[98] Der Clorinden anderer Theil

In welchem vorgestellt wird der süßwerdende Busses-Stand einer nunmehro zu Gott bekehrten/und hoffenden Seelen/ nach dem Spruch Davids/


Psal. 93. vers. 19.


Nach der Vielheit deren Schmertzen meines Hertzens haben mich deine Tröstungen ergetzt.

[99] [103]1. Der Himmlische Daphnis Christus nimmt die büssende Seel Clorinda wiederum zu Gnaden an/ und bezeugt/ wie hoch Er die bereute/ obschon gröste/Sünder liebe

Nolo mortem impii, sed ut convertatur, & vivat.

Ezech. 33. v. 11.


Ich will nicht den Tod des Sünders/ sondern daß er sich bekehre/ und lebe.


1.
Wie können jemal rechtgläubige Sünder
Zur Hoffnung sincken lassen ihren Muht/
Da ich des ewigen Lebens Erfinder
Sie doch erlöset hab' mit meinem Blut?
Hab' ich sie dann jemahl auff dieser Welt
Mit rauhen Worten hundisch angebellt?
2.
Ich hab' ja ihnen vor allen erwiesen
Ein' mehr/ als vätterliche Freundlichkeit/
Sie gar zu Kinder/ und Erben erkisen/
Als die mir angenehm insonderheit;
Warumb verzagest du/ ô Sünder/ dann/
Als wär' ich grausamer/ als ein Tyrann?
[103] 3.
Bin ich die Göttliche Güte nicht selber?
Ist meine Wesenheit dann nicht die Lieb?
Bin ich vor Grimmen dann bleicher und gelber
Als Schinis der verruchte Lebens-Dieb?
Ach nein/ ach nein/ ich bin derselbig nicht/
Der seinen Feinden gleich den Halß zerbricht.
4.
Ist auch ein eintziger Sünder zu finden/
Dem zu verzeihen ich mich je beschwert?
Hab ich jemalen gelassen dahinden
Ein Schäflein/ welches meiner Hülff begehrt?
Was für ein Schäffer ist/ der zornig werd'/
Wann sein verlohrnes Schäflein kehrt zur Herd?
5.
Hab' ich so hefftig/ und blutig gestritten
Nur zu erlösen die gerechte Schaar?
Und nicht vielmehro den Tode gelitten/
Die Sünder zu erretten der Gefahr? 1
Die grosse Lieb zu dir/ ô Sünder/ hat
Allein getrieben mich zu solcher That.
6.
Weist du nicht/ daß mich die Juden gescholten/
Daß ich der Sünder mich genommen an? 2
Hab' ich nicht immer mit Gutem vergolten
Das Böse/ so man mir hat angethan?
War' auch ein Mutter je/ wie ich/ so mild?
Wer kan mich halten dann für rauch und wild?
[104] 7.
Als ich von Judas dort würcklich verrahten
Gelieffert ware schon an meine Feind'/ 3
Hab (ungeachtet der grausamen Thaten)
Ich dannoch ihn genennet einen Freund/
Und hätt' der arme Tropff verzweifflet nicht/
Ihm geben hätt kein saures Angesicht.
8.
Gleichwie der Schatten urplitzlich muß weichen/
So bald die helle Morgenröht erwacht/
Und wie die liebliche Zephyr-Wind streichen
So bald der Winter sich von hinnen macht/
Auch also eilends wird mein Zorn zerstreut/
So bald der Sünder nur die Sünd bereut.
9.
Wer aus Letæischem 4 Wasserfluß trincket/
Vergangner Sachen alsobald vergißt/
Dann die Gedächtnuß ihm gäntzlich versincket/
Und also alles/ was er je gewüßt:
So macht/ ô Sünder/ auch dein Thränen-Bach
Vergessen mich gleich aller Sünd/ und Rach.
10.
Ein Feur/ wie sehr es auch tobet/ und brennet/
Von vielem Wasser endlich wird gedemmt/
Wer meine Flammen mit Thränen berennet/
In kurtzer Zeit dieselbe stillt/ und hemmt:
Ein einigs Tröpfflein durch gepreßter Reu
Stillt mir den Zorn und macht die Liebe neu.
[105] 11.
So gar die Löwen in völligem Wühten
Sind einer noch so wohl gesinnten Art/
Daß sie mit Thränen sich lassen begüten/
Verfahren nie mit nassen Augen hart: 5
Und solt ich/ als ein Löw/ dann wilder seyn/
Von Thränen abgemahnet/ schlagen drein?
12.
Ein' treue Mutter ihr Kindlein nicht hasset/
Ob es ihr schon gebracht sehr grosse Qual/
An statt des Zörnens es lieblich umbfasset/
Gedenckt vor Lieb der schmertzen nicht einmal/
Hat mehr Mitleyden mit dem armen Kind/
Als daß sie solches unbarmhertzig schind'.
13.
Laß den so schmertzlich gewonnenen Erben
Der zugefügten Qual entgelten nicht/
Will ihr die Freude nicht selber verderben/ 6
So ihr von einem lieben Kind geschicht:
Siht/ wie ein Hertz-verwundter Pelican
Die Kinder-Lieb/ und nicht die Schmertzen an.
14.
Hat auch ein' Mutter jemahlen gebohren
Die Kinder schmertzlicher/ als eben Ich?
Indem ich nemlich darüber verlohren
Mein theures Blut/ und Leben williglich?
Und sollt ich jetzund aller wild/ und thumm
So theur-erworbne Kinder bringen umm?
[106] 15.
Der seiner Erbschafft heillose Verschwender
Mit keinem rauhen wörtlein wurd versehrt 7
Als er bereuet verlassen die Länder/
Und zu dem Vatter wiederumb gekehrt/
Mit einem süssen Kuß wurd' er gebüßt/
Vor lauter Freud der Vatter wäinen müßt.
16.
Ich bin ja dieser mitleydende Vatter/
Der den Bereuten solche Lieb erzeigt/
Laß' ihnen offen den Zuversichts-Gatter/
Zur Sünd-Vergebung überaus geneigt/
Wer seufzend nur: Ich hab gesündigt spricht/
Hat sich vor meinem Zorn zu förchten nicht.
17.
Wann schwartz der zornige Himmel bewettert
Mit grossem Krachen seine Plitze wetzt/
Er nur die harte Vorwürffe zerschmettert/
Was weich/ und lind ist/ bleibet unverletzt.
Der Degen in der Scheiden wird verzehrt/
Die Scheid hingegen bleibet unversehrt.
18.
Auch also werden die Sünder nicht fühlen
Meines geflammten Zornes Wetterstreich/
Die meine Plitze mit Thränen abkühlen/
Und haben eine Seel von Reu gantz weich:
Was soll das Schwerdt in des erzörnten Hand/
Wo weder Feinde mehr/ noch Widerstand?
[107] 19.
Bespiegelt euch nur an meiner Clorinden/
Die mich beläidigt mehr als jemand hat
Doch nach begangnen unzahlbaren Sünden
Bereuet endlich ihre Missethat:
Darumb sie lieber mir/ als alle die/
So mich auff solche Weiß beläidigt nie.
20.
Dann ob sie schon mich zum höchsten betrübet/
Mit ihrer lasterhafften Uppigkeit/
Anjetzo dannoch so inniglich liebet/
Daß sie zu sterben auch für mich bereit;
Hätt' sie beläidigt mich niemal so schwär/
Zu solcher Lieb sie niemal kommen wär'.

Fußnoten

1 Nm veni vocare justos, sed peccatores, Matth. v. 13.

2 Matth. 11. v. 19. Deren Publicanen und Sündern Freund.

3 Matth. 26. v. 50.

4 Ein Fluß/ wer daraus trinckt/ vergisset alles.

5 Plin. lib. 8. c. 16. Prostratis parcit Leo. ibid.

6 Ioan. 16. v. 21.

7 Verlohrne Sohn. Luc. 15.

[108] [112]2. Clorinda ersiht unverhofft ihren himmlischen Daphnis, empfangt grossen Trost darab/ und neue Hoffnung/ etc

Audivit Dominus, & misertus est mei.

Psal. 29. v. 11.


Der Herr hat es gehört/ und sich meiner erbarmet.


