Liebe zwischen Siegreich und Rosemunden

Die Art der meisten von meinen bißher aufgesetzten Briefen und Geschichten ist verhoffentlich so klar und offenbahr, daß niemand einer Verstelligung mit recht mich beschuldigen wissen wird. Nunmehro aber muß ich aufs neu wieder meinen Willen hinter den Fürhang, und werde gleichsam gezwungen, mich der Maßque auf kurtze Zeit zu gebrauchen; Wann alle Welt so urtheilen wolte, wie sie billich solte, und man nicht bißweilen Gemüther antreffe, so auch aus den besten Bluhmen Gifft zusaugen sich bemüheten, würde ich niemahls von meinem ersten Wege abzuweichen mich unterfangen haben. Es seyn aber die Laster der Welt bekannt, und dieses eben nötigt mich etwas verdeckter zu spielen. Aber zum Zweck! Siegreich, einer der fürtrefflichsten Helden, unsers deutschen Landes, dessen Leben ein rechtes Ebenbild Menschlicher Vollkommenheit gewesen, befand sich einmahl in einer fürnehmen Stadt, derer Nahmen allhier aufzusetzen unnötig ist. Etzliche schwere Händel verunruhigten selbes mahl sein Gemüthe, und die Räthe waren höchstbemühet, ihn so viel möglich davon abzulencken. Durch sonderbahre Schickung füget es sich, daß hochgedachter Heldt ohngefehr eine Schönheit erblickte, die theils wegen ihrer sonderbahren Gestalt, theils wegen ihrer lieblichen Stimme, welche sie doch mehr zu ihrem eigenen Zeitvertreib als anderer Uppigkeit gebrauchte, ein Wunderwerck genennet zuwerden würdig war. Eine gewisse Regung nötigte diesen grossen Herren Gelegenheit zu suchen, derselben Stimme zuhören, derer Augen ihm so lieblich zuseyn geschienen; Und diese junge Heldin, so wir Rosemunden nennen wollen, wird durch ein Schreiben, so bald folgen soll, nach Hofe gefodert, Sie stellet sich nach vorhergegangener schrifftlicher Beantwortung dienstschuldigst ein. Siegreich siehet, höret, verliebet sich, und weil die Stege der Liebe schlüpffrig seyn, gleitet er nicht allein in fleischliche Gedancken, sondern auch dergleichen Wercke, darauß nachmahls ein berühmter Held, durch dessen Hand sich das Meer mit Türcken Bluth gefärbet, [54] und für dem die Mohren sich bücken müssen, entsprungen ist. Erkennet nun iemand durch diese dicke Maßqve, was ich verbergen wollen, der entschuldige meine Kühnheit, und ich hoffe, es wird mir eine Sache tunckel zumelden nicht verarget werden, die albereit in offene Geschichtbücher kommen, und auch darinnen geduldet worden ist. Der Mensch ist nur wie der weisse Atlas, es muß wunderlich zugehen, daß man nicht einen Flecken darinnen sehen solte: Wiewohl gedachten hohen Heldens Abtritt so bewand ist, daß er seinen hohen Tugenden, und reinem Leben keine Vertunckelung wird bringen können.

Siegerich an Rosemunden

Dir wünschet Siegerich mehr freudenreiche Stunden,
Als Rosen, Jungfrau, dir auf deinen Wangen stehn,
Als Lilgen die Natur um deinen Hals gewunden,
Und Zucker Silben stets aus deinem Munde gehn.
Könt ich was ich gewünscht, dir auch zugleiche geben,
So öffnet ich itzund dir völlig meine Handt,
Der Himmel lasse doch umb deine Scheitel schweben,
Was keine Schönheit nicht bey einem Helden fandt.
Nicht wunder dich darob, was ich itzund geschrieben,
Betrachte dich nur recht, kenst du dich selber nicht?
Der Spiegel will, du solst dich in dich selbst verlieben,
Und dein Gesichte lehnt den Sternen Krafft und Licht;
Es hat das lange Jahr vier Zeiten, du nur eine;
Es blüht der Frühling stets um deinen frischen Mund,
Kein Winter ist bey dir, für deiner Augen Scheine
Ist fast der Sonne selbst zuscheinen nicht vergunt.
