssen
Mit fünfffachen Strömen fliessen/
Zu zahlen was die verderbt.
Die Adams Schuld auff sich geerbt.
[104] 14.
Der Bund ist Neu' vnd erhellet/
Was im Alten vorgestellet:
Dort sind Schatten: Hier steht klar/
Was dort nur abgebildet war.
15.
Ihr hierbey mögt stets bedencken/
Daß Ich euch nicht mehr kan schencken/
Vnd das nicht sey grösser Huld/
Als wenn man stirbt vor fre ide Schuld.
16.
Lob sey dir O wahres Leben:
Das für vns vnd vns gegeben
Durch den Tisch/ den du beschickt
Mein nach dir schmachtend Hertz erquickt.

2.
Unsers Erlösers Fußwaschen

Auff die Melodie: Nun last vns Gott den Herren.

1.
Dem Tausend Seraphinen
Vnd Zehnmal Tausend dienen:
Dem alle Welt sich neiget/
Vnd zitternd' Ehr erzeiget.
2.
Hat das Er gleich gesetzet
Dem Vater nicht geschetzet/
Dem Vater/ der die Erden
Durch ihn/ sein Wort hieß werden.
3.
Er ist vmb vns zu dienen
[105]
In Knechts Gestalt erschienen.
Vnd als das Maal geheget/
Hat Er sich abgeleget.
4.
Mit einem Schurtz vmbhüllet/
Ein Becken eingefüllet/
Vnd vor der Jünger Füssen
Zu knyen sich beflissen.
5.
Die fangt Er an zuwaschen!
O Mensch! O Erd! O Aschen!
Hat der/ den Gott gezeuget!
Sich dir so tieff gebeuget.
6.
Kan dieses Liebe-Zeichen
Nicht Judas Hertz erweichen/
Nein! Die verstockte Sinnen/
Mag keine Treu gewinnen!
7.
Doch Petrus/ als Er siehet/
Wie sich sein Jesus mühet:
Fängt eilends an zu fragen!
Was wilst du Meister wagen?
8.
Was ich ietzt wil verrichten!
Versteht dein Hertz mit nichten!
Spricht Jesus: Wenn's geschehen!
Wirst du was ferner sehen.
9.
Herr! saget Petrus wider:
Hör: eh du fallest nieder:
Eh ich mir meine Füsse
Von dir berühren lisse/
10.
Solt' Himmel/ Lufft vnd Erden
Mir feind' vnd herbe werden.
Wasch ich dir nicht die Füsse/
Fährt Jesus fort/ so wisse/
11.
Daß du kein Theil kanst haben
[106]
An Mir vnd meinen Gaben.
Drauff spricht Er/ wil ich eben
Dir Herr/ nicht widerstreben.
12.
Ich wil dir Füß/ ingleichen
Auch Haupt vnd Hände reichen.
Nein/ sagt der Herr/ wer reine/
Wäscht nur die Füß alleine.
13.
Rein seyd ihr/ doch nicht Jeder.
Er trucknet' alle wider/
Bekleidet sich vnd lehrte/
Warumb Er so sie ehr'te.
14.
Ihr pflegt mich Herr zu nennen:
Sprach Er; vnd must bekennen:
Daß ich zur Himmels-Thüre
Euch/ als ein Meister/ führe.
15.
Wenn nun ich meine Hände
Zu euren Füssen wende/
Mögt ihr mir wol nacharten/
Einander selbst auffwarten.
16.
Diß Beyspiel könnt ihr nehmen/
Es darff kein Knecht sich schämen/
Der weise nach zu leben/
Die ihm sein Herr gegeben.
17.
Wie hoch seyd ihr zuschätzen/
Wo ihr dem nach könn't setzen.
Wie selig wil ich preisen:
Die würcklich diß erweisen.
18.
O Qvell der Lieb vnd Lebens!
Der wäscht vnd liebt vergebens:
Der durch dein Blut nicht reine
Dich durch dich lib't alleine.

[107] 3.
Der Herr offenbahret seinem Verräther vnd warnet Petrum vor Vermessenheit

Auff die Melodie: Weltlich Ehr vnd zeitlich Gutt.

1.
Mensch wach/ vnd nim dich in acht!
Weil Sathan vmb dich Tag vnd Nacht
Im Irrgang dieser Welt/
Als ein heiß-ergrimmter Lew/
Als ein Mörder ohne scheu
Manche sich're Seel' anfäll't:
Vnd stets Jägernetz auffstellt.
2.
Wenn du gleich ietzt feste stehst:
Ja auff deß Himmels-Wege geh'st;
Kan Anstos doch vnd Fall
Vnversehns dich von der Höh'
Stürtzen in vnendlich Weh.
Der verdampten Marter-Thal
Wo nur heulen/ Ach! vnd Qval.
3.
Gläntzte Judas bey dem Herrn
Nicht als ein schimmernd' Morgenstern/
Den doch der hellen Raab
Mit verfluchtem Geitz beschwer't
Vnd sein Hertz so fern verkehr't/
Daß Er vmb ein' kleine Haab/
Den Schatz aller Welt hingab.
4.
Wie hat Jesus sich betrübt/
Als der/ den Er so Treu gelieb't
Ihn zuverkauffen tracht.
Einer auß Euch/ fieng Er an/
[108]
Dehn ich noch nicht hassen kan/
Ist mich warlich diese Nacht/
Zuverrathen gantz bedacht.
5.
Jeder durch diß Wort erschreck't/
Ward durch betrübte Furcht entsteck't/
Vnd sprach/ hab ich den Hohn?
Der der meine Schüssel braucht
Der mit mir sein Brodt eintaucht/
Sag't Er/ ist's: deß Menschen Sohn/
Geht ja durch den Todt zur Kron.
6.
Wie der Geist verkündig't eh'/
Weh' aber! weh! vnd Ewig weh!
Dem/ der Ihn dem Gericht/
Der Ihn zu der Angst gewehrt/
Ach! das Ihn die Welt ernehr't!
Ach! das ie der Sonnen-Licht
Hat bestrahlet sein Gesicht!
7.
Bald rufft Judas: meinst du mich?
Er sprach/ du selbst verklagest dich:
Doch bleibt Er vnentdeckt.
Ob schon Jesus gleich hiermit
Auff deß liebsten Jüngers bitt/
Einen Bissen Brodt ansteckt/
Eintaucht vnd dem Judas reckt.
8.
Den Sathan nun gantz besaß.
Geh hin: Spricht Jesus (wüntscht du das:)
Vnd was du thust/ das thu.
Er steht auff bey trüber Nacht:
Petrus rühmet vnbedacht:
Herr ich wil in Streit vnd Ruh
Alles bey dir setzen zu.
9.
Jesus erseufftz't hoch vnd sprach:
[109]
Ach Simon/ Simon/ nur gemach/
Der grimme Feind begehr't/
Es sey dir leid oder lieb/
Euch zu prüfen durch sein Sib/
Wie der Weitzen wird bewert/
Den man von der Tennen kehrt.
10.
Ach wie bat ich vor dich Gott:
Daß nicht dein Glaub erlesch in Noth/
Doch wenn sie nun verschwindt/
Vnd du wider kanst auffstehn/
Solst du auch entgegen gehn/
Dehnen die vor schrecken blind/
Neben dir gefallen sind.
11.
Herr/ spricht Petrus/ keine Pracht/
Kein Fässel keiner Folter Macht/
Noch Schmach noch grause Pein/
Noch Gewalt der grossen Welt
Trennet/ was mich zu dir hält.
Jesus redet ihm noch ein:
Diß wird bald vergessen seyn.
12.
Eh ein Hahn vom Schlaff erweckt/
Die nicht recht halbe Nacht entdeckt/
Wird dein erblaster Mund/
Dreymal läugnen/ daß Er mich
Je erkennet/ daß ich dich
Je geliebt/ vnd sonder Grund
Gantz verschweren meinen Bund.
13.
Fels/ zum Anstoß außgesetzt:
An dem sich fleisches Lust verletzt:
Vermessenheit zerschell't.
Hilff/ daß ich an dir auffsteh/
Nicht durch Geitz zu Grunde geh:
Dich als Felsern! den nichts fällt/
Frey bekenne: Trotz der Welt!