1.
Die Nacht der Traurigkeit/
Sammt den Verzweifflungs-Schatten/
Die mich besessen hatten/
Verschwinden allbereit/
Und geht die Heils-Auror' 1
Erwünscht zu tausend malen/
Mit vollen Hoffnungs-Strahlen/
Die gantz verwelckt zuvor/
Trostreich in mir empor.
2.
Dann als ich gestern matt
Am Schatten der Cypressen
Gantz Hoffnungs-loß gesessen/
Und mir gewäinet satt
So/ daß ich Thränen-lähr
Nun nicht mehr könnte wäinen/
Da laufft ich in den Heinen 2
[112]
Weh-klagend hin und her/
Als wann ich närrisch wär'.
3.
Die Seufftzer schossen mir
So ungestümm von Hertzen/
Daß ich vor Angstes-Schmertzen
Lufft-loß gestorben schier/
Und wäre mir nicht gleich
Die Müder-Brust zerspalten/
Wodurch ich Lufft erhalten/
So wär' ich im Gesträuch
Dort worden eine Leich.
4.
Ich schaute hin und her
Nach jedem Ort der Winden/
Ob nicht ein Mensch zu finden/
Der mir verhülfflich wär/
Ach aber auch so gar
Auff Feldern/ Berg- und Auen/
So weit ich könnte schauen/
In meiner Tods-Gefahr
Kein Mensch zu spühren war'.
5.
Ich stellte mich alldort/
Und fienge an zu schreyen/
Daß in den Wüsteneyen
Erschallten meine Wort/
Und weilen ich sie schlimm
Mit seufftzen underbrochen/
[113]
Als hat der Wald entsprochen/
Wie ich geruffen ihm/
Auch nur mit halber Stimm.
6.
Ich bildete mir ein/
Es müßte die verliebte/
Um den Narciß betrübte
Thal-Göttin Echo 3 seyn:
Als welche in dem Thal/
Und duncklen Satyr-Hainen 4
Pflegt kläglich zu bewäinen
In ewiger Trangsal
Ihr strenge Liebes-Qual.
7.
Und weil ich mich befand'
In gleichem Läid begriffen/
Mit gleichen Unglücks-Schiffen
Gestrandet auff dem Sand/
So hab' ich auch mit Ihr
Den Jammer meiner Plagen
Gefangen an zu klagen
So/ daß die wilde Thier
Mit mir gewäinet schier.
8.
Ich stuhnde was erhöcht'
Von Bäumen abgesündert/
Auff daß ich ungehindert/
Dem Thal zuschreyen möcht'?
Sprechend: Ich frage dich/
[114]
O Echo, kan auff Erden
Ein Mensch an Läids-Beschwerden
Auch übertreffen mich?
Echo antwortet: Ich.
9.
Ach nein! das kan nicht seyn/
Sagt' ich/ dann niemand leidet/
So lang mich Daphnis meidet/
Wie ich/ so grosse Pein!
Sag' mir/ ist es' nicht schwär
In Gottes Zorn zu leben/
Wer kan vom Geist-auffgeben
Mich retten dann? Ach wer!
Echo antwortet: Er.
10.
Ach Echo, deine Wort
Sehr pflegen zu betriegen/
Indem sie halb nur fliegen
Aus deiner Kählen fort/
Du wilst darmit allein
Mich also unerschrocken
Zu dem Verderben locken
Tieff in den Wald hinein/
Echo antwortet: Nein.
11.
Wohlan dann wann ich dir/
Sagt' ich/ recht darff vertrauen/
Auff deine Wörter bauen/
So sag'/ ô Echo, mir/
[115]
Werd' ich dann (ungescheucht
So vieler meiner Sünden)
Verzeihung können finden
Bey Daphnis noch vielleicht?
Echo antwortet: Leicht.
12.
Vor Freuden muß mein Hertz/
Sagt' ich/ noch heut zerbrechen/
Wann dieses dein Versprechen
Herrührt aus keinem Schertz:
Soll Daphnis auff das neu
Sich lassen wohl versöhnen/
Ach was kan doch beschönen
Mein Eyd-gebrochne Treu?
Echo antwortet: Reu.
13.
Die Reu in mir ist groß/
Sagt' ich/ schneidt wie ein Messer/
Ist gleich groß dem Gewässer 5
In tieffer Thetys-Schoß: 6
Sie quälet mich so hart/
Daß ich gantz muß zerfliessen?
Wann werd' ich dann geniessen
Des Daphnis Gegenwart?
Echo antwortet: Wart'.
14.
Ach ja von Hertzen gern
[116]
Win ich anhier verbleiben/
Mich soll da nicht vertreiben
Der spahte Abend-Stern:
So soll sich dann allda
Mein Daphnis lassen sehen?
Ach wird es bald geschehen
O liebste Sylvia? 7
Echo antwortet: Ja.
15.
O grünes Trost-Gestäud/
O lang erwünschte Zeitung/
Du meines Läids Ausreitung/
Und Pflantzung meiner Freud!
O ein erwünschte Sach!
Sag'/ Echo, hab' ich aber/
Den himmlischen Liebhaber
Zu lieben/ nicht Ursach?
Echo antwortet: Ach.
16.
Die Stimm mir kame vor/
Als wäre sie sehr nahe/
Darumb ich mich umbsahe/
Eh sie sich gar verlohr'/
Und sehe: nächst bey mir
Ein Schäffer sich befande
Mit scheinendem Vorwande/
Als sucht' Er etwann hier
Ein irrends Wullen-Thier.
[117] 17.
Ich fragte stracks/ was Er
Auff diesem Abweg machte/
Ob Er der Herden wachte/
Und was sein werben wär'?
Er sagte mir/ Er hätt'
Mein Traur-Geschrey vernommen/
Darumb wär' Er gekommen
Zu meiner Hülff/ und Rett'
Auff diese Jammer-Stätt.
18.
Er wär' gegangen auß
Ein Schäfflein auffzusuchen
Im Forst der grünen Buchen/
Und braunem Tannen-Hauß:
Sein Schäfflein sey Clorind'/
Die Er nunmehr gefunden:
Darauff ist Er verschwunden/
Und mehr als Plitz-geschwind
Verstiegen in den Wind.
19.
Als ich das sahe/ bin
(Weil Daphnis es gewesen)
Ich/ wie geschnittner Fesen/
Krafftloß gesuncken hin:
Als aber bald hernach
In mir die Lebens-Geister
Der Ohnmacht worden meister/
[118]
Da fühlt' ich/ gleichwohl schwach/
Erquickung allgemach.
20.
Es scheinte mir der Psön
Leiß in ein Ohr zu sagen/
Clorind' hör' auff zu klagen/
Daphnis ist nicht mehr hön:
Worauff ich wohl getröst
Von hinnen mich begeben/
Gefangen an zu leben/
Der grossen Forcht entblößt/
Von allem Läid erlößt.

Fußnoten

1 Des Heils Morgenröthe.

2 Dicken Wald-Gesträuche.

3 Wiederhall.

4 Dickes Gestaud.

5 Velut mare contritio. Thren. 2. v. 13.

6 Thetys die Göttin des Meers. Poët.

7 Wald-Göttin.

[119] [123]3. Clorinda die rauhe Tugendstraß/ und dornigen Himmels-Weeg betrachtende/ fühlet wegen widerstrebenden bösen Gewonheiten noch grosse Beschwerden/ und begehrt von Daphnis Hülff

Ego custodivi vias duras, perfice gressus meos in semitis tuis.

Psal. 16. v. 4. & 5.


Ich hab' harte Weg bewahret/ erhalte meinen Gang auf deinen Fußsteigen.


1.
Weil diese falsche Welt
Mich so tyrannisch hält/
Daß es nicht zu erzehlen/
Als will ich mir die Reyß
Nach jenem Erden-Kreyß/
Der besser ist/ erwehlen/
Nach dem gelobten Land
Der höchst-beglückten Erden/
Die frey von allerhand
Betrübnuß/ und Beschwerden.
2.
Ach aber so viel Weeg/
So viel der bösen Steeg/
Schier einer an dem andern/
Der eine hier/ der her
[123]
Mir wöllen fallen schwär/
Weißloß dahin zu wandern:
Zu dem so find' ich auch/
Daß über alle massen
Gefährlich hart und rauch
Die Ubung dieser Strassen.
3.
Der Weg/ so von Trœcen
Sich zieht biß auff Athen,
Wo Schinis sich enthalten/
Der blutige Tyrann/
So manchem Wandersmann
Den müden Kopff zerspalten/
Ist nicht so kümmerlich/
Wie meine Straß zu räisen/
Dann jene liesse sich/
Die aber nicht umbkräisen.
4.
Der Weg nach Hiericho.
Bey weitem ist nicht so
Voll mörderischer Buben/
Allwo getroffen an
Der fromm Samaritan
Den Krancken in der Gruben:
Alldorten wurde zwar
Des Menschen Leib verletzet/
Hier aber wird so gar
Den Seelen nachgesetzet.
[124] 5.
Nicht ist zu finden bald
Auff gantzer Welt ein Wald/
Der mehr Leut hingenommen/
Als der im Böhmer-Land/
Allwo des Mörders Hand
Man schwärlich möcht entkommen/
Wo aber dorten war'
Ein kleine Zahl der Mördern/
Ist da ein gantze Schar
Zur Höll mich zu befördern.
6.
Von Wegs-Unsicherheit
Ist ruchtbar/ und verschreyt
Arabia, 1 vor allen/
Dieweil alldorten offt
Die Menschen unverhofft/
Gleich wie die Stöck'/ hinfallen/
Indem der gähe Wind
Mit bergigem Sand-Hauffen
Anstürmet so geschwind/
Daß niemand kan entlauffen.
7.
Gantz Lybien ist zwar
Ein stähte Todten-Bar'
Von wegen vieler Löwen/ 2
[125]
Die offt nach sattem Fraß
Die Blut-besprengte Straß
Mit Menschen-Fleisch bestrewen:
Hier aber ist ein Heer
Der Cerberischen Hunden/ 3
Welche begierig sehr/
Mich tödtlich zu verwunden.
8.
Ein sehr unsichers Land
Ist das am Nilus-Strand 4
Ursach der Crocodilen/
Die dorten am Gestatt/
Des Menschen-Fleisches satt/
Noch mit den Knochen spihlen/
Hier ist das Crocodil
Die Welt/ so offt betrogen
Der armen Seelen vil/
Und nach der Höll gezogen.
9.
Von Schlangen wurd' bethört/
Ja endlich gar verstört
Die schöne Stadt Amicle, 5
Mit welchen Thieren Ich
Euridice nun mich 6
Gar ungern mich verwickle;
Hier ist die alte Schlang/
[126]
Den armen Adams-Kindern
Den glücklichen Zugang
Des Himmels zu verhindern.
10.
Auff dem Sicilier-Meer
Ist es gefährlich sehr
Zwar wegen der Sirenen, 7
So manches Schiff zu grund
Mit Lachen/ Schertzen/ und
Mit süssem Singen hönen:
Hier singt die Welt-Siren
Mit Zucker-süsser Kählen/
Wodurch zu scheittern gehn
Viel tausend arme Seelen.
11.
Bey Scilla, und Charibd 8
Es viel zu schaffen gibt
Schad-loß hindurch zu schiffen/
Dann weil die Klippen eng/
Der Wind hingegen streng/
Wird man dort hart ergriffen:
Die Welt/ das böse Meer/
Pflegt an den Glücks-Gebürgen/
Und Felsen eitler Ehr
Die Seelen zu erwürgen.
12.
Ich glaub'/ es sey kein Reich
Auff Erden jemahl gleich
[127]
Dem Colchischen gewesen/
Allwo an Phasis Rand 9
Das Gold/ wie kleines Sand/
Wurd' häuffig auffgelesen;
Zudem war' es beglückt
Mit Uberfluß der Früchten/
So reich war angespickt
Das Præster-Feld mit nichten. 10
13.
In dieser Landschafft war'
Ein Fehl von göldnem Haar/ 11
Ein Schatz von grossem Wunder/
Von dessen Bildnuß hoch
Zu unsern Zeiten noch
Sich rühmen die Burgunder;
Aus welchem allem dann
Ein jeder Mensch kan schliessen/
Daß es/ wie Canaan, 12
Von Honig müsse fliessen.
14.
Weil aber diese Erd
Mit einer gantzen Herd 13
Der Abentheur umbgeben/
Als sind viel Ritters-Leut/
Erhitzt auff diese Beut/
Dort kommen umb ihr Leben;
[128]
Ein wildes Oxen-Heer 14
Den Paß zum Land verhütet;
Ein Segel-loses Meer 15
Auff sein Gestad zuwütet.
15.
Und wann schon allbereit
Durch Stärck/ und Dapfferkeit
Diß alles überwunden/
Hat alsdann endlich vor
Des Mavors Tempels-Thor 16
Ein Drack sich noch befunden/
So diesen reichen Schatz
Mit Feur/ und Gifft beschützet/
Vor wessen Widersatz
Sich viel zu tod geschwitzet.
16.
Dem schönen Reich/ wohin
Ich Segel-fertig bin/
Das Colchische muß weichen/
Dem auch die gantze Welt?
Sammt was sie in sich hält/
Durchaus nicht zu vergleichen/
Dann dieses alles ist
In Schätzung jener Freuden
Nichts/ als nur Koht und Mist
Nichts/ als nur Schmertz/ und Leyden.
17.
Der Weg/ ach aber ach! 17
[129]
Dahin ist Ungemach/
Und überaus beschwärlich/
Ja wegen Abentheur/
So sich da ungeheur
Erzeigen sehr gefährlich!
Indem das Höll-Geschmeiß 18
Mir trutzig steht entgegen/
In meiner Himmels-Räiß
Den Durchzug zu verlegen.
18.
O schröcklicher Gewalt!
O starcker Hinderhalt
Der böß-gewohnten Sitten/ 19
Von welchen ich so sehr/
Wie starck ich mich auch wehr'/
Werd' immerdar bestritten!
Gewohnheit ist ein Ding/
Voraus bey jungen Leuten/
So einzupflantzen ring/
Und schwärlich auszureuten.
19.
Weil aber diese Straß
Dem wilden Seelen-Fraß/
Der Höllen/ mich zuführet/
Als kaufft mein enges Hertz 20
So theur nicht solchen Schertz/
Wodurch man Gott verliehret:
[130]
Will lieber durch das Läid
Die Himmels-Räiß anstellen/
Als durch so kurtze Freud
Hinfahren nach der Höllen.
20.
Durch Hagel/ Feur/ und Plitz/ 21
Durch Schwerdter/ und Geschütz/
Will muhtig ich durchbrechen/
Und sollt' auch Atropos 22
Mit ihren Mord-Geschoß
Mein schwaches Hertz durchstechen:
Daphnis mit seiner Gnad
Wird mich sorgfältig läiten/
Und auff des Creutzes-Pfad
Nach seinem Reich begläiten.