Die Tugend trägest du in purpurreichen Schalen,
Geziehret wie es scheint, durch weisses Helffenbein,
Dein Mündlein ist ein Orth von tausend Nachtigalen,
Wo Engels Zungen selbst Gehülffen wollen seyn.
Diß, was der kleine Brief itzund an dir gepriesen,
Diß hat dein Siegerich von weitem nur erblickt,
Durch Wolcken hat sich itzt die Sonne mir gewiesen,
Wie daß mir nicht ihr Glantz frey in die Augen rückt?
Ich habe mehr von dir, als du vermeinst, gehöret,
Du kennest nicht den Ruhm, den dir die Warheit giebt,
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Und meine hohe Gunst wird gegen dich vermehret,
Weil deiner Jugend nicht der Jugend Lust beliebt.
Ich weiß von guter Handt wie du dich hast bemühet,
Auf einen reinen Grund zubauen deinen Ruhm,
Auf derer keuschen Brust die Tugend Rose blühet,
Die hat bey Dürfftigkeit ein reiches Eigenthum.
Mein Aug' und Ohre wünscht, O züchtige Sirene,
Zuhören und zusehn, was deine Jugend ziehrt,
Mich deucht, wie albereit dein liebliches Gethöne,
Der Ohren Wachs zerschmeltzt, und nur uns selbst entführt.
Mich deucht, ich schaue schon wie deiner Augen Blicke
Bald freudig, bald bestürtzt, bald lieblich, bald betrübt
Begleiten deinen Thon, und deine Wunderstücke,
Daß sich der Himmel selbst in deine Kunst verliebt.
Du darffst dich, Schönste, nicht vor meinem Scepter scheuen,
Er richt die Demuth auf, und reist nur Hoffarth ein,
Ein Tritt in meinem Hof, der kan dich nicht gereuen,
Du wirst ein lieber Gast für meinen Augen seyn.
Denn meine Faust weiß mehr als Schwerd und Helm zutragen,
Sie liebt zwar Knall und Blitz, und scheut nicht Sturm und Streit,
Doch glaub? ich will dir nichts von Krieg und Feuer sagen,
Laß nur die Funcken aus von deiner Liebligkeit.
Ich will den schönen Blitz und keine Feuerballen,
Ich will kein Feld Geschrey, ich will ein Lied von dir,
Du darfst mir nicht bestürtzt zu meinen Füssen fallen,
Du findest nichts als Freund, ja mehr als Freund an mir.
Laß nichtigen Verdacht nicht deinen Sinn bethören,
Ein ungefälschtes Wort bereitet dir die Bahn,
Und dencke, will dein Haupt ein starcker Adler ehren,
Daß dir gewiß forthin kein Habicht schaden kan.
Der Stand worin ich bin, muß nicht Erklärung leiden,
Ich will, das ist genug; Dein Antwort sey: Ich soll;
Ich setze nichts dazu, du wirst dich selbst bescheiden,
So bleibest du Gelück und ich Genaden voll.
Der dir mein Schreiben gibt, der soll dich sicher leiten,
Was er dir weiter sagt, das nim genau in acht,
Er wird dir eine Bahn von Wolle zubereiten,
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Zu der man nicht zuvor den Schlag hat aufgemacht.
Entschließ dich Jungfrau nun und mache mir zuwissen,
Wenn du ein schönes Lied vor mich bestimmet hast,
Wenn deine Liebligkeit soll in mein Ohre flüssen,
So mich entbinden soll der schweren Sorgen Last.
Schreib nur ein süsses Wort und laß mein Auge schauen,
Ob deine Feder auch den Lippen ähnlich sey,
Schreib itzt ohn alle Scheu, du kanst mir sicher trauen,
Mein Nahmen machet dich von allen Sorgen frey.
Der Kummer muß itzund aus deinem Herzen weichen,
Du hast ein schönes Pfand mein hohes Wort von mir,
Das Glücke muß nunmehr vor dir sein Seegel streichen,
Und was ein grössers ist, auch anckern neben dir.
