3. Hannchen

Ungezählter Namen Menge
Schmückt die feurigen Gesänge,
Die der Dichter Zärtlichkeit
Ihrer Schönen Reizung weiht.
Der besingt die kluge Doris,
Jener die geputzte Chloris,
Und des Dritten treuer Sinn
Sehnt sich nach Kallisten hin.
Henriette, Christiane,
Wilhelmine, Mariane,
Leonore, Margaris,
Sind der Ewigkeit gewiß.
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Phyllis, Iris und Selinden...
Doch wer kann ein Ende finden,
Wo der Dichter Schöpfungskraft
Namen, wie die Schönen, schafft?
Unbemüht, sie durchzuzählen,
Werd' ich einen Namen wählen,
Den von Reiz und Schönheit voll
Stets mein Lied erheben soll.
Was man liebenswerth erkennet,
Nennt man, wenn man Hannchen nennet.
Wie viel Schönes nennt der nicht,
Der nur Hannchens Namen spricht?
Seht, wenn sich die bunten Mengen
Sonntags aus den Kirchen drängen,
Gebt auf unsrer Fenster Pracht
Mit erhabnen Blicken Acht:
Tausend müßt ihr reizend finden,
Tausend müssen euch entzünden,
Und der Hannchen nur allein
Mehr, als Aller sonsten seyn.
Unbemüht, sie durchzuzählen,
Werd' ich nur ein Hannchen wählen;
Dessen Reiz, der mich vergnügt,
Aller Hannchen Reiz besiegt.

Notes
Entstanden 1745. Erstdruck in: Belustigungen des Verstandes und des Witzes, Bd. 8, 1745.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Kästner, Abraham Gotthelf. 3. Hannchen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-973B-0