Fußnoten

1 Verstehe in dem wilden unfruchtbaren Arabia, wo zu Zeiten der Wind gantze Sand-Berg zusammen wehet/ und die räisende Leut darmit ersteckt/ dahero dann die Mismia kömmt.

2 In keinem Land gibt es mehr Löwen/ und Bären/ als in Lybia.

3 Cerberus ein Hund vor der Höllen Thür/ mit drey Köpffen. Poët.

4 In dem Fluß Nilus in Aegypten gibt es viel Crocodil.

5 Eine beruhmte Stadt/ welche wegen vielen Schlangen zu Grund gangen.

6 Euridice von einer Schlangen gebissen/ hat sterben müssen.

7 Meerfräulein/ welche mit süssem singen die Schiff zugrund richten/ Poët.

8 Ein gefährlicher Ort im Meer.

9 Phasis ein goldreicher Fluß in dem Reich Colchis.

10 Zu Præsto wurden die Früchten zweymal im Jahr zeitig.

11 Das göldne Fluß.

12 Canaan das gelobte Land.

13 Wilde Oxen/ ein Feur-spenender Drack/ und sehr gefahrliches Meer.

14 Oxen/ die Füß von Aertz gehabt. Poët.

15 Unschiffbares.

16 Mavors oder Mars ein Gott des Kriegs.

17 Contendite intrare per augustam Portam. Luc. 13. v. 24. Durch die Müste in das gelobte Land. Mille per anfractus, per mille pericula mundi.

18 Iter nostrum, quasi quidam latrunculi, obsident. S. Greg. Papa. hom. II. in Evang.

19 Consuetudo altera natura.

20 Tanti pœnitere non emo. Demosth.

21 Aut vincendum, aut moriendum Muß gestritten oder gestorben seyn.

22 Eine von den dreyen Lebens-Göttinen/ welche den Lebens-Faden abschneidet. Poët.

[131] [135]4. Clorinda kommt in Erkanntnuß/ daß die zeitliche Straff Gottes/ Creutz/ und Leyden ein Zeichen seiner Liebe seye

Disciplina tua, Domine, correxit me in finem, Disciplina tua ipsa me docebit.

Psal. 17. v. 36.


Deine Straff hat mich zu dem End gezüchtiget/ und deine Züchtigung wird mich underweisen.


1.
Weil ich auff dem Wollusts-Weg
Meine Täg'
Ohne Sorg verzehret/
Hab' ich Heyl-vergessen mir
Selbst die Thür
Zu dem Heyl versperret/
Massen ich so Laster-geyl
Nach der Höll geloffen/
Daß von meinem Seelen-Heyl
Wenig mehr zu hoffen.
2.
Als nun Daphnis also mich
Liederlich
Sah' in Sünden leben/
[135]
Und nur nach der Eitelkeit
(Allbereit
Gott-vergessen) sterben/
Bracht ihm meine Heyls-Cefahr
Kümmerliche Sorgen;
Dann mein böses Leben war'
Ihm gar nicht verborgen.
3.
Klopffe derohalben offt 1
Unverhofft/
An bey meinem Hertzen/
Sagte mir/ ich solte nicht
Wider Pflicht
Seine Lieb verschertzen;
Aber sein Ermahnungs-Lehr
War' an mir verlohren/
Dann ich gab' ihm nur Gehör
Mit Ulysses-Ohren. 2
4.
Als er mich zu seiner Schmach
Also sah'
Allen Raht verachten/
Müßt' auff andre Mittel Er/
Weil ich schwer
Zu bekehren/ trachten;
Kame mit der Höllen-Straff
Ernstlich mich zu schröcken/
[136]
Von dem tieffen Sünden-Schlaff
Endlich auffzuwecken.
5.
Schickte mir in bester Ruh
Gähling zu
Schwäres Creutz/ und Leyden,
Mir den Weg zum Undergang
Mit Bezwang
Also abzuschneiden;
Dann weil ich im Glückes-Stand
Stäts verbeint geblieben/
Hat Er mich mit scharffer Hand
Zu dem Joch getrieben. 3
6.
O wohl ein gantz allerseits
Güldnes Creutz/
So die Sünder bessert
Welches des Gottlosen Aug
Mit der Laug
Wahrer Reu bewässert!
Unglück ist das beste Glück/ 4
Glück bringt nur verderben/
Wessen Gnaden-reiche Dück'
Heilig machen sterben.
7.
Reben/ die man Frühlings-Zeit
Fleißig schneidt/
Zwar anfänglich wäinen/
[137]
Aber/ wann der Herbst einbricht/
Sie gar nicht
Mehr betrübt erscheinen/
Dann sie zierlich auffgemutzt
Voll der Trauben hangen/
Hätte man sie nicht gestutzt/ 5
Wurden sie schlecht prangen.
8.
Wann dem Baum die geile Proß/
Zweig/ und Schoß
Man nicht wird benemmen/
Wird vor andern Bäumen er/
Früchten lähr/
Sich bald müssen schämen/
Muß demnach aus seiner Stätt
Auff den Scheiter-Wagen:
Wann man ihn gestümmlet hätt'/
Hätt' er Frucht getragen.
9.
Machen auch die Krieges-Leut
Gute Beut/
Die nicht scharff gefochten?
Keinem wird der Sieges-Krantz
Bey dem Dantz
Ohne Streit geflochten:
Durch die Wunden werden sehr
Ruchtbar die Soldaten/
Keiner kan zu grosser Ehr/
Sonder 6 Mühe gerahten.
[138] 10.
Will die Erde fruchtbar seyn/
Korn und Wein
Nach Erfordrung haben/
Muß sie ihr verwachsnes Hertz
Durch das Aertz
Lassen tieff durchgraben/
Durch des kalten Winters Wuht
Reiffen/ Schnee/ und Regen/ 7
Wird sie wiedrum frisch und gut:
Räuche bringt den Segen.
11.
Ob die Drucker dem Papier
Schon offt schier
Gar die Seel auspressen/
Kan es doch sein Ungemach
Keiner Rach/
Oder Zorn zumessen/
Massen es dardurch empfangt
Weißheit der Buchstaben/
Welches jederman verlangt
Stäts bey sich zu haben.
12.
Zierlich prangt die göldne Cron
Auff dem Thron
Mittelst vieler Streichen/
Alle Klopffer/ Schläg'/ und Schnitt'/
So sie litt'/
Ihr zur Zierde reichen/
[139]
Auff den Königs Häuptern macht
Sie das Leyden prangen/
Ohne welches solchen Pracht
Sie nicht wurd' erlangen.
13.
Niemal werden Flachs/ und Hampff
Ohne Kampff
Zarte Leinwat geben/
Müssen durch der Hächel Zähn
Mühlich gehn
Ohne widerstreben/
Endlich wird ein Hemmd daraus/
Oder zarter Kragen/
So aus einem schlechten Hauß
Wird nach Hof getragen.
14.
Rauche Stöck'/ und grobe Stein'
Werden fein
Nach erlittnen Wunden/ 8
Und nach gantz entwetztem Stahl
Manches mahl
Schöne Werck' befunden:
Was zuvor abscheulich wild
An Gestalt gewesen/
Durch das Hauen wird ein Bild
Schön/ und auserlesen.
15.
Also macht das Affter-Glück 9
Schöne Stück'
[140]
Aus den Menschen-Kindern/
Pflegt den Hoch- und Ubermuht
Durch die Ruht
Seiner Tück zu mindern:
Leyden schreckt die Sünder ab
Von gottlosem Leben:
Leyden macht die Welt schabab/
Und nach Tugend streben.
16.
Als Manaß' im Glückes-Stand
Sich befand'/
Hat er Gott verachtet/
Balaim den falschen Gott/
Gott zum Spott/
Fettes Vieh geschlachtet/
Als ihn aber hingeführt
Seine Feind' gefangen/
Ist er von der Reu berührt
In sich selbst gegangen.
17.
Auch Nabuchodonosor 10
Kurtz zuvor
Gott nicht wollt' erkennen/
Als darauff er aber bald
In dem Wald
Herumb müßte rennen/
Hat ihn endlich sein Unglück
Zu der Buß getrieben/
[141]
Sonsten wär' er weit zurück
Von dem Heyl geblieben.
18.
Wann der Artzt aus reiffem Raht
Zucker hat
Frucht-loß vorgeschrieben/
Muß durch bitters Aloë 11
Dann das Wehe
Werden abgetrieben;
Daphnis pflegt das Myrrhen-Oel
Häuffig zu ertheilen/
Wann die Sund-erkranckte Seel
Schwärlich mehr zu heilen.
19.
Wann die scharffe Straffes-Ruht
Dann so gut
Für die krancke Seelen/
Ey so komm' Samaritan
Bald heran
Mit den schärffsten Oelen/
Dopple deine Streich'/ und Schläg/
Oeffne/ schneid und brenne/ 12
Daß gesund ich werden mög'/
Und zur Höll nicht renne.
20.
Gern will mit dem Phœnix ich 13
[142]
Legen mich
Auff den Myrrhen-Hauffen/
Mit Abtödung meiner Sinn
Mit Gewinn
Neues Leben kauffen/
Daß alsdann/ wie er/ auch ich
Ewig möge leben/
Weil ich allem Creutz nun mich
Willig undergeben.