[110] 4.
Deß Herren Jesus Gang über den Bach Kidron

Auff die Melodie: Ach Gott vnd Herr/ etc.

1.
Nachdem der Held/ der aller Welt/
Schuld/ Angst/ vnd Fluch abwendet/
Das Oster-Mahl/ mit seiner Zahl
Durch Lob vnd Danck geendet.
2.
Ließ Er die Stadt/ die in dem Rath
Schon seinen Todt geschlossen/
Vnd wandt sich nach der schwartzen Bach
Die Kidrons-Thal durchflossen.
3.
Hier fängt Er an/ weil Er noch kan
Die liebsten Eilffe lehren:
Das diese Nacht der Hellen Macht
Sie fertig zuversehren.
4.
Eh als/ sprach er/ der Sternen Heer
Wird vor dem Tag erbleichen:
Wird eure Treu/ von mir voll Scheu/
Vnd Aergernüß abweichen.
5.
Wie denn der Geist/ zuvor geweist/
Durch heiliges Weissagen:
Daß man voll Rach/ ohn all Vrsach
Werd auff den Hirten schlagen.
6.
Da denn die Herd/ die Ihm so werth
Sich plötzlich darff zustreuen!
Doch trauret nicht: mein Gnadenlicht
Sol eure Furcht erfreuen.
7.
Wenn meine Hand/ das starcke Band
Deß Todes abgerissen;
Wil ich fürwar/ euch meine Schaar/
In Galilea grüssen.
8.
Sol's ja so seyn: fällt Petrus ein/
Daß keiner auß den allen/
[111]
Außhalten mag bey diesem Schlag/
Wil ich doch ab nicht fallen.
9.
Mich sol von dir/ Herr glaube mir/
Kein Aergernüß abzwingen:
Ja wenn auch gleich/ der Hellen Reich
Mit Macht wolt auff mich dringen.
10.
Fürwar der Hahn/ fangt Christus an/
Wird diese Nacht nicht krehen;
Biß du dreymal/ ins Priesters Saal/
So bald man dich ersehen:
11.
Betheuret klar; daß gantz vnd gar
Ich frembd in deinen Ohren:
Ach Meister nein: eh wolt ich seyn
Spricht Petrus/ nie geboren.
12.
Eh sol die Pein: mir Marck vnd Bein
Vnd Leib/ vnd Geister tennen:
So wil' auch ich/ schrie drauff vor sich
Ein Jeder/ dich bekennen.
13.
Als man nun nah/ den Oelberg sah/
Erwehlt Er einen Garten/
In welcher Stätt Er im Gebet
Der Feinde wolt' erwarten.
14.
Denn wo wir all' durch Adams Fall'
Biß in den Tod verfluchet;
Da hat der Held/ das Lösegeld
Zum ersten auch gesuchet.
15.
Ich bitte dich; mein Herr laß mich
Deß sauren Gang's geniessen:
Vnd wenn ich geh' auß diesem weh/
Im Paradiß dich küssen.

[112] 5.
Deß Herren Christi Todes-Angst vnd Blut-Schweiß in dem Oelberg

Auff die Melodie deß 130. Psalms. Oder: Hertzlich thut mich verlangen.

1.
Ihr Hertzen: voll von Sünden/
Die grimme Schuld' ansteckt.
Die böse Lüst entzünden/
Die ihr den Zorn erweckt/
Der schon mit Schwefel-Regen
Vnd lichter Blitzen macht/
Vnd harten Donnerschlägen:
Auff eurem Haupt erkracht.
2.
Schaut/ wie das Leben zage
Ob eurer Laster Last/
Wie sehnlich Jesus klage/
Vnd wie die Stärck erblasst.
Wie wolt ihr doch bestehen/
Vor Gottes Richter-Thron!
Wenn schier in Angst vergehen
Wil sein Gerechter Sohn?
3.
Er heisst die Jünger wachen
Auff einem Ort' allein:
Vnd bey so schweren Sachen
Mit beten embsig seyn:
Doch Zebedeus Kinder
Vnd Petrum führt Er mit:
Bald bebet für vns Sünder
Sein freudenreich Gemüth/
4.
Ach! spricht Er! Furcht vnd Schmertzen
Dringt häuffig zu mir ein/
Die Krafft in meinem Hertzen
Verschwindt' in Todes Pein.
Bleibt munter hier; Ich gehe
[113]
Zu klagen meine Noth/
Die Angst in der Ich stehe
Dem Allmacht-vollen Gott.
5.
Da Er von Ihnen kommen
Schier einen Steinwurff weit/
Fällt Er/ gantz eingenommen
Von überschwerem Leid
Auff sein Gesicht zur Erden/
Der sonst die gantze Welt
Vnd was Er ie hieß werden/
In festem Stand erhält.
6.
Ach! Schöpffer aller Sachen;
Ach Vater/ fäng't Er an:
Dem/ wenn Er was wil machen/
Nichts widerstehen kan.
Ists möglich/ das dein schlissen
Sonst' außzuführen sey/
Als durch mein Bluttvergiessen/
So sprich deß Kelchs mich frey.
7.
Doch nicht nach meinem bitten/
Nach deinem Willen thu:
Schick eh der Hellen wütten
Auff diese Seele zu/
Zeuch Schwefellichte Flammen/
Ruff' Ewig-Ach vnd Weh
Eh' über mich zusammen/
Als nicht dein Rath fortgeh.
8.
Bald weckt Er seine Schaaren
Vnd sprach dem Simon zu/
Köñt' ihr so sicher fahren/
Wilst du die süsse Ruh
Nicht eine Stund auffschieben?
Ach wacht vnd schreyt zu Gott!
Den Geist mag nichts betrüben/
Dem Fleisch graut vor dem Tod!
[114] 9.
Er gieng mit mattem Hertzen/
Vnd schrey zum andernmal/
Sol Ich den Kelch voll Schmertzen/
Voll Wermuth-herber Qual/
Voll Jammers/ gantz außtrincken/
Mein Vater/ so besteh
Dein weises Gut-Bedüncken!
Dein/ nicht mein Wuntsch ergeb!
10.
Die Jünger mochten eben
Vor fauler Traurigkeit:
Die Augen kaum erheben/
Drumb eilt in solchem Leid
Der Herr für Gott zu treten/
Kans/ sprach er/ Vater seyn/
Was ich so hoch gebeten:
Erlaß mich dieser Pein.
11.
Biß auff so sehnlich klagen
Ein Engel ihn erblickt;
Vnd seyn/ in grimmen Zagen
Beklemmtes Hertz erquickt:
Doch hilt Er an mit bitten/
Der nun in höchstem Zwang
Beb't ob der Hellen wütten/
Vnd mit dem Tode rang.
12.
Sein Blutt/ das durch die Glieder
Schwitzt vnd die Wangen netzt
Vnd vmb die Augenlieder/
Sich Tropfenweiß ansetzt/
[115]
Troff dichter auff die Erden.
Was Gott vermaledeyt
Wird rein vnd fruchtbar werden
Weil dieser Tau es weyht.
13.
Als er in dessen innen/
Das Feind vnd Waffen nah/
Vnd schon das Mord-beginnen
Deß Ertztverräthers sah;
Weckt Er die in dem Garten;
Auff! liebsten Jünger auff/
Itzt ists nicht zeit zu warten/
Dort kommt der Sünder Hauff'.
14.
O wahre Freud! O Leben/
In dem mir ewig wol!
Wenn ich die Welt begeben/
Vnd vor Gott treten sol;
So hilff mirs frölich wagen
Auff den Angst-Schweiß allein/
Dein jammervolles Zagen
Laß mein' erquickung seyn.

