86. Kobolde.

Mündlich.

1.

Die Krampenbude, ein Fischerhaus, etwa eine Meile von Köpenick, an der wendischen Spree, nennt man auch das Koboldshaus, weil da früher ein Kobold sein Wesen getrieben; dem hat's besonders Spaß gemacht, die Fischer, wenn sie Nachts neben einander lagen und schliefen, gerade zu legen. Zuerst ist er nämlich zu Häupten getreten, [81] hat sie bei den Köpfen gezogen, bis sie alle in einer Linie lagen, dann waren aber die Beine ungleich, drum ist er nun zu Füßen getreten und hat so lange daran gezogen, bis die Fußspitzen in einer Reihe lagen, und so ist's fortgegangen bis zum hellen Morgen.

2.

Ein anderer Kobold in der Gegend von Neustadt E.W. hat sein größtes Vergnügen daran gehabt, einen Brunnenschwingel auf ein Fensterkreuz zu legen und sich darauf zu schaukeln. Ein Förster hat das nicht glauben wollen, ist in's Haus getreten und hat gefragt: »Na, wo habt ihr denn euern Kobold?« Aber im selben Augenblick ist ihm auch ein Teller vor die Brust geflogen, daß er nur eiligst davongelaufen ist.

3.

In der Gegend von Köpenick hatte auch ein Knecht einen Kobold, der war ihm lästig geworden, und er wollte ihn gern los sein; er beschloß deshalb fortzuziehn und ihn zurückzulaßen. Am Abend vor dem Abzugstage geht er bei dem Pütten vorbei, sieht er den Kobold unten sitzen, fragt: »Was machst du da?« – »I, sagte der Kobold, ich wasche meine Lümpchen aus, morgen ziehen wir ja.« Da hat denn der Knecht gesehen, daß er den Kobold doch behalten müße und hat ihn mit sich genommen.

4.

Mal hatte ein Bauer einen Kobold und wollte ihn, als er ihn lange genug gehabt, gern wieder los sein, aber so oft er ihn auch wegtrug, immer war er gleich wieder bei ihm; da dachte er, er wolle es besser anfangen, fuhr deshalb in die Heide, fällte einen tüchtigen Baum, spaltete ihn am einen Ende und trieb einen tüchtigen [82] Keil hinein. Darauf rief er den Kobold, er solle mit seinen Händen hineinfaßen und den Spalt auseinander halten, damit er den Keil noch tiefer hineintreiben könne. Der Kobold that's auch, aber kaum hatte er die Hände drin, so zog der Bauer schnell den Keil heraus, und jagte, was die Pferde laufen wollten, davon, ohne sich umzusehen. Da rufts auf einmal hinter ihm auf dem Wagen: »Du, kam da der Schütz?« Und wie er sich umsieht, sitzt der Kobold wieder da.


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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. 86. Kobolde. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-D41A-A