Fußnoten

1 Sehe/ ich stehe bey der Thür/ und klopffe an. Apoc. 3. v. 20.

2 Vlysses hat seine Ohren mit Wax verstopfft.

3 Compelle intrare. Luc. 14. v. 24.

4 Plus, reor, hominibus adversam, quàm prosperam prodesse fortunam. Poët. de consol. Philo. c. 2. pros. 8.

5 Post gemitum botri. Nach Wäinen/ Wein.

6 ohne

7 Necessaria est pluria, glacies, ut vernans exurgat spica, S. Chrysost. hom. 3. ad Pop.

8 A vulnere forma. Nach den Wunden/ schön befunden.

9 Unglück.

10 Dan. 4.

11 Ein sehr bitteres/ doch heylsames Kraut/ und Wurtzel.

12 S. August. Hìc ure, hìc seca, dummodo in æternum parcas.

13 Ein Vogel/ welcher/ wann er als ist/ sich auff bitteres Gewürtz legt/ diß es von der Sonnen-Hitz angezündet/ und er darmit verbrennt wird/ aus wessen Aschen ein Würmlein/ aus dem Würmlein wiederum der zuvor geweßte Phœnix neu gebohren wird. Lact. Firmin. in Carm. De Phœnice.

[143] [147]5. Clorinda bewäinet ihre Sünde/ und fühlet allgemach die Süßigkeit des himmlischen Trosts

Caput meum plenum est rore, & cincinni mei guttis noctium.

Cant. 5. v. 3.


Nein Haupt ist voll des Taus/ und meine Haarlocken der Tropffen.


1.
Meine Augen/
Die voll weicher Perlen stehn/
Mir nun taugen
Nach des Daphnis Gnad zu gehn:
O ihr Thränen
Fliesset häuffig früh/ und spaht/
Zu versöhnen
Meiner Sünden Missethat.
2.
Agar wäinte
Umb den lieben Ismaël, 1
Daß sie scheinte
Auffzugeben ihre Seel/
Sie verzagte
Schier um ihr tod-schwaches Kind/
[147]
Aber klagte
Ihre Plag dem lähren Wind.
3.
Von dem Brunnen
Vieler heisser Zähern war' 2
Uberrunnen
Jacobs Leib fast immerdar/
Ihn bekränckte
Sein verlohrner Joseph hart/
Schier vertränckte
In den Thränen seinen Bart.
4.
Das verbeinte
Gottloß Israëliter-Volck 3
Dorten wäinte/
Wie ein ausgebrochne Wolck/
Ihre Thränen
Flossen nach Aegypten-Land
Nach dem schönen
Knoblauch-reichen Ubelstand.
5.
Als durch Flammen/ 4
Wie ein dürres Holtz-Gehäg/
Dort zusammen
Eingefallen Siceleg,
Wäinte kläglich
David sammt dem gantzen Heer 5
[148]
So unsäglich/
Daß kein Zäher übrig mehr.
6.
Heisse Zäher
Hat mit grossem Läid beschwärt/
Der Vorseher 6
Hieremias ausgelährt/ 7
Als vor Zeiten
Er der Stadt Jerusalem
Müßt andeuten
Ihre Blut- und Thränen-Schwemm.
7.
Gantze Bäche
Wäinte David auch so gar 8
Als der freche
Absolon erstochen war'/
Weil er wüßte/
Daß sein Gott-vergeßner Sohn
Büssen müßte
In dem tieffen Acheron 9
8.
Ohn' auffhören
Wäinte Petrus immerfort/ 10
Zu verstöhren
War' er auch an keinem Ort/
Endlich haben
[149]
Ihm die Thränen eine Furch
Auffgegraben
Durch die Wangen durch und durch.
9.
Der gezierte
Wunden-Träger von Assis 11
Offt verliehrte
Sein Gesicht durch Thränen-Güß!
Er bewäinte
Daphnis Tod so schmertzlich sehr/
Daß er scheinte
Zu zerrinnen in ein Meer.
10.
Diese Thränen
Möcht ich ihnen allzumal
Abentlehnen
Zu versencken meine Qual:
Gantz zerfliessen
Müßte auch so gar mein Hirn/
Wasser giessen
Wie des Wassermanns Gestirn. 12
11.
Ich will wäinen/
Wie ein Mutter-loses Kind;
Mit der reinen
Fara werden endlich blind/ 13
[150]
Die erblinden
Lieber wolt' aus grosser Scham/
Als verbinden
Sich mit einem Bräutigam.
12.
Meine Glieder
Sollen trieffen immerdar/
Dem Geschlüder
Gleich von angefangnem Jahr;
Meine Wangen
Sollen von der Sünd beschämmt
Wegen langen
Wäinens werden überschwemmt.
13.
Ich will machen
Mir ein eignes Thränen-Teich/
Und verlachen
Den Neptun in seinem Reich/ 14
Will im tieffen
Augen-Wasser watten her/
Also trieffen/
Als wann ich die Thetys wär. 15
14.
Satte Thränen
Wird mir geben meine Reu/
Zu versöhnen
Mich mit Daphnis auff das Neu:
Wann ich meine
[151]
Sünd'/ und Daphnis Lieb bedenck/ 16
Ich umb keine
Thränen-Armuth mich bekränck'.
15.
O ihr Sünde/
Billich muß ich hassen euch/
Dann ich finde/
Daß ihr seyt ein' böse Seuch:
Ach wie schmertzet
Ihr das Hertz/ so euer frey/
Recht behertzet/
Was da Gott erzörnen sey.
16.
Auff die Freuden/
Bald verschlucktes Linsen-Muß/
Folgt das Leyden
Einer lang- und harten Buß: 17
Esau büßte
Seine kurtze Wollust lang;
Der versüßte 18
Apffel macht uns allen bang.
17.
Doch ihr Büsser
Allen Schrecken von euch leint/
Dann viel süsser
Ist die Buß/ als man vermeint:
In der herben 19
[152]
Schelffen ist ein süsser Kern:
Trost erwerben/
Die mit Daphnis leyden gern.
18.
Was man liebet/
Ob es schon sehr hart/ und schwär/
Nicht betrübet
Wann es selbst der Tod auch wär':
Edle Ritter
Haben in dem Streit nur Lust/
Alles bitter
Ist Liebhabern unbewußt.
19.
Ey so fliesset
Stäts ihr meine Augen beyd'/
Dann versüsset
Wird dardurch mein Hertzen-Läid:
Herbe Thränen
Werden durch die Hoffnung süß/
Helffen denen/
Die gefallen/ auff die Füß.
20.
Von dem Wäinen
Will ich nimmer lassen ab/
Biß ich meinen
Daphnis gantz versöhnet hab:
Will erträncken
In den Thränen meine Sünd'/
So versencken/
Daß auch Gott sie nicht mehr find'.

Fußnoten

1 en. 21.

2 Gen. 37.

3 Num. 11.

4 1. Reg. 30.

5 Planxerunt, donec deficerent in eis Lachryma. 1. Reg. 30. v. 4.

6 Hierem. 9.

7 Thren. 1. 2. & 3.

8 2. Reg. 19. Mein Sohn Absolon, Absolon mein Sohn. v. 4.

9 Ein Fluß in der Höllen. Poët.

10 S. Clemens lib. 1. Recog.

11 Der H. Vatter Franciscus.

12 Der Wassermann gießt zwar kein Wasser/ ist doch ein Ursach grosser Wassergussen.

13 S. Fara Hagarii Tochter wäinte sich blind/ als sie sich verheyrathen solte. Ravisius, & Valent. Leucthius in vita SS. 7. Ian.

14 Neptunus der Meer-Gott.

15 Meer-Göttin. Poët.

16 Die Seel/ die da sündiget/ wird sterben. Ezech. 18. v. 4. Die Engel wurden lieber in die Verdammnuß gehn/ als Gott mit der geringsten Sünd beläidigen. in vit. Cathar. Genuen.

17 Gen, 25. in fine.

18 Gen. 3.

19 Nach der Viele meiner Schmertzen haben mich deiner Tröstungen erfreuet. Psal. 93. v. 19.

[153] [157]6. Clorinda bedenckt das grosse Ubel der Hoffart/ und die Hochschatzung der Demuht: schätzet sich glückselig in ihrer Demühtigung

Custodiens parvulos Dominus: humiliatus sum, & liberavit me.

Psal. 114. v. 6.


Der Herr bewahret die Kleinen: Ich bin gedemühtiget worden/ und Er hat mir geholffen.