6.
Deß Herren Gefängnüß

Auff die Melodie: Was mein Gott wil:

1.
Schau Seele schau/ deß Himmels Sonn
Wird hier bey Licht gefunden.
Deß Vatern Lust/ der Engel Wonn/
Die Freyheit wird gebunden/
[116]
Der Liebe Band/ der Freundschafft Pfand/
Wird deß Verrähters Zeichen:
Der Friede lehrt/ vnd Auffruhr stört/
Lässt Mördern sich vergleichen.
2.
In dehm Er noch die Jünger weckt/
Ist sein Verräther kommen:
Der Ihn den Priestern schon entdeckt:
Vnd eylend angenommen/
Was Schwerdt vnd Muth/ was Leib vnd Blut
Dem Kriege-Dienst verschworen:
Die bracht Er spät an diese Stät/
Die Jesus Ihm erkohren.
3.
Deß Höchsten Sohn/ der nun erkandt
Den Fortgang seiner Schmertzen/
Er gibt sich selbst der Sünder Hand/
Vnd fragt mit sanfftem Hertzen/
Wen suchet ihr? Sie sprachen: hier
Sol Jesus sein zufinden.
Ich bins/ spricht Er: bald stürtzt ihr Heer
Vnd ihre Krafft muß schwinden.
4.
Er fragt noch eins/ sagt wen ihr sucht?
Sie schreyn: Den Nazarener.
Ich bins sprach Er: vnd gönnt die Flucht
Den seinen: Die Er schöner
Versichert macht/ daß diese Nacht
Nicht einem ihrer allen
Ein einig Haar bey der Gefahr/
Sol von dem Haupt abfallen.
5.
Alsbald bot Judas ihm den Kuß/
Wie vorhin überleget;
Ach! sprach Er/ ach ist das der Gruß
Dehn man zugeben pfleget?
Must du zu Lohn/ deß Menschen Sohn
Durch einen Kuß verrathen?
[117]
Drauff wird die Krafft/ der Welt verhafft
O grimme Frevelthaten!
6.
Herr/ Herr/ fragt Petrus/ sol ich nicht
Jetzt Schwerdt vnd Leben wagen?
Vnd Malchus Ohr/ weil er diß spricht/
Wird von ihm weggeschlagen.
Gib dich zu Ruh/ schreyt der Ihm zu/
Der sich vor vns lässt binden/
Wer sich zum Schwerdt in vnfall kehrt/
Den wird der Schwerdt-Tod finden.
7.
Stehts nicht bey mir daß ich vmb Schutz
Den Vater ietzt anspreche/
Daß Er der Feinde grimmen Trutz
Durch Tausend Engel breche?
Es ligt an mir/ sonst würden hier
Zwölff Legionen stehen/
Doch nein. Die Schrifft/ was mich betrifft
Sol richtig vor sich gehen.
8.
Er rührt vnd heilt deß Priesters Knecht
Vnd sagt der Mörder Hauffen:
Wie ko it ihr ietzt ohn einig Recht/
Mit Wehr vnd Spiß gelauffen/
Gleich wie man sucht die mit der Flucht
Mord/ Schuld vnd Laster decken/
Da ihr zuvor ins Tempels Thor
Die Hand nie dorfft außstrecken?
9.
Ich lehrte täglich ohne Scheu/
Da war kein Schwerdt zu spüren:
Nun muß euch meiner Freund Vntreu
Vnd Finsternüß anführen.
Doch eure Stund/ wie nunmehr kund
Ist dar/ braucht sie zum tügen.
[118]
Sie führen Ihn/ zu Caiphas hin/
Der Jünger Kräfft erliegen.
10.
Ein Jeder fleucht vnd bebt vnd zagt!
Ein Jüngling nur bedecket
Mit schlechter Leinwand hats gewagt/
Vnd folgt ihm vnerschrecket:
Doch als die Schaar sein recht gewahr/
Ihn fasst vnd auff- wil fangen/
Bleibt sein Gewand in ihrer Hand/
Vnd Er ist Nackt entgangen.
11.
Durch diese Bande sind wir frey
Von Sathans festen Stricken:
Itzt bricht der Hellen Netz entzwey/
Sie darff kein Garn mehr rücken.
Die Schmertz vnd Welt verhafftet hält
In Sünd vnd Wollust-Keten:
Gibt Jesus loß/ vnd heist vns bloß
Auß dem Gefängnüß treten.

7.
Christi Anklage vor dem Prister vnd Petri Fall

In der Melodie. Hilff Gott das mirs gelinge.

1.
Der Prister/ dehn erkohren
Gott selbst von Ewigkeit:
Der alle/ die verlohren/
Von Noth vnd Fluch befreit:
Vnd durch sein eigen Blutt außsöhnt/
Wird vor der Priester Ohren
Verklaget vnd verhönt.
2.
Die Priester selber trachten
Nach seinem Vntergang/
[119]
Die Priester selbst verachten
Dehn/ der die Hell im Zwang/
Dehn/ der den Todt in Banden hält;
Vor dem die Teuffel schmachten/
Der Erden Lösegeld.
3.
Hannas schaut seine Bande
Mit höchster Wollust an/
Vnd schickt mit Hohn vnd Schande
Den Niemand tadeln kan/
Dem Caiphas seinem Aydam hin:
Daß Er sein Blut dem Lande
Vergiesse zum Gewin.
4.
Der Schrifft-erfahrnen Hauffen/
Erhitzt auff seinen Tod/
Kompt embsig zugelauffen/
Vnd der sich vor erbot
Sein Beyseyn/ durch Weh/ Ach vnd Schmach/
Vnd Blutt vnd Creutz zu kauffen/
Folgt kaum von ferne nach.
5.
Doch durch noch eines bitten/
Der Caiphas Kundschafft hat/
Vnd der/ die dar muß hütten
Gelangt Er/ wo der Rath
Vnrechtes Recht vnd Vrthell hegt/
Daselbst war in der Mitten
Ein Feuer angelegt.
6.
Ob schon die Glut vmbgeben
Rings vmb von Dienern war;
Setzt Er sich doch darneben/
Vnd denckt frey von Gefahr
Den Außgang dieses Sturms zu sehn/
In welchem auff das Leben
Deß Todes Winde wehn.
[120] 7.
Der Priester forscht vnd fraget;
Was hast du doch gelehrt?
Wehm hat dein Wahn behaget?
Wer hat dir zugehört?
Ich hab es frey/ fangt Jesus an/
Vnd vor der Welt gesaget/
Wie ieder zeugen kan.
8.
Die in dem Tempel leben/
Nach dem das gantze Land
Sich pfleget zuerheben/
Wer sich zur Schulen fand/
Darinn Ich Tag vor Tag gelehrt/
Kan Red vnd Antwort geben/
Was Er von Mir gehört.
9.
Gibt einer der Gefangen/
(So rufft ein schnöder Knecht.)
Der so viel hat begangen/
Gantz wider Sitt' vnd Recht
Dem Hohenpriester den Bescheid?
Bald schlägt Er auff die Wangen
Den Printz der Herrligkeit.
10.
Hab ich zu frech gesprochen?
Spricht Jesus: Thu es dar!
Hab ich denn nichts verbrochen/
Sind meine Worte klar/
Wie/ daß man mich ohn Vrsach schlägt/
Vnd nur mit Trotz vnd Pochen
Die Warheit widerlegt?
11.
Als Petrus noch verhanden/
Spricht eine Magd: fürwar
Er kennt den/ der in Banden/
Vnd ist auß seiner Schaar.
Nein/ sagt Er: Ich weiß von Ihm nicht/
Vnd geht bestürtzt mit Schanden
Auß ihrem Angesicht.
[121] 12.
Der Hahn fing an zu krehen/
Er eilet nach dem Thor/
Bald als Er da ersehen
Tritt eine Magd hervor
Vnd spricht: Dich hat man auch verspürt
Bey Jesu/ da geschehen
Daß Er das Volck verführt.
13.
Nein spricht Er: Ich kans sagen/
Daß Er mich nichts angeh/
Ja daß ich deine Fragen
O Weib/ auch nicht versteh.
Herr gibt sich der so leichtlich bloß
Der mit dir alle Plagen
Zutragen sich entschloß!