Ich fasse was du schreibst mit hochgeneigten Händen,
Und deinem Briefe will ich selbst entgegen gehn,
Ich weiß du wirst mir nichts als Zucker übersenden,
Der wohl mit Würden kan auf meiner Tafel stehn.
Mich deucht ich schmecke schon die süsse Götter Speise,
Die Gott den Menschen auch vor Menschen machen heist,
Und spühre durch den Brief der Lieder süsse Weise,
Die dein berühmter Mund zusingen sich befleißt.
Doch schreib mir nicht allein, denn Schreiben seyn nur Schreiben,
Und wer alleine schreibt, der thut nicht allzuviel,
So du bey mir begehrst in guter Gunst zu bleiben,
So kom wie ich gesagt, und singe wie ich will.
Ich weiß die Höfligkeit, so mit dir ist gebohren,
Verbietet dir itzund zu brauchen Nicht und Nein,
Denn was mein Sinn ihm hat zu seiner Gunst erkohren,
Das muß bey stetem Ja ihm auch gehorsam seyn.
Kom Schönste, glaube mir, mein Thor das steht dir offen,
Und wilst du mehr als diß, mein Hertze selbst dazu,
Diß was du nur ersinnst, das hastu auch zuhoffen,
(Schreib, eil' und singe mir, Ach was verweilest du?)
Die Flügel meiner Gunst die sollen dich bedecken,
Was hier nicht sicher ist kan nirgend sicher stehn;
Wo eine Crone liebt, da werden keine Flecken,
Und weren Flecken da, so müsten sie vergehn.

[57] Rosemunde an Siegreichen

Mein Held sey itzt ümkräntzt von tausend Lorberzweigen,
Es stellen Ost und West sich zinsbar bey dir ein,
Es müsse sich die Welt vor deinem Throne neigen,
Und aller Völcker Gold dir Cron und Scepter seyn.
Wünscht deiner Mägde Magd die nichts hat zugewehren,
Und auch nichts würdig ist: Was aber will ein Brieff,
Von ungemeiner Hand und eyfrigen Begehren,
Der heut' üm sieben Uhr in meine Hände lieff?
Mich daucht' ich säße schon umbzirckt von Nacht und Schatten,
Es blickte mich kein Stern mit seinen Zwinckern an,
So darf ich, wie es scheint, fast in ein Licht gerathen,
Dem auch die Sonne selbst sich nicht vergleichen kan.
Ich hofft' ich lege nu in meiner Ruh vergraben,
Es kennte mich vielleicht der nechste Nachtbar nicht,
So soll ich nunmehr selbst in mir Verräther haben,
Und zeucht ein schlechtes Lied mich in das Tage Licht.
Ich weiß nicht wie mir ist und was ich soll beginnen,
Ob Aug' und Ohre mir die Zauberey bestrickt,
Ob mich ein todter Schlaf hat überreden können,
Daß Siegerich mich kennt, und mir ein Schreiben schickt.
Wie woll' ich aber doch nicht meinen Augen trauen?
Ich wach' und schlafe nicht, ich rede mit Verstandt,
Ich kann den kleinen Brief erbrechen und beschauen,
Und höre diesen Freund, den du hast abgesandt.
Es ist kein Bild vor mir, ich fühl' ein wahres Wesen,
Ich weiß das dieses Wachs ein hohes Siegel ist,
Ich küsse was ich itzt von grosser Hand gelesen.
Wie aber, daß man mich zuschauen auserkiest?
Mich, eine schlechte Magd, und arm von allen Schätzen,
Die sonsten die Natur den Frauen beygelegt,
Mich, die sich schämen muß sich in den Orth zusetzen,
Wo Schönheit und Verstand zusammen seyn gepregt.
Mein schwaches Auge kan die Strahlen nicht vertragen,
Ein schlechter Zeug, wie ich wünscht keinen hellen Tag,
Es darf sich ja das Wachs nicht in die Sonne wagen,
Man weiß wohl das ein Glaß die Gluth nicht leiden mag.