1.
Lucifer gläntzend' über alle Engel/
Welchen erschaffen Gott hat ohne Mängel/ 1
Weilen er aber schön/ und auserlesen
Trutzig aus Hoffart gegen Gott gewesen/
Wurde vom Himmel neben einer grossen
Menge verstossen/ 2
Mußte mit seinen bösen Mit-Gesellen
Fahren zur Höllen.
2.
Kaum da geschloffen Adam aus der Erden/
Wolte den Göttern er schon ähnlich werden/ 3
Wordurch in Ungnad Gottes er gefallen/
[157]
Nicht ohne grossen Schaden unser allen/
Wurde/ weil er demühtig nicht geblieben/
Ewig vertrieben;
Mußte dem schönen Paradeiß absagen/
Seuffzen/ und Klagen.
3.
Jenes aus Hoffart hocherhebte Babel 4
Wolte zuhoch mit seinem Ehren-Schnabel/
Suchte biß in den Himmel auffzusteigen/
Gott aber zeigt ihm früh genug die Feigen/
Massen es bald von Ubermuht bethöret/
Wurde verstöret/
Mußte zum Hon-Spiel (ohne Spitze) werden
Billich auff Erden.
4.
Boßheit/ und Hoffart/ beyde Schwestern haben
Den mehr als stoltzen Pharaon begraben/ 5
Weilen er Gott nur hönisch hat getrutzet/
Wurde sein Hochmuht unerhört gestutzet/
Massen er mit vielen kümmerlichen Plagen/
Wurde geschlagen/
Mußte/ wie Bley/ sammt seinem Heer versincken/ 6
Spöttlich ertrincken.
5.
Grausam entsetzlich haben endlich müssen
Die Sodoms-Kinder ihre Hoffart büssen/ 7
Himmlisches Feur hat ihre Städt' verzehret/
[158]
Alles in lauter Wüsteney verkehret/
Niemand/ als Loth mit Seinen/ ist entrunnen/
Alle verbrunnen:
Geilheit/ und Hoffart kamen in die Flammen
Beyde zusammen. 8
6.
Arphaxad dort ein schöne Stadt erbaute/ 9
Welcher er mehr/ als seinem Gott/ vertraute/
Hatte den Feind zu seinem höchsten Schaden
Mit seinem Hochmuht reitzend' eingeladen/
Mußte von seinen schön- und hohen Mauren
Fort mit Bedauren/
Wurde gestürtzt von seinem Ehren-Wagen/
Elend erschlagen/
7.
Hätte Darîus seinen Stand erkennet/ 10
Niemal sich einen Götter-Sohn genennet/
Nicht Schmach erwiesen eine auff die ander
Dem/ seinen Knecht genennten/ ALEXANDER,
Er noch ein Herr des Reiches unvertrieben
Wäre geblieben;
Seinen Hals aber haben ihm zerbrochen
Trutzen/ und Pochen.
8.
Hoffart ist gleich den hoch gewachsnen Eychen/
Welche der Wolcken blaues Hauß erreichen/
[159]
Weil sie bey ihnen aber Wohnung machen/
Pflegen sie hefftig wider die zu krachen/
Plitzen erzörnt mit unerhörten Toben
Auff sie von oben/
Dann sie durchaus nicht bey sich haben wöllen
Solche Gesellen.
9.
Also kan Gott auch keine Stoltze leyden/
Müssen auff ewig seinen Hofe meyden/
Wann sie zu hoch-auff ihre Köpffe richten/
Macht er sie/ gleich dem Sonnen-Staub/ zu nichten/ 11
Stürtzet herunder mit Unglückes-Streichen
Solche Berg-Eychen:
Niemal ist Hoffart/ Ubermuht/ und Prangen
Glücklich abgangen.
10.
Gleich wie der Rauch zu nichte sich versteiget:
Gleich wie der Thon nur währet/ da man geiget:
Gleich wie die Liechter scheinend' Ehr erwerben/
Aber unrühmlich auch mithin abserben/
Also auch sich die schnöde gröster Ehren-
Dünste verzehren:
Billich ein Brand die Schöne seiner Flammen
Solte verdammen.
11.
Wann die Ragueten nach der Höhe ziehlen/
Sie zwar alldorten schöne Sachen spiehlen/
[160]
Gleich darauff aber/ wie die Plitze/ knallen/
Mithin auch Ruhm-loß auff die Erde fallen:
Also ist auch der Ehr-verliebten Affen
Glücke beschaffen/
Unverhofft/ ehe sie gar hinauff gestiegen/
Fallen/ und ligen. 12
12.
Niemal ist Hoffart ohne Schand geblieben/
Hat zu dem Fall den Phaćton getrieben/
Welcher auff seinem schönen Ehren-Wagen
Meisterloß wolte durch die Höhe jagen/
Hochmuht hat aber seine Räiß verkürtzet/
Ihne gestürtzet/
Mußte im 13 mit unerhörtem Schaden
Zu tode baden.
13.
Icarus von dem Ubermuht betrogen/ 14
Ist hoch aus Hoffart übersich geflogen/
Wolte den Vatter muhtig überfliegen/
Fangte darauff an hin und her zu wiegen/
Könnte der Sonnen Hitze nicht erleyden/
Müßte sie meyden/
Biß er entflüglet ohne Krafft gesuncken.
Völlig ertruncken.
14.
Kleine hingegen hoch erhaben werden
[161]
Nicht nur im Himmel/ sonder auch auf Erden/ 15
Gott pfleget sie zu lieben/ und zu preisen/
Selbst die Prachthansen ihnen Ehr beweisen/
Welche die Demuht zwar in andern lieben/
Keine doch üben:
Hochmuht in andern (ohne selbst verlassen/)
Schelten/ und hassen.
15.
Unglück hat nächst sein Hause bey den Reichen/
Unverhofft pflegt es ihnen einzuschleichen;
Gnad herentgegen ruhet auff den Kleinen/
Welche bey sich selbst kleine Zwerge scheinen;
Daphnis setzt ab die/ so nach Ehren dürsten/
Keine Prachthansen neben ihm in Hulden
Kan Er erdulden.
16.
Gleich wie die Hennen ihre Jungen schützen
Immerdar wider dero Feinde glutzen/ 16
Also beschützt Gott die mit eignen Händen/
Welche demühtig sich zu ihme wenden/
Laßt ihnen nichts/ so schaden auch den Haaren
Möcht'/ wiederfahren:
Seine Verfolgung jener auff sich hetzet/
Der sie verletzet. 17
17.
Hoffart ist Ursach/ daß die Hölle brennet/
Der man unsinnig schaaren-weiß zurennet/
[162]
Hochmuht ist Ursach/ daß wir alle sterben/
Ja so viel tausend ewiglich verderben:
Hochmuht ist Ursach/ daß viel edle Christen
Seynd Atheisten: 18
Hochmuht hat Teutschland/ läider! umbgekehret/
Spöttlich entehret.
18.
Hochmuht ist stracks die grade Straß zur Höllen/
Weh' denen/ die sich nur erheben wöllen/
Welche nur stäts nach Glück/ und Ehren trachten/
Mithin ihr eignes Seelen-Heyl verachten/
Hoch werden solche sich betrogen finden/
Bleiben dahinden:
Prächtig mit Aman zwar auf Erden prangen/
Aber dort hangen.
19.
Eitle Welt-Kinder/ deren Hertz gefangen
Von schnödem Ehrgeitz höret auf zu prangen/
Wolt' ihr aus Gottes Lieb/ und Huld nicht fallen/
Ey so vermeydet diese Pest vor allen;
Aendert in Demuht/ selig einst zu werden/
Eure Geberden;
Suchet mit mir die wahre Glückes-Güter/
Edle Gemühter.
[163] 20.
Alles ist eitel/ nichtig alles alles/ 19
Nicht wohl ein Nachklang eines öden Halles/
Alles hinschleichet/wie der lähre Schatten/
Alles entweichet/was wir jemal hatten/
Himmlische Güter aber ewig währen/
Niemal erlähren:
Demuht ist/ so die Seligkeit erzwinget/
Höchst hinauff tringet.

Fußnoten

1 Isa. 4. v. 12.

2 Apoc. 8: v. 12.

3 Ecce Adam quasi unus ex nos his factus est. Gen. 3. v. 22. ibid. v. 23.

4 Gen. 11.

5 Exod. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

6 Exod. 15. v. 10.

7 Gen. 19.

8 Ezech. 16. v. 49.

9 Ecbatanis, Iudish. 1.

10 Lib. 2. Supplem. ad Q. Curt.

11 Isa. 1. v. 30. & 31.

12 Vidi impium superexaltatum, & elevatum, sicut cedros Libani, Es transivi, & ecce non erae. Psal. 36. v. 35. & 36. Vt casu graviore ruantsolluntur in altum.

13 Der Fluß Padus in Italia.

14 Icarus wolte mit wärinen Flüglen fliegend seinen Vatter Dædalus überwinden; ist aber gefallen/ und ertruncken.

15 In Cant. Magnificat. v. 7. Deposuit.

16 Deut. 32. v. 10. & 11.

17 Ezech. 2. v. 8.

18 Halten zeitliche Glückseligkeit/ und die Ehr für ihren Gott.

19 Eccl. 1. v. 2.

[164] [169]7. Clorinda beklagt ihr unvernünfftige Gottlosigkeit/indeme sie ein so geraume Zeit keinen Gott erkennt

Dixit insipiens in corde suo, non est Deus.

Psal. 13. v. 1.


Der Unweise hat gesagt in seinem Hertzen/ es ist kein Gott.


1.
Das hat die Sünd/ 1
Daß sie verblendet/
Des Menschen Hertz geschwind
Von seinem Gott abwendet/
Und welcher sich darinn vertiefft/
Vor Gott/ wie Jonas, sich verschliefft/ 2
Wird flüchtig/ wie die Tauben/
Gottloß/ wie Ephraim, 3
Verliehrt den Glauben/
Und Gott mit ihm.
2.
Wohl wird der Nacht
Die Sünd verglichen/
Indem sie alles macht
Verfinstert/ und verblichen;
[169]
Bey dieser Nacht der Wandersmann
Des Wegs sich nicht verrichten kan/
Blind hin und wieder wattet/
Biß in dem Irrthumms-Moos
Er/ gantz ermattet/
Stirbt Hoffnungs-loß.
3.
Dieses hab ich
Auch selbst erfahren/
Als ich befunden mich
Noch in den Wollusts-Jahren/
So sehr wurd' ich des Liechts beraubt/
Daß ich an Gott nicht mehr geglaubt/
Hab'/ als ein Spiel der Affen/
Veracht das Göttlich Ammt/
Und/ als ein Pfaffen-
Gedicht/ verdammt.
4.
Ich glaubte nicht
Zu seyn ein Himmel/ 4
Die Höll wär' ein Gedicht/
Und nur ein Schreck-Getümmel/
Sie wäre nur ein Pfaffen-Traum/
Die Leut zu halten in dem Zaum/
Und wenn ein Gott schon wäre/
So hätt' er dennoch nicht
So groß- und schwäre
Straff zugericht.
[170] 5.
Wann ihm bewußt/
Wie wir beschaffen/
Könnt eine kleine Lust
Er nicht wohl ewig straffen; 5
So blöde Schwachheit hätte nicht
Verdient ein solches Blut-Gericht/
Wie könnt Er also raasen/
Wann Er das Höchste Gut?
Die Höll anblasen
Zu solcher Glut?
6.
Für selig hab'
Ich nur gehalten
Des Glückes reiche Gaab/
Und Schönheit der Gestalten:
Nach Wollust/ Reichthum/ Freud/ und Ehr/
Und was die Welt kan geben mehr/
Hab' embsig ich getrachtet:
Die Tugend aber/ ach!
Viel mehr verachtet/
Als keine Sach.
7.
Das ist der Grund/
Und gantzes Wesen/
Worinn mein Glaub bestuhnd'/
Den ich mir auserlesen:
[171]
Mein Fleiß/ Gewerb/ und Ubung war'
Die Buhlerey nur immerdar;
Mein hoch-geschätzte Bibel
Geweßt ist Amadis, 6
Wovon mein Ubel
So sehr einriß'.
8.
Als aber ich
Zu überflüßig
Der Lust/ gebrauchte mich/
Wurd' endlich ich verdrüßig/
Vermerckte/ wie daß alle Freud
Geäuglet wär auff Dorn-Gestäud/
Wie ihr geschärfftes Ende 7
Das Hertz zu stechen pfleg'/
In Traur verwende/
Die Wollusts-Täg.
9.
Dahero wann
Ich müd des Schertzens
Mithin gefühlet dann
Die Bitterkeit des Hertzens/
Hab' ich von dem Verdruß bewegt/
Mich an ein Fenster hingelegt/
Den Himmel angeschauet
Fürwitzig hin und her/
[172]
Wie er gebauet
So künstlich wär'. 8
10.
Ich nahme wahr
Am Hauß der Sternen
Die hoch-vergüldte Schaar
Der Himmlischen Laternen/
Ich sahe bey entfärbter Nacht/
Wie sie bezogen ihre Wacht/
Wie zu gewissen Stunden
Sie zeigten ihren Glantz/
Darauff verschwunden/
Erbleichten gantz.
11.
Wie daß der Mon
Bald gantz verblichen/
Drauff bald gehörnert schon/
Mit Silber überstrichen/
Wie daß er bald in vollem Schein/
Bald wiederumb gezogen ein:
Wie Hesperus 9 am Abend/
Zu Morgens Lucifer
Vor ihm hoch-trabend'
Stäts lauffen her.
12.
Bey Tag/ wann ich
Von dem Getümmel
[173]
Was abgeschrauffet mich/
Und angeschaut den Himmel/
Vermerckt ich/ wie die göldne Sonn/
Die Tages-Mutter/ unser Wonn/
In vier und zwantzig Stunden/
Unmüd in ihrer Raiß/
Den groß- und runden
Erd-Klotz Umbkräiß.
13.
Wie daß man sie
Nie hörte girren/
In ihrem Lauff auch nie
Vermerckte zu verirren/
Noch daß sie jemal Schaden lidt'/
Ob sie schon thät so lange Schritt'/
Und wann sie sich verloren
Von uns schon in die Ferr/
Neu doch gebohren
Zu Morgens wär'.
14.
Wie daß die Erd
Durch warme Regen
So schön befeuchtet werd'/
Nachdem sie kahl gelegen/
Wie sie aus ihrer schwangern Schos
Hervor die Blumen häuffig stoß'/
Und zwar der schönsten Arten
So mancherley/ daß man
Von ihr erwarten
Nichts edlers kan.
[174] 15.
Wann dieses ich
Bey mir erwogen/
Hat die Vernunfft dann mich
Zu solcher Frag gezogen/
Wer dieser Dingen Ursach sey/
Ob auch ein Werck des Meisters frey?
Was für ein Hauß jemalen 10
Sich selbst hab' auffgericht?
Ob es auch Strahlen.
Geb' ohne Liecht?
16.
Wann diese Welt
Steh' von sich selber/
Von niemand auffgestellt/
Sey ewig sie unfehlbar;
Und ist dann ewig sie allein/
So muß sie Gott unfehlbar seyn/
Dann alle diese Sachen/
Die man auffwachsen sicht.
Sich können machen
Ja selbsten nicht.
17.
So muß zuvor
Dann aller Dingen
Ein Ursach seyn/ empor/
Was werden soll/ zu bringen/
Wer aber ist die Grund-Ursach
Als Gott/ der keinem Ding zu schwach;
[175]
Dem so viel edle Wercke
Zu schaffen viel zu schwär/
Wann seine Stärcke
Nicht Göttlich wär'.
18.
Kan aber die
Natur seyn Göttlich/
Die da beständig nie?
Das wär' nicht Göttlich/ spöttlich:
Wir sehen ja von Stund zu Stund/
Wie auch die Felsen gehn zu Grund/
Wie daß die Krafft der Erden
Sehr nemme täglich ab/
So daß sie werden
Müß' selbst ihr Grab.
19.
Was ewig ist/
Das bleibt beständig/
Wird auch zu keiner Frist
Von seinem Seyn abwendig:
So ist die Welt dann ewig nicht/
Weil immerzu ihr Wesen bricht/
Ist endlich sie/ so rühret
Sie von dem Wesens her/
Dem da gebühret
Die Göttlich' Ehr.
[176] 20.
O Gott/ du hast
Die Welt erhaben/ 11
Sammt ihrem gantzen Last
Aus nichts hervor gegraben; 12
Du bist der grosse Sabaoth,
Der Erden/ und des Himmels Gott/
Dich will ich ewig preisen/
Dann du hast mich getröst/ 13
Von dem unweisen
Gestanck erlößt.