8.
Christi Verdammung vor den Priestern/ vnd Petri Verläugnung

In der Melodie deß 91. Psalms.

1.
Was zag Ich! Wenn der Hellen Macht
Mit Lügen auff mich wüttet?
Wenn Mich die gantze Welt verlacht!
Vnd List vnd Trug außbrüttet?
Sie hat deß Höchsten Vaters Sohn
Der Warheit widersprochen/
Die Warheit selbst hat ihren Hohn
Vnd frechen Trotz gebrochen.
2.
Viel falsche Zeugen fochten an
Die über-reine Lippen:
In den man kein falsch finden kan/
Doch wie die feste Klippen
Durch keiner Wellen Sturm zubricht:
Wie scharff die Winde rasen/
So wenig kan diß helle Licht
Ihr Lästermaul außblasen.
[122] 3.
Ihr' Zeugen sti it nicht überein/
Vnd macht sie selbst zu schanden
Auffs letzte bringt man zwey herein/
Die einig noch verhanden
Diß sprechen sie/ diß ist der Mann
Der neulich dorffte sagen/
Ich bin es/ der die Hände kan
An Gottes Tempel schlagen.
4.
In dehm so manche Faust gewerckt/
In vieler Jahr vmblauffen/
Den/ wil eh als ein Mensch vermerckt/
Ich werffen überhauffen.
Vnd wenn der dritte Sonnenschein/
Wird vmb die Erde gehen/
Sol von Grund auff durch mich allein/
Ein neuer Bau darstehen.
5.
Doch weil sie nicht mit einem Mund
Die Lügen können stärcken/
Vnd all' ihr klagen ohne Grund/
Vnd ihr Betrug zu mercken/
Steht Caiphas endlich auff vnd fragt:
Wilst du noch länger schweigen
Zu diesem was man auff dich sagt/
Was von dir all' anzeigen?
6.
Als Jesus noch kein Wort vorbringt/
Da lässt sich Caiphas hören:
Bey Gott/ der alles schafft vnd zwingt/
Den Erd vnd Himmel ehren/
Beschwer Ich dich/ red' auß vnd sag
(Damit wir's klar erkennen)
Ob du der Christus? Ob man mag
Deß Höchsten Kind dich nennen?
7.
Du sagst's/ spricht Jesus: Ja ich bin
[123]
Dehn Gott ins Fleisch gesendet:
Ich sag Euch diß noch: wenn Ich hin/
Vnd nun mein Werck vollendet/
Solt ihr an Gottes rechten Hand
Deß Menschen Sohn erblicken.
Der auff den Wolcken Land vnd Land
Sich wird zu richten schicken.
8.
Da sprang der Hoheprister auff/
Vnd riß sein Kleid in Stücken:
Vnd schry: Wil nun der Richter Hauff
Noch viel vmb Zeugen schicken?
Er lästert Gott/ ihr habt gehört
Was ietzt sein Mund verjähet/
Der den/ den Erd' vnd Himmel ehrt/
So grausam hat geschmähet.
9.
Was dünckt Euch? sol man diese That
Den Frevel mehr gestehen?
Nein warlich/ rufft der gantze Rath/
Daß Recht muß vor sich gehen.
Tragt mit der Pest nicht mehr geduld.
Vnd/ wie wir alle schlissen:
Er sterb'! Er sterbe! diese Schuld/
Ist nur durchs Creutz zu büssen.
10.
In dem trifft einer Petrum an/
Vnd spricht: Ich mag wol sagen/
Dir steck' im Hertzen dieser Mann/
Was wil man weiter fragen:
Du bist autz Galileer Land.
Bald kommen mehr gelauffen!
Vnd sprechen du bist Ihm verwand/
Vnd auß der Jünger Hauffen.
11.
Nein spricht Er: Ich weiß von Ihm nicht.
Wilst du diß noch verneinen/
Sagt Ihm ein ander ins Gesicht:
[124]
Was denckst du daß wir meinen?
Man kan dich Galileer recht
Auß deiner Sprach erkennen:
Wie? schreit deß Hohenpriesters Knecht:
Sol man dir Zeugen nennen?
12.
Hab Ich dich nicht in dieser Nacht/
Als Jesum wir gebunden/
(Bedencke nur was du gemacht.)
Im Garten selbst gefunden?
Da fangt Er an/ vnd rufft vnd schwer't/
Vnd wüntscht das alle Plagen/
Wo Er deß Menschen ie begehr't/
Auff seinen Kopff einschlagen.
13.
Als Er noch redet/ kreet der Hahn/
In dem sich Jesus wandte/
Er sahe Petrum hertzlich an:
Der seinen Fall erkandte
Mit Ach vnd Reu/ vnd Scham vnd Leid'/
Er eylet nach der Thüren/
Vnd weiß vor höchster Traurigkeit
Schier keinen Trost zu spüren.
14.
Itzt fällt ihm Christi Warnung ein;
Itzt sein so teur versprechen/
Sein Hertze wil vor Angst vnd Pein
In Tausend stücken brechen.
Die Augen rinnen nach vnd nach!
Die heissen Thränen flissen;
Die Thränen/ die gleich einer Bach
Von beyden Wangen schissen.

[125] 9.
Deß Herren Christi Verspeyung

Auff die Melodey: Jam mæsta quiesce querela.

1.
Erschreckliche Nacht! schwere Bande!
Durchteuffelter Haß! hohe Schande!
Ihr Felsen kracht vnd erschüttert!
Ihr Berge bebt vnd erzittert.
2.
Der alles erlöst lässt sich binden;
Der herrliche Glantz muß verschwinden.
Den Gott mit Ehre gekrönet/
Wird leicht vnd gifftig verhönet.
3.
Sein klares Gesicht wird bedecket:
Verspeit/ angeplärr't vnd beflecket.
Das Haar zuraufft vnd zurissen/
Die Wangen grimmig zuschmissen.
4.
Weissage Prophet! Laß dich hören!
Wer ists der dich sucht zu versehren!
So rufft/ der Ihn hat besetzet!
In dem Er schlägt vnd verletzet.
5.
Das Licht brach hervor/ als mit hauffen/
Der mächtige Rath kömmt gelauffen/
Vnd Klag vnd Schein sucht zu finden.
Auff den sein Tod sey zu gründen.
6.
Als Jesus itzt vor sie geführet:
Fragt man: bist du der/ dem gebühret/
Wie Schrifft vnd Väter versprechen
Israels Bande zu brechen?
7.
Er sprach: beantwort' Ich die Fragen/
Würd Ich dieser Band auch entschlagen?
Red' Ich: wer ist der mich höre?
Frag Ich wer ist der mich lehre?
[126] 8.
Doch glaubt: Von nun an wird geschehen/
Daß ihr in dem Thron werdet sehen
Deß Menschen Sohn alle Heyden
Zur Rechten Gottes entscheiden.
9.
Sie ruffen erhitzt: Nun erkläre
Ob du Gottes Sohn? Ich bewehre
Spricht Christus/ daß ihr genennet
Dehn/ vor dehn Gott mich erkennet.
10.
Der Hauffe begönnt; ist von nöthen/
Mehr Zeug' vnd Beweiß Ihn zu tödten?
Habt ihr nicht all' itzt vernommen:
Wie hoch sein Lästern ankommen?
11.
Drauff wird Er/ als vnwehrt zu leben;
Dem Weltlichen Recht übergeben!
Den Todt für Jud' vnd für Heyden/
Durch beyder Vrtheil zu leiden.

10.
Judæ Verzweiffelung

Auff die Melodie: O Welt ich muß dich lassen.