[58]
Der Schatten ist mein Freund, dazu ich bin gebohren,
Es bleibt die Einsamkeit mein bestes Vaterland,
Ich habe zu der Fahn der Dürfftigkeit geschworen,
Und bin, wie mich bedeucht, der Welt durch nichts bekant;
Ich habe mich bemüht in mich mich zuverschlüssen,
Und meine gröste Lust war nicht bey Lust zuseyn,
Mein Geist hat nicht gewünscht die Pracht der Welt zuwissen,
Der Einfalt stelt ich mich zu einer Sclavin ein.
Mein gantzes Trachten war mein Armuth zuverhölen,
Mein enges Zimmer hieß ich eine weite Welt,
Der Schatten bleibet doch der Port geringer Seelen,
Und kein gemeines Fleisch wird Göttern fürgestellt.
Es will ein Held mich itzt aus meinem Lager treiben,
Und meine Freyheit soll nunmehr zu Hofe gehn,
Wie soll ein schwaches Kraut in frembder Lufft bekleiben,
Wie soll ein Schwefel Licht bey grossen Fackeln stehn?
Wie soll ich arme Magd doch grosse Herren speisen?
Ich weiß kein Keyser Brodt, und kan kein Himmels-Lied,
Man saget allzuviel von meinen schönen Weisen,
Ich weiß nicht, wer zu erst auf diesen Wahn gerieth.
Bißweilen hab' ich zwar ein kurtzes Lied ertichtet,
So schlecht von Weis' und Art mir gleich und ähnlich war;
Es scheint das Sprichwort sey nu gantz auf mich gerichtet,
Die Stimme bringet oft den Vogel in Gefahr.
Wiewohl mein schlechter Mund gewißlich nichts gesungen,
Was sich erkennen kan der Helden Ohren werth,
So machet doch itzund der Lobspruch frembder Zungen,
Daß meinen schlechten Thon ein grosses Haubt begehrt.
Darff ich mich noch ein Wort zumelden unterwinden,
Ist eine Zeile noch itzt deiner Magd erlaubt,
So laß mich Arme doch bey dir Genade finden,
Und wirf den Strahl der Gunst doch auf ein höher Haubt.
Laß mich doch unbekand in meinem Hause sterben,
Und zeuch mich Arme nicht aus meiner tieffen Nacht,
Ich mag kein ander Lob auf dieser Welt erwerben,
Als das kein Herren Hof mich hat bekant gemacht.
In Wolle will ich mich und nicht in Seide kleiden,
Und warten biß mich Gott von dieser Erden rückt,
Die Amberkuchen kan ich ohne Schaden meiden,
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Und meine Lenden seyn zum Purpur nicht geschickt.
Mein Held, sprich mich doch loß, und laß mir meine Hütte,
An mir ist umb und umb gewißlich nichts vor dich,
Erwehle dir ein Weib vom Fürstlichen Geblüthe,
Kan auch was schlechters seyn, auf dieser Welt als Ich?
Doch alles ist umsonst, mein Bitten ist verlohren,
Mein sorgenreicher Wunsch erreicht kein rechtes Ziel,
Mein Schreiben das verdirbt, ich singe harten Ohren,
Der Helden Wort begehrt den Wiederschall: Ich will.
Ihr Bitten ist umbzirckt mit tausend Donnerkeilen,
Das Weigern ist vor Sie ein neuer Apffelbiß,
Ihr Wollen ist Geboth, ihr Wincken heist uns eilen,
Und was unmöglich scheint, das machet uns gewiß.
Ich komme weil ich muß, doch voll von Angst und Zagen,
Und mein Belieben ist entfernt von meiner That,
Ich soll mich auf das Eiß des glatten Hofes wagen,
Da mancher junger Fuß vor mir geglitten hat.
Der ungemeine Glantz verblendet mein Gesichte,
Und was geschehen kan, macht mir das Hertze kalt,
Denn bey der Hofekost ist fast kein gut Gerichte,
Und eine Jungfrau wird zu Hofe selten alt.
Ach Held! bedecke mich mit Flügeln deiner Tugendt,
Ich laß' auf dein Geboth, Gespielen, Freund und Hauß,
Und dir vertrau ich itzt die Rosen meiner Jugendt,
Doch läßt du Bluhmen ein, so laß auch Bluhmen aus.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Liebe zwischen Siegreich und Rosemunden. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6D01-0