Fußnoten

1 Prov. 18. v. 3. S. Thom. 1. p.q. 14. a. 1.

2 Ion. 1.

3 Osea 7 v. 11.

4 Deren Atheisten Gedancken.

5 Fehler des alten Origenis.

6 Ein Fabel- und Buhlerey-Buch/ von welchem und andern dergleichen Liebes-Büchern die junge Leut verführet werden/ daß sie nachmalen zu den Tugenden und Andacht keinen Lust mehr haben.

7 Das End der Freud ist Laid. Prov. 14. v. 13.

8 In der Welt-Freud verursachet die Begierd eine Ersättigung/ die Ersättigung Verdruß. In der Geistlichen verursachen die Begierd eine Ersättigung/ und die Ersättigung das Verlangen. S. Greg. in hom.

9 Abend- und Morgen-Stern.

10 Weil die Natur abnimmt/ so ist sie nicht ewig/ Ist sie nicht ewig/ so ist sie nicht Gott.

11 Psal. 88. v. 12.

12 2. Mach. 7. v. 28.

13 Quàm magnificata sunt opera tua Domine, omnia in sapientia fecisti. Psal. 103. v. 24.

[177] [182]8. Clorinda erfreut sich/ daß sie von dem unglückseligen Sünden-Stand/ und böser Gesellschafft erlößt/ in den Stand der heylsamen Buß versetzt worden

Domine, deduxisti ab inferno animam meam, salvâsti me à descendentibus in lacum,

Psal. 29. v. 4.


Herr/ du hast meine Seel aus der Höllen geführt: du hast mich erlöst von denen/ die in die Grube fahren.


1.
Satan sammt allen Gespenstern der Höllen/
Welche des Menschen gefährlichste Feind/
Einen gottsförchtigen Menschen zu fällen/
Warlich so mächtig bey weitem nicht seind/
Als die Leichtfertigkeit böser Welt-Kinder/
Weilen geschwinder
Der Mensch durch eine böse That
Verführt wird/ als durch blossen Raht.
2.
Welcher mit spitzigen Dörnern umbgehet/
Ohne Verletzung kommt nimmer darvon;
Waitzen/ der unter die Distel gesäet/
Leichtlich ersticket/ wie gut er auch schon;
[182]
Malvasier unter dem Eßig nicht dauret/
Gäntzlich versauret:
Wer bey den Bösen Freundschafft sucht/
Mit ihnen auch bald wird verrucht. 1
3.
Unter den räudigen Schaafen niemalen
Bleibet ein sauberes Lämmlein gesund;
Auch so gar göldne Becher/ und Schalen
Werden besudlet von kräncklichem Mund:
Köche bey rußigen Häfen/ und Härden
Schmutzig bald werden:
Wer Vögel-Kleb/ und Hartz berührt/
Wird von demselben leicht beschmiert. 2
4.
Weißlich die Vögel dem Geyer abweichen/
Billich abscheuhet den Habich die Daub/
Wann sie viel wolten mit ihnen umbstreichen/
Wurden sie ihnen bald werden zum Raub;
Lämmer/ der Wölffen Gemeinschafft beflissen:
Werden zerrissen:
Wer sich den Träbern mischet ein/
Den fressen/ wie man sagt/ die Schwein.
5.
Dieses hat Dina genugsam erfahren/
Als sie welt-süchtig gezogen von Hauß/ 3
Hätte den Kosten wohl können erspahren/
Massen es übel geschlagen ihr auß/
[183]
Dann sie ein seufftzende Trägerin wurde
Kindlicher Burde:
Bey Frommen in dem Vatterland
Erlidten hätt kein solche Schand.
6.
Lucifer unter den Englen schlimm hausend/
Wegen der Boßheit ein räudiges Schaff/ 4
Tödtlich ansteckte derselben viel tausend/
Zoge sie mit sich zur ewigen Straff;
Wenig sind die nicht durch böse Gesellen
Fahren zur Höllen:
Ein fauler durchgehölter Zahn
Steckt unvermerckt viel andre an.
7.
Salomon, welcher in blühender Jugend 5
Weiser gewesen/ als niemand vor ihm/
Welchen Gott wegen vielfältiger Tugend
Oeffter gewürdigt mit leiblicher Stimm/
Als er die Heydnische Weiber berühret/
Wurde verführet:
Ein zahmer Baum im wilden Wald
Die gute Art verliehret bald.
8.
Petrus hat unter den bösen Gesellen 6
Bey dem Feur sitzend sich hefftig verbrennt/
Als er den Menschen bekennen nicht wöllen
Welchen er besser/ als niemand/ gekennt/
[184]
Eine nur schwache Magd machte den alten
Felsen zerspalten:
Dem Stroh kommt die Gesellschafft theur/
Wann es sich nahet zu dem Feur.
9.
Judas ist worden der ärgste Mißthäter/ 7
Weil er der Juden Gemeinschafft gesucht/
Wurde gar seines Erlösers Verrähter
Also/ daß er sich auch selbsten verflucht/
Wäre zu solcher Mißhandlung nicht kommen
Unter den Frommen: 8
Dem Mäußlein/ so mit Katzen spilt/
Unfehlbar es das Leben gilt.
10.
Weilen Proserpina 9 eintzig spatzierte
Frecherweiß auff dem Ennæischen Feld/
Pluto 10 von dannen sie gähling entführte
Nach dem unlustigen Höllen-Gewäld/
Wäre/ wann sie die Gesellschafft geschohen/
Leichtlich entflohen:
Wer sich nicht scheucht vor böser Schaar/
Der geht zu grund in der Gefahr. 11
11.
Abraham mußte die Freunde verlassen/
Vatter/ und Mutter aus Gottes Geheiß/ 12
Böse Gesellen abscheuhen/ und hassen/
[185]
Meiden das schädliche Götzen-Geschmeiß/
Also sich selber von schlimmen/ und bösen
Freunden erlösen:
Der Safft muß abgesöndert seyn
Von Träbern/ soll er werden Wein.
12.
Gleicher weiß müßte von Sodoma weichen
Eylends der übel-gesellete Loth, 13
Ohne verschnauffen dem Berge zu keichen/
Gäntzlich verlassen die sündige Rott/
Hätte unschuldig sonst eben auch müssen
Fremmde Sünd büssen:
Wer sich den Mördern zugesellt/
Sich selbst ein böses End erwehlt.
13.
Moyses bey Pharaon wolte nicht bleiben/
Ob er schon wurde gehalten sehr hoch/
Wolte viel lieber die Wullen austreiben/
Als sich ergeben dem Heydnischen Joch/
Sorgte von Gott sich gar endlich zu scheiden
Unter den Heyden:
Wer ein verfaultes Aaß nicht fliecht/
Auch den Gestanck bald an sich ziecht.
14.
Wann dich die Sünder/ sagt Salomon, locken/
Lasse bey Leib dich mit ihnen nicht ein/ 14
Ob sie schon zeigen die köstliche Brocken/
Göldene Schalen mit Cretischem Wein/
[186]
Sonsten wirst du es in ewigen Qualen
Müssen bezahlen:
Dann keinem wird die Zech geschenckt:
Heißt/ mit gestohlen/ mit gehenckt.
15.
Unter der bösen Gesellschafft ich immer/
Läider! gewesen von Jugend auff bin/
Wurde dahero nur immerdar schlimmer/
Lauffend' nach aller Leichtfertigkeit hin
So/ daß ich endlich im Cyprischen Orden 15
Meisterin worden/
Vertiefft gantz in der Sünden-Höll/
Vertretten hab'/ der Lais Stell. 16
16.
Endlich als Daphnis mich also gesehen
Unter der nunmehr verworffenen Schar/
Daß es umb meine Seel wäre geschehen/
Massen ich ärger/ als Rosemund war/ 17
Hat Er sich meiner Gottlosen erbarmet/
Heimlich umbarmet/
Und aus des Satans Rachen mich 18
Gezogen mit Gewalt zu sich.
17.
Gleich wie Andromede wurde errettet
Aus dem Verderben durch Perseus Hand/
Als sie am Felsen anhangte gekettet/
[187]
Und sich nun gäntzlich verschätzet befand';
Also hat Daphnis mich aus dem gewissen
Elend gerissen:
Das von Andromede Gedicht
An mir ist worden ein Geschicht.
18.
Orpheûs hat seine Gemahlin entzogen
Mittels der Harpffen dem traurigen Reich 19
Weilen er aber dem Pluto gelogen/
Hat er verlohren sie wiederumb gleich/
Welches Verbrechen Euridice büssen
Schmertzlich hat müssen:
Mich Daphnis aber hat erlößt/
Daß ewig ich darmit getröst.
19.
Machte die böse Gesellschafft mich fliehen/
Stellte mich völlig auff sicheren Fuß;
Ach daß ich sie auch mir könnte nachziehen/
Ernstlich zu würcken erforderte Buß!
Daß wir nachmalen/ gottselig bereuet/
Wurden erfreuet:
Ach werdet schmertzlich doch berührt
Ihr endlich/ die ich hab' verführt!
20.
Eya dann Sünden-vertieffte Welt-Kinder
Kommet/ und folget mir büssenden nach;
Wer sich selbst straffet/ der büsset gelinder/
Rettet sich selber vor künfftiger Schmach:
[188]
Allezeit pflegen beläidigte Waffen
Strenger zu straffen.
Wo Gott nicht muß/ da strafft Er nie/
Wer sich selbst strafft/ spart Ihm die Mühe.