1.
O Gri i'ge Hertzenrisse!
O herbe Seelenbisse!
O allzuspäte Reu!
Was hilfft/ sich selbst anklagen!
Was hilfft/ vor allen sagen:
Von gar zu hart verletzter Treu?
2.
Nun der Verräther sihet/
Wie hoch man sich bemühet
Vmb Christi Todes Pein!
Wil Er in Tausend Nöthen
Vertäufft sich selbst ertödten/
Selbst Richter/ Zeug vnd Hencker seyn.
[127] 3.
Er bringt den Lohn voll Zagen
Den Priestern hergetragen/
Vnd rufft: Ich armer Mann!
Ich hab'/ ach Missethaten!
Vnschuldig Blut verrathen!
Wer ist der mir verzeihen kan?
4.
Die Hohenpriester sprechen/
Wehn kümmert dein Verbrechen/
Wehn geht der Vorruck an?
Du hast dein Geld bekommen:
Du hast es angenommen!
Verweiß es dir. Du bist der Mann.
5.
Er wirfft die Müntz auß Schmertzen/
Mit hartbeklämmten Hertzen/
Selbst in den Tempel hin;
Laufft zu verfluchten Stricken/
Vnd muß in Ach ersticken/
Das ist sein hochgeschätzt Gewin.
6.
Die Leiche muß zuspringen/
Sein Eingeweid' außdringen
Zum Scheusall aller Welt:
Wie wird man denn anlegen!
Wofür wird man außwägen
Diß durch den Mord befleckte Geldt?
7.
Die Priester selbst bekennen/
Man müß es Bluttgeld nennen/
Das/ wenn mans recht bedenckt/
Gar keinen Platz nicht habe/
Wo man zu Gottes Gabe
Ein nicht gezwungen Opffer schenckt.
8.
Doch als sie sich vergleichen:
Lässt man die Summe reichen
Vor eines Töpffers Grund/
[128]
Die Frembden zu begraben:
Gott wolt' es also haben/
Zu retten deß Propheten Mund.
9.
So schrecklich ist vergangen/
Der von dem Geitz gefangen/
Diß Blutt zu Marckte bracht!
In diese Wehmuth lauffen/
Die Christum noch verkauffen/
Wenn deß Gewissens Grimm erwacht.

11.
Christus wird vor Pilato vnd Herode verklaget

Auff die Melodie/ O Mensch bewein dein Sünde.

1.
Ob gleich der Lichte Tag anbricht:
Lässt man das Werck der Nacht doch nicht/
Man wil den Mord vollenden.
Man eylt Pilati Richtstul zu/
Kein Hertz ist mehr/ das etwas thu/
Den grimmen Schlag zu wenden.
Doch muß mit neuer Sanfftmutschein/
Die Grausamkeit bemäntelt seyn;
Man wil das Blut-Hauß meiden!
Man wil die Ostern rein begehn/
Vnd heisst doch für dem Richter stehn
Der ohne Schuld muß leiden.
2.
Pilatus fragt: was klagt ihr Mir?
Sie sprechen laut; wir hätten dir
Den Mann nicht vorgestellet;
Wenn über seine Mißethat/
Nicht der gesetzte Kirchen-Rath
Ein Vrtheil schon gefället.
Wol/ spricht Pilatus: ist es klar/
Daß man nichts weiter fragen thar?
So last Ihn selbst hinrichten.
[129]
Vollziht was eur Gesetz außweist:
(Wo ein Gesetz euch dieses heisst.)
Sie ruffen stracks; mit nichten!
3.
Das Bluttrecht ist vns hier nicht frey;
Doch daß du wissest/ wer Er sey/
So hör auff vnser Klagen:
Der ists/ der Volck auff Volck anhetzt/
Der sich dem Käyser widersetzt/
Vnd lehrt die Steur abschlagen.
Der Christum sich vnd König nennt/
Vnd wider Kirch vnd Regiment/
Ein grimmes Werck beginnet.
Der alle sucht zu machen frey/
Vnd durch verfälschte Ketzerey/
Das weite Land gewinnet.
4.
Drauff fragt Er Jesum gantz allein:
Solst du der Juden König seyn?
Woher mit dieser Frage?
Spricht Christus: hast du diß auß dir?
Sagt es einander wol von mir?
Du sihst wer dich verklage/
Sagt Pontius/ was geht mich an/
Was wol ein Jude glauben kan/
Dein Volck hat dich gefangen.
Hat dich die Schaar der Priester nicht
Geliefert selbst für mein Gericht?
Was hast du doch begangen?
5.
Mein Reich ist nicht von dieser Welt/
Spricht Christus: wenn es hier bestellt
Man würde vor mich kämpffen/
Vnd suchen mit entblöstem Schwerdt/
Ja angesteckter Kirch vnd Heerd/
Der Juden Trotz zu dämpffen.
Pilatus spricht: so wilst du doch
Ein König seyn? Ich bin es noch/
Sagt Jesus: vnd ankommen/
Ja bin geboren in die Welt/
Daß Ich der Warheit Reich anstellt.
[130]
Mich hört/ wer sie vernommen.
6.
Was Warheit? Fing Pilatus an.
Vnd zu den Juden: glaubt ich kan
Hier keine Schuld ergründen!
Sie klagten mehr: Doch Ihr Gedicht
War auch der Antwort würdig nicht/
Drumb ließ es Jesus schwinden!
Sie schryen: Er hat das Land bewegt/
Vnd Galileam gantz erregt.
Da diß Pilatus höret/
Sprach Er: Verschont/ daß Ich nichts thu?
Die Sache kömpt Herodi zu/
Den Galilea ehret.
7.
Drauff ward Er vor Herodem bracht/
Der zu dem Fest sich auff gemacht/
Wie ehermal geschehen:
Er hatte Jesum offt begehrt/
Vnd hoffte/ nun Er Ihm gewehrt/
Ein Zeichen anzusehen.
Drumb fragt Er mancherley vnd viel/
Doch weil Er nichts antworten wil/
Gesetzt auch was man sage:
Hat Ihn Herodes nur veracht;
In weisser Kleidung außgelacht/
Mit sambt der Juden Klage.
8.
So wird das Werck nach Art der Welt/
Pilato wider heimgestellt/
Vnd doch der Haß geleget/
Der zwischen beyden vor entbrandt/
Vmb das deß Richters schnelle Hand
Herodiß recht beweget.
Man klagt dich allenthalben an!
Vnd keiner ist/ der richten kan/
Dich Richter aller Heyden.
Doch weil mich meine Sünd anklagt/
[131]
Hast du dich/ Herr/ vor mich gewagt/
Die Klag vnd Schmach zu leiden.

