282. Hans mit dem Hütchen.

Mündlich.

1.

Vor alten Zeiten hat auf der alten Winzenburg Hans mit dem Hütchen (Hans met Häutken) sein Wesen getrieben, der seinen Namen davon bekommen, daß er nie in ganzer Gestalt sichtbar gewesen, sondern stets nur einen großen rothen Quast an seinem Hut, oder, wie andre sagen, einen großen rothen Hut hat sehen laßen. Besonders hat er sich gern in der Küche zu schaffen gemacht, und hat zu einer Zeit eine große Liebe zu einer dort dienenden Magd gehabt, der er alles nur mögliche zu Gefallen gethan, so daß sie ihn endlich einmal gefragt, weshalb denn immer nur sein Hut sichtbar sei, und ihn zugleich gebeten, er möge sich ihr doch in seiner vollen [251] Gestalt zeigen. Lange hat er ihren Bitten widerstanden, aber endlich hat er doch nachgegeben und sie zu einer gewißen Stunde in den Keller bestellt. Als sie dort hinuntergekommen ist, hat sie in einer großen Mulde einen kleinen Knaben, der in seinem Blute schwamm, liegen sehn und ist bei dem Anblick ohnmächtig niedergesunken; als sie aber wieder zu sich gekommen, ist er verschwunden gewesen.

2.

Zu einer Zeit ist auf der Winzenburg ein Küchenjunge gewesen, der hat Hans mit dem Hütchen auf alle nur ersinnliche Weise gehudelt, und so oft der es ihm auch verwiesen, hat er doch nicht drauf gehört und sein altes Wesen wieder von neuem begonnen. Da hat Hans endlich gesagt, nun sei er's müde, er wolle es ihm einmal eintränken; und das hat er auch gethan. Eines Morgens nämlich in aller Frühe weckt Hans den Koch und sagt, er solle schnell aufstehen, der Küchenjunge sei gar. Da eilt der schnell in die Küche und findet hier wirklich den Küchenjungen in kleine Stücke gehackt im Keßel über dem Feuer kochen.

3.

Als der letzte Graf von der Winzenburg im Sterben gelegen, hat Hans mit dem Hütchen in aller Eile den Rennstieg, der grades Wegs von dort nach Hildesheim führt, gebaut und ist hierher zum Bischof gelaufen, und hat ihm gesagt, »der Graf sei todt, er solle eilig kommen und sich die Schlüßel der Burg holen, sonst wäre der Braunschweiger eher da!« Da hat sich auch der Bischof schnell aufgemacht und ist zwei Stunden früher als der Braunschweiger dagewesen, und so ist denn die Winzenburg an Hildesheim gefallen.


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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. 282. Hans mit dem Hütchen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-BC21-4