Fußnoten

1 Proverb. 13. v. 20. Amicus stultorum efficitur similis.

2 Eccles. I.v.t. qui tangit picem, inquinabitus ab ea.

3 Gen. 34.

4 Tertia pars stellarum. Apoc. 8. v. 12.

5 3. Reg. 3.

6 Marc. 14. 4. Matth. 16. Tu es Christus filius Dei vivi.

7 Matth. 26. v. 14. tunc abiit.

8 Cum electo electus eris, & cum perverso, pervertéris. Psal. 17. v. 27.

9 Die Höllen-Göttin.

10 Der Höll-Gottt Poët.

11 Eccles. 3. v. 27. Qui amas periculum, peribit in illo.

12 Gen. 14.

13 Gen. 19.

14 Prov. 1. v. 10. Si te lactaverint peccatores, ne acquieseas eis.

15 In der Unlauterkeit.

16 Lais ein berühmte Gelt-Gewinnerin zu Corinth.

17 Ein gottlose Königin.

18 Simulacris sacrificabant, & ego, quasi Nutritius Ephraim, portabam eos in brachiis meis: & nescierunt, quòd curarem eos: in funiculis Adam trahebam eos. Osc. II. v. 3. & 4.

19 Der Höllen. Hat die Bedingnuß gebrochen. Poët.

[189] [194]9. Clorinda fühlet allgemach/ wie lieblich der Herr/dahero sie lieber sterben/ als durch einige Widerwärtigkeit von Ihm abweichen will

Qui nos separabit à charitate Christi, tribulatio, an angustia, an fames, an nuditas, an periculum?

Rom. 8. v. 35.


Wer will uns scheiden von der Liebe Christi/ Trübsal/ oder Angst/ Hunger/ oder Blösse/ oder Gefahr.


1.
So bald der heiß-hungrige Bär/
Den lieblichen Honig vernimmt/
Umb selben (wie tölpisch auch er)
Unsteigbare Bäume beklimmt/
Und ob ihn die Immlein schon stechen/
Am Honig-Dieb dapffer sich rächen/
So laßt er von dannen doch sich
Abtreiben mit keinem Gewalt/
Verachtet die schmertzliche Stich'/
Der Honig den Schmertzen bezahlt.
2.
So bald der begierige Falck
Vermercket die seuffzende Daub/
[194]
Verfolgt der arglistige Schalck
Den Felsen-zuflüchtigen Raub/
Verachtet des Falckeniers Locken/
Erhitzet auff sinnlichen Brocken/
Nachsetzet demselben so lang/
Biß daß er ihn endlich gefaßt/
Durch keinen auch tödtlichen Zwang
Von solchem abschrecken sich laßt.
3.
Wer einmal verkostet/ und schmeckt/
Wie gütig/ und lieblich der Herr/ 1
Denselben kein Abentheur schreckt/
Und wann es Megæra 2 schon wär'/
Ja alle Gespenster der Höllen/
Wie ungeheur sie sich auch stellen/
Da müssen abweichen mit Spott/
Ablegen ihr stumpffes Gewehr;
Dann welcher sich sehnet nach Gott/
Durchdringet die feindliche Heer. 3
4.
Wie stärcker alldorten ergriff' 4
Und risse vom Boden hervor
Die Flut das Noëische Schiff/
Je mehr es gestiegen empor/
Durch grausames Brausen/ und Bellen
Der rasenden Winden/ und Wellen
Getrieben wurd' immer nur fort
[195]
Schnell-fliegend Armenien zu/ 5
Nach seinem erfreulichen Port/
Und ewig-verordneter Ruh.
5.
Es könnte des Potiphars Weib/
Eydbrüchig an weiblicher Pflicht/
Den mehr als Lucrecischen Leib
Des Josephs begwältigen nicht/
Wie starck sie auch ihne bestritten
Mit strengen Anhalten/ und Bitten/ 6
Dann Joseph in Schützung der Zucht
Ein wahrer Freund Gottes verblieb':
Auff Parthisch mit löblicher Flucht 7
Die freundliche Feindin vertrieb'.
6.
Ein treulich Gott-liebende Seel
Von ihrem Vorhaben nicht weicht/
Umbstürtzet den Höllischen Bel 8
Mit Daniels Waffen gar leicht:
Gott lieben macht Zwerge zu Riesen/
Wird klärlich an David erwiesen/
Der dorten ergriffen fünff Stein
(Von Göttlichem Eyffer bewegt) 9
Mit welchen er/ ob er schon klein/
Den trutzigen Riesen 10 erlegt.
7.
Gleich wie der Eyßvogel die Bruht
[196]
Aushäcket bey grimmigster Kält'/
Auch ihme das Wasser nichts thut/ 11
Bey dem er sich immer auffhält/
Auch also den/ welcher Gott liebet/
Kein einiges Unglück betrübet/
Ist wie ein felßechtes Gestad/
An welchem das starcke Gewäll
Sich gäntzlich zerstosset/ und matt
Abweichet mit lährem Gepräll.
8.
Nichts könnte den liebenden Job 12
Von seinem Gott trennen jemal/
Obschon ihn der Satan sehr grob
Ergriffen mit allerhand Qual/
Obschon er ihm grausam gezwagen/
Die Häuser sammt Kindern erschlagen/
Kühe/ Rinder/ Schaaf/ Oren/ Camel
Auff einen Tag alles entführt/
Den gantzen Leib (ohne die Seel)
Mit hefftigsten Plagen berührt.
9.
Die Himmel-hoch steigende Flamm
Die fromme Hebræër nicht hat/ 13
Wie hoch sie auch schlagte zusamm/
Vermögen zu sündlicher That/
In Mitte der Flammen stäts haben
Gesungen die muhtige Knaben/
[197]
Hingegen hat selbiges Feur
Die böse Chaldeér verzehrt:
Die Boßheit kommt Bösen sehr theur:
14Gott schützet den/ welcher Ihn ehrt.
10.
Gleich wie das beständige Gold
Im Ofen nur köstlicher wird
So/ daß ihm die Menschen gantz hold
Nachstreben mit heisser Begierd/
Wird in dem Feur immer nur feiner/
Fürtrefflicher/ schöner/ und reiner;
Auch also nimmt zu der Gerecht'
In seinem hochschätzbaren Wehrt/
Je mehr ihm durch scharffes Gefecht
Der Satan zu schaden begehrt.
11.
Wie wurd' Eleazarus nicht 15
Zu sündigen nöhtlich geträngt/
Und wider die Jüdische Pflicht
Zu handlen an hefftig gestrengt;
Doch könnte das Wüten der Heyden
Von seinem Gott ihne nicht scheiden/
Kein Marter/ wie schrecklich auch sie/
Abschrecken ihne könnt' von Gott/
Wolt' eher auch sterben/ als je
Verlassen sein heiligs Gebott.
12.
So bald sich das Epheu der Maur
[198]
Viel-füßig gehefftet hat an/
Dasselbig noch Regen/ noch Schaur
Hinfüro absönderen kan/
Laßt eher sich völlig zerreissen/
Ja Stuck-weiß zur Erden hinschmeissen/
Als daß es freywillig abweich'/
Von welcher es wurde gesteurt/
Womit es sein' Treu/ und zugleich
Beständige Liebe betheurt.
13.
So kan auch den Liebenden nicht
Von seinem Gott sönderen ab
Noch Schrecken/ noch scharffes Gericht/
Noch schmeichlen/ noch reitzende Gaab;
Wird lieber sein köstliches Leben/
Als seinen Gott treuloß auffgeben;
Verachtet die Freuden/ so ihm
Die schnöde Glücks-Göttin fürhält/
Als eine Sach/ welche mehr schlimm/
Dann alle Trübsalen der Welt.
14.
Viel tausend bezeugten ja diß
Mit häuffig vergossenem Blut/
Indem sie der Hencker hinriß'
Zur Marter mit grimmigem Wuht; 16
Theils liessen lebendig sich schinden/
Theils an das Creutz andere binden/
Theils haben auff glüendem Rost
[199]
Die stoltze Tyrannen gespilt/
Von oben mit Göttlichen Trost
In ihrer Verfolgung erfüllt.
15.
Es hat der Satan zwar sich
Bemühet mit allem Gewalt
Durch seine Versuchungen mich
Zu stürtzen auff manche Gestalt/
Doch würd ich von keiner so hefftig
Beträngt/ und bestritten so kräfftig/ 17
Als von dem nichtswertigen Wohn
Zu werden bey denen veracht/
Bey welchen ich/ läider! mich schon
Durch Boßheit annehmlich gemacht.
16.
Ach diese gemeine Welt-Pest
Mich hatte bethöret sehr lang/
Zurucke gehalten so vest/
Daß schwärlich zu siegen der Zwang:
Ich dencke mit Seufftzen/ und Klagen:
Was werden die Menschen doch sagen?
Wann Welt-scheuh Clorinda nunmehr
Gantz Nonnisch sich halten wird ein?
Das wird ja die gröste Unehr
Mir bey den Welt-Kinderen seyn.
17.
O wie viel/ viel tausend (sag' ich)
[200]
Dem bösen Feind haben gehorcht/
Von Daphnis gesönderet sich
Krafft dieser armseligen Forcht!
Viel lieber Gott wolten mißfallen/
Als rühren den Sündern die Gallen/
Verlassen das ewige Gut/
Zu bleiben bey diesen in Huld/
Gehn also zur Höllischen Glut
Aus eigner freywilliger Schuld.
18.
Diß ware der Gordische 18 Knopff/
Womit ich viel Zeiten verzehrt/
Indeme mein närrischer Kopff
Stäts wolte nur werden geehrt;
Als aber ich meine Gedancken
Gezwungen in engere Schrancken/
Betrachtend/ daß aller Welt-Gunst
Als Schatten/ vergänglicher sey/
Und wie ein auffsteigender Dunst
Im Augenblick schleiche vorbey.
19.
Als hab' ich mit starckem Entschluß
Den blöden Forcht-Teuffel veracht/
Hingegen durch Menschen-Verdruß
Mir Daphnis zum Freunde gemacht/
Als der sich ein pfleget zu stellen
Getreuer/ als jene Gesellen/
[201]
Die Freunde bey lachendem Glück/
Bey rasendem keine mehr seynd/
Sich diebisch dann ziehen zurück/ 19
Verlassen den seuffzenden Freund.
20.
Gott aber in äusserster Noht 20
Ein treuer Freund bleibet allein/
Drumb will ich im Leben und Tod
Mit ihme vereiniget seyn:
Und ob es mit seinen Feld-Heeren
Gradivus 21 auch wolte verwehren/
So muß er mit seinem Gewalt
Doch endlich abweichen mit Spott;
Dann wer mich von Daphnis abhalt/
Wird müssen seyn stärcker/ als Gott.