12.
Barrabas wird vor Jesu frey gelassen

Auff die Melodie: Vexilla Regis,

1.
O Blindes Volck; verkehrte Welt!
Der nur was schädlich wol gefällt!
Sie lässt das Leben! wählt den Tod!
Erlöst den Mörder! Creutzig't Gott!
2.
Pilatus zwar/ spricht mit bedacht:
Ihr habt den Menschen zu mir bracht/
Als einen der das Volck abwandt/
Sein Vnschuld aber ist erkandt.
3.
Ich/ ja Herodes! findet nicht
Worüber Recht ein Vrtheil spricht:
Wird Er gezüchtig't gleich zum schein/
So muß Er endlich frey doch seyn.
4.
Noch mehr! Das Osterfest bricht an:
An welchem man erretten kan
Nach altem Brauch/ ein schuldig Haupt/
Dem sonst kein Richter Gnad' erlaubt.
5.
Ihr selbst begehrt's/ vor dieses mal/
Stell ich die Sach' in eure Wahl.
Wolt ihr Barrabam machen loß/
Der nechst im Auffruhr Blut vergoß?
6.
Wo nicht? so schlag ich Jesum vor/
Auff welchen sich der Neyd verschwor/
Vmb daß Ihn der gemeine Tand
Auß Wahn/ der Juden König nannt.
7.
Weil er die Meynung noch vorbracht/
Entbot seyn Eh'weib ihm; Gib acht:
Vnd habe (wo wir wollen ruhn)
Mit dem Gerechten nichts zu thun!
[132] 8.
Ich habe nechst erblaste Nacht
Voll zittern schichternd durchgebracht/
Weil seiner wegen Ich erschreckt.
Auß vngeheurem Traum erweckt.
9.
Vmbsonst! Weil ihm das Volck zusetzt;
Durch die geweyhte Schaar verhetzt:
Drumb als er fragt/ schreyt klein vnd groß:
Nicht Jesum/ gibt Barrabam loß.
10.
Wie wird es denn vmb Jesum stehn?
Spricht er. Sie ruffen: Heis ihn gehn
Zum Tod vnd Creutz. Wie? fing er an;
Sagt denn/ warumb Er sterben kan.
11.
Sein Vnschuld bricht ja klar ans Licht/
Vnd stralt vor Kläger vnd Gericht!
Sie aber schreyn: Nur Creutz vnd Pein/
Nur Creutz vnd Tod sol vor Ihn seyn.
12.
Verblendet Volck! verkehrte Wahl!
Verlachte Freud! gewüntschte Qval!
Es hengt vns noch von Adam an/
Daß man so übel kiesen kan.

13.
Christi Geisselung vnd Krönung

Auff die Melodie: Christus der vns Selig.

1.
Ob wol keiner Missethat
Christus überwiesen.
Ja der Richter vor dem Rath
Sein Vnschuld gepriesen:
Wil dennoch durch seine Pein
Er das Volck erweichen/
Vnd vom Haupt biß auff die Bein
Ihn mit Geisseln streichen.
[133] 2.
Schaut die Kriegsschaar eylt vnd reisst
Christum zu entblössen
Seinen Rock ab/ vnd zerschmeist
Mit viel Schläg vnd Stössen/
Die von Striemen/ Beul vnd Blutt
Vberdeckten Glieder:
Daß die purpurrote Flutt
Reichlich träufft hernieder.
3.
Man gibt Ihm zu lauter Hohn
Purpur vmb die Seyten/
Vnd lässt eine Marter-Cron
Von Dornen bereiten:
Die wird vmb sein Haupt gedrückt/
Für deß Zepters Zeichen
Lässt man dem/ der alles schmückt/
Einen Rohrstab reichen.
4.
Man fällt hönisch auff die Kny/
Speyt in sein Gesichte/
Man rufft: Juden-König/ wie
Glückt dir dein Gerichte?
Man schlägt auff ihn mit dem Rohr/
Räufft Ihn bey den Haaren:
Daß in Haupt/ vnd Stirn/ vnd Ohr
Scharffe Dornen fahren.
5.
So stellt Ihn Pilatus für/
Vnd spricht: Seht vnd wisset/
Daß ihr/ (wil man mehr von mir?)
Vnrecht Blutt vergiesset.
Schaut Kron/ Schläg' vnd Purpur an/
Solt' Er ferner leyden!
Welch ein Mensch! drauff schreyt/ wer kan/
Heiß zum Tod' ihn scheiden.
6.
Ihr dann (fängt der Richter an)
Creutzigt vnd lasst tödten:
[134]
Weil Ich gar nichts finden kan/
Drob Er mög' erröten.
Daß Gesetz/ rufft man Ihm zu:
Hat dem zuerkennet
Creutz vnd Todt/ der voll Vnruh
Gottes Sohn sich nennet.
7.
Diß erschreckt Pilatum hoch/
Der im Richthaus fraget!
Wer/ vnd woher bist du doch?
Vnd (weil Er nichts saget.)
Bin Ich keiner Antwort wert/
Ist es dir verholen/
Das Creutz/ Freyheit oder Schwerd/
Geh wie ich befohlen?
8.
Nein/ sagt Jesus: über mich/
Hast du nichts zu sprechen/
Wenn das Recht von oben dich
Nicht den Stab lässt brechen.
Doch der mich zu dir gebracht
Steckt in tieffern Sünden.
Drauff sucht er durch Glimpff vnd Macht
Jesum zu entbinden.
9.
Biß der Juden tolle Schaar
Schry: Was wilst du machen!
Richter nim dein selber war/
Denck auff deine Sachen!
Gilt deß Käysers Feind für dir?
Wilst du den nicht hassen/
Der sich bey vns für vnd für
König nennen lassen?
10.
Fürst/ den dein Erb-vnterthan
Vor die Mörder giebet/
Der du auff so rauer Bahn
[135]
Suchst was du geliebet/
Sey mein König vnd erquick
Durch die Schläg vnd Streiche/
Vnd gekrönnten Jammer-blick/
Mich halb todte Leiche!

14.
Deß Herren Jesu Verdammung

Auff die Melodie: Ade verfluchtes Thränenthal/oder: Ach lieben Christen trauret nicht.

1.
So kan bey dir deß Käysers Huld/
Mehr als ein rein Gewissen/
So muß Pilate deine Schuld
Deß Höchsten Vnschuld büssen?
So eylest du dem Richtstul zu?
So suchest du der Völcker Ruh/
Im heilgem Blutvergiessen?
2.
Ob schon die zweymal dritte Stund/
Den Oster-Rüstag theilet:
Hat doch der Völcker grimmer Bund/
Sich auff dem Platz verweilet/
Den spricht der Zage Richter an/
Schau't euren König/ schaut den Mann
Dem nur Verbrechen feilet.
3.
Weg mit Ihm! weg rufft die Gemein!
Weg/ laß am Creutz Ihn sterben!
Sol/ spricht Er: durch der Knechte Pein
Der Juden Fürst verderben?
Fort! schrien die Priester: dieses Land
Hat alle König' außgebannt
Vor seines Keysers Erben;
4.
Weil dann der grimme Blut-Tumult/
Durch keinen Glimpff zu stillen.
Verdammt Er den/ der ohne Schuld
[136]
Der tollen Schaar zu willen;
Der Er/ weil kein Vermahnen gilt/
Wil durch ein vorgesteltes Bild/
Die wüttend Augen füllen.
5.
Er wäscht die beyden Hände rein/
Vnd spricht: sols ja geschehen!
So wil Ich vnbeflecket seyn/
Ihr Kläger mögt zu sehen:
Es klebe deß Gerechten Blutt
Nicht mir an: Ihr denckt was ihr thut:
Ihr seyd hierumb zu schmehen.
6.
Sie ruffen laut/ es mag sein Blutt
Auff vnser Köpffe flissen!
Wir wollen (wo man vnrecht thut)
Mit vnsern Kindern büssen.
Da ward Barrabas frey gemacht/
Vnd Gottes Sohn verspeit/ verlacht/
Hin zu der Qval gerissen.
7.
Herr/ den diß vnrecht Vrtheil heist
Vor mein verbrechen leiden!
Bedencke wenn du meinen Geist
Auffs neu mit Fleisch wirst kleiden/
Daß du vor mich schon seyst gericht/
Daß Ich von deinem Angesicht
Mög vnverurtheilt' scheiden.

15.
Christi Gang zum Tode

Auff die Melodie: deß 42. Psalms.

