Vorwort

Es ist unschwer zu erweisen/ daß Schauspiele dichten vorzeiten nur Käiser/ Fürstẽ/ grosser Helden/ und Weltweiser/ nicht aber schlechter Leute Thun gewesen/ die/ wie sie ihren Widerwertigen mit der Hand obgesieget/ also haben sie auch durch derer Zuthun die Feinde des Gemüts (die Verwirrung desselben) aus dem Felde geschlagen. Wie aber sonst die Poeterey ins gemein eine Lehrerin der Frömmigkeit/ eine Erforscherin der Natur/ eine Mutter der Tugenden/eine Gleits männin der Weißheit/ eine Qwell der guten Künste und Sitten: Also sind Trauerspiele ein Spiegel menschlicher Zufälle/ durch deren Besichtigung wir mehrmaln in Wehmut gerahten/ ja offt die Threnen aus den Augen lokken/ darneben aus den schönen eingemengten Sprüchen lernen/ daß uns beiderley Glük/ wie es andern aufgestossen/ auch begegnen könne/ dahero selbiges mänlich erwarten und sanfftmütiger ertragen.

Wer wird nicht/ wenn er den Herodes beschauet/bejahen/ daß alle die jenigen/ die wider Christus Raht halten/ sich selbst aufs Maul schlagen/ und in ihre eigene Augen speien? Denn solche wolten gern obenan sitzen/ und werden doch von männiglich angefeindet/gerne sterben/ und können nicht sterben/ bis endlich die verdamte Seele aus dem aussätzigen/ räudigten/stinkenden/ lausigten Madensak ausfähret/ an den Ort der Qwal/ da sich eusserlich plagen des höllisches Feuer/ innerlich nagende Hertzensangst verewigen.

Wer wird nicht mit höherer Gedult als zuvor sein Creutz auf sich nemen/ wenn er verstehet/ wie die Princessin Mariamne/ als ein Amboß unüberwindlicher Stärke/ manchen Verleumdungshammer und schweren Hertzensstoß ausgestanden?


Keiner kan gefunden werden/ der nicht/ wann er liset/ wie Aristobul/ ein Jüngling/ in besten Jahren/als ein wolriechendes Blümlein/ [131] von einem starken Hagelwetter niedergeschlagen/ bekennen wird: Daß man bey gutem Zustande auf schlüpfrigem Eise wandele/ und mit dem Glükke ümgehen müsse/ wie mit einem scheinbaren Glase/ für dem sich augenbliklichen zu befahren/ daß es zerbreche/ oder seinen Glantz verliere.

Vnfruchtbare Eltern/ mein ich/ solten sich/ wenn sie den Zustand der Bethlehemitischen Mütter behertzigten/ glükselig schätzen/ daß ihr Leib verschlossen blieben/ und ihre Brüste niemaln geseuget.

Die jenigen aber/ die GOTT mit Kindern gesegnet/sollen ihm danken/ daß er sie zeitlich wieder abgefordert: bald gestorben/ bald im Himmel: je länger wir hier nach dem gestekten Ziel lauffen/ je mehr wir strauchlen und fallen.

In Erwegung nun dieser und anderer unzehlbaren Nutzbarkeiten/ die uns die ältiste und furnemste Poeterey an die Hand gibet/ hab ich mich erkühnet/ hiesiges Gedicht Trauerspielsweise aufzusetzen/ und Ihr Hoch Adel. Herrl. wie vor mündlich vorgetragen/ also jetzt gedrukt zuschreiben wollen.

Ich zwar/ wann ich Rechenschafft geben solte/würde ich eh zu fragen seyn/ warüm ich nicht/ als warüm ich/ die Vberreichungsschrifft an I. Hoch Adel. Herrl. gerichtet/ angesehen/ daß dieselben allerseits meine bishero geringfügige und auf Begehren an Tag gegebene Arbeit/ (wie ich mir leicht die Rechnung machen kan) nicht wegen Künstlichkeit des Verfassers/ als welche nichts oder gar gering ist/ sondern wegen der Wichtigkeit des heiligen Inhalts/ der alle andere Wissenschafften übersteiget/ großgünstig haben gefallen lassen.


Solte mir der gütige Himmel für mich der Bücher/ohne andere Beschäftigung abzuwartẽ/ Fug und Mittel geben/ würde ich veranlasset werdẽ/ künfftig den gecreutzigten CHRISTUS in einem Trauerspiele vorzustellen/ darinnen die Zuhörer zu barmhertzigen Mitleiden geführet würden/ wie ihnen hier ein grausames Furchterstaunen ankommen/ [132] als welches die vornemsten Bewegungen seyn/ die in Trauerspielen zu beobachten.

Im übrigen lebe ich der tröstlichen Hoffnung/ Ihr Hoch Adel. Herrlichk. werden diese meine Schrifft nicht weniger mit geneigten Augen/ als vorige/ durchschauen/ mehr das Wollen/ als das Vermögen/ gut heissen/ den in Schutz und Rettung nemen/ der so willig Ihr Hoch Adel. Herrlichk. Lob und Lieb gegen die Teutsche Sprache der Nochwelt anzudeuten/ als es billich ist.


Nürnberg/ am Fest der Darstellung Christi im Tempel/ des lauffenden 1645. Jahrs.


Ihr Hoch Adel. Herrl. unterthänigster J. Klaj.

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TextGrid Repository (2012). Klaj, Johann. Gedichte. Redeoratorien. Herodes der Kindermörder. Vorwort. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-AF7E-0