Fußnoten

1 Quàm magna multitudo dulcedinis tuæ. Psal. 30. v. 28.

2 Höll-Gespenst.

3 Si consistant adversum me castra, non timebit cor meum Psal. 26, v. 3.

4 Gen. 7.

5 Gen. 8.

6 Gen. 39.

7 Die Parthier pflegten mit Fliehen zu siegen.

8 Ein Heydnischer Abgott. Dan. 14.

9 1. Reg. 17.

10 Goliath.

11 Non contristabit justum, quicquid acciderit ei. Prov. 12. v. 21.

12 Iob. 1. & 2.

13 Effundebatar flamma super fornacem quadraginta novem, cubitis. Dan. 3. v. 47.

14 Quicunque glorificaverit me, glorificabo eum. 2. Reg. 2. v. 30.

15 2. Math. 6.

16 So viel 1000. Blut-Zeugen Christi.

17 Menschlicher Respect/ welcher die meiste Sünder von der Bekehrung abhaltet.

18 Ein sehr verwirrter Knopff/ welchen Alexander mit dem Schwerdt auffgelößt.

19 Vnusquisque se à proximo suo custodiat, & in omni fratre suo non habeat fiduciam, etc. Isa. 9. v. 4.

20 Pater meus, & mater mea dereliquerunt me, Dominus autem assumpsit me. Psal. 26. v. 10.

21 Der Kriegs-Gott. Poët.

[202] [206]10. Clorinda erfreut sich deren so viel ausgestandenen Beschwärnussen und Widerwärtigkeiten/ weilen ihr Gott dieselbige mit Himmlischen Trost so reichlich ersetzet

Secundùm multitudinem dolorum meorum in corde meo consolationes tuæ lætificaverunt animam meam,

Psal. 93. v. 19.


Nach Viele deren Schmertzen meines Hertzens haben deine Tröstungen meine Seel erfreuet.


1.
Es ist des Himmels Schluß
Den Faulen zum Verdruß/
Daß niemand werd' belohnt/
Der treulich nicht gefrohnt;
Vor ausgeraufftem Dorn
Wachßt weder Wein/ noch Korn;
Ein ungebautes Land
Bringt wenig Frucht der weich- und zarten Hand.
2.
Dem Jäger in der Ruh'
Laufft das Gewild nicht zu/
[206]
Muß sich bewerben lang
Umb einen guten Fang:
Man schlupfft nicht ein so gleich
In das Schluraffen Reich:
Nach dem Land Canaan 1
Hat Josuë viel harte Tritt gethan.
3.
Das hat schon Rom erkennt/
Und sinnreich eingewendt/
Indem' es auffgeführt
Ein Hauß/ sehr schön geziert/ 2
Woraus es wohl bedacht
Zwey Tempel hat gemacht;
Der Arbeit einer zwar/
Der andere der Ehr geheiligt war'.
4.
Zum Ehren-Tempel doch
War' weder Thür/ noch Loch/
So/ daß man gehn hinein
Nicht könnte/ dann allein
Nur durch der Arbeits-Thür/
Die offen für und für:
Der faulen Burst zur Lehr/
Daß ohne Mühe zu hoffen sey kein Ehr.
5.
Es war auff einem Feld
Ein schönes Obs-Gewäld/ 3
[207]
So voll der Früchten war'
Von reinstem Gold so gar;
Ein Drack' lag' aber vor
Des Gartens starcken Thor/
Wer was von dieser Frucht
Wolt' haben/ mußt' ihn schlagen in die Flucht.
6.
Das schöne Paradeiß
Vor diesem hatt den Preiß/
Dann dieses Früchte trägt/
Die man auch Gott vorlegt/ 4
Doch steht an Drackens Stell
Ein Creutz am Thür-Geschwell;
Wer dieses auff sich nimmt/
Dem ist zu Lohn das Paradeiß bestimmt.
7.
Wer aber allerseits
Nur fliehen will das Creutz/
Ohn' alle Arbeit seyn/
Den laßt man dort nicht ein;
Dann wer des Creutzes Feind/
Der ist nicht Daphnis Freund/ 5
Und wer ein solcher ist/
Der wird erkennet nicht zu seyn ein Christ.
8.
Das Leyden ist ein Spiel/
Dem auffgesetzt sehr viel; 6
Dem Sieger ist bereit
[208]
Die Cron der Seligkeit;
Wer sich darumb nicht reißt/
Und Krafft-gemäß befleißt/
Nur fliehen will die Mühe/
Der wird niemalen auch bekommen Sie.
9.
Der nicht versucht das Schwerdt/
Ist keines Sieges wehrt;
Die ausgestand'ne Schlacht
Den Kriegsmann ruchtbar macht:
Wer keiner Arbeit hold/
Wird sammlen wenig Gold/
Und wer verschmächt das Bier/
Der ist nicht werth zu trincken Malvasier. 7
10.
Zu der Erquickungs-Ruh'
Rufft Gott nur die hinzu/
So alles Trostes lähr/
Mit Creutz beladen schwär; 8
Wer hier will selig seyn/
Der muß dort leyden Pein/
Das zeuget in der Höll
Der reiche Mann/ 9 des Bacchus Tischgesell. 10
11.
Drumb ist es tröstlich mir
Zu leyden viel allhier/
Dann was mich hart da brennt/
Wird mir in Trost verwendt:
[209]
Das Leyden daurt nicht lang/
Ist nur ein Ubergang/
Nach kurtz-erlittnem Leyd
Folgt gähling ohne End die Himmels-freud. 11
12.
Nach ungeheurer Nacht
Die Morgenröht erwacht/
Erfreut die gantze Welt/
Die von der Nacht gequält/
Vertreibt des Hertzens Traur;
Nach Donner/ Blitz und Schaur
Laßt sehen sich alsdann
Der Regenbogen/ trostreich jedermann.
13.
Dem Winter folgt der Lentz/
Setzt auff die Freuden-Kräntz'/
Sein bunt-geblümmtes Kleid
Vertreibt das Winter-Läid;
Nach Unfall kommt das Glück/
Treibt das Unheil zurück/
Und trücknet ab den Schweiß/
Dem es gemacht zuvor sehr bang und heiß.
14.
Nach Wäinen folgt der Trost/
Der alle Qual hinstoßt:
Nach Krieges Wütterey
Macht sich der Fried herbey:
Nach ungestühmen Meer
[210]
Legt sich der Wellen-Heer:
Nach vielem Ungemach
Quällt endlich auch hervor der Nectar-Bach.
15.
Ich fühl auff Erden schon
Der Arbeit grossen Lohn/
Dann alles wird mir leicht/
Was ich zuvor gescheucht/
Mir wird in meiner Hand
Schon ring/ was ich befand'
Vorhero schwär zu seyn;
Die Liebe Gottes wirfft den Zucker drein.
16.
Die Creutz-Einbildung macht
Den Sonnenschein zur Nacht/
Es scheinet alles hart/
Was sonsten lind/ und zart;
Wer diese überwindt/
Viel anderst es befindt;
Was kan dem bitter seyn/
Der nur einmal versucht den Liebes-wein? 12
17.
Wann ich nichts anders hätt'/
Als nur das sanffte Bett/
Wo mein Gewissen ruht
In unverstörtem Muht/ 13
So könnt ich wohl mit Fug
Erfreuen mich genug;
[211]
Ach was für harte Sturm'
Entstehen nicht von dem Gewissens-Wurm!
18.
Wie plagt/ und nagt er nicht/
Wo er viel Sünde sicht!
Was macht er nicht für Pein/
Wo er genistet ein!
Wann sich zu Nachts im Hauß 14
Nur regt ein arme Mauß/
Wann nur ein Läublein sich
Bewegt/ so geht schon in das Hertz ein Stich.
19.
O wann ihr Menschen wißt/
Wie süß das Leben ist/
Wo das Gewissen frey
Der Sünden-Tyranney/
Und/ flüchtig von der Welt/
Allein an Gott sich hält/
Ihr wurdet heute noch
Ablegen das schmertzhaffte Sünden-Joch.
20.
Vor grosser Freud kan ich
Schier selbst nicht fassen mich/
Daß Gott mich aus dem Kaht
Der Sünd gerissen hat:
Ihm sey Danck/ Lob und Ehr/
Der mich geliebt so sehr/
Daß er durch allerhand
Beschwärnuß mich gebracht zu solchē Stand.

Fußnoten

1 Gelobte Land.

2 Templum honoris & laboris.

3 Der Hesperische Garten, Poët.

4 Umh kleine Trübsal ewige Glory. 2. Cort. 4. v. 18.

5 Deren Feinden des Creutzes Christi Ende ist der Undergang. Philipp. 3. v. 18.

6 Non coronnabitur, nisi legitimè etc. 2. Tim. 2. v. 5.

7 Dulcia non meruit, qui etc.

8 Venite ad me omnes. Matth. II. v. 28.

9 Luc. 16. v. 19.

10 Sauff-Gott. Poët.

11 S.P. Franciscus post regulam ad Fratres.

12 Cant. 2. v. 4.

13 Secura mens quasi juge convivium, Prov. 15. v. 15.

14 Terrebit eos sonitus solii volantis. Lev. 26. v. 36.


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