1.
Der den Bau der Himmel träget/
Vnd der Erden Grund erhält:
[137]
Wird mit einer Last beleget/
Da Er vnter sinckt vnd fällt.
Der verfluchte Baum der Pein/
Muß deß Herren Bürde seyn/
Eh Er vor die Schuld der Erden
Kan am Baum geopffert werden.
2.
Zwey/ die Mord vnd Blut-vergiessen/
Aller Welt zum Greuel macht/
Werden mit Ihm hingerissen/
Den man gleich den Mördern acht?
Der die Missethat außsönt.
Dehn die Vnschuld selber krönt/
Muß verflucht am Holtz sein Leben
Mit verfluchten vor vns geben.
3.
Als Ihm Geist vnd Kräfft entgingen/
Als Er beb't vnd niederfiel;
Muß man den Cyrener zwingen/
(Weil Er sichs enteusern wil)
Daß Er Arm vnd Hand anlegt/
Vnd das schwere Creutze trägt.
Man siht vmb Ihn Tausend Hauffen
Nach dem Schedelberg zu lauffen.
4.
Sehr viel Frauen hört man klagen/
Die beweint den grausen Tod.
Die/ die Jammerreichen Plagen/
Die/ der langen Schmertzen Noth.
Die/ der treuen Freundschafft Band/
Biß Er sich zu ihnen wandt/
Da begund ihr Hertz zu brechen/
Als sie Ihn diß hörten sprechen:
5.
Kinder Sions! liebe Frauen!
Töchter Salems weint doch nicht!
Daß Ich ietzt den Tod muß schauen/
Daß man mir diß Vrtheil spricht.
Weint! ach weint! wo ihr versteht/
[138]
Was Euch vnd eur Blutt angeht!
Schlagt die Brüste! wind't die Hände
Vber euer Frucht Elende!
6.
Weil die grimme Zeit erscheinet/
Darinn ieder selig schätzt:
(Weint! ach weint! Ihr Mütter weinet)
Die nicht eine Frucht ergetzt.
Man wird ruffen hier vnd dar/
Selig ist/ die nie gebahr!
Der kein Kind ie ward gewehret;
Die nichts an der Brust ernehret.
7.
Berge (wird man alsdann sagen)
Schüttert Euch auff vns entzwey!
Hügel deckt vns vor den Plagen!
Macht vns vor dem Jammer frey!
Denn/ wenn diß der Baum empfand/
Den man immer grüne fandt:
Denckt/ was man dem werd erzeigen/
Der verdort in Sta i vnd Zweigen!

16.
Deß Herren Jesu Creutzigung

Auff die Melodie: Kommt her zu mir.

1.
Ko it her ihr Seelen/ die die Noth/
Die Angst/ Gesetz/ vnd Hell vnd Tod
Vnd Gottes Grimm beschweret!
Hier wird der Erden Lösegeld/
Das Opffer vor die Schuld der Welt/
Auffs Creutz-Altar gewehret.
2.
Der grause Schauplatz herber Pein/
Wird künfftig mehr denn fruchtbar seyn/
[139]
Nun Ihn das Blutt gedinget:
Das Blutt/ das Trost vnd Seligkeit/
Vnd Leben/ Gnad vnd Lust in Leid
Vnd Freud vnd Friede bringet.
3.
Hier reicht man bittre Gallen dar/
Vnd Wein der scharff von Myrrhen war/
Den Heyland mehr zu plagen/
Der sich den süssen Weinstock nennt;
Doch als Er diesen Tranck erkennt/
Hat Er Ihn abgeschlagen.
4.
Der alle kleidet/ wird entdeckt/
Vnd auff das Holtz deß Fluchs gestreckt
Entgliedert vnd gedehnet:
Man nagelt an die milden Händ/
Die ieder Hülffreich hat erkennt/
Der sich nach Heyl gesehnet.
5.
Der Fuß der auff der Sünder Pfad
Vnd Irrweg nie gewandelt hat/
Wird nun mit Stahl durchgraben.
Der Mittler zwischen vns vnd Gott/
Wird zwischen Erd vnd Wolck' in spot
Vnd Hohn vnd Pein erhaben.
6.
Der gantze Leib ist eine Wund/
Vom Haupt zu Fuß ist nichts gesund/
Die Kräffte sind entwichen/
Das Blutt springt auß den Adern für/
Der kalte Todtschweiß find sich hier/
Die Lefftzen sind erblichen.
7.
Man hängt auff die vnd jene Seit/
Zwey Mörder die all ihre Zeit
Mit Raub vnd Blutt verzehret;
So wird der kein Gesetz verletzt/
Den Vbelthätern gleich geschätzt/
So wird das Recht verkehret.
[140] 8.
Die Kleider sind der Hencker Beut/
Doch wollen die verruchten Leut/
Nicht seinen Rock zu trennen.
Den doch in dieser letzten Zeit
Zureissen/ blind von Grimm vnd Neid/
Die/ die sich Christen nennen.
9.
Der Jude/ Grich vnd Römer geht/
Vnd list/ was in dem Tittel steht/
Der auff das Creutz geschlagen:
Das diß der Nazarener sey/
Vnd Juden König/ hört man frey/
In dreyen Sprachen sagen.
10.
Der Titul muß wie hoch vnd viel/
Der Priesterschaar es eyfern wil/
Gantz vnverändert bleiben.
Es ist geschrieben was Ich schrieb/
Spricht Pontius/ euch sey gleich lieb/
Ja oder Leid mein Schreiben:
11.
Er wird von dem der bey Ihm wacht/
In seiner herben Pein verlacht/
Vnd trägt der Mörder schelten.
Der Priester grimme Haupter schmehn
Der Juden Hochmuth lässt sich sehn/
Hier muß ihr Lästern gelten.
12.
Auch speit ein toller Wandersman
Deß Herren grimme Schmertzen an/
Man hört von allen Enden:
Du Tempelbrecher kom herab/
Vnd rette dich von Creutz vnd Grab/
Du hast dein Heyl in Händen.
13.
Wie daß man dehn so hangen schau't/
Der Tempel in drey Tagen bau't!
Kind Gottes komm hernieder!
Wie kömt's daß der/ der Jederman
Geholffen/ sich nicht retten kan?
[141]
Bist du dir selbst zu wider!
14.
Bist du der Israel regiert?
Wie daß man dich ohn Kräffte spürt/
Entgeh den Creutzes Schmertzen!
Wo du diß kanst/ so glauben dir/
Daß du Meßias/ dort vnd hier
Die überzeugten Hertzen.
15.
Diß trägt der Heilge mit Gedult?
Der Herr für seiner Feinde Schuld/
Der König für die Knechte
Der Reine/ für die/ so verflucht:
Der Hirt für Schaffe/ die Er sucht/
Für Sünder der Gerechte.

17.
Deß Herren Jesu letzte Wort

In der Melodie: O Mensch schau Jesum Christum an!

1.
Das ew'ge Wort! deß höchsten Kind/
Dein Trost/ dein Heil vnd Ruh.
Das Opffer Mensch vor deine Sünd
Spricht dir vom Creutze zu:
Ach! gib acht/ an diesem Ort
Auff's Mittlers letzte Wort.
2.
Er hängt am Holtz vol Pein vnd Spot
Mit Schmach vnd Blutt bedeckt/
Er ringt mit Gottes Zorn vnd Tod/
Doch wird sein Geist erweckt/
Daß/ wie hoch der Schmertz Ihn kränckt
Er dich/ nicht sich bedenckt.
3.
Verzeih (spricht Er) der blinden Schaar/
Mein Vater! Ach verzeih!
Sie fühle keine Zorn-Gefahr:
Sprich sie der Straffe frey!
Heische nicht von Ihr mein Blutt/
Sie weiß nicht was sie thut.
[142] 4.
Der Mörder rufft: Herr denck an mich:
Wenn du dein Reich erlangst!
In Warheit/ Ich versich're dich/
Spricht Er : daß du auß Angst
Heut ins Paradiß versetzt/
Mit mir solst sein ergetzt.
5.
Als Er des liebsten Jüngers Leid/
Der Mutter Schmertz erblickt:
Hat Er mit Trost vnd Rathe beyd
Wie vor mit Hülff erquickt:
Weib! diß ist dein Sohn/ thu nun/
Du/ was ein Sohn kan thun.
6.
Vmbringt mit Ach! mit Hohn vnd Weh:
Schreyt Er zu Gott für sich!
Gott/ mein Gott/ mein Gott ie vnd eh/
Ach warumb hast du Mich!
Warumb hast du Mich allein
Verlassen in der Pein?
7.
Verbluttet/ matt/ ohn Stärck vnd Krafft
Vons Himmels Zorn durchbrennt/
Gleich einer Scherben sonder Safft
Vnd näher seinem End/
Hört wie Er: Mich dürstet/ klag'
Vnd nach Erquickung frag'.
8.
Als man mit Myhrren-Eßig Ihn
In höchster Wehmut tränckt/
Mit dem Elias fort heisst zihn/
Vnd mit viel höhnen kränckt/
Gibt Er allen gutte Nacht/
Vnd spricht: Es ist vollbracht.
9.
Rufft auch bald laut: In deine Händ
Befehl Ich meinen Geist!
O Vater: Vnd eylt selbst zum End/
Eh' Schmertz vnd Tod es heisst/
Er neigt sein Haupt/ dem der Tod
Vnd Leben zu gebott.
[143] 10.
Herr der du für mein Leben stirb'st/
Vnd durch deß Creutzes Pein/
Mir deines Vatern Reich erwirbst/
Sprich mir die Trost-Wort ein:
Wenn der Tod nun auff mich harrt/
Vnd Aug vnd Zunge starrt.

18.
Die Wunder bey dem Tode Christi

O Gott du grosser Gott:

1.
Reiß Erder: Himmel brich: ihr Friedens-Engel klaget
Der Fürst der Welt vergeht! saust Lüffte/ Menschen zaget!
Der alles trägt verfällt/ die Ehre wird veracht!
Der alle deckt ist nackt/ der Tröster ist verschmacht.
2.
Der Höchste steht am Holtz genagelt an die Aeste.
Die Hände sind durchbohrt/ durch die die Wolcken feste
In ihren Standt gesetzt/ der Leib ist eine Wund.
Von Fuß auff/ Scheitel ab/ ist nichts an Ihm gesund.
3.
Das Licht der Welt erblasst/ gleich als der Tag sich theilet/
Die Sonne wird mit Nacht im Mittag übereilet/
Vnd lescht die Flammen auß/ das grosse Land erschrickt/
In dem es kaum sich selbst in Finsternüß erblickt.
4.
Doch geht dem Mörder auff ein neues Licht im Hertzen/
Der Gottes Kind geschmäht/ rufft itzt in heissen Schmertzen
Den grossen König an/ vnd wil (trotz Creutz vnd Pein!)
Nicht Mörder! sondern mehr ein Lebens Lehrer seyn.
5.
Der Mittler eylt zum End' Er wil den Todt vmbfangen/
Vnd rufft Ihm überlaut/ ob gleich die Krafft entgangen/
Ob sein zufleischter Leib hier gantz verbluttet steht/
Hat Er die süsse Stimm doch sterbend auch erhöht.
6.
Der Vorhang/ der das stifft des innern Tempels decket/
Reist oben ab entzwey: was vor vns ward verstecket;
Steht offen! last vns gehn! diß Wunder zeigt vns frey/
Das nichts mehr heiligs im entweyten Tempel sey.
[144] 7.
Der Erden Grund erkracht/ die trotze Felsen springen/
Die Klippen spalten auff/ die schnellen Ritze dringen
Schir biß in Mittelpunct/ die Länder fallen ein/
Vnd wollen Zeugen nur deß grossen Mordes seyn.
8.
Der Tod verleurt sein Recht. Der Grüffte Marmor zittern/
Die Gräber brechen auff/ der Heilgen Leiber schüttern/
Vnd schaun mit ihrem Geist vermählt das Opffer an/
Das Gottes heissen Grimm der Rach' außleschen kan.
9.
Volck/ Hauptmann/ vnd Soldat bewegt durch solche Zeichen/
Bedenckt die grimme That/ die Hertzen selbst erweichen/
Ach warlich! rufft man ietzt/ der war ein frommer Mann/
Vnd Gottes Sohn/ an dem das Recht nichts tadeln kan.
10.
Man bricht weil schon der Tag sich gegen Abend neiget/
Der Mörder Bein entzwey/ ein neues Wunder zeiget
Den Grund der Prophezey! Ihm den der Tod entsetzt/
Wird von der grimmen Faust nicht einig Bein verletzt.
11.
Doch durch die blasse Seit wird Ihm ein Speer gedrungen/
Auß welcher bald für vns ein Gnaden-Brunn entsprungen/
Ein Blutt vnd Wasserstromm/ der vnser Sünd abwäscht/
Vnd die entbranndte Glut der schwartzen Hell' außlescht.
12.
Vnd zweifelt noch ein Mensch/ daß der Versprochne kommen!
Daß Er der Menschen Schuld auff seinen Halß genommen!
Wenn Himmel/ Lufft vnd Sonn/ vnd Erd vnd Grab bewehrt/
Das durch Ihn Grab vnd Tod vnd Helle sey verhert.

19.
Deß Herren Begräbnüß

In der Melodie: Geliebten Freund.

1.
Als der betrübte Tag zu Ende kommen/
In dem das Licht der Welt von vns genommen/
Bekümmert sich ein Frommer auß den Reichen
Vmb Jesus Leichen.
[145] 2.
Der gutte Rath dem nie der Rath beliebet/
Krafft dessen man diß Frevelstück verübet/
Lässt Scham vnd Furcht/ vnd wil ohn ferner zagen
Den Anschlag wagen.
3.
Er bittet daß Pilatus Ihm vergönne/
Daß man den Leib vom Creutz abnehmen könne/
Der gantz bestürtzt/ durch sein Geschwind erblassen
sich lencken lassen.
4.
Weil Joseph nun nach Leichen-Tüchern sihet/
Hat sich der Mann vmb Specerey bemühet/
Der vorhin bey geheimer Nächte Stunden
Jesum gefunden.
5.
Nun bringt Er Myhrr' vnd Aloe zu salben/
Bey hundert Pfund getreuer Freundschafft halben/
Sie wollen beyd' auß Gunst nach allen Stücken/
den Leib beschicken.
6.
Der legt beträhnt die halb' erstarten Glieder/
Die Jener salbt/ auff reine Leinwand nieder
Der hilfft in Myhrr' vnd vnbefleckte Binden
Den Cörper winden.
7.
Nah an dem Ort/ an welchem sich das Leben/
Für vnser Heyl ins Creutzes Tod gegeben/
War Josephs Grab/ das im begrünnten Garten
solt auff Ihn warten.
8.
Ein neues Grab sehr köstlich anzuschauen/
In einen Fels durch harten Stahl gehauen/
Daß keine Leich vorhin hat angestecket/
kein Stanck beflecket.
9.
In dieses wird der Erden Fürst getragen/
Weil Fest' vnd Nacht bequemer Ruh' abschlagen/
Sie lassen sich auch keine Müh verdrüssen/
die Grufft zu schlissen.
10.
In dem der Stein wird vor das Grab geweltzet/
Steht Magdalen/ die fast in Thränen schmeltzet/
Die Jungfrau selbst/ die Jesum hat verlohren
den Sie geboren.
[146] 11.
Die Frauen stehn/ die Ihn bißher begleitet/
Vnd sehn wie sein Ruhbette wird bereitet/
Biß sie die Sabbats-Nacht die einher dringet
Nach Hause zwinget.
12.
Der Priester Haß kan doch nicht ende machen/
Man schickt nach Volck/ man lässt das Grab bewachen:
Vnd muß (ob Schwerdter schon den Platz verriegeln.)
den Stein besiegeln.
13.
Der du zu Ruh dich nach der Angst begeben/
Laß meine Seel/ durch dich in Ruhe schweben/
Wann man diß Fleisch nach überstandnen Plagen
Ins Grab wird tragen!
[147]

Notizen
Entstanden um 1638. Erstdruck o.O. [1652]. Hier nach dem Druck in: »Deutsche Gedichte«, Breslau (Johann Lischke) 1657.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Gryphius, Andreas. Oden. Das vierte Buch oder Tränen über das Leiden Jesu Christi 1657. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